Neckar Forum Esslingen: Location-Evolution mit VIDA
von Detlef Hoepfner,
Womöglich gerade richtig kam 2020 eine Neuausrichtung der Tontechnik im Neckar Forum Esslingen: Mit den VIDA von Kling&Freitag kann die Crew nun optimal auf veränderte Bestuhlungs-Szenarien reagieren und erreicht besser als je zuvor auch die hinteren Hörplätze mit guter, ermüdungsarmer Verständlichkeit. Wenn Zoom, Skype & Co an ihre Grenzen in Kommunikation und Interaktion kommen, muss die Location auch liefern können.
Drei Locations betreibt und verwaltet die „Esslingen live – Kultur und Kongress GmbH“ um Geschäftsführer Johannes Schneiderhan. Am jüngsten in diesem Gebäude-Trio ist das Neckar Forum: 2004 gebaut und 2005 eröffnet bietet es Firmen, Kulturschaffenden und privaten Veranstaltern Raum für höherkarätige Events. Mit seinen 1.200 Sitzplätzen gehört es zu einem der großen Kultur- und Kongresszentren in der Metropolregion Stuttgart – das maximale Fassungsvermögen wird erreicht, wenn man die mögliche Saalerweiterung nutzt. Seit dem Frühjahr 2020 werden die Angaben der Raumkapazitäten je nach Raumkonfiguration zwar sicher neu zu definieren sein, erinnern sie doch wehmütig an unbefangenere Zeiten. Dass Veranstaltungen ab 2020 aber ganz neu gewertet werden müssen – dem kommt das Neckar Forum mit neuer Technik sicher entgegen.
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Tagungen und Kongresse zu neuen Maßstäben
Als Veranstaltungsarten im Neckar Forum nennt Simon Pöschke (als Meister für Veranstaltungstechnik verantwortlich für die technische Planung und Organisation der Location) typische Tagungen oder Kongresse mit einer kleinen, begleitenden Ausstellung. Dazu dann die üblichen kleinen Tourproduktionen oder Comedy-Auftritte. Die Veranstaltungstechnik wird dabei grundsätzlich entweder von einem technischen „Prefered Partner“ oder der Tourproduktion selbst gestemmt.
Zur Verfügung standen den Produktionen bisher als Tontechnik eine bereits 2005 eingeplante Beschallung, die seitdem ausfallfrei ihren Dienst leistete, aber damals auch etwas knapp auf Kante genäht wurde – oder umgekehrt argumentiert: Nach 15 Jahren haben sich die Erwartungen von Veranstaltern und Besucher verändert. Damals wurden Lautsprecher der Serie K&F CA 1215 an den Portalen sowie im Center für das Nah- und Fernfeld verbaut. Ergänzt wurde das Konzept durch K&F-Bässe SW 118. Heute stellt man aber fest, dass selbst bei Industrie- oder Kongressveranstaltungen oft einfach etwas mehr „Druck“ gefordert wird, wenn ein Trailer auch emotional mal für etwas Stimmung sorgen soll. Und eine weitere Anforderung wird aktuell vielleicht wichtiger denn je, wenn künftig Teilnehmer weiter auseinander und breiter verteilt sitzen müssen: Eine optimale Gleichmäßigkeit der Beschallung in der Breite und Tiefe. Im Fall des Neckar Forums aber, ohne nun gleichzeitig die schallharte Rückwand des rund 30 m tiefen Saals zu sehr anzuregen, der in der Höhe mit einigen Glasflächen aufwarten kann. Mit dem bisherigen Konzept aus dem Portal gab es da schon einige Löcher – oder wie Simon Pöschke berichtet: ab zehn oder zwölf Metern hat man zwar immer noch etwas verstanden, aber es wurde zunehmend anstrengender. Hier die Klarheit zu erhöhen, wäre also ein ganz deutlicher Pluspunkt – gerade für Aufmerksamkeit fordernde Veranstaltungen wie Fachkongresse. Pandemiebedingt waren auch bereits Veranstaltungen wie Gemeinderatssitzungen hierhin umgezogen, um die nötige Weitläufigkeit zu garantieren.
Linien statt Punkte
Für eine Neukonzeption wurden verschiedene Optionen erwogen: von einem Line-Array bis zu Linienstrahlern mit Beam-Steering. Auch im Tieftonbereich sollte es mehr Leistung geben, wobei die Subs schwerlich fest in die Bühnenvorderkante integriert werden können, da dort öfters Bühnentechnik vorgebaut wird. In das Auswahlverfahren wurde dann auch ein Shootout mit diesen verschiedenen Konzepten integriert, mit dem Ergebnis, auch künftig auf eine Lösung von Kling&Freitag zu setzen. Am zufriedensten war man diesmal mit einem Beam-Steering-Lautsprecher, an dem man mehrere Punkte schätze: Einmal überzeugte er das Team klanglich hinsichtlich der Musikalität und des gewünschten „Drucks“. Hinzu kommt die Chance, bei unterschiedlichen Bestuhlungsvarianten die Coverage der Beschallung variabel anzupassen. So kann es durchaus deutliche Unterschiede in der gewünschten Tiefe der Beschallungszone geben: Entweder blendet man bewusst die reflektierende Rückwand deutlicher aus, oder man nimmt einen Kompromiss in Kauf, wirft etwas weiter und schafft einen besseren Übergang, wenn das rückseitig anschließende Foyer mitgenutzt wird.
Bild: Simon Pöschke
Bild: Simon Pöschke
Bild: Simon Pöschke
Installiert wurden daher zwei VIDA L pro Seite, eine also auch optisch sehr ansprechende Lösung. Dabei wurde die Positionierung der Lautsprecher verändert, von den Stirnwänden neben dem Portal wanderten sie etwas weiter nach innen genau an die Kanten der Bühnenöffnung. Das geringe Gewicht der VIDA kam dieser Montageposition mit ihrer niedrigen Gewichtsaufnahme ebenfalls entgegen.
Die optionalen Kardioid-Module VIDA C, die rückseitig mit den VIDA L gekoppelt werden, schaffen eine zusätzliche Verbesserung der Abstrahlung und insbesondere im Konferenzbetrieb oder bei Chorkonzerten Ruhe bzw. Headroom auf der Bühne.
Für den Impact im Tiefton sorgen jetzt auf jeder Seite jeweils ein K&F-Subwoofer NOMOS LT (bestückt mit 2 × 15″) und ein NOMOS LS II (1 × 15″). Sie werden jeweils mobil vor den Betonwänden platziert und ermöglichen auch einen Cardioid-Betrieb, der aber im aktuellen Setup nicht genutzt wird. Die Beschallung wird über Dante angefahren, die Signale kommen über eine Yamaha-Matrix MTX5-D von der Yamaha-Konsole QL5. Hier bewährte sich die Dante-Konnektivität der VIDAS. Als Nearfills werden Kling&Freitag Sona 5 mobil auf die Bühne gestellt, da manchmal eine Vorbühne hinzugebaut wird. Insgesamt neu angepasst und optimiert wurden alle Delayzeiten. Die Foyer-Beschallung aus Kling&Freitag SONA 6 und die verbesserte Reichweite der VIDA kann je nach Bestuhlung und Raumnutzung nun besser einbezogen werden.
Bis in die letzte Reihe
Die Installation wurde von Martin Reiser (klangdesign GmbH) geleitet und zusammen mit Bernd Wagners Team der Stuttgarter Firma Mad Music GmbH realisiert. Weiterer Support kam von Kling&Freitag und Planer André Bauer.
Dr. rer. nat. Dipl. Phys. Claus Mündel von der Firma Microsound ermittelte für das neue System STI-Werte im Bereich von 0,65 bis 0,73, je nach Hörort. Sehr gefällt außerdem, dass man kaum einen Abfall über die Entfernung bemerkt – Simon Pöschke benennt diesen mit nur ca. 2 dB Pegelverlust auf 30 m. Auch in den Höhen trägt die Beschallung nun dank VIDA sehr weit.
„Mit diesem Setup decken wir alle unsere Veranstaltungen ab. Da unser Hauptgeschäft im Bereich der Tagungen und Kongresse liegt, war für uns die ausgezeichnete Sprachverständlichkeit an jedem Hörort am wichtigsten, aber auch ein gewisser Druck, den das System z. B. bei Produktpräsentationen oder auch Kulturveranstaltungen liefern muss“, so Simon Pöschke als Leiter der Veranstal- tungstechnik. „Überzeugt hat uns die gleichmäßige Lautstärkeverteilung im Saal und die Präsenz der Höhen bis in die letzte Reihe. Ebenfalls werden Reflexionen durch die sauber geschnittenen Beams des Systems im Raum deutlich verringert, was wiederum zu einer höheren Sprachverständlichkeit führt. Ebenso können wir nun, dank der Beam-Steering-Technologie, auf sich ständig ändernde Bestuhlungsarten eingehen und nur die Bereiche beschallen, die auch für die Veranstaltung relevant sind.“ Dazu Lars Wennerlund, Technischer Leiter bei Esslingen live: „Ein besonderer Dank gilt André Bauer, Martin Reiser und Bernd Wagner. Mit ihrer Unterstützung und Beratung haben wir uns von Anfang an wohlgefühlt und sind mit unserer Entscheidung sehr zufrieden. Aber auch allen anderen gilt natürlich ein großes Dankeschön!“
Nicht nur Martin Reiser, auch Simon Pöschke zeigte sich in unseren Gesprächen überaus zufrieden. Nun ist man in der Regel ja immer erstmal zufrieden, ein Projekt erfolgreich abgeschlossen zu haben. Es gibt dann ja aber immer noch eine nur optionale Audiobegeisterung als Sahnehäubchen on top – und die spürt man den Beteiligten in allen Gesprächen ab. Technisch also scheint man nun auch den neuen Herausforderungen an die eher komplexer werdenden Veranstaltungsformate gerecht zu werden.