Horizontale Abstrahlung von Linienstrahler-Lautsprechern
Wie funktioniert ein Cardioid-Lautsprecher?
von Anselm Goertz,
Schmale Zeilenlautsprecher bieten über die Länge und Filterung skalierbar eine sehr gute Möglichkeit zur Anpassung der vertikalen Directivity. In der Horizontalen sind die Möglichkeiten dagegen beschränkt. Tiefe Frequenzen werden nach hinten meist fast so gut abgestrahlt wie nach vorne. Hängen die Zeilen an der Wand oder auch Rücken an Rücken, ist das unproblematisch. Werden sie jedoch in der Art einer PA seitlich am Bühnenrand gestellt oder gehängt, dann können die hohen Pegel bei tiefen Frequenzen auf der Bühne schnell zu einem Problem werden. Der Bass wird von den Akteuren auf der Bühne als unschöner Druck empfunden und die Gefahr eines Feedbacks wächst erheblich.
Ein signifikantes Richtverhalten in der horizontalen Ebene ließe sich durch verschiedene Möglichkeiten erreichen. Eine ausgedehnte Strahlerfläche, ein großes Horn oder durch eine Cardioid-Anordnung. Für einen Zeilenlautsprecher bleibt nur letztgenanntes als Möglichkeit. Genau das wurde beim Kling & Freitag VIDA als optionale Ergänzung gemacht.
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Ein Zusatzmodul, das VIDA C, ist mit weiteren Tieftönern bestückt und wird aus dem VIDA L über einen bereits vorhandenen Endstufenausgang angesteuert. Das Cardioid-Prinzip basiert auf zwei Quellen, die in einem definierten Abstand hintereinander angeordnet sind, von denen die hintere zusätzlich verpolt und mit einem Delay belegt ist. Die Delayzeit entspricht dabei der Laufzeit für den Abstand zwischen den beiden Quellen.
Abhängig von den Einstellungen kann so ein Cardioid-Verhalten mit maximaler Auslöschung bei 180° oder auch ein Hypercardioid erzeugt werden, der die maximale Auslöschung bei 120° hat.
Der Hypercardioid ist vor allem von Vorteil, wenn die Lautsprecher vorne, seitlich der Bühne hängen. Dann zeigt die Achse der maximalen Auslöschung direkt auf die Bühne. Beides geht mit dem VIDA-System. Da der Cardioid-Effekt nur für tiefe Frequenzen funktioniert, wird der hintere Basslautsprecher durch ein Tiefpassfilter oberhalb von 200 Hz abgekoppelt.
Der messtechnische Nachweis des Cardioid-Verfahrens erfordert eigentlich eine reflexionsfreie Umgebung. Nur dann kann die gegenüber der normalen Betriebsart erzielbare Rückwärtsdämpfung komplett nachgewiesen werden.
In einer Halle wird die Wirkung durch das Diffusfeld in der Halle verschliffen und ist nicht in ihrem vollen Ausmaß zu erkennen. Trotzdem haben wir bei den Messungen in der TUI Arena einen Vergleich aufgestellt, welcher Basspegel auf der Bühne mit den verschiedenen Einstellungen vorliegt. Die durchgezogenen Kurven in Abb. 6 zeigen den Frequenzgang für eine Messung in 15 m Entfernung vor dem Array und die gestrichelten Kurven als gemittelter Verlauf über jeweils 15 Positionen auf der Bühne.
Während in der Standardeinstellung als Point-Source die Pegel unterhalb von 200 Hz im Publikum und auf der Bühne nahezu gleich oder sogar auf der Bühne lauter sind, wird in beiden Cardioid-Modi eine deutliche Abschwächung auf der Bühne in einer Größenordnung von 10 dB erreicht, bei gleichzeitig auch noch leicht steigendem Pegel im Publikum. Nicht ohne Grund sind daher auch Cardioid-Subwoofer in den letzten Jahren sehr populär geworden. Mit relativ geringem Mehraufwand lässt sich eine sehr gute Wirkung in einem besonders kritischen Frequenzbereich erzielen. Neben den Vorzügen des geringeren Pegels auf der Bühne wird durch das Richtverhalten auch noch das Verhältnis Direktschall zu Diffusschall im Saal als Ganzes verbessert, womit die Basswiedergabe für das Publikum direkter und präziser wird.
Unsere Messung zeigt Frequenzgänge der Kling & Freitag VIDA in den Modi: Point (blau), Cardioid (rot) und Hypercardioid (grün). Durchgezogene Kurven für eine Messung in 15 m Entfernung vor dem Array und gestrichelt als gemittelter Verlauf über jeweils 15 Positionen auf der Bühne. Deutlich ist zu erkennen, wie der Basspegel auf der Bühne im Cardioid-Modus reduziert wird.