Andy Ebert: Bühnen-Monitoring für Top Acts in den USA

Monitoring weltweit: Der Berliner Andy Ebert arbeitet in den USA als Monitormischer. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er für viele Top-Acts das Monitoring übernommen, darunter Guns N’ Roses, Red Hot Chili Peppers, R.E.M., Neil Young, Alanis Morissette, Mariah Carey und Modern Talking. Ein Blick auf das Arbeiten in den USA, Equipment-Erfahrungen – und die zwischenmenschlichen Aspekte in einem Job, der mitunter rund um die Uhr läuft.

Andy Ebert
Andy Ebert (Bild: Andy Ebert)

Gelegentlich besucht Andy Ebert seine Familie in Berlin, früher hat er hier regelmäßig sein Arbeitsvisum für die USA verlängern müssen. Alle drei Jahre musste ein neues her. „Da muss man sich erst mal bewähren“, erzählt er. Zudem musste der Eindruck erweckt werden, der Antragsteller sei wichtig für das Land. „Zusammen mit einer ausländischen Band in die USA zu reisen, ist vergleichsweise einfach, als deren Supportpersonal oder Tontechniker. Als einzelne Person ohne eine Firma ist es sehr viel schwieriger.“ Das Visum kostet Geld – zwischen 3.500 und 5.000 Dollar als unumgängliche Investition in seine Arbeit. Die Hürde fiel für ihn erst letztes Jahr weg, seitdem besitzt er eine Green Card. Für den 44- Jährigen hat sich die Karriere als professioneller Monitor- Engineer nach und nach ergeben; er wollte immer Musik machen, merkte aber, dass es für eine „instrumentale“ Karriere nicht reichen würde. Zur Alternative wurde die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann von Musikinstrumenten.

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Guns N’ Roses Bühnenaufbau in Miami
Guns N’ Roses Bühnenaufbau in Miami (Bild: Andy Ebert)

Vom Musikalienhändler zum FOH-Techniker

Als die erste Niederlassung der SAE, der „School of Audio Engineering“, in Berlin ihre Pforten öffnete, war er vom Angebot zunächst begeistert. Nach den ersten Vorlesungen kam die Ernüchterung: „Das war mir zu theoretisch und langweilig, da bin ich schnell ausgestiegen und habe lieber meine Musikalienhändler- Laufbahn verfolgt.“ Später wechselte er vom Einzelhandel in den Großhandel, zu Sonor, deren Vertrieb in Berlin und den neuen Bundesländern. Über seinen damaligen Chef ergab sich die erste Tournee als FOH-Techniker mit einer Gospel-Truppe, die überwiegend in Kirchen spielte. Eine harte Schule, erinnert er sich: „Das Budget war gering, und wir hatten nur kleine PA-Lautsprecher links und rechts. Bei Kirchenbeschallung ist mehr besser, da sich mit mehr Lautsprechern wesentlich leiser arbeiten lässt und sozusagen punktuell beschallt wird. Aber mit zwei Lautsprechern regt man das ganze Gebäude an. Das klingt zunächst einfach nur schrecklich“, lacht Ebert.

 

»Diese Verbindung mit den Musikern auf der Bühne ist sehr wichtig, das bedeutet oftmals mehr Arbeit als der eigentliche Sound.«
Andy Ebert

 

Durch weitere Kontakte landete er schließlich als Backliner bei Marianne Rosenberg. Der damalige FOH-Mann nahm ihn mit zu Modern Talking – Eberts erste große Tour als Monitor-Mann Ende der 1990er. So entstand der Kontakt zu Rocksound in Hannover; durch deren Firmengeflecht kamen Touren für US-Bands zustande, die ohne Monitor-Mischer nach Deutschland kamen. Eine der Bands, Puddle of Mudd, nahm ihn mit in die USA und sponserte sein erstes US-Visum. Auf Tour entstehe eine enge Bindung zum Künstler mit seiner Soundvorstellung, da seien Bands dankbar, wenn ihre klanglichenWünsche verstanden werden, meint Ebert. „Diese Verbindung mit den Musikern auf der Bühne ist sehr wichtig, das bedeutet oftmals mehr Arbeit als der eigentliche Sound.“

Monitoring-Arbeitsplatz von Andy Ebert (rechts) bei den Stone Temple Pilots
Monitoring-Arbeitsplatz von Andy Ebert (rechts) bei den Stone Temple Pilots (Bild: Andy Ebert)

Von Dieter Bohlen habe er bei seiner Modern Talking-Zeit sehr viel gelernt, im Umgang mit Menschen, darüber, wie wichtig zwischenmenschlicher Respekt ist. „Wie sich mit Menschen, mit denen man nicht wirklich klarkommt, trotzdem eine Ebene finden lässt, auf der man vernünftig miteinander arbeiten kann.“ Bohlen sei nicht der einfachste Mensch. Der Status der Musiker mache es mitunter schwierig, sich auf das Miteinander und das Ergebnis zu konzentrieren. „Stars haben es manchmal schwer, wenn sie nicht wahrnehmen, dass Menschen versuchen, ihnen zu helfen, besser zu performen und zu klingen.“

Unterwegs mit Guns N’ Roses

Bei seiner Arbeit mit Guns N’ Roses – der „Solo- Inkarnation“ von Frontmann Axl Rose – war ebenfalls von Anfang an klar, dass es sich bei Rose um einen schwierigen Zeitgenossen handelte; Konzerte fielen bereits mit obskuren Begründungen aus oder fingen zumindest stark verspätet an. Mit Guns N’ Roses war Andy Ebert fast ein Jahr unterwegs. Während Eberts Zeit fiel eine Show komplett aus, sämtliche Konzerte fingen verspätet an, zwischen anderthalb und knapp vier Stunden Verzögerung – das belastet alle Beteiligten. Die Arbeitstage der Crew fingen morgens zwischen 9 und 10 Uhr an und endeten aufgrund der Verspätungen von Axl Rose teilweise erst um 4 oder 5 Uhr am nächsten Morgen. Die Tage sind im Rahmen einer Tour pauschal abgegolten. „Wir haben unseren Tagessatz, und ein 20-Stunden-Tag wird genauso bezahlt wie ein 10-Stunden-Tag.

Open Air Guns N’ Roses
Open Air Guns N’ Roses (Bild: Andy Ebert)

Musikalisch war die Leistung einwandfrei: Wenn Axl Rose für zweieinhalb Stunden auf der Bühne stand, war seine Leistung auf sehr hohem Niveau.“ Normalerweise übernahm ein separater Monitor-Techniker die Mischung für Axl Rose, Andy Ebert mischte das Monitoring der Bandmitglieder. Eberts Kollege wurde während der Tour entlassen. Bis Ersatz bereit stand, übernahm er für zwei Shows den Mix von Axl Rose. Das hätte Ebert auch weiter machen können, lehnte aber ab. „Die restliche Band bestand aus sieben Leuten, das war aber trotzdem ein angenehmeres Arbeiten.“ Das verwundert nicht; schließlich hatte Rose seine angeheuerten Mitstreiter komplett aus Session-Musikern rekrutiert, die professionellen Umgang gewohnt waren. „Für Rose ist man eine Nummer, ein Tool anstatt einer Person.“

In den USA wird die Crew meist immer wochenweise engagiert, der Preis steigt mit dem professionellen Level – derzeit bekommt Ebert für eine große Tour etwa 4.000 US-Dollar (ca. 3.600 Euro) pro Woche. Dafür steht der Techniker der Band in dieser Zeit rund um die Uhr zur Verfügung. Die Zahlen lesen sich auf den ersten Blick beeindruckend, dabei ist zu berücksichtigen, dass Ebert nicht das komplette Jahr über gebucht ist.

Problematik des Monitormix

Zu den Voraussetzungen als Monitor-Mann gehört auch die Fähigkeit, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Musikern für eine Mischung bedienen zu können; einerseits für herkömmliche Wedges, andererseits für In-Ear-Systeme, die dem Musiker eine musikalische „Band-Orientierung“ bieten, da er akustisch vom restlichen Geschehen abgeschottet ist. Ebert sorgt bei seinem Job für seinen Gehörschutz – wenn er für konventionelles Monitoring mischt, macht er den Soundcheck ohne Gehörschutz, schützt sich aber während der Show. Er möchte die gleiche Abhörlautstärke spüren wie der Künstler, sitzt aber meist direkt hinter der PA – das ist ihm auf Dauer zu gefährlich.

Bühne der Stone Temple Pilots
Bühne der Stone Temple Pilots (Bild: Andy Ebert)

Während bei den In-Ear-Systemen der klare Sound und die reduzierte Bühnenlautstärke imVordergrund stehen, zählt bei den Monitoren vor allem, dass beimSänger bei der geforderten Lautstärke kein Feedback entsteht. Ob der Monitor dabei wirklich klassisch „schön“ klingt, ist zweitrangig. Das Feedback- Problem entsteht beispielsweise durch Fehlbedienung des Sängers, etwa beim Umfassen der Kapsel. „Die meisten wissen das leider nicht. R.E.M.-Sänger Michael Stipe hat fast immer die Kapsel umfasst, das war seine Gewohnheit, seine Art, das Mikrofon zu handhaben.“ Ein Bild, das auch als scheinbare Coolness durch viele Hip-Hopper vermittelt wurde, auch wenn sich die Charakteristik beim Zuhalten ändert und eine Rückkopplung provoziert. Im schlimmsten Fall entstehe eine Kugelcharakteristik – denkbar ungünstig, um Schall aus den Monitoren vom Mikrofon fern zu halten. „Wenn man das alles berücksichtigt beim Monitorsound und zu viele klangliche ‚Sicherheitsvorkehrungen‘ einbaut, klingt das Ergebnis nicht mehr nach einer natürlichen Stimme im Monitor.“ Ebert bevorzugt inzwischen das Heil Sound PR-35 Gesangsmikrofon bzw. die entsprechende RC-35-Kapsel für andere Drahtlosmikrofone, da es für ihn viele Probleme vermeidet: „Hier liegt die Kapsel so nah am Grill, dass das Umfassen nur wenig Einfluss hat – im Gegensatz zu 95 Prozent aller anderen Mikros. Mein zweitliebstes Mikrofon ist das Sennheiser SKM-5200 mit MD-5235 Kapsel, das etwa der Sänger The Weeknd benutzt. Neben dem Klang, der seine Stimme passender wiedergibt, gefällt ihm das geringe Gewicht des Mikrofons. Der Klang ändert sich zwar, wenn er die Kapsel  umfasst, aber das ist für ihn in Ordnung.“

Ebert am Monitorpult bei einer Show von Alanis Morissette
Ebert am Monitorpult bei einer Show von Alanis Morissette (Bild: Andy Ebert)

Michael Stipe war aufgrund seiner langen Gewohnheit im Handling ebenfalls nicht umzugewöhnen: „Wir haben damals probiert, ihm Klebeband unterhalb der Kapsel des SM-58 zu – sozusagen als Erinnerung, als ‚Stopp‘-Signal für die Hand, aber das hat nur für ein, zwei Konzerte funktioniert.“ Danach schlug die Macht der Gewohnheit wieder zu.

Die Denkweise von Musikern verstehen

An das Arbeiten mit Stipe denkt er gerne zurück, wie auch an seine Zeit mit Neil Young vor rund zehn Jahren. Bei Young fand damals auf der Bühne die Umstellung auf Digitaltechnik statt: „Neil war damals ein analoger Denker und hatte immer den analogen Sound im Ohr. Das war das, was er kannte und wollte.“ Mit dem Klang eines aufgeräumten, kontrollierten Bühnen-Layouts samt Digitalpult war Young anfangs nicht zufrieden. Das versuchte seine Crew entsprechend auszugleichen: „Er hat eigentlich immer nur Sidefills auf der Bühne benutzt, nie Wedges. Für möglichst ‚analogen‘ Sound hatten wir während der Tour-Proben mehrere zusätzliche Lautsprecher auf der Bühne verteilt. Die sollten Bereiche unterstützen, in denen einzelne Instrumente für Neil weniger gut hörbar waren. Allerdings war keiner der Lautsprecher in der Lage, seinen E-Gitarren-Sound so wiederzugeben, wie er aus dem Amp kam. Den Klang wollte und brauchte er für seine ideale Performance, und da war er zu keinem Kompromiss bereit. Wir haben dann alte, große und schwere Lautsprecher in seiner Lagerhalle gefunden, die er früher mal als Sidefills verwendet hatte.“

 

»Die Vorstellungen eines Musikers können jeden Tag leicht anders sein – so, wie die Band auch jeden Tag anders spielt.«
Andy Ebert

 

Damit entstand der Gitarrenklang wie gewünscht. „Die Lautsprecher positionierten wir hinter der Backline – so dass Neil seine Gitarre überall auf der Bühne gleichlaut hören konnte. Als ich mit ihm die Bühne ablief, während er Gitarre spielte, bekam ich eine Gänsehaut – und hatte verstanden, was er meinte. In dem Moment hatte Neil einen großen Teil meiner musikalischen Denkweise verändert. Zu verstehen, wie ein Musiker hört und denkt, zählt meiner Meinung nach mit zu den wichtigsten Eigenschaften als Monitor-Engineer.“

Monitor oder FOH?

Bei Alanis Morissette und Adam Lambert war Ebert meist für die Monitor-Mischung, bei einzelnen Shows auch als FOH-Mann zuständig. Da hatte er den direkten Vergleich beider Herangehensweisen. „Als Monitor-Mischer habe ich direkteren Kontakt mit der Band, vor und während der Show.“ Das schätzt er, wie auch den Druck und Ansporn, die gesamte Show über aufmerksam arbeiten zu müssen. „Außerdem war es – jedenfalls in meiner Anfangszeit – wesentlich einfacher, als Monitor-Engineer immer Arbeit zu finden, im Gegensatz zum FOH-Beruf.“ Der FOH-Mix sei natürlich kreativer, räumt er ein, weil man größtenteils so mischen könne, wie man sich das Ergebnis selbst vorstellt. Für die Monitormischung sei dagegen die Vorstellung des jeweiligen Musikers zentral. „In der Vergangenheit habe ich immer wieder Sänger gemischt, die einen vollen ‚CD-Mix‘ mit allen Effekten hören wollten. Das macht mir dann noch mehr Spaß, weil ich mehr ‚mit der Musik‘ mische. Die Vorstellungen eines Musikers können jeden Tag leicht anders sein – so, wie die Band auch jeden Tag anders spielt.“ Wie sich die Vorbereitung technisch unterscheidet? „Für Wedges stelle ich zunächst den Equalizer nur mit meiner Stimme als Anhaltspunkt ein. Bei einer PA verwende ich zunächst Musik, um das ganze Spektrum zu hören und anschließend mit meiner Stimme sicherzustellen, dass der Sänger immer gut zu hören ist. Effekte mische ich bei einer PA lauter als bei In- Ears oder Wedges, da sie im großen Raum eher untergehen.“

Bevorzugtes Werkzeug Ebert mag Avid „Profile“-Pulte, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, herkömmliche Pro Tools-Plug-ins laden zu können – hier bei seinem Arbeitsplatz 2016/2017 bei The Weeknd
Bevorzugtes Werkzeug: Ebert mag Avid „Profile“-Pulte, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, herkömmliche Pro Tools-Plug-ins laden zu können – hier bei seinem Arbeitsplatz 2016/2017 bei The Weeknd (Bild: Andy Ebert)

Rückblick

Ein Rückblick über seine bisherige Karriere? Sein größter Fehler in der Vergangenheit bestand darin, keine Grenzen aufzuzeigen, meint Ebert. Das sei bei Red Hot Chili Peppers- Sänger Anthony Kiedis der Fall gewesen, der ausprobiert habe, wie weit er gehen konnte. Ebert zog die Konsequenzen und beendete sein Engagement bei der Band. „Der Beruf als Monitor-Engineer besteht in sehr engem Kontakt. Wenn die Persönlichkeiten nicht harmonieren, kann es schwer bis unmöglich sein, gut miteinander zu arbeiten. In dem Fall finde ich es konsequenter, mir eine andere Band zu suchen.“

Umgekehrte Eindrücke? Besonders angenehm empfand er zuvor das Arbeiten mit den Stone Temple Pilots, noch angenehmer mit den Foo Fighters: „Mit denen habe ich leider nur eine Show gemacht, aber das Arbeitsklima war das absolute Highlight: Die gesamte Combo und die Crew waren super nett, haben sich bedankt und waren auch noch voll des Lobes. Das passiert eher selten, dass jemand ‚Danke‘ sagt.“ Auf gegenseitige Wertschätzung und das Arbeitsklima hat er in den letzten Jahren immer mehr Wert gelegt, weswegen er zuletzt auch immer wieder mit Alanis Morisette, Adam Lambert und dem Künstler The Weeknd gearbeitet hat. Bei Letzterem ist er inzwischen beruflich „angekommen“: „Bei Abel [The Weeknd] bin ich – wie die Band, der FOH-Engineer und der Ableton-Programmierer – ein fester Mitarbeiter seines Teams. Jetzt, wo Abel im Studio sein neues Album aufnimmt und wir nicht so viel live spielen, ist es toll, Zeit zu Hause zu verbringen und trotzdem einen festen Job zu haben.“

 

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