Unsere neue Serie „Videozuspiel unter 1.000 Euro“ soll zeigen, was der Markt für Zuspielungen aktuell zu bieten hat und für wen sich ein genauer Blick auf die Produkte lohnt. Den Anfang machen wir mit Mitti von Imimot – „MAZ ab“!
MAZ ab! Diese Regieanweisung hat noch heute ihren festen Platz in vielen Shows – Knöpfe an BETACAM-Recordern drückt jedoch niemand mehr. Wenn kein Medienserver zum Einsatz kommt, sind es Rechner und Laptops mit einer Softwarelösung, die zum Abspielen von Videos und Bildern dienen. Die Digitalisierungswelle hat verschiedene Produkte hervorgebracht, welche in unterschiedlichen Anforderungen ihre Nischen gefunden haben. Wir wollen einen Blick auf die etablierten Programme und auch die Underdogs des softwarebasierten Videozuspiels werfen.
Der erste Kandidat in unserer Reihe stammt aus dem Hause Imimot. Die ungarische Firma um den Entwickler Tamás Nagy hat 2011 mit ihren Projekten begonnen und sich dann 2013 gegründet. Das Projekt Mitti existiert seit Dezember 2016 und gehört somit zu den jüngeren Lösungen auf dem Markt. Mitti hat zur Prämisse, ein einfach zu bedienendes Tool mit umfangreichen Funktionen zu sein. Die Zielgruppe wird weit gefasst und reicht von Theater- und Ausstellungsanwendungen bis hin zum Live-Event. Ob das Tool wirklich für alle Gruppen geeignet ist, wollen wir im Folgenden erörtern.
Mittis Kernkompetenz ist das Abspielen von Videodateien. Mit den bevorzugten Formaten ProRes und HAP bewegt sich die Software mitten im aktuellen Branchenstandard. Sie ist schon lange in 64 Bit programmiert und arbeitet seit Release 1.5.5 von September 2019 auch mit der Hardware-Beschleunigung Metal von Apple. Damit ist Mitti auch bereit für MacOS Catalina, welches das Ende für 32-Bit-Software in Macs einläutet. Mitti ist ausschließlich für MacOS verfügbar und so wird es vermutlich auch bleiben.
Mitti kann Videos, Bilder, PDF, Audiodateien, Syphon Inputs, NDI und Kamerainputs wiedergeben. Je nach Quelle können die Cues per Drag and Drop oder per Kontextmenü in die Cuelist geladen werden. Ein nettes Feature ist der eigene Videoconverter, welcher auch legacy Quicktime Codecs in HAP oder ProRes umrechnen kann. Einzelne Cues lassen sich ebenso loopen wie die komplette Playlist.
Die gängigsten Optionen für Cues – wie z._B. Fade In, Fade Out, Loop, Link zum nächsten Cue, Freeze auf letztem Frame und ähnliches – sind direkt im aufgeklappten Cue per Icon aktivierbar. Man sieht also jedem Cue den jeweiligen Status sehr schnell an. Über das Zahnrad Icon bekommt man Zugriff auf weitere Optionen wie In- und Out-Point, Farbkorrektur und Audio Channel Routing. Tipp: mit den Shortcuts CMD+ALT+I und CMD+ALT+O setzt man IN und OUT direkt an die aktuelle Stelle des Cursors – hierfür wären Buttons aber auch nicht schlecht gewesen.
Mitti bietet neben den zu erwartenden Standards eine große Palette an Videoeffekten. Pro Cue lässt sich einer der etwa 100 ISF-Effekte anwenden. Auch wenn solche Effekte erst einmal wie Spielerei anmuten, so hat die standardisierte Schnittstelle durchaus Vorteile. So ist aufgefallen, dass es keine Crop-Funktion in den Video- und Bildeinstellungen gibt. Wir haben im Mitti-Userforum auf Facebook nach einem Workaround gefragt … und Imimot hat innerhalb von nur einer Stunde den Nutzen einer solchen Funktion erkannt und diese als neuen Effekt zum Download bereitgestellt. Vielleicht sehen wir die Funktion in einem zukünftigen Release auch direkt in den Einstellungen, doch bis dahin erfüllt der neue Effekt auf jeden Fall schon mal den gewünschten Zweck.
Für alle Cues, die keine definierte Wiedergabedauer haben, kann man global und auch einzeln eine Anzeigedauer festlegen. Capture-Karten von Blackmagic Design werden von Haus aus unterstützt und auch ein per Lightning angeschlossenes iPad oder iPhone lässt sich darstellen (iOS 8 oder höher). Mit wenigen Klicks lässt sich zum Beispiel eine automatische Umschaltung zwischen Quellen realisieren, so ähnlich wie es die Kameras bei der ZDF-Sendung „Dittsche“ machen. Eine einfache Bilder-Slideshow ist so auch ruckzuck erstellt.
In den allgemeinen Playlisteinstellungen lassen sich die Eigenschaften der Cues als Standard abspeichern. So können alle neu eingefügten Cues immer auf dem letzten Frame pausieren und man muss nicht immer wieder alles neu konfigurieren. Wenn es eine Slideshow sein soll, dann ändert man in den globalen Playlist-Einstellungen das Cue-Verhalten auf „Link zum nächsten Cue“ und fügt gleich alle Bilder mit den richtigen Einstellungen hinzu. Das ist clever gelöst.
»Besonders positiv bei Mitti fallen der eigene Videoconverter und die Vielfalt an möglichen Quellen auf.«
Alexander Heber
Output-Features
Mitti stellt zur Wahl, auf welchen Displays ausgegeben werden soll. Es gibt ein Testbild pro Bildschirm und eine 4-Ecken-Korrektur. Eine verteilte Content-Ausgabe über mehrere Displays ist möglich und in diesem Zusammenhang gibt es auch ein recht rudimentäres Edge-Blending. Damit kommt man im professionellen Bereich aber nicht weit. Die Vollbildwiedergabe kann unten links unter der Cueliste an- und ausgeschaltet werden und mit dem „Auge-Icon“ und dem Fader kann man zu Schwarz blenden.
Mitti macht das Routing von Audiokanälen angenehm einfach. Es ist schnell und unkompliziert möglich, die Audiospuren der Quellen auf die verfügbaren Outputs zu routen und mit einem Delay zu versehen. Auch hier werden globale Einstellungen getroffen, welche ebenfalls pro Cue überschrieben werden können. Mitti spielt also gut mit externen Soundkarten und Dateien mit mehreren Audiospuren zusammen. Die Lautstärke kann allerdings nur per Clip und nicht per Kanal eingestellt werden. Das Delay greift global auf allen Outs. Der Syphon Server von Mitti ist automatisch aktiv, sobald ein Syphon Client auf dem Mac die Schnittstelle abfragt, man kann und muss nichts konfigurieren.
Beim NDI-Output hat man die Wahl zwischen dem standardmäßig aktiven und performanteren YUV oder der RGBA-Variante – sollte man den Alphakanal benötigen. Der Blackmagic-Output von Mitti gibt die vorhandenen Geräte zur Wahl, insofern die Treiber installiert sind. Signale, welche über diese Schnittstelle abgegriffen werden, können nicht mit Hilfe der GPU-Beschleunigung erzeugt werden. Die Funktionen, die Mitti für Blackmagic-Geräte bereitstellt (z.B. Verwendung der Keyer), sollten also gut getestet werden.
Mitti lässt sich selbstverständlich mit Keyboard und Maus bedienen. Für die gängigsten Funktionen gibt es Shortcuts, die Liste dafür ist in der gut strukturierten Hilfe abgelegt. Für die externe Steuerung stehen das eigene Protokoll NMC, OSC/UDP, MIDI, und DMX zur Verfügung. Das eigene NMC-Protokoll stellt bei Bedarf eine Ein- und Ausgangsverbindung zu anderen Imimot-Tools (z._B. Vezér) her. Die grundlegenden Playlistbefehle über die OSC-Schnittstelle haben es schon nativ in die Companion-App von Bitfocus (siehe auch Artikel “Bitfocus Companion: Clevere Software” aus Production Partner Ausgabe 6|2019) geschafft. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer OSC-Befehle. Ein Rückweg lässt sich eben falls einrichten und kann z. B. die verbleibende Cuezeit anzeigen. Per Art-Net kann man vier einfache Aktionen zuweisen: Start/Stop, vorheriger Cue, nächster Cue und den Master-Fader. Die möglichen MIDI-Befehle sind genauso knapp gehalten.
Die Anzeige der verstrichenen und verbleibenden Zeit basiert auf SMTPE und hängt von den Playlist-Einstellungen ab, es ist also sinnvoll die innere Uhr von Mitti der Frame rate der Clips anzupassen. Videos mit einer anderen Framerate werden aber dennoch in time abgespielt. Die Playlist kann auch mit SMPTE-Timecode via LTC oder MTC gesteuert werden. Leider wird der Timecode nur angezeigt, wenn sich die Playlist im Wiedergabebereich befindet. Solange der Timecode vor dem Offset spielt, zeugt lediglich ein Uhrensymbol von einem erkannten Timecode. Man kann nur einen Offset und damit nur einen Startpunkt der gesamten Playliste einstellen. Das bedeutet, dass die Cueliste mit allen Anzeigelängen durchprogrammiert werden muss. Ist die Liste den Anforderungen entsprechend konfiguriert, funktionieren Wiedergabe, Pausieren und Springen durch die Liste zuverlässig. Ein rückwärtiges Abspielen der Clips wird allerdings nicht unterstützt. Im Timecode-Slave-Modus sind andere Schnittstellen zu großen Teilen deaktiviert und die Bearbeitung der Playlist ist nicht möglich.
Mitti ist eine einfach zu bedienende Software. Durch die Vielzahl der unterstützten Medien ist sie ein interessanter Begleiter auf Events. Gerade wenn man nicht genau weiß, mit welchem Content man noch überrascht werden könnte, bietet Mitti einen praktischen Funktionsumfang. Hier ist auch der interne Converter ein hilfreiches Extra, selbst wenn dieser nicht alle Formate wandeln kann. Für einfachere Installationen ist Mitti sicher auch ganz gut geeignet. Die Funktionen für Multidisplay-Anwendungen und Timecode-Steuerungen überzeugen indes nicht, hier sind andere Programme deutlich weiter. Mitti ist mit 299 USD für zwei Rechner vergleichsweise günstig und hat dafür doch recht viel zu bieten. Die Entwicklung wird zudem stetig verbessert und Imimot arbeitet leidenschaftlich an dem Projekt. Wer Interesse an Mitti hat, kann sich die kostenlose Demoversion herunterladen. Diese bietet zwar direkt alle Funktionen, beendet sich aber auch nach einer Probezeit von nur 20 Minuten selbst.
Imimot Mitti auf einen Blick
Betriebssystem: Mac OSX
Unterstützte Medien: Video, Audio, Bilder, PDF, Syphon, NDI, USB Capture Cards, Webcams, Blackmagic Decklink, iOS per Lightning-Kabel
Unterstützte Video-Codecs: ProRes 422, HAP, HAP Q, PhotoJpeg, H.264, mit Alphakanal: ProRes 4444, HAP Alpha, HAP Q Alpha
Unterstützte Audioformate: wav, aif, mp3, m4a, flac (macOS 10.13 und neuer), Mehrkanalton möglich und routbar
Transport: rein Cue-basiert, eine Timeline ließe sich theoretisch mit „Vezér“ (ebenfalls von Imimot) realisieren
Lizenz: Aktivierung per Software Key
Preis: $299,- netto für zwei Geräte (alternativ auch $79,- Miete pro Monat für zwei Geräte); besondere Deals auf Anfrage