Zur Jahreshauptversammlung lud Schalke 04 dieses Jahr seine Mitglieder noch engagierter ein und bot rund um Diskussionen und Formalitäten ein attraktives Rahmenprogramm. Die Aufgabenstellung an Alexander Baron und seine Firma Stage Systems Veranstaltungstechnik lautete daher: Wie setzt man eine JHV in so einem gigantischen Stadion um?
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Den Weg zur Trainierkabine findet Alex Baron vermutlich im Schlaf – nach ein paar Stufen sind wir aus dem Innenraum der Gelsenkirchener Veltins Arena in seinem vorübergehenden Produktionsbüro angekommen. Seit 17 Jahren – oder rechnet man besser in Bundeliga-Saisons? – ist er enger Partner von Schalke 04, wenn es um Medien- oder Veranstaltungstechnik geht. Das von seiner Firma Stage Systems Veranstaltungstechnik geforderte Leistungsspektrum reicht von der Produktion des Schalke TV über die Betreuung der einzelnen Bundesliga-Spiele bis zu einem ganz besonderen Höhepunkt des Vereinslebens: der Jahreshauptversammlung der stimmberechtigten Mitglieder. Bevor man dabei an ein bierseliges Vereinstreffen im Gesellschaftsraum der örtlichen Gaststätte denkt, vergegenwärtige man sich einmal schnell die Dimensionen dieser Vereinsstruktur.
Mitgliederversammlung in XXL
Mit weit über 100.000 Mitgliedern kann S04 sich den zweitgrößten Fußballverein Deutschlands nennen, rund 70.000 der Fans könnten theoretisch stimmberechtigt zur Hauptversammlung erscheinen. Einige Tausend haben denn auch in den letzten Jahren davon Gebrauch gemacht, als die Hauptversammlung in der Emscher-Lippe-Halle und zuvor auf der Osttribüne durchgeführt wurde. Für 2013 erwartete man aber einen besonderen Andrang, und diese Mobilisierung der Fußballbegeisterten wird durchaus forciert: dies soll der wichtigste Tag im Kalender eines Schalke-Fans werden. Also wurde die JHV kurzerhand direkt ins „Wohnzimmer“ des Vereins verlegt und durch ein Rahmenprogramm mit Video-Einspielern sowie einigen Band- und Musical-Einlagen aufgepeppt.
Anfangs gab es die Idee, zwei Bühnen zu bauen: Eine für das Podium, und eine zweite Bühne für die Show-Teile. Alexander Baron: „Wir haben dann ein paar Entwürfe entwickelt, aber man bekommt es nicht vernünftig angeordnet – man muss ja auch etwas auf die Proportionen dieser Riesenhalle achten. Da kann man ja nicht zwei Mäusekinos hinstellen, in der Art 6 × 8er Bühne links und 20 Meter Podium rechts. Das kommt nicht so richtig, wenn dann sechs- oder siebentausend Menschen davor sitzen … Also haben wir den Vorschlag mit den verfahrbaren Videowänden gemacht, bei dem es vorne und dahinter je ein Podium gibt und man daher alles mit einem Aufbau abdecken kann. Die Situation mit den geschlossenen Videowänden ist also die Standardstellung für den offiziellen Teil der Jahreshauptversammlung mit einer schönen, klaren Optik.
Auf Podium 1 gibt es nur Weißlicht mit sechs Mac III, die ein wenig was machen können sowie einige ETC Source Four Profiler, ansonsten hängen da ARRIs drin mit 2 und 5 kW. Bei Show Acts gehen die Videowände auf und man hat hinten dran auf 4,30 Meter über dem Boden eben noch einmal eine vernünftige Bühne, wo die Schalke-Hausband und die Musical-Jungs spielen können – mit etwas Show-Licht und noch mal einer G-LEC-Wand. Bei der Jahreshauptversammlung selbst gibt es aber auch noch einmal Programmpunkte mit einer Bergmannskapelle auf der Bühne 2 dahinter, oder die Ehrung von über 400 Personen für lange Mitgliedschaften.“
Tatsächlich wirkte der Aufbau dann auch sehr stimmig, nicht nur als platte Wand mit Sprechstellen davor, sondern mit etwas Struktur und Tiefe. „Das war am Anfang bezüglich der Proportionen etwas schwierig zu beurteilen, wenn man die Situation nur in AutoCAD und mit Stuhlplänen betrachtet. Aber als wir dann anfingen, das Podium zu bauen, hat man schnell gesehen, dass es wirklich gut passt. Dazu sollte man sich ja nicht unbedingt in die erste Reihe setzen – lauf mal in den dritten Block, da sieht das Bild dann schon anders aus. Eigentlich hat das Podium zwar nur 35 Meter (davor immer 24 Meter), aber durch die Treppenanlagen außen wirkt es noch etwas breiter, als es ist. Es ist also nicht so sehr viel größer, aber es sieht alles etwas besser aus, auch weil es schicker verkleidet ist mit Holzspannrahmen und Folie in RAL 5005. Also alles nach Schalke 04 Corporate Design gestaltet. “
Podium mischen
Angesichts der Raumdimensionen und der Entfernungen der Sprecherplätze untereinander (je mit einem kurzen Beyerdynamic-Schwanenhalsmikrofon versehen) war auch auf der Bühne ein Monitoring nötig: Jeder Platz wurde jeweils für sich auf eine rückseitig am Boden liegende Reihe flacher Monitore RCF TT08-A gegeben, damit sich der Vorstand nicht nur aus der Halle selbst zurückgeworfen hörte. Außerdem wurde das Rednerpult zugemischt und natürlich die MAZen und Zuspieler, da einzelne Vorstandsmitglieder ihre Reden z. B. durch Spielszenen anreicherten. „Es geht ja auch ein bisschen darum, hier die Emotionen der Fans anzusprechen und zu wecken“, so Alex Baron. Und natürlich ist am FOH-Platz über so eine lange Veranstaltungsdauer von 14.00 bis 21.00 Uhr eine hohe Konzentration gefragt. „Der Mischer steht an einem Yamaha CL5-Pult, und das ist mit einer Dugan-Karte als Automatikmischer bestückt. Dort liegen alle Sprechstellen an, und sie tut es eigentlich ganz gut. Die Rednerpultmikros sind davon nicht betroffen, die hat er separat auf dem Schieber.“ Das Programm hält sich an eine feste Tagesordnung, auch gibt es keine Q&A-Mikrofone im Saal: Einmal machen sich Fan-Gruppen bezüglich ihrer Stimmung sicher auch ohne Mikrofon bemerkbar, außerdem wird im Verein praktiziert, dass einzelne Redebeiträge zwar zugelassen werden, aber vorab angemeldet und vom Vorstand zugelassen werden müssen.
PA-Adaption an Besucherzustrom
Bei der Beschallung stand natürlich das gesprochene Wort im Vordergrund. „Beschallungsmäßig haben wir die letzten Jahre auch alles so umgesetzt, dass es takko ist und Druck hat, aber dieses Jahr ist es das erste Mal, dass man auch eine Show-Bühne dabei hat, zwei Stunden vor Beginn gibt es ein Show-Programm“, so Alexander Baron. „Was wir jetzt aber nicht gemacht haben, ist hier 40 Bässe aufzubauen, sondern wir haben zwei 6er-Stacks seitlich der Bühne in Cardioid-Betrieb positioniert, was auch reicht. Wenn wir hier z. B. die Schlagernacht auf Schalke umsetzen, haben wir 40 davon – das ist jetzt natürlich etwas anders. Das Material ist komplett RCF: TTL55 vorne, plus TTL33 im Dreier-Pack drunter als Down- und Near-Fill plus vier Mal TTL33 Groundstack als Delay: einmal im Osttribünenbereich und drei Tower vor der Nordkurve.“ Zugeschaltet wurden die Tower aber erst, wenn der Innenbereich voll besetzt war und daher die Tribünen nach und nach besetzt wurden. „Wir wollen ja das Nachhallfeld nicht unnötig nach oben bringen, wir haben immerhin 1,4 Millionen Kubikmeter Luft hier drinnen! Die 55er wurden ganz bewusst so getunt, dass sie fünf Meter vor dem Catering (am Ende des Innenbereiches, Anm. d. Red.) aufhören, damit wir hinten nicht in den Beton und die leeren Sitzplätze kommen.“ Für das Nahfeld wurden außerdem ins Podium noch sechs RCF TT08 für die ersten Reihen integriert.
Eingerichtet wurde das Material durch Joachim Kühn (Audax Audio) via RDnet, das RCF-eigene Steuerungs- und Überwachungsnetzwerk; von Audax Audio stammte auch die komplette PA. Die Signalverteilung erfolgte komplett per Dante über Glasfaser, auf der Bühne standen zwei Yamaha RIO 3224 I/O-Boxen, hinzu kamen noch diverse 5000er Sennheiser-Sendestrecken, die Handsender teilweise mit Moderatorenknopf/Rückkanal, alles eingebunden in das Riedel-Artist-Intercom (RCP-1012 Sprechstellen) mit je zwei Kanälen Tetra- und Analog-Funk.
Als Besonderheit war noch eine 100-VoltLinie für Nebenräume und Sanitär-Container nötig, die nicht – wie die Umgänge – über die Hausanlage angesprochen werden konnten. „Normalerweise habe ich dafür im Lager diese WHD-Druckkammerlautsprecher TL5. Aber wir hatten letztes Jahr schon einmal ein paar von diesen kleinen 100-Volt-Monitoren RCF MR33T/WT, die ein bisschen besser klingen, und wir dachten bei fünf Containern damit auszukommen. Nun haben diese aber sehr dichte Zwischenwände und innen so viele Abtrennungen, dass wir pro Container drei oder vier 100-Volt-Lautsprecher brauchen. Also haben wir bei RCF schnell noch mal zehn Stück nachgeordert. Sie bekommen aber nur den normalen Programmton, entsprechend verzögert.“ Satzungsgemäß muss also dafür gesorgt werden, dass man überall der Veranstaltung folgen kann. „Das ist ja aber bei Aktionärsversammlungen, von denen wir auch schon etliche betreut haben, genau das Gleiche: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass jeder Raum außerhalb der Hauptversammlungshalle, wo sich jemand aufhalten kann, beschallt wird. Sonst könnte ja passieren, dass jemand nach einer Weile wieder reinkommt und bemängelt, er habe so lange nix mitbekommen, lasst uns bitte mal von vorne anfangen. Der bekäme dann Recht, und dann fängst du von vorne an.“
Ein weiterer Ausspielweg liegt auf einer Sennheiser-Personenführungsanlage für Teilnehmer mit einer Sinnesbehinderung. „Sie bekommen den Ton auch noch einmal direkt aufs Ohr, zusammen mit einer eigenen Moderation in den Pausen“, so Alex Baron. „Schalke bemüht sich im Verein auch bei den Spielen um eine gute Behindertenbetreuung, damit diese auch hier ins Stadion gelangen und gut klarkommen.“ Die Veranstaltung wurde zwar nicht live übertragen, aber aufgezeichnet, so Alex Baron: „Wir machen mehrere Mitschnitte. Alle Kameras werden abgesteckt mitgeschnitten, der Bildmischerausgang wird mitgeschnitten. Der Ton zur Sicherheit zwei Mal auf Macs mit Audacity – denn den bekommt danach die auf dem Podium hinten mit einem Monitor versehen sitzende Schriftführerin zum Abgleich für das offizielle Protokoll.“ Auch die Veranstaltungstechnik selbst war natürlich gegen diverse denkbare Havariefälle abgesichert: „Die Pulte hängen alle an einer USV. Ein zweites Monitorpult haben wir nicht, aber beim FOH liegen Vorstandstische und Rednermikrofone 1:1 noch mal an einer DM2000 auf. Bildmischer gibt es ebenfalls zwei, auch die Aufzeichnung gibt es doppelt – falls mal eine Festplatte stehen bleibt, man weiß es ja nicht. Die Videowände gibt es natürlich nicht noch einmal …“
RAL 5005: wie viel weiß/blau darf’s denn sein?
„Ist doch klar, dass hier alles in weiß/blau leuchtet. Wir haben dafür gesorgt, dass alle Aufbauten, der Teppich, die Lichter und Beleuchtung in RAL5005 erstrahlen“, freut sich Alex Baron zum Schluss, „sogar am FOH wurde penibel darauf geachtet“, und deutet dabei auf die Regie …