Optimal geplante Beschallung beim Schlosskonzert von Naidoo und Herberger
von Redaktion,
Erinnerungen an das legendäre „Wettsingen in Schwetzingen“ wurden für rund 450 Gäste bei einem Charity-Event im Hoftheater von Schloss Schwetzingen wach – mit Unterstützung von Xavier Naidoo und Michael Herberger konnte eine erkleckliche Summe für einen guten Zweck gesammelt werden. Die wesentlichen Maße für die Beschallung wurden vorab per Lasermessung ermittelt – lediglich marginale Finetuning-Korrekturen waren im Anschluss noch erforderlich.
Das Schwetzinger Schloss, im Barock als prachtvolle Sommerresidenz des kurpfälzischen Hofs errichtet, ist heutzutage über die baden-württembergischen Landesgrenzen hinaus aufgrund der Schönheit und Harmonie seines 72 Hektar großen Gartens berühmt. Unter Musikfreunden ist das denkmalgeschützte Bauwerk hingegen vorrangig durch die MTV Unplugged-Produktion „Wettsingen in Schwetzingen“ bekannt, die 2008 mit beeindruckend schönen Bildern im frühklassizistischen Ambiente des in das Gebäude-Ensemble integrierten Hoftheaters aufgezeichnet wurde.
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Im reich verzierten Theatersaal fand am 25. Oktober 2015 eine Charity-Gala statt, bei der Xavier Naidoo und Michael Herberger als Duo ein musikalisches Programm aus bekannten, im Lauf der Jahre gemeinsam erarbeiteten Liedern bestritten – Live-Elemente wurden mit viel elektronischer Unterstützung verquickt und auf die Bühne gebracht. Für eine stimmungsvolle visuelle Untermalung sorgte Medienkünstler Haegar, der bewegte und bewegende Bilder auf einen groß- flächigen Backdrop projizierte. Eingeladen zu dem Event hatte die Mannheimer Runde e.V., und Erlöse aus der restlos ausverkauften Veranstaltung wurden u. a. dem von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims geförderten Verein AUFWIND Mannheim zugeführt.
Beschallung mit Bose Zur Akustik im kurfürstlichen, oft bauhistorisch unzutreffend als Rokokotheater bezeichneten Schlosstheater ist zunächst anzumerken, dass die Eröffnung auf das Jahr 1753 datiert – eine Epoche also, in welcher elektroakustische Signalverstärkung ganz sicher nicht in den Köpfen von Architekten verankert war. Zielsetzung in Kulturbauten musste daher sein, dass Stimmen und Instrumente die Besucher möglichst gut auf natürliche Art und Weise erreichen. Entsprechend weist der Theatersaal eine intime Atmosphäre auf und bietet bis zu 500 Personen Platz. Die Stühle verteilen sich auf ein ansteigendes Parkett sowie auf zwei leicht ansteigende Logenränge, deren Grundrisse die Form einer Lyra nachahmen und derer oberer Part sich gefühlt bereits sehr weit oberhalb des Spielflächengeschehens befindet. Die Akustik im Saal ist vergleichsweise trocken, der Schall bricht sich an zahlreichen Verzierungen und trifft auf nur wenige schallharte bzw. großflächig plane Oberflächen – gute Voraussetzungen, um beim Einsatz einer zeitgemäßen Beschallungsanlage nicht mit einem Übermaß an Reflexionen kämpfen zu müssen.
Für die elektroakustische Beschallung des Hoftheaters kam bei der Charity-Gala Material von Bose zum Einsatz, das vor Ort durch Frank Ruppert (Key Account Manager Engineered Sound Systems bei Bose Professional) betreut wurde. Die Simulation mit der Bose-eigenen MODELER-Software hatte im Vorfeld Dipl.-Ing. Thomas Steinbrecher, Senior Acoustic Designer bei Bose Professional, übernommen. Die wesentlichen Maße wurden vorab durch Frank Ruppert per Lasermessung ermittelt. In der Praxis funktionierten die errechneten Einstellungen bestens – lediglich marginale Finetuning-Korrekturen waren erforderlich. „Wenn man seriös plant, erhält man ein seriöses Ergebnis!“, kommentierte Frank Ruppert, der das Event in Schwetzingen als willkommene Gelegenheit zur Präsentation der Systeme vor Touring-erfahrenen Anwendern nutzte.
Als Main-PA kamen Elemente aus der Bose RoomMatchReihe zum Einsatz. Die Vorzüge der Product Range konnten insofern ausgespielt werden, als zum System 42 (!) unterschiedliche, in Arrays zusammensetzbare Module gehören, die sich gemäß der jeweiligen Aufgabenstellung kombinieren lassen. In Schwetzingen wurden die Module selbstverständlich derart zusammengestellt, dass die Konfiguration ideal zu den Gegebenheiten im Theater passte.
RoomMatch, Panaray & F1
Das Parkett wurde mit erhöht auf dem Podium aufgestellten Groundstacks beschallt, die sich aus einem RMS215 Subwoofer (2 × 15″-Speaker) und zwei gewinkelt darüber angebrachten RoomMatch-Modulen zusammensetzten. Zum Einsatz kamen RM9010 (90 Grad horizontal, 10 Grad vertikal) und RM12020 (120 Grad horizontal, 20 Grad vertikal) – erreicht wurde mit den beiden Topteilen ein zur Location passender vertikaler Gesamtöffnungswinkel von 30 Grad sowie ein für den Anlass mehr als ausreichender Schalldruckpegel. Ergänzt wurde die Zusammenstellung pro Seite durch einen weiteren RMS215 Subbass, mit dessen Hilfe eine Endfire- Anordnung samt entsprechend gerichteter Abstrahlung im tieffrequenten Bereich realisiert werden konnte.
Für die oberen Ränge waren ergänzend zwei links und rechts oberhalb der Bühne geflogene RoomMatch-Module RM9020 (90 Grad horizontal, 20 Grad vertikal) vorgesehen, die an einem im Saal vorhandenen Handseilzug befestigt werden konnten. Im ersten Rang wurden zwei auf Hochständern platzierte Bose RMU 108 als „Balcony Delay“ zwecks Kurzstrecken-Auffüllung bis zum Greifen des Hauptmoduls ge – nutzt. Drei entlang der vorderen Bühnenkante verteilte RMU 208 (2 × 8″-Langhubchassis plus EMB2-Treiber an drehbarem 90 × 60-Horn) dienten als hinsichtlich des erwünschten Schalldruckpegels geeignete Nearfills. RMU steht als Akronym für „RoomMatch Utility“, und die hier zum Einsatz kommenden Hochtontreiber mit 2″-Titandiaphragma entsprechen den in den RoomMatch-Units verbauten EMB2- Kompressionstreibern.
Im zweiten Rang verrichteten links und rechts schlanke Schallzeilen (2 × Bose Panaray MA12EX) mit je zwölf integrierten Fullrange-Chassis ihren Dienst und wurden mit einem nur geringen Pegel betrieben – für hier sitzende Gäste sollte die Ortung auf das Bühnengeschehen gezogen werden. Die Wahl von Zeilenlautsprechern dürfte insofern eine gute Idee gewesen sein, als sich der zweite Rang aufgrund seiner Höhe mehr oder weniger vollständig außerhalb des Direktschallfeldes der Main-PA befand – abzudecken war somit nicht lediglich eine vergleichsweise kurze Strecke, sondern per Linienstrahlereffekt die gesamte Tiefe des Theatersaals.
Auf expliziten Wunsch von Naidoo/Herberger kamen im Parkett zwei Surround-Lautsprecher zum Einsatz, die auf Brüstungen seitlich hinter dem Parkett aufgestellt worden waren – unter akustischen Erwägungen beim Wunsch nach einem möglichst großen Sweet Spot nicht unbedingt die ideale Position, aber aufgrund der gegebenen Architektur und des Verkaufs sämtlicher Sitzplätze anders nicht machbar. Die Wahl fiel auf Bose F1 (siehe Testbericht in PRODUCTION PARTNER 10/2015), deren mechanisch schwenkbare Breitbänder-Module mit einem J-Curving betrieben wurden. Lautsprecher des Typs F1 kamen gemeinsam mit Subwoofern auch bei einem den Abend beschließenden Get-together mit DJ-Beschallung im Foyer des Schwetzinger Schlosses zum Einsatz.
Amping und Controlling
Die Endstufen stammten erwartungsgemäß von Bose und waren seitlich der Bühne in zwei Racks untergebracht. Produkte der Wahl waren variabel konfigurierbare 4 kW Power-Match-Endstufen des Typs PM 8500N mit einer Leistung von 8 × 500 Watt an 4 Ohm. Das „N“ im Namen weist auf die Netzwerkfähigkeit hin, und Frank Ruppert war am FOH-Platz mit einem Laptop anzutreffen, auf dem die Bose Software ControlSpace Designer installiert war.
Die Leistung der in die PowerMatch-Verstärker integrierten Endstufenmodule lässt sich nach Bedarf konfigurieren, und in Schwetzingen wurden unterschiedliche Betriebsmodi genutzt: Ein Amp beispielsweise spielte 8 × 500 Watt für die Versatzsysteme aus, während die für den Antrieb der bei 80 Hertz getrennten Bässe vorgesehenen Amps im Doppel-Brü- ckenmodus betrieben wurden. Die RoomMatch-Module fuhr man mit unterschiedlich dimensionierten Teilleistungen an: Die beiden 10″-Speaker und die sechs 2″-Treiber wurden separat mit 1 kW respektive 500 Watt adressiert. Die Arrays wurden bis hinab zu 80 Hertz betrieben, was sich insofern positiv bemerkbar machte, als Xavier Naidoos Stimme übergangslos in ihrem kompletten Umfang durch die FullrangeModule wiedergegeben werden konnte.
Aus dem Audiopult wurden fünf Ausgangssignale (links/rechts/Sub/Surround links/Surround rechts) geliefert, die analog in einen Bose ControlSpace ESP-880 Prozessor (1 HE) geführt wurden, der gemeinsam mit einem Bose ControlSpace CC-64 Steuer-Panel in einem 19″-Transportkoffer installiert war. Nach der Bearbeitung im Prozessor wurden die Signale digital über Glasfaser (per eingebauter Bose ESPLink-Schnittstelle) in die mit entsprechenden Karten ausgerüsteten Endstufen weitergeleitet.
Gemischtes Doppel
Beim Konzert fiel die Rolle des Instrumentalisten erwartungsgemäß Michael Herberger zu, der mit einem ganzen Park an Gerätschaften hantierte und sich zwischendurch auch immer wieder einmal an einen mit zwei Schoeps MK 4-Nierenkapseln an Standard-Verstärkern CMC 6 mikrofonierten Flügel setzte. Ansonsten wurde das Setup von zwei Korg Kronos Keyboards dominiert, um die sich weiteres elektronisches „Spielzeug“ in Form zahlreicher Controller (u. a. Akai APC40, Naonext Crystall Ball) gruppierte. Herbergers DAW stammte von Ableton – ein Timecode lieferte Taktungsinformationen für ein parallel am FOH-Platz aufgebautes Pro Tools, das durch Benedikt Maile versiert bedient wurde und bei allen Songs mit Ausnahme einer Pianoballade aktiv war.
Als Besonderheit kam eine Microsoft Kinect Hardware-Unit (PrimeSense-Tiefensensor, 3D-Mikrofon, Farbkamera) zum Zug: Das schlanke Gerät ist passionierten Gamern von der Xbox 360 bekannt, wurde in Schwetzingen jedoch als von Michael Herberger und dem Publikum beeinflussbarer 3D-Scannercontroller heran – gezogen und zur Sample-Triggerung genutzt – die aus den Aktionen resultierenden Steuerinformationen wurden an die Ableton-Software übertragen. Xavier Naidoo widmete sich vorrangig seinem Gesang, der über eine Shure KSM9-Kapsel übertragen wurde, die auf einen UR2- Handsender geschraubt war. Darüber hinaus kam ein kabelgebundenes SM58 zum Einsatz, dessen Ausgangssignal vom Sänger mithilfe eines Korg Kaoss Pad verfremdet werden konnte. Ein ursprünglich vorbereitetes In-Ear-System wurde kurzfristig durch kompakte, im Theater vorhandene Aktivmonitore ersetzt – die Künstler legten in dem intimen Rahmen Wert auf eine unmittelbare Interaktion mit dem Publikum.
Der FOH-Platz wurde in Schwetzingen von Sascha Kohl betreut, der aufgrund der überschaubaren Auftrittsdimension auch für das Monitoring zuständig war – entsprechende Wege wurden klassisch über prefader abgegriffene AuxSends beschickt. Während einer ganztägigen Probe, die eine Woche vor dem Event im Theatersaal stattfand, wurde nicht nur mit musikalischen Arrangements experimentiert, sondern auch Verteilung und Wiedergabelautstärke der Signale mussten festgelegt und gespeichert werden. Zur Probe befand sich die nennenswerte Maße aufweisende Allen & Heath iLive-176 Konsole an einer dem Hören zuträglichen Position mitten im Zuschauerraum – während des Konzerts musste Sascha Kohl jedoch mit dem Pult in eine Loge hinter einem der Surround-Lautsprecher ausweichen und sozusagen im „Taubflug“ mischen. Eine Fernsteuerung aus dem Zuschauerraum wäre keine Option gewesen, da sich die für den guten Zweck sehr tief in den Geldbeutel greifenden Gäste mit einiger Sicherheit gestört gefühlt hätten und außerdem ausnahmslos alle Plätze belegt waren.
Surround-Verteilung
Bezüglich der Signalverteilung hatte Sascha Kohl weit – gehend freie Hand, und in Abstimmung mit Benedikt Maile wurde entschieden, welche Audio-Informationen in den Surround-Kanälen Sinn ergeben könnten. Während der Probe wurde diesbezüglich fleißig experimentiert, und einzelne Einfälle wurden auch rasch wieder verworfen – der Autor dieser Zeilen ertappte sich dabei, dass er sich unwillkürlich und leicht überrascht umdrehte, als von hinten während des Söhne-Mannheims-Titels „Jah is changing all“ plötzlich aufgeregtes Stimmengewirr zu vernehmen war. Deutlich gefälliger wirkten Ambience-Umhüllungen und flächige Sounds (programmierte Streicher hinten, echte Streicher vorne) bis hin zur Leslie-modulierten Hammond-Orgel. Während der Show wurde an einigen Stellen bewusst mit spektakulären Delay-Effekten auf den hinteren Kanälen gearbeitet: „Es geht hier nicht darum, eine subtile akustische Einhüllung zu erreichen – die Gäste dürfen von den Surround-Signalen durchaus überrascht werden“, sagte Sascha Kohl, der einer Surround-Wiedergabe im privaten Umfeld – im Gegensatz zu Kinobesuchen – nicht unbedingt etwas abgewinnen kann und das Thema in Schwetzingen unbefangen anging.
In Pro Tools war Material ganz unterschiedlicher Ton-Couleur abgelegt, das unter anderem auf den bekannten Veröffentlichungen von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims zu hören ist. Für Benedikt Maile und Sascha Kohl galt es, „einen Kessel Buntes“ auf Linie zu bringen und die teilweise sehr unterschiedlichen Spuren aus verschiedenen Schaffensphasen klanglich aneinander anzupassen. Um die Vielzahl der Tracks handhabbar zu machen, wurden in Pro Tools Subgruppen erstellt – dennoch waren am FOH-Platz bei der Duo-Performance insgesamt 44 Kanäle zu verwalten. Die aus Pro Tools stammenden Spuren wurden via MADI in das A&H-Pult übertragen, das mit einer geeigneten Karte bestückt war.
Zur Beschallung mit den Komponenten von Bose äußerte sich Sascha Kohl, der in Schwetzingen erstmals mit dem RoomMatch-System arbeitete, in einer Probenpause spontan wie folgt: „Das System ist völlig in Ordnung und funktioniert im aufgrund seiner Architektur nicht ganz einfach zu beschallenden Theater super! In puncto Klang empfinde ich das Bose-System in einem positiven Sinn als sehr HiFi-mäßig, und die unterschiedliche Audioqualität der angelieferten Playback-Spuren, mit der ich im Moment noch ein wenig zu kämpfen habe, wird deutlich dargestellt.“