Unbeschwert und frei: Lichtdesign bei Herbert Grönemeyer
von Harry Heckendorf,
Was Herbert Grönemeyer in seinen Songtexten besingt, gilt (zumindest für den Text des Liedes „Mensch“) auch für seine Konzerte: Der Mensch steht hier im Mittelpunkt, das Bühnenbild wirkt dabei „unbeschwert und frei“, um nicht vom Wesentlichen abzulenken. Das gelungene Bühnen- und Lichtdesign der „Tumult“-Tour 2019 stammt von CUE Design
Als Herbert Grönemeyer spontan ein Lied einschiebt, das dem Publikum spürbar nicht versagt werden darf, servieren die Kreativen am FoH zur spontan gereichten „Currywurst“ rasch die passende optische und akustische Atmosphäre … fehlen eigentlich nur noch Schwager Willi und der herzhafte Duft aus einer waschechten Bochumer Pommes-Bude. Wenn Grönemeyer im Revier unweit des ehemaligen Postleitzahlengebiets 4630 Bochum auftritt, ist dies mehr oder weniger ein Heimspiel. Was diesen Abend für die Anwesenden einmalig und unvergessen gemacht haben dürfte, ist sicher auch auf die unverkrampfte Kommunikation zwischen Künstler und Publikum zurückzuführen. Ruhrpott eben. Ebenfalls zu erleben war aber auch das perfekte Zusammenspiel wacher und einfühlsamer Menschen, die die Konzerte technisch in ihren Händen halten – die jene einzigartigen TausendstelMomente erkennen, diese hervorheben, die Darbietung des Künstlers und seiner erstklassigen Band lesen und vergrößern. Und als die Westfalenhalle im Laufe des Abends spontan den 50er-Schlagerklassiker So ein Tag, so wunderschön wie heute anstimmte und der Künstler an seinem Klavier die vom Publikum angebotene Tonart ertastete, wurden die nötigen Regler kurzerhand gemutet, um sie dann, genau im Timing, mit dem Einstieg des passenden Akkordes freizugeben.
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Lichtdesign: Perfekter Rahmen für eine freundliche Pop-Show
Für das Bühnen- und Showdesign zeichnete Cue Design (Cue GmbH) verantwortlich: Gunther Hecker, der schon die vorherige Tournee betreut hatte, entwickelte mehrere Entwürfe, die über einen längeren Zeitraum immer wieder verfeinert, ergänzt oder gar verworfen wurden. Der erste Entwurf zum Beispiel enthielt zunächst keine LED-Wand. Das finale Design bestand aus sieben einzelnen LED-Wänden (WinVision 9R). Sechs identisch große Einheiten bildeten einen leicht trapezförmigen Backdrop. Jeweils zwei Wände hingen leicht versetzt übereinander und wurden durch Lichttraversen unterbrochen. In diesen ‚Schlitzen‘ – in denen sich Strobes, Blinder sowie Robe Megapointe befanden – entstand nicht nur eine weitere horizontale Lichtebene, sondern die Bühne erhielt zusätzlich eine nuancierte Tiefenstaffelung.
Lichtcrew:
Peter Oberhofer (Crewchief)
Henning Paetz (Dimmer)
Lars Falkner (System, Robo Spot)
Markus Hoch (Lichttechniker)
Hannah List (Lichttechnikerin)
Wendy Wieczorek (Lichttechnikerin)
FoH-Team Licht Peter Seifert, Rolf Wenzel (vertrat Marc Lorenz), Gunther Hecker, Andre Bress und Simon Cimander (v.l.n.r.)
Im vorderen Bühnenbereich hing eine längliche LED-Wand (die siebte im Bunde), die nach rechts und links um 270 Grad gedreht werden konnte (Details dazu in Teil II: Sonderbauten). Dadurch erhielten vor allem die Konzertbesucher auf den seitlichen Rängen einen eigenen Blick auf das Geschehen, denn immer wenn die LED-Wand 90 Grad zur Bühnen stand, war der Content auf der Wand exklusiv für diese Zuschauer sichtbar und bot, wenn man so will, ein ganz eigenes Bühnenbild für diese Perspektive. Bei der Konzerteröffnung stand die Wand (von der Crew liebevoll „der Propeller“ genannt) zunächst auf der Bühne geparkt. Der Titel des aktuellen Albums Tumult erschien, woraufhin sich „der Propeller“ langsam in die Höhe schwang. Der Blick wurde frei auf den Sänger, der das Publikum sofort mit dem ersten Song begrüßte.
Das Ergebnis des Gesamtkonzepts war ein unaufgeregter, sehr ansprechender Rahmen – ein mehr als solider Grundstock für eine freundliche Pop-Show: eben Leichtigkeit für das Publikum. Nichts sollte unnötige Aufmerksamkeit erregen – oder gar ablenken. Der Designer und sein Team stellten den Sänger in den Mittelpunkt. Und zwar konsequent in jedem Moment während des gesamten Konzerts, das (wie in Dortmund) meist mit drei Stunden kaum auskam.
Publikumsnähe garantierten gleich drei Laufstege, die von den Musikern (und insbesondere von Herbert Grönemeyer) sehr ausgiebig genutzt wurden. Der mittlere und längste Steg führte zur B-Stage mit einem Klavier, welches elegant immer dann erschien, wenn der Künstler es spielen wollte. Ein bemerkenswerter Klappmechanismus machte dies möglich (mehr dazu in Teil II: Sonderbauten). Die gesamte Bühnenkante wies downstage eine schräge Verkleidung auf, wodurch die Bühne einen leicht organischen Touch erhielt. Eigens gefertigte Holzplatten, durchgängig im Winkel von 45 Grad angebracht und schwarz gestrichen, waren für diesen Look verantwortlich.
Ayrton Khamsin und Sparx 18 JB Lighting Washlight
Neben vielen bewährten Lichtquellen (siehe Setup) setzte Gunther Hecker dieses Mal zwei ganz neue Produkte ein – beide Lampen wurden erst nach der Tournee offiziell auf der prolight+sound 2019 vorgestellt. „Wir waren auf der Suche nach einem alternativen Model zu den Robe BMFL und den MAC Viper, die wir in den letzten Jahren häufig eingesetzt hatten. Ich wollte gern LED-Spots einsetzten. Nach ausgiebigen Tests mit mehreren 750-W-Lampen stand fest: die Ayrton Khamsin wollen wir haben“, berichtete der Bühnendesigner und äußerte sich beeindruckt zu der sehr gelungen Farbmischung bei der Ayrton Khamsin: „Diese LED-Lampe mischt die Farben wie eine VL 5. Man kann zum Beispiel sicherlich zehn Orangetöne mischen, bevor die Lampe ins Rot geht. Wirklich sehr beeindruckend! Und sie ist zudem bei gleicher Baugröße heller als die BMFL. Überdies boten die leistungsstarken LED-Lampen deutliche Vorteile hinsichtlich des Stromverbrauchs.“
Die Sparx18 LED-Washlights von JB Lighting mit ihrem doppelten Zoombereich wurden hier vor allem als Floor-Lampen im Upstage-Bereich eingesetzt. Sowohl als Design- aber auch als Funktionsobjekt fungierten die sechs Robe PATT, die an Edelstahlstativen die Musiker ausleuchteten.
Wie schon auf der PUR-Tournee 2019 (Berichte: Lichttechnik und Beschallungstechnik bei der PUR-Tour 2019) erzielte das Team von Cue Design mit dem Einsatz der Robe-RoboSpot-Einheiten beste Ergebnisse während der Show. Zuvor hatte Gunther Hecker die Technik bei einem Sport-Event eingesetzt und auch das vergleichbare PRG-System bei einer Fanta4-Tournee erprobt. Der Vorteil bei den Robe Spots sei die Multispot-Funktion, die es ermögliche, mit einem Controller bis zu zwölf Lampen zu steuern, resümierte der Designer. Grundsätzlich werden mit den Remote-Einheiten nicht nur die Truss-Spot-Fahrer im Rigg überflüssig, sondern vor allem werden keine Zuschauerplätze in den Rängen blockiert.
12 × Robe BMFL Spot
4 × Robe BMFL Robo Spot Camera / Base Station
25 × Ayrton Khamsin
51 × JB Lighting Sparx 10
36 × JB Lighting Sparx 7
10 × JB Lighting Sparx 18
34 × Robe Mega Pointe
22 × Martin Atomic LED
25 × 4-lite Blinder
42 × 2-lite Blinder
9 × 6er BAR
10 × Robe Patt
6 × Edelstahlstativ für Robe Patt
2 × MGD Atme / AF1
4 × Look Viper de luxe
Systemübersicht
2 × HOG 4 mit Wing (Licht, zugleich Main- und Backup-Show-Server)
1 × Roadhog 4 (Follows)
2 × Hedgehog4N (1 × Testpult in der Dimmer City)
Protokoll: alles über sACN und ELC DMX-Lan-Nodes
Avolites ART2000 Dimmer
Video
Für die Videotechnik wurden insgesamt rund 210 m² LED komplett aus Galaxia WinVision LV9 eingesetzt. Die Zuverlässigkeit und das geringe Gewicht von 8 kg / Panel machten es für diesen Einsatz im Touralltag ideal. Überdies ist es schnell zu bauen und liefert mit einem Pixelpitch von 9,375 mm ein klares und sauberes Bild. Alle Wände hängen an einer Sonderkonstruktion, die von Satis&fy speziell für die Tour angefertigt wurde, um das sehr saubere Bühnendesign zu realisieren. Der „Propeller“ bot knapp 50 m2 (24,48 pro Seite) und wurde an einer C1-Sonderkonstruktion geflogen. Auch hierfür war das geringe Gewicht der Panels ein wichtiger Faktor für die Realisierung.
Audio bei der Tumult-Tour 2019:
Für den ausgewogenen und klaren Sound zeichnete ein Team um FOHIng. Colin Norfield (Pink Floyd u.v.a.) verantwortlich. Er wurde von Patrick
Eckerlin assistiert und von Systemengineer Sven Waldheim betreut. Die Audiomannschaft komplettierten Arnd Wagner, Frederick Werminghausen, Stefan Schneider und Roland Wörndl.
Materialseitig waren 76 × L-Acoustics K2 im Setup (16 × Main, 14 × Side, 8 × Delay) sowie 24 × L-Acoustics KARA (Side 90), 16 × geflogene KS 28 Subs und 22 × gestellte KS 28 Subs. Außerdem wurden 16 × KIVA und 4 × ARCS Wide verwendet.
Show-Steuerung
Für die Steuerung der Show waren fünf Hog-Pulte in einem Netzwerk im Einsatz. Gunther Hecker, der die Tournee auch als Operator betreute, arbeitete an einer Hog 4 (OS Version 3-11). Ein weiteres baugleiches Pult stand an seinem Arbeitsplatz als Backup zur Verfügung.
Andre Bress steuerte die Videozuspielungen am FoH-Platz. Dazu gehörten die vorgemischten Livebilder aus der Videoregie sowie der animierte Content, den ein siebenköpfiges, europäisches (England/Frankreich/Deutschland) DesignerTeam in enger Zusammenarbeit mit Herbert Grönemeyer für die entsprechenden Lieder entwickelt hatte. Die Videodaten wurde über die Software Resolume und einen Mac Pro 6.1 6- core mit Dual D700 eingespeist.
Peter Seifert war an einer Road Hog 4 für Zuweisung, Focus, Zoom und Intensitäten der vier Robe Robospot-Systeme zuständig, welches insgesamt zwölf Robe BMFL steuerte. Die vier Spotfahrer konnten sich also ausschließlich auf die exakte Bewegung ihres jeweiligen Spots konzentrieren. Marc Lorenz bediente eine HedgeHog4N, mit der das System nicht nur permanent überwacht werden konnte (und im Falle einer Fehlfunktion die Fehlerquelle durch Resets im Hintergrund behob), er konnte damit auch auf die Steuerung der Robe Robospots und aller anderen Scheinwerfer zugreifen. Während der letzten drei Shows der Tournee wurde Marc Lorenz von Rolf Wenzel vertreten.
An der Dimmercity befand sich eine weitere HedgeHog4N mit einem Prozessor DP8000 DMX. Im Netzwerk lief diese HedgeHog4N allerdings nur auf der StreamingACN-Seite und verfügte über eine geringere Priorität als die Pulte am FoH-Platz, die alle über HOGNet und SACN verbunden waren – d. h. sobald der FoH-Platz aktiv war, wurde der Dimmer-Platz „überschrieben“. In beiden Netzwerkbereichen waren alle Komponenten über eine automatische Datenübernahme ausfallsicher positioniert. Sämtliche Steuerungssignale, Videodaten, sANC, HogNet sowie Intercom liefen über eine gemeinsame Leitung. Kabelbäume: Fehlanzeige. Von der Bühne wurde lediglich ringförmig ein 12fach-Glasfaserkabel zum FoH gelegt. Sämtliche Komponenten des Netzwerks liefen während der gesamten Tournee einwandfrei. Erstmals wurden in der Version 3-11 die neuen Docking Funktionen eingesetzt, die es ermöglichen, schnell mehrere Playback Bars auf ein Hardwarewing umzuschalten und so zusätzliche Fader zu erhalten.
DMX-gesteuerte Laser
Peter Seifert hatte an seiner RoadHog 4 zusätzlich virtuelle Fader auf dem Screen, um die DMX-gesteuerten Laser auf der Bühne zu bedienen. Hier kam ein brandneues Produkt der Lightline Lasertechnik GmbH zum Einsatz: Das Team um Geschäftsführer Marco Stümpel entwickelte in den letzten beiden Jahren eine Hardware-Lösung für eine bequeme und direkte DMX-Ansteuerung von Lasern über gängige Lichtsteuerpulte. Laserlink wird direkt vom Lichtpult per DMX oder Artnet angesteuert. An der Box finden sich ein DMX-Ein- und Ausgang, eine RJ45-Buchse sowie je nach Modell ein oder zwei ILDA-Ausgänge: Die Einheit ermöglicht es, direkt und ohne besondere Programmierkenntnisse alle Möglichkeiten von Lasershows zu programmieren. Benutzern stehen Gobos und Animationen zur Verfügung, die mittels verschiedener Editiermöglichkeiten individuell und vor allem in Echtzeit angepasst werden können. Gerade diese direkte Ansprache dürfte bei Lichtoperatoren das Interesse am Laser-Einsatz zu wecken, da damit Laser ähnlich wie ein Movinglight zu bedienen sind. Laserlink ist bei Rock Solid Technologies erhältlich.
Als Laserprojektor diente ebenfalls ein Produkt des Osnabrücker Unternehmens: Auf der Tournee waren neben dem zweikanaligen Laserlink zwei RGB-Laserprojektoren Lightline D-30 mit 30 Watt Leistung auf der Bühne im Einsatz. Ein zusätzlicher Laseroperator wurde somit nicht benötigt. Die vorgeschriebene Sicherheitsschulung für den jeweiligen Lichtoperator besteht weiterhin.
Zugaben im August und September
Sicher war das Konzert in der Westfalenhalle ganz besonders: Erst nach über drei Stunden verließ Grönemeyer mit seinem Musikern die Bühne. Optisch und akustisch wusste diese Show zu begeistern. Ein Wiedersehen im Revier gibt es im September 2019 in der Veltins Arena Gelsenkirchen. Quasi noch ein Heimspiel, denn Ende August bis Mitte September 2019 wird die Tour mit Open Airs in Deutschland und Österreich weitergeführt. Die Termine reihen sich (in Flensburg startend) von Nord nach Süd, endend in Schladming. Das Bühnen- und Lichtdesign dürfte, bis auf zusätzliche seitliche Videowände, identisch bleiben und die Beschallung entsprechend auf Stadionanforderungen angepasst sein.