Wie aus dem Nichts: Lichttechnik bei der AIDAnova-Taufe
von Harry Heckendorf, Artikel aus dem Archiv
Im Rahmen einer weltweit einmaligen Inszenierung wurde am 30. August 2018 das neuste Kreuzfahrtschiff der AidaFlotte getauft: die AIDAnova. Nicht nur, dass einige technisch-inszenatorische Mittel erstmals bei einer Schiffstaufe verwendet wurden, auch das Werftgelände brachte einige Herausforderungen mit sich. Harry Heckendorf war für uns vor Ort und hat sich das Spektakel und die eingesetzte Lichttechnik angesehen.
Tiefe, kraftvolle, rhythmische Klänge durchdrangen das spätabendliche Treiben auf dem Veranstaltungsgelände. Erst vor wenigen Sekunden waren alle Lichtquellen erloschen. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden und die volle Aufmerksamkeit der rund 25.000 Gäste richtete sich nun auf die Stelle, an der in der Dämmerung noch das riesige Kreuzfahrtschiff zu sehen gewesen war. Jetzt herrschte am anderen Ufer des Hafenbeckens Nacht, das Schiff schien regelrecht von der Dunkelheit verschluckt worden zu sein. Im nächsten Moment zuckten riesige Amplituden von Pulsschlägen über den Rumpf des Schiffs – wie riesige Ausschläge eines EKGs – und die tiefen rhythmischen Klänge erklärten sich als überdimensionale Herztöne. Filigrane Laserstrahlen tasteten das versteckte Wesen ab, erste Konturen wurden sichtbar. Das Szenario nahm Fahrt auf. Immer heller und strahlender erwachte dort ein neues Familienmitglied der AIDA-Flotte, und als ob Poseidon höchstpersönliche seine drei Jüngsten zur Geburt entsandt hätte, tummelten sich unaufdringlich verspielt drei Flyboard-Artisten vor dem neugeborenen Kreuzfahrtschiff.
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Lichttechnik: Konzeption für 15 Minuten Spektakel
Das Künstlernetzwerk phase7 um Regisseur Sven Sören Beyer hatte für die Schiffstaufe ein 15-minütiges Spektakel entwickelt, das sich in vier Szenen gliederte. Im Mittelpunkt stand der klassische Taufakt durch eine Tauffamilie. Das anschließende Finale: ein Höhenfeuerwerk. Die Minuten dazwischen: Rasant strukturierte Lichtstimmungen, die immer wieder mit spontanem Applaus bedacht wurden.
„Bei diesem großen Taufakt wollten wir uns auf keinen Fall wiederholen, sondern etwas Innovatives schaffen“, erklärte Regisseur Sven Sören Beyer. „Zwei Faktoren bildeten die idealen Voraussetzungen dafür: Da das Werftgelände weit außerhalb städtischer Bebauung liegt, gab es kein störendes Restlicht. Außerdem würde das Schiff während des gesamten Abends unbewegt im Becken der Werft liegen.“ Die erste Idee sei ein gigantisches Videomapping auf dem 337 Meter langen und rund 70 Meter hohen Schiffsrumpf gewesen. Aus Kostengründen entschied man sich jedoch für die Lasershow.
„Wir wollten ein Bild und eine Stimmung schaffen, die dem Gemeinschaftsgefühl der AIDA-Familie sowie der Marke AIDA entspricht“, verriet Lichtdesigner Björn Hermann. „Wir wollten das Schiff langsam zum Leben erwecken, den Herzschlag hören lassen und später das Herz sehen. Dazu haben wir in Höhe des Theatriums – des zentralen Veranstaltungssaals des Kreuzfahrtschiffs – Fusion 2 Sticks von Ehrgeiz pulsieren lassen. Für die Projekte, die wir als Künstlernetzwerk phase7 umsetzen – aber auch meine eigenen Aufträge, die sehr häufig unter freien Himmel stattfinden – halte ich ständig die Augen nach Produkten auf, die nach der Schutzklasse IP65 zertifiziert sind. Der enorme Output, die gute Farbmischung und der enge Abstrahlwinkel der neuen Fusion 2 haben mich wirklich sehr beeindruckt.“
Ebenfalls begeistert zeigte sich der Lichtdesigner von den über 100 eingesetzten Elation Proteus Hybrid, die auch wegen der IP65-Klassifizierung erste Wahl gewesen sein dürften und für elegante, raumgreifende Bewegungen sorgten. Für die gleichmäßige, ruhige, tiefblaue Grundausleuchtung des Schiffes sorgten acht Elation Paladin, die über 1- kW-LED (24 × 40 Watt RGBW) verfügen.
»Wir wollten das Schiff langsam zum Leben erwecken, den Herzschlag hören und später das Herz sehen.«
Björn Hermann | Lichtdesigner
Matrix aus 300 Modulen GLP KNV
Die Basis der dynamischen Inszenierung war eine Matrix aus 300 Modulen GLP KNV, die in unregelmäßigen Abständen und verschiedenen Clustern vom Technikdienstleister Ambion an den Balkongeländern des Schiffes angebracht worden waren. Die beiden Opus-Preisträger Sven Sören Beyer und Lichtdesigner Björn Hermann hatten sich auf der Suche nach innovativer Technik mit GLP Key Account Manager Oliver Schwendke getroffen. „Anfang des Jahres stellte Oliver uns die ersten KNV-Prototypen vor und wir waren sofort begeistert von dem neuen GLP-Produkt,“ erinnerte sich Björn Hermann, „denn schließlich waren wir ja auf der Suche nach etwas, das flexibel, leistungsstark und zudem Outdoor-tauglich sein müsste. Ich erzählte Oliver Schwendke von der Schiffstaufe und fragte ihn spontan, ob man bis zu dem vorgesehenen Datum überhaupt die benötigte Stückzahl zur Verfügung haben würde.“
Sehr kurze Zeit später erhielten die beiden Kreativen nicht nur die Zusage für die gewünschte Menge an KNV-Einheiten, sondern auch die Möglichkeit, mit KNV-Prototypen in den neuen Berliner Räumlichkeiten von phase7 zu proben. „Dieses Erproben – im Sinne einer Theaterprobe – war wichtig und half uns bei der Ideenfindung“, betonte Sven Sören Beyer und Björn Hermann ergänzte: „Wir hatten dieses Bild des nächtlich golden-glitzernden Eifelturms im Kopf. Wir wollten den erhabenen, freundlichen Charakter dieses Bildes, das fast jeder Mensch auf der Welt kennt, auf dem weißen Schiffsrumpf erzeugen. Wir hatten zuvor lange überlegt, welches Produkt das Funkeln und Glitzern bieten kann. Es gibt natürlich eine Menge Strobes, Fluter und LED-Produkte, die ein großes Blinken beherrschen. Mir war es jedoch wichtig einen Algorithmus zu haben, der es ermöglicht, dem menschlichen Auge ein Funkeln und Glitzern zu vermitteln, das dem des Eifelturms möglichst nahe kommt.“ Nachdem der erste Teil des Taufakts den Lasern gehört hatte, spielte man in den folgenden Akten diese Karte zielsicher aus: „Die ses spezielle Funkeln, von dem eine einzigartige Magie ausgeht, konnten wird mit den KNV erzeugen“, lobte er das neue GLP-Produkt.
Ambion als erfahrener Dienstleister
Als technischer Dienstleister zeichnete bereits zum dritten Mal in Folge die Hamburger Filiale der Ambion GmbH für eine Schiffstaufe der AIDA Cruises verantwortlich. Das Gelände der Meyer Werft in Papenburg, das als Veranstaltungsort diente, stellte einerseits die Planer vor diffizile Herausforderungen, bot aber gleichzeitig den Kreativen die bereits beschriebenen Möglichkeiten hinsichtlich der Inszenierung. Bereits gegen Ende 2017 trafen sich Techniker und Kreative zu ersten Gesprächen. Dabei wurde rasch klar, dass die neuen Rahmenbedingungen dazu genutzt werden sollten, um eine einmalige Show zu realisieren.
Die größte Herausforderung bei dieser Produktion sei die Synchronisierung mit den laufenden Arbeiten der Schiffsfertigung, die Gewährleistung der hohen Sicherheitsbestimmungen der Werft sowie der laufenden Endfertigung, resümierte Christoph Janssen, Leiter der Hamburger Ambion-Filiale, die das Projekt steuerte. Ungewöhnlich umfangreich sei zudem die Anzahl aller am Kommunikationsprozess beteiligten Parteien gewesen. Die Einsetzung eines zentralen Ansprechpartners seitens der Werft half jedoch, die Abläufe zu optimieren. Die gesamte Produktion sollte möglichst „unsichtbar“ im laufenden Betrieb auf der Werft erfolgen. Dadurch ergaben sich ungewöhnliche Arbeitsbedingungen und daran eng gekoppelten Herausforderungen. Dazu zählten nicht nur enge Zeitfenster, getaktete Kranzeiten zur Ein- und Ausbringung der Technik an Bord, sondern auch geringe Lagermöglichkeiten in der Werft. Eine Just-in-time-Lieferung und -Abholung des Materials war unabdingbar, ebenso wie ein hohes Maß an Flexibilität, um spontan auf vorrangige Interessen des Schiffbaus zu reagieren. Die zusätzlich erforderliche Strom- und Signalinfrastruktur musste z. B. die Möglichkeit einer sich ändernden Liegeposition des Schiffes berücksichtigen.
Die Arbeiten selbst wurden überwiegend außerhalb der Schichtzeiten der Werft vorgenommen. Dabei setzte Ambion auf eine Mannschaft aus zwölf erfahrenen Technikern, die mit der Grundstruktur der Kreuzfahrtschiffe aus vorherigen Produktionen bestens vertraut sind. Da sich das Schiff zur Zeit der Taufe noch im Bau befand, mussten die jeweiligen Schritte täglich neu abgestimmt werden. So musste z. B. auf laufende Lackier- oder gar Schweißarbeiten an den Balkonen, an denen die Lampen angebaut werden sollten, spontan reagiert werden.
Zusammen mit diesen zeitlichen und räumlichen Bedingungen in der Vorbereitung waren die Ansprüche an Umfang, Qualität und Resultat der eingesetzten Technik sehr hoch. Insgesamt über 500 Installationsobjekte wurden auf dem Schiff angebracht: 300 × GLP KNV Cube, 100 × Ehrgeiz Fusion2 Sticks sowie 112 × Elation Proteus Hybrid mussten positioniert und an die Signaldistribution angeschlossen werden. Ein Teil der benötigten, brandneuen Technik wurde über den Kooperationspartner Motion GmbH aus Fürth an das Schiff geliefert. An Land befanden sich 30 × Robe BMFL WashBeams sowie vier JB Lighting P18 auf insgesamt fünf Towern. Die Lichtsteuerung erfolgte über vier GrandMA2 / zwei FullSize sowie zwei Grand MA Light mit insgesamt sechs NPU-Einheiten.
Lasermapping über 300 Meter
Für die Lasertechnik wa sich die Laserfabrik GmbH aus Hürth verantwortlich. Die Aufgabe, eine Laserprojektion auf einer Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder auf einen Schiffskörper zu realisieren, war eine Herausforderung – zumal es bei einer Entfernung von 300 Metern zum Objekt an die Grenzen der Sichtbarkeit und Leistungsfähigkeit gehen würde. Insgesamt standen 20 baugleiche 30-W-Laser nur für das Lasermapping zur Verfügung, neben zwölf weiteren Geräten für das parallel stattfindende NDR-Musikfestival auf dem Werftgelände. „Dies ist schon recht einzigartig“, verriet Laserfabrik-Geschäftsführer Jan Eiserloh und ergänzte: „Zumal wir diese Anzahl an Geräten selbst zur Verfügung stellen können – ohne Zumietung von Lasern mit unbekanntem Zustand.“
Die Projektionsfläche wurde in mehrere virtuelle Abschnitte aufgeteilt, sodass die Laserscanner wie bei einem Softedge-Videomapping jeweils ganz bestimmte, aber überlappende Bereiche abdeckten – ein unsichtbarer Vorgang. Sämtliche Positionen der Scanner waren von den Towern der Movinglights, die das Schiff beleuchteten, abgekoppelt worden. Schwenkbewegungen sowie Wind hatten bei den Proben erst für leichte, aber merkliche Beeinträchtigung der Projektion gesorgt, konnten aber mit den Softwaretools von Laserfabrik kompensiert werden. Die feste Liegeposition ohne Tidenhub machte überhaupt erst das Lasermapping auf ein Schiff in dieser Größe realisierbar. „Die AIDAnova war von der Werft sehr gut vertäut worden, sonst hätte die Feinjustage nicht so gut funktioniert“, resümierte Jan Eiserloh und ergänzte das Lob: „Sämtliche Aufbauten von Ambion waren eine logistische Meisterleistung und haben uns beste Arbeitsbedingungen ermöglicht. Neben den Stromleitungen wurden allen Beteiligten auch ideale Netzwerkstrukturen geboten. Auf einer Breite von rund 400 Metern war uns eine gleichmäßige Bespielung möglich, so dass alle Positionen optimale Bedingungen vorfanden – trotz der Distanz von rund 300 Metern. Nachdem die AIDAnova am vorhergehenden Samstag an die Show-Position gebracht worden war, arbeiteten vom FOH-Platz aus zwei Operatoren von 18 Uhr am Abend bis 6 Uhr morgens an der Programmierung und Anpassung. Zwei Techniker und ein Projektleiter komplettierten das Laserfabrik-Team vor Ort.
Die erfahrenen Laserspezialisten, die seit mehr als 18 Jahren auf dem Markt vertreten sind und unter anderem seit rund drei Jahren weltweit die Lasertechnik bei den Auftritten von David Guetta betreuen, setzen ausschließlich auf Qualitätsprodukte deutscher Hersteller (siehe Infokasten). „Es handelt sich dabei um ein sehr bewährtes Computersystem, dessen Qualität nach wie vor unerreicht ist, auch wenn es vom Design und der Bedienungsoberfläche her etwas überholt wirken dürfte“, schmunzelte Jan Eiserloh. „An Leistung ist es immer noch unübertroffen, das Beste am Markt und ein echter Branchenstandard.“
Nicht nur der Standort der Meyer Werft Papenburg war als Schauplatz einer derartigen Schiffstaufe neu, denn mit der AIDAnova wurde erstmals ein mit Flüssiggas betriebenes Kreuzfahrtschiff vorgestellt, und auch die Veranstaltungstechnik dürfte unter den eingesetzten Produkten wieder einige Stars geboren haben. Die kreativen Köpfe der phase7 sowie die beteiligten Gewerke zeigten erneut ihre Begeisterung für innovative Technik und bewiesen gleichzeitig den Mut, diese in einem weltweit beachteten Event gekonnt einzusetzen. Das Zusammenspiel bei diesem fulminanten, 15-minütigen, timecodebasierten Taufakt war beeindruckend. Die filigrane Abstimmung über einen Zeitraum von mehr als acht Monaten hat sich gelohnt: Das Publikum feierte die Taufe mehrmals mit spontanem Applaus. Grandios war auch der Schlussakkord der Potsdamer Feuerwerker: 1,5 Tonnen Feuerwerk in 90 Sekunden bei 1.000 Schüssen – das spricht wohl für sich. Nicht zu vergessen: David Guetta spielte anschließend ein gefeiertes Konzert, bei der die AIDAnova als benachbarte Kulisse diente.