Der kompakte Grafikprozessor mit Thunderbolt-Anschluss fühlt sich normalerweise in Studio- und Broadcast-Umgebungen zuhause. Das Konzept hinter dem Produkt könnte mit kleinen Anpassungen jedoch auch einen festen Platz im AV-Alltag bekommen.
Das digitale Event hat nach wie vor Rückenwind und treibt die Ansprüche von Zuschauenden zusehends in die Höhe. Während einige Veranstalter das Online-Event noch immer als klassische Veranstaltung planen, bringt die Vielzahl neuer Streaming-Studios immer öfter Fernseh-Charakter auf die Tablets und Laptops der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Die Zahl der Aufzeichnungen in veranstaltungsorientierten Studios nimmt zu und lässt Events noch enger mit Broadcast zusammenrücken. Aus diesem Grund liegt es nahe, über den Tellerrand zu schauen und einen Blick auf Broadcastprodukte zu werfen, die uns auf dem Weg zum neuen Veranstaltungsstandard begleiten könnten.
Eines dieser Produkte ist der AJA T-TAP Pro. Das kompakte Gerät dient als Video-Ausgangskarte für unterstützte Software. Der T-TAP Pro meldet sich also nicht als normaler Grafikausgang beim Betriebssystem an, sondern muss von Entwicklern über das SDK in Software integriert werden. Das Gerät ist frisch auf dem Markt und die Liste der unterstützten Programme wächst noch. Die natürliche Umgebung des T-TAP Pro sind Studios und Szenarien, bei denen Bildsignale überwacht und inspiziert werden müssen. Beispielsweise beim Color-Grading, Schnitt oder Qualitätsprüfungen.
Der Grafikprozessor gliedert sich optisch in die Minikonverter-Serie ein und fühlt sich hochwertig an. Das Gerät wird per Thunderbolt 3 am Rechner angeschlossen und bietet einen 12G-SDI-Anschluss, einen HDMI-2.0-Ausgang und einen 3,5-mm-Kopfhöreranschluss. Die Spannungsversorgung erfolgt mit einem externen Netzteil.
Der Anschluss am Gerät hat eine Verriegelung, aber alles am Stecker ist aus Plastik gefertigt und die kleine Nase gegen das versehentliche Trennen vom Strom würde einem ständigen Auf- und Abbau sicher rasch zum Opfer fallen. Der kleine Formfaktor des Gerätes verliert mit dem externen Netzteil zwar ein wenig an Bedeutung, dennoch passt das Set noch mit in die Laptoptasche.
Die Intention hinter den Geräten der „Mobile I/O“ Serie ist es, Bildsignale zu generieren, die exakten Standards entsprechen und unabhängig von Treiberversionen und Einstellungen im Betriebssystem operieren. Die Hochleistungsgrafikkarten von AMD und Nvidia liefern große Rechenleistung zu guten Preisen, sind jedoch nicht speziell für die Ausgabe von Signalen in SMPTE-Standards designt. Die Prozessoren kommen mit einer eigenen Konfigurationssoftware, mit der man die volle Kontrolle über Farbraum, Auflösung, HDR-Profil und Bildwiederholfrequenz gewinnen soll.
Neben Auflösungen bis 4096 px × 2160 px bei maximal 60 fps, werden 16 Audiokanäle im SDI- und acht Kanäle im HDMI-Signal unterstützt. Am Frontpanel gibt es eine LED-Anzeige für den Audiopegel: Das ist praktisch und an jedem Arbeitsplatz für Videoplayback eine große Hilfe. Für das Abhören des Signals dient der Kopfhöreranschluss. Das Poti steuert wahlweise den Pegel des Kopfhörerausgangs oder die Pegel der eingebetteten Audiosignale im SDI bzw. HDMI.
Die Einstellungen des T-TAP Pro sind über das Control Panel erreichbar. Manche Software erlaubt Änderungen der Funktionen über die Integration, manche nicht. Hier ist die Frage, wie die API und das SDK ausgeschöpft worden sind. Grundsätzlich erhält man Zugriff auf genau die Optionen, die man sich von einer Grafikkarte für Standardauflösungen wünscht. Man bewegt sich natürlich in SMPTE-Standards und kann nicht nach Belieben Auflösungen und Taktraten festlegen. Das ist auch nicht Sinn und Zweck.
Es geht darum, eine Standardauflösung festlegen zu können und sich darauf zu verlassen, dass diese mit allen Spezifikationen ausgegeben wird. Ob im Zusammenspiel mit Recordern, Mischpulten, Medienservern oder LED-Wänden: Vertrauen in eine exakte Ausgabe hilft bei der Fehlersuche und beim effizienten Einrichten von Systemen.
In unserem kleinen Exkurs haben wir den T-TAP Pro mit fünf Programmen ausprobiert. Mit dem AJA Control Room ist die Anbindung des Gerätes nur einen Klick entfernt. Bei den Produkten von Adobe finden sich unterschiedliche Optionen und auch der Start der Ausgabe ist von Programm zu Programm unterschiedlich geregelt. In den Support-Dokumenten auf der AJA-Webseite finden sich Anleitungen zu jeder unterstützten Software. Wer in Verbindung mit Wirecast arbeiten möchte, muss von der eigentlichen Control-Panel- Software abrücken und die „AJA Multi-Channel-Config App“ für die Konfiguration nutzen, das ist etwas unpraktisch. Wirecast ist im Moment auch auf 1080p beschränkt, was aber an der Wirecast-Integration und nicht am T-TAP liegt.
Mit Premiere Pro konnten wir problemlos Test-Content aus einer 4K-Timeline mit 5 K @ 23.97 Hz wiedergeben. Der Blick auf den Waveform-Monitor zeigt, dass Farben und Graustufen alle an ihren Platz sind. Die Bildqualität ist makellos. Diese Art der Ausgabe ist dem Wandeln eines HDMI-PC-Signals in SDI deutlich überlegen.
Für das Zuspiel von Grafiken kann man sich Photoshop zunutze machen. Die Übertragung erfolgt nicht in Echtzeit. Stattdessen wird der aktuelle Stand des Dokuments auf Knopfdruck übertragen. Sollten also Grafiken kurzfristig angepasst werden müssen, beispielsweise bei einer Award-Veranstaltung, so wäre dies eine Möglichkeit.
Bei After Effects erfolgt die Ausgabe zusammen mit dem Cursor in der Timeline. Hier sollte man die Timeline vorher rendern, wenn man direkt und flüssig wiedergeben will und beim Ton kann es durchaus zu Synchronisationsproblemen kommen: Alles Eigenheiten von After Effects, die auch der T-TAP Pro nicht abschaffen kann.
Epic Games Unreal Engine unterstützt ebenfalls eine Wiedergabe über das Gerät. Diese Ausgabe haben wir nicht betrachtet, sollte aber dennoch Erwähnung finden, da die Verwendung der 3D-Gaming-Engine aus virtuellen Produktionen kaum mehr wegzudenken ist. Häufig reicht hier ein Output aber ohnehin nicht aus.
Was bei allen Varianten auffiel, war die starke Wärmeentwicklung am Gerät. Es wird heiß genug, dass man die Hand nicht länger als ein paar Sekunden darauf liegen lassen möchte und kann. Die passive Kühlung hat in Umgebungen für Studiomonitoring durchaus Sinn, denn jede Geräuschquelle wird als störend empfunden. Im Windschatten einer E2 oder eines Tricasters wäre das allerdings kein Thema mehr.
Neue Veranstaltungsformate, Virtual Production und Streaming sorgen für größere Schnittmengen zwischen Broadcast und Event. Für den professionellen AV-Markt spezialisierte Grafikkarten sind durchaus sinnvoll. Signalketten mit 10 Bit oder sogar 12 Bit sind im Kommen und jede Komponente mehr, die einem Gewissheit verschaffen kann, hilft bei der Umsetzung dieser Aufgaben.
Die grundlegenden Features des T-TAP Pro sind gut, aber es fehlt am Zuschnitt auf unsere AV-Bedürfnisse. Ein Input für ein Referenzsignal und ein weiterer SDI-Ausgang, über den sich Luminanzsignale für Key & Fill-Anwendungen nutzen lassen, wären ideal. Ein dedizierter Audioausgang würde ebenfalls zur Attraktivität beitragen. Der nächste Schritt wäre die Einbindung in Software aus dem AV-Bereich. So ein Gerät möchte man nahtlos an Millumin, Mitti, CasparCG, Newblue Titler oder auch Powerpoint anbinden.
Bild: Alexander Heber
Bild: Alexander Heber
Der Io 4K Plus aus der Produktserie kommt unseren Zwecken schon näher und kann u. a. auch von Resolume Arena oder Ventuz genutzt werden. Mit einem Preis von knapp 2.000 Euro netto und einem größeren Formfaktor ist das Gerät aber auch kein Gimmick für die Laptoptasche.
Externe Grafikprozessoren mit Thunderbolt-Anbindung und Features für unserer AV-Bedürfnisse wären in jedem Fall ein Plus für viele Arbeitsabläufe. Mit dem weiteren Zusammenwachsen von AV und Broadcast müssen wir vielleicht gar nicht so lange darauf warten. Wer in Umgebungen arbeitet, in denen der T-TAP Pro auch ohne AV-Spezialisierung brillieren kann, erhält das Gerät für ca. 650,- € netto.