An mehreren Orten betreibt Ambion ein „Better Now Studio“. Wir besuchten ein hybrides Streaming-Setup in Berlin: Beim Blick über die Schultern der dort arbeitenden Teams kann man sich ein paar Tricks und Kniffe für ein flexibles und leistungsfähiges Studio abschauen!
Streaming-Studios haben sich für zahlreiche Dienstleister zur Möglichkeit entwickelt, regelmäßige Aufträge zu generieren. Vom Live-Event über die Onlinekonferenz bis zur Aufzeichnung: Studios sind schnell von einer notgedrungenen Alternative zu einer attraktiven Produktionsumgebung geworden. Ambion hat mit den „Better Now Studios“ Produktionsstätten in Hamburg, Kassel, Ingolstadt und zwischenzeitlich Berlin geschaffen. Wir haben ein Studio im Andel’s Hotel in Berlin besucht und mit den Studiobetreibern über Kundenbedürfnisse und die daraus resultierenden technischen Anforderungen gesprochen.
Es existieren unterschiedliche Intentionen, ein Streamingstudio aufzusuchen. Allen voran gibt es jene, die „gezwungen“ sind, weiterhin Events zu veranstalten. Selten kann es eine Lösung sein, die Mitgliederversammlung oder Award-Zeremonie einfach ausfallen zu lassen. Auch der Wissens- und Informationsaustausch in Bildung, Forschung, Industrie und Wirtschaft muss ohne Präsenzveranstaltungen weitergehen können. Darüber hinaus gibt es Firmen und Veranstalter, die mit eigenen Kräften in die digitale Welt gesprungen sind und ihre Arbeitsabläufe mit Zoom, Teams & Co. neu erfunden haben. Hier stößt man aber gelegentlich an Grenzen und fragt sich, wie man zumindest einen Teil der Meetings attraktiver und weniger ermüdend gestalten kann.
Bild: Alexander Heber
Karl Offelmann, Standortleiter für Ambion im Andel’s Hotel Berlin, versteht die Vorstellungen der Kunden und führt sie mit technisch sinnvollen Lösungen zusammen
Bild: Alexander Heber
Martin Weicht, Abteilungsleiter Audio für Ambion Berlin, hat das Intercom-System geplant und die neuen Anforderungen in praktische Lösungen übersetzt
Die nächsten wollen vielleicht keinen Livestream generieren, sondern eine Show aufzeichnen oder machen sich die breite Verfügbarkeit der Studios für ein bezahlbares Promovideo- oder eine Vorproduktion zu nutze. Jedes dieser Szenarien hat eigene technische Anforderungen und je nach dem, was man mit dem eigenen Studio anbieten möchte, muss man sich allgemeiner oder spezifischer organisieren.
Die Better Now Studios von Ambion versuchen einen möglichst breiten Bereich abzudecken und flexibel in der Gestaltung zu bleiben. Das bedeutet nicht, dass man sich vor Spezialisierung scheut, wie der Superoom – das XR Studio von Ambion – in der Nachbarhalle unter Beweis stellt.
Als Veranstaltungstechnikdienstleister wird man zuerst mit der Aufgabe konfrontiert, Events ins Internet zu übersetzen. Dementsprechend finden wir noch immer klassische Veranstaltungstechnik in den Better Now Studios. Beispielsweise ist die Barco E2 nicht aus dem Setup wegzudenken. Die Regietechnik steht im gleichen Raum wie die Bühne. Das trägt zusätzlich zum vertrauten Eventfeeling bei. Trotzdem gilt es in allen Gewerken neue Ansprüche zu erfüllen, die mit den klassischen Bausteinen nicht mehr dem Kundenwunsch entsprechend realisiert werden können.
Bevor man jedoch ein Studio ausstatten und anpassen kann, muss klar sein, mit welchen Erwartungen die Kunden in ein Studio gehen. An dieser Stelle ist die Kommunikation intensiver geworden. Karl Offelmann, Standortleiter für Ambion im Andel’s Hotel Berlin, weiß von einem höheren Beratungsbedarf für interessierte Kunden zu berichten: „Herauszufinden, was die Kunden wirklich brauchen, ist anspruchsvoller geworden. Die Beratungsleistung nimmt deshalb mehr Planungszeit in Anspruch, als es bei klassischen Präsenzveranstaltungen der Fall ist. Aber durch die Erfahrungen, die wir in allen Studios sammeln und teilen, können wir die vielen unterschiedlichen Kundenwünsche immer schneller greifen und in Konzepte fassen.“
Hat man erst einmal ein Bild von den regelmäßigen Anforderungen gewonnen, kann man die Arbeitsplätze und Gewerke gut optimieren.
Die Ansprüche an das Licht haben sich deutlich Richtung Weißlicht und Studiobeleuchtung verschoben. Während es auf einer Livebühne schon einmal dazu kommen kann, dass sich Akteure spontan aus den ausgeleuchteten Bereichen entfernen, so verliert sich diese Spontanität in einem Stream und wirkt schnell unprofessionell. Das kann man mit einer klar definierten Szenenfläche und einer flexiblen Ausleuchtung verhindern.
Die Grundausleuchtung der Bühnenfläche erfolgt mit ETC Daylights. Für farbliche Akzente und einen oberen Abschluss im Kamerabild ist die Traverse über der LED-Wand mit Martin Mac Aura bestückt. Die Traversen sind vorverkabelt und lassen sich einfach mit weiteren Leuchten bestücken. Neu im Alltag sind die KL Panel von Elation, welche per Rollstativ individuell einsetzbar sind. Gesteuert wird das Lichtsetup mit einer HOG 4 und das zusätzliche Controlpanel der SDI-Kreuzschiene für den eigenen Vorschaubildschirm erlaubt die Überprüfung der Szenen aus allen Kameraperspektiven und Programmansichten. Beim Einrichten und Nachjustieren ist es besonders hilfreich und effektiv, dass die Lichtoperatoren direkt mit der Bildregie und den Kameraleuten kommunizieren können.
In der Veranstaltungstechnik sah man sich auch vor Corona mit Aufzeichnungen und Streams konfrontiert, konnte dann aber einfacher auf die Spezialisten für diese Bereiche zugreifen. Wenn alle gleichzeitig die Formate wechseln, funktioniert das nicht und man muss schnell alle Beteiligten auf die veränderten Aufgaben einstellen. Für die Menschen an den Tonpulten heißt das, sich nicht mehr nur auf den Ton aus der Beschallungsanlage verlassen zu können. Der Mix muss Broadcast-fähig sein und unabhängig von den möglichen Abspielgeräten der Zuhörer funktionieren. Die komplette Kette einer Studioproduktion aus Recording, Mixing und Mastering, liegt nun plötzlich in den Händen von zumeist eher Live-orientierten Operatoren. Diesem Umstand muss man begegnen. So kommt als unterstützendes Tool für den ordentlichen Pegel beispielsweise ein Clarity M Stereo von tc Electronic in Betrieb. So lässt sich die ideale Lautstärke für Streamings und Aufnahmen sicherstellen.
Die Pultstruktur ist zudem fest vorgegeben und die Kanalbeschriftung eindeutig gehalten. Für eine vertraute Arbeitsumgebung sorgt auch die Entscheidung für Mischpulte von Yamaha. Für den Fall, dass ein anderes oder weiteres Pult anstelle der Yamaha QL 5 zum Einsatz kommen soll, ist der Wechsel schnell passiert, da die Signalanbindung komplett über Stageboxen realisiert ist.
Lautheitsmessung
Bei der Pegelüberwachung hilft das Audiometer über dem Pult, welches das Signal über AES/EBU erhält
Bild: Alexander Heber
Bei der Pegelüberwachung hilft das Audiometer über dem Pult, welches das Signal über AES/EBU erhält
Eine weitere Erleichterung erfolgte über die Installation eines neuen Intercomsystems, welches nicht nur dem gesteigerten Kommunikationsbedürfnis gerecht wird, sondern die Arbeitsabläufe an allen Arbeitsplätzen neu definiert. Der Intercom-Weg zum Tonmischplatz liegt am Pult auf und das Tragen von zwei Kopfhörerpaaren gehört der Vergangenheit an. Die Intercom wird aber auch an anderen Stellen in den Arbeitsablauf integriert. Für die Kommunikation mit der Moderation wird ein klassischer IFB genutzt. Der Programm-Mix für das In-Ear der Moderation wird im Pult gemischt und an die Intercom übergeben. Spricht nun die Regie mit der Moderation, lassen sich diese Durchsagen vom System priorisieren. Das stellt sicher, dass alle Informationen ankommen und der Programmton nicht im Weg sein kann. Für noch bessere Sprachverständlichkeit und Komfort wird die Shure-In-Ear Strecke PSM1000 mit Ohrhörern SE315 und passendem Kabel EAC-IFB betrieben. Damit lässt sich das Ohr für das InEar frei wählen. Mit dem richtigen Mix gewöhnen sich alle schnell an die fehlende Durchlässigkeit eines Schallschlauchs und die Sprachverständlichkeit von Regieinformationen wird weiter optimiert.
Nicht nur die Kommunikation zwischen Kunden und Dienstleistern wird komplexer. Streamings müssen sich strikter an Zeitabläufe halten und das Publikum ist nicht im Raum gefangen, sondern schaltet einfach ab, wenn man eine Stunde hinter dem Programmplan hängt. Die geplanten Szenen und Schnitte ansprechend einzufangen und einen guten Fluss in einen Ablauf zu bringen, erfordert auch eine reibungslose Kommunikation in der Technikregie. Es wundert also nicht, dass die klassische analoge Party-Line nicht ausreichend war. Viel zu individuell sind die Wünsche, wer mit wem sprechen möchte und muss. Ambion ging deshalb den Schritt und investierte in ein neues IP-basiertes Matrix-Intercomsystem, welches in allen festen Better Now Studios zum Einsatz kommt.
Ambion nutzt Intercom-Systeme verschiedener Hersteller, so gehören Systeme von Clearcom und Riedel bereits zum Repertoire. Für die Neuausstattung in den Studios entschied man sich jedoch nach ausführlichen Vergleichen für Produkte der Firma RTS, bestehend aus OMS und ROAMEO. Die Masterstation vereint eine digitale Matrix, ein DECT-System für drahtlose Anbindungen, eine Sprechstelle und analoge Schnittstellen in einer 1HE/19″-Einheit. Als Systemschnittstelle dient OMNEO von RTS. Damit wird die Verwaltung von Sprechstellen, drahtlosen Beltpacks oder auch Dante-Audiokanälen gesteuert. Hauptgrund für die Anschaffung sind die flexiblen Schnittstellen des Systems. So ist die komplette Kommunikationsstruktur nahtlos in das bestehende Dante-Netzwerk integriert, was schnell auch komplexere Lösungen ermöglicht. Es werden nicht nur die digitalen Kanäle genutzt, sondern auch die vier analogen 4-Draht-Wege, mit denen die Kamerazüge im Berliner Studio angebunden sind. Mit dem Umbau auf die neue Technik können nun alle erforderlichen Direktverbindungen hergestellt werden.
Die Intercom sorgt aber nicht nur für individuelle Sprechstellen und drahtlose Beltpacks, die Features haben zum Umdenken der Workflows in den Studios geführt. So stellt die Intercom auch die Verbindungen zwischen Schalten-Operator:in und Zugeschalteten her. Hier kann man sich heraussuchen in welchen Host-Rechner man sprechen möchte und die Gäste abholen. Man kann die Info weitergeben, dass alle bereit sind oder die Regie direkt mit den Callerinnen und Callern verbinden. Am Platz für Medienzuspiel ist es möglich in die Powerpoint- und Videorechner hineinzuhören, ohne dafür am Tonpult das Muten eines Kanals erbitten zu müssen. Da die Audioübertragung auf Dante basiert, können die Panel auch genutzt werden, um Signale lokal anzuschließen und am Pult einzubinden. In den Studios sind die Systeme sehr detailliert an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Kleine Änderungen und neue Sprechverbindungen können dennoch spontan realisiert werden. Wenn es an den mobilen Einsatz geht, gehören Intercomsysteme dieser Größenordnung aber nicht mehr zu der Kategorie die „man mal schnell
nebenbei“ aufbaut. Hier für muss eine eigene Verantwortlichkeit geschaffen werden, wie es bei größeren Produktionen auch üblich ist. Schließlich sind die Systeme von RTS bei internationalen Großveranstaltungen beheimatet und entsprechend reich an Funktionen. Genau aus diesem Grund ist es wichtig das Personal gut auf den Einsatz der neuen Technik vorzubereiten. Für Martin Weicht, dem Verantwortlichen für das Gewerk Audio bei Ambion Berlin, war dies ein weiteres Argument genau jetzt zu investieren: „RTS ist in Deutschland noch nicht so verbreitet. Für uns sind die Studios auch eine gute Möglichkeit unser Team mit dem neuen System vertraut zu machen.“
Die bewegten Bilder kommen aus Panasonic-Kamerazügen AK-UC3300. Das Videomischpult, ein Ross Carbonite Ultra, lässt genügend Luft nach oben, sollte man die Zahl der Kameras erhöhen wollen.
Für die Bildüberwachung und das selbstbewusste Ziehen der Blende unterstützt ein Phabrix Qx mit 4K Smartview Monitor. Die Signalverwaltung erledigt eine Barco E2. Diese bespielt neben dem Streaming-Encoder auch die Vorschaubildschirme, Returns in die Schalten-PCs und die LED-Wand. Die LED-Wand ist mit einem 2,5-mm-LEDskin-System gebaut und hat bei 9,92 m Breite und 2,97 m Höhe eine Auflösung von 3840 px × 1152 px. Für das native Zuspiel von statischen oder animierten Hintergründen ist ein MacBook Pro mit Millumin 3 in Gebrauch. Das Processing erfolgt redundant mit zwei Novastar-Controllern MCTRL 4K. Die Vorschaubildschirme an den einzelnen Arbeitsplätzen werden in den meisten Fällen über die SDI-Kreuzschiene mit Signalen versorgt, für die Ablaufregie werden zusätzlich individuelle Multiview-Ansichten mit der E2 erzeugt. Digital zugeschaltete Gäste dürfen nicht fehlen. Man hat sich nicht auf ein bestimmtes Tool festgelegt, sondern nimmt in der Regel die Software, mit der die Nutzer am besten vertraut sind. Mit zwei Host- und vier Anpinn-Rechnern deckt man die meisten Situationen ab. Auch hier gilt: Wenn es mehr sein muss, passt man sich an.
Ein besonderer Platz für den Empfang der Online-Gäste ist auch vorgesehen. Mit einer Webcam und LED-Licht ist der Welcome Desk ein Ort für kundenseitige Betreuer. Die Gäste werden so von bekannten Gesichtern begrüßt und die internen und organisatorischen Fragen, die man als Technikpartner gar nicht beantworten könnte, werden auf kurzem Weg geklärt.
Für Medienzuspiel aller Art stehen noch weitere Rechner und Anschlüsse an der E2 zur Verfügung, die nächste Quelle ist immer nur einen Bootprozess entfernt und die Aufgaben können gut an die einzelnen Arbeitsplätze verteilt werden.
Gestreamt wird mit einem AJA Helo. Das Signal für den Stream liegt zusätzlich an einem Rechner an und kann auch noch weitere Male abgegriffen werden. Für einen Backup-Stream stehen somit mehrere Varianten zur Verfügung, die je nach Präferenzen von Projektleitern oder Kunden ausgewählt werden.
Das Thema Ausfallsicherheit spielt auch bei der Internetanbindung eine Rolle. So wird neben der DHCP-Anbindung des Hotels ein weiterer, unabhängiger VDSL-Anschluss als Failover verwendet. Somit gibt es zwei Anschlüsse von zwei Anbietern, einmal über Kupfer und einmal über Glasfaser.
Streaming-Studios sind kein notwendiges Übel, sondern die Vorboten zukünftiger Eventformate. Ambion ist den Aufgaben offensiv begegnet und hat sich getraut zu investieren und mit den dynamischen Anforderungen zu wachsen. Zugleich werden die Studios als Chance betrachtet, neue Systeme einzuführen und das Personal damit in kontrollierten Umgebungen vertraut zu machen. Mit einem Ohr wach an den Wünschen der Kunden zu sein und mit dem anderen Ohr Neuigkeiten auf dem Technikmarkt zu filtern, ist in der Übergangszeit zum „New Normal“ wichtiger denn je.