Musical Bodyguard: Klassischer Theateraufbau trifft Rock’n’Roll

Seit November 2015 läuft in Köln im Musical Dome das erfolgreiche Musical Bodyguard. Das Musical feierte im Jahr 2012 im Londoner Adelphi Theatre Premiere und lief dort über zwei Jahre am Stück.

Bühnenaufbau bei dem Musical Bodyguard
Bühnenaufbau bei dem Musical Bodyguard (Bild: Detlef Hoepfner)

Vermutlich kennen fast alle den Film Bodyguard mit Whitney Houston und Kevin Costner aus dem Jahr 1992 und einige mussten diesen nicht nur einmal gucken. Den Trend, eben diese erfolgreichen Kinoklassiker auf die Bühne zu bringen, beobachtet man nun schon länger. Neben Sister Act und Dirty Dancing läuft nun aktuell in Köln im Musical Dome eben eine weitere Filmadaption. Insgesamt ist der Markt für Musicals – völlig im Gegensatz zu den Märkten über den kleinen Tümpel am West End und großen Teich am Broadway – in Deutschland ein schwieriger Markt. Unlängst wurde das Ende des Berliner Musicaltheaters am Potsdamer Platz aufgrund zu geringer Erträge – trotz eines erfolgreich verkauften Musicals „Hinterm Horizont“ – wegen ausbleibender Perspektive um eine Nachfolgeproduktion verkündet. Ende August wird das Haus schließen. Viele Gründe, wie eine starre Zielgruppe oder zu große Häuser könnten angeführt werden, Bodyguard in Köln jedenfalls scheint den Nerv der potenziellen Besucher zu treffen. Gerade vor einem Monat verkündete die Produktionsfirma BB Promotion die Verlängerung des Stücks in Köln. Bevor die Show 2015 in Köln anlief, feierte das Stück am Londoner West End über zwei Jahre lang große Erfolge und räumte den renommierten Whats OnStage Award für das beste neue Musical ab. Regisseurin war Thea Sharrock – das technische Kreativteam bildeten Lichtdesigner Mark Henderson, Videodesigner Duncan McLean und Sounddesigner Richard Brooker sowie Setdesigner Tim Hatley.

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Umsetzung im Musical Dome

Der Musical Dome in Köln – liebevoll oder auch nicht Blauer Müllsack genannt – ist ein ursprünglich temporär geplanter Bau, der anfangs als Fliegender Bau galt. Seit 1996 steht das Gebäude mit seinem blauen Polyesterdach in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und Kölner Dom am Rheinufer. Letzter Termin für die Nutzung des Musical Domes ist aktuell 2017 – in Anbetracht der Rückbetrachtung ist jedoch noch von einer längeren Nutzung auszugehen.

Für die technische Ausstattung der deutschen Musicalproduktion ist die Firma Feedback Show Systems & Service aus Stolberg verantwortlich. Das Team von Feedback sorgte für die reibungslose Umsetzung der Anforderungen der englischen Designer an das technische Setup. Der Musical Dome bietet erheblich mehr Platz als die klassischen Theater im Londoner West End – oder wie es ein Techniker vor Ort ausdrückte: „In London sind das gegen unsere zu nutzende Bühnenfläche Schuhkartons.“ Zu erwähnen ist, dass das Musical Bodyguard in Köln komplett ohne Glühwendel-Scheinwerfer auskommt. Alle Anforderungen an Licht im unteren Bereich der Farbtemperatur wurden mit Hilfe von ETC Lustr LEDScheinwerfern gelöst. Die englischen Designer ließen sich nach kurzer anfänglicher Skepsis relativ schnell von einer LED-basierten Lösung überzeugen und sind nun laut Aussagen der Techniker vor Ort sehr zufrieden mit der Lichtqualität der ETC LED-Profiler, welche mit sieben farbigen LEDs ein breites Spektrum und einen hohen CRI bieten. Im Musical Dome kommen 33 dieser Geräte zum Einsatz – zehn Stück in den Gassen, der Rest verteilt sich im Dach.

Klassischer Theateraufbau trifft Rock’n’Roll

Insgesamt ist der Aufbau der Bühnentechnik als äußerst klassisch zu betrachten. Lichtoperator Chris Treude, der uns durch die Produktion in Köln führte, bestätigt diese Meinung: „Im Grunde ist der Designansatz sehr Theater-klassisch gewählt. Wir haben verschiedene Ebenen im Bühnenaufbau und diese sind sowohl mit Leitern in Gassen und verschiedenen Traversenzügen inszenierbar.“ So spielt die Show auf drei Bühnentiefen, die in Kameralinsenmethode von hinten nach vorne oder natürlich anders herum geschlossen und geöffnet werden können. Das Prinzip ist klar – in den geschlossenen Ebenen kann der Umbau für die nächsten Szenen unbemerkt vorgenommen werden. „Der Bühnenraum hinter dem letzten Abschluss steht voll. Das ist jedes Mal wie Schach – man muss genau wissen, welche Requisite wann bewegt wird und wohin die genutzten Aufbauten zurückgestellt werden. Die größte Requisite ist ein Holzhaus – das die Lodge in den Bergen darstellen soll, wo sich die Sängerin mit Familie und Bodyguard im Film zurückzieht. Alleine das ist eine logistische Herausforderung“, so Chris Treude. Viel passiert auf der ersten Ebene – ungewöhnlich für Musicals ist auch die Tatsache, dass es viele Sprechszenen gibt. So gibt es auch einen hohen Anteil an statischem Licht, obwohl das Lichtsystem auch aus einer hohen Anzahl an Moving Lights besteht. Neben einigen Martin MAC Viper, die sowohl in der Wash- und Profile- als auch in der Performance-Version eingesetzt werden, sind noch 38 MAC Aura und 16 Clay Paky Sharpy Wash in den Positionen in Gassen und im Dach positioniert.

Die unterschiedlichen Ebenen sind jeweils mit seitlichen LED- Flyern umgeben, auf denen in geringer Auflösung Content passend zur Szene abgespielt wird. Vom Anspruch her soll die Nutzung des gesamten LED-Systems eher einen atmosphärischen Nutzen bieten. Insgesamt sind 200 m2 LED-Flächen für Bodyguard im Musical Dome verbaut worden. Neben den Flyern auf drei unterschiedlichen Ebenen, bildet eine große LED-Wand einen digitalen Backdrop. Befeuert werden die LED-Flächen über einen Catalysten – ein weiterer Medien-Server steht als Backup-System redundant zur Verfügung. Neben der hinteren LED-Wand sind aber noch weitere Bühnenabschlüsse vorhanden. Ein Sternenvorhang sowie ein Backdrop, der das Portal der Villa der Künstlerin widerspiegelt, nebst des klassischen Sliderpacks sind die hintersten Ebenen des Bühnenaufbaus. Eine Besonderheit der BodyguardInszenierung sind vier verfahrbare Traversen, die ins Bühnenbild gebracht werden können. „Es gibt sogar Szenen, in denen die Traversen extra im Bild positioniert werden. Die Designer wollen damit erreichen, dass die Zuschauer das Gefühl haben in einem Pop/Rock-Konzert zu sitzen. Dafür braucht es dann etwas Alu und Stahl“, so Chris Treude aus der Kölner Lichtcrew. Für diese Szenen sind speziell 18 Stück der Beam-Scheinwerfer Robe Pointies in den sogenannten Rock’n’Roll-Top- und -Side-Positionen installiert.

Die unterschiedlichen Lichtpositionen sind es aber auch, die Änderungen am Lichtsystem, wie z. B. die Anpassungen des Fokus, sehr kompliziert gestalten. „Man muss schon aufpassen, in welchem Cue man sich befindet und an welcher Position sich darin die Züge befinden“, erklärt Chris Treude. Ansonsten könnten sich so nämlich leicht Fehler einschleichen. Zur Steuerung eingesetzt wird eine ETC EOS Konsole inklusive zweier ETC Gateways, die benötigt werden, um die insgesamt 13 Universen kontrollieren zu können. Die Entscheidung zur Konsole stammt vom britischen Designer-Team, doch Chris Teude ist ebenfalls sehr zufrieden mit der Konsole. „Bisher läuft das ganze System äußerst zuverlässig – wir hatten keine Netzwerkfehler oder -ausfälle. Nur einmal gab es einen Hardware-Defekt während der Show. Doch auch hier setzte unbemerkt für das Publikum das Backup-System ein und die Show war ohne Probleme weiter zu steuern“, bemerkt Chris Treude.

Nebelvorhang mit Hindernissen

Ein besonderes Gadget der englischen Designer ist ein Nebelvorhang, auf den während der Show mit Hilfe von Projektoren Inhalte projiziert werden. Dieser sicherlich für Zuschauer beeindruckende Effekt brachte in der Adaption vom Theater am West End in das größere Haus in Köln aber auch einige Probleme mit sich. Die ursprünglichen Maße des Vorhangs betrugen sechs Meter Breite mal vier Meter in der Höhe. In Köln mussten die technischen Lösungen einen Vorhang von 14 Meter Breite und 6,5 Meter Höhe ermöglichen. Ein Umstand, der beim Team der Firma Feedback Show Systems & Service einiges an Entwicklungskunst nötig machte. Denn die Ausmaße in Verbindung mit den anfangs zur Verfügung stehenden technischen Lösungen konnten nicht das zufriedenstellende Ergebnis liefern. Die in der Veranstaltungstechnik eingesetzten Windmaschinen waren nicht stark genug, um den erzeugten Nebel innerhalb weniger Augenblicke auf die Bühne zu drücken (den Auslass zeigt unser Titelbild). Fündig wurde Feedback in Luft-Turbinen aus der maschinellen Industrie. Diese Turbinen sorgen nicht nur für die Zulieferung des Nebels, sondern im Dach positioniert auch dafür, dass die Nebelwand ebenso schnell verschwindet, wie sie kommt. Dafür kommt bei den Orca Nebelmaschinen von Look Solution auch das Quick Fluid zum Einsatz, welches die Anforderung nach zügiger Auflösung noch unterstützt – der komplette Nebelvorhang ist innerhalb von fünf Sekunden vollständig verschwunden. Das nächste Problem war es aber, den Nebel gleichzeitig und homogen auf der gesamten Breite auszugeben und das bestenfalls bei unterschiedlichen thermischen Gegebenheiten, die es in einem Theater zwangsläufig nun gibt. Nach vielen Berechnungen konnte man auch diese Anforderungen ermöglichen. Der Nebelvorhang inklusive der Projektion wird für 30–45 Sekunden lang eingesetzt.

Das weitere Nebel-Setup besteht aus weiteren Maschinen von Look Solution. Neben Unique Hazern seitlich und zentral im Dach, kommt noch eine Cryo-Fog Bodennebel-Anlage zum Einsatz. Zusätzlich sorgt noch ein MDG Tourhazer von hinten für Support.

Dynamische Audiomischung

In die Tonverantwortung gerufen wurde Matthew „Bambi“ Nunn über den Kontakt zu Richard Brooker, dem Sound – designer. Unterstützt und vertreten wird Matt durch zwei weitere Kollegen, permanent läuft hier eine Abstimmung und gegenseitige Einarbeitung. Die Zahl der von ihm gemischten Musical-Shows kann er kaum noch zählen, langweilig wird ihm der Job dennoch nicht: Auch bei Bodyguard gibt es viele Szenen, in denen trotz aller Speicherung eine Menge zu tun ist, und man sehen muss, in der richtigen Sekunde alle Finger an korrekter Position zu haben. Das liegt auch daran, dass aus optischen Gründen nicht auf Kopfbügelmikrofone gesetzt wird, sondern die kleinen DPAs (mit denen das Team sehr zufrieden ist) relativ weit vom Mund entfernt in die Maske integriert werden. Wenn dann eine Anzahl von Darstellern in schneller Abfolge dicht beieinander agiert und auch noch Effekte zu bedienen sind, ist blitzschnelles Arbeiten angesagt, um einen cleanen, druckvollen Sound zu garantieren: Zu viele offene, empfindliche Mikrofone mit Kugelcharakteristik eng beieinander wären ansonsten der Garant für Phasing und Matschsound. Hilfreich ist hier seit einiger Zeit, dass die meisten Shows mitgeschnitten werden, und die Audiocrew ohne allzuviel Belästigung des übrigen Teams via virtueller Soundchecks mit der Aufnahme des Vortags anspruchsvolle Szenen noch einmal durchgehen und üben kann. Auch wenn immer die gleiche Show gespielt wird – im Detail ändern sich doch immer wieder Kleinig – keiten oder das Timing um ein paar Sekunden, und diese Szenen möchte man lieber ohne viel Nachdenken „im Schlaf“ beherrschen können.

Neben den Sängerinnen und Sängern spielt eine komplette Live-Band die Shows, aus dem zu engen Orchestergraben ist sie jedoch etwas höher in eine Zone hinter der Bühne verlegt worden, baubedingt leider etwas verschachtelt auf zwei Ebenen. Drums und Bläser schauen sozusagen aus ihren schallisolierten Kabinen auf die weitere Band herab. Dort bei den Musikern steht auch das zentrale Digico-Rack und eine kleine SD8-Konsole, auf der die Audiosignale vorverwaltet werden, bevor sie dann per MADI auf die Roland-Monitormischer der Musiker gehen. Dadurch sind vorab bereits hochwertige Dynamics und EQ auf den Signalen möglich. Von der Lösung ist Matt recht begeistert, es kann eine sehr hohe Anzahl von Signalen zur Verfügung gestellt werden, und dennoch bekommt jeder Musiker für ihn passend die Gruppen und Einzelstimmen, die er am wichtigsten benötigt. Auf einer kleinen Yamaha-Konsole hat der Drummer zudem noch mal einen analogen Schlagzeug-Split, um ihm eine noch bessere Kontrolle via Dynamics und EQs zu geben, die er auch während der Show beeinflussen kann.

Im Radioraum mit Sennheiser- und Shure-Sendestrecken findet sich neben einem Stativ mit fest montiertem Mikro und Sender am Stativfuß (für eine „Studio“-Szene) und den ganzen vorbereiteten Mikrofonen für die Darsteller auch ein Rack mit Galileos, von denen die Beschallung angesteuert wird. Neben einigen kompakten Lautsprechern in den Gassen in erster Linie natürlich (vom SD7 am FOH einzeln angefahren) Proszenium L/R (Leopard), ein Center-Cluster, Near- fills am Bühnenrand, Subwoofer und einige Surround-Lautsprecher. Vom FOH bekommen auch die Lichtkollegen einen Timecode, sicherheitshalber ist ein routinemäßiger Check vor jeder Aufführung Standard.

Die Surround-Lautsprecher werden in erster Linie mit Effektsound via Q-Lab vom FOH angespielt, angestrebt werden passende akustische Atmosphären je nach Musical-Szene. Beispielsweise werden rundum Publikumsreaktionen und Kameraklicken erzeugt. In anderen Szenen kommen bevor zugt Signale der Effektgeräte, die in den Racks unter der FOH-Konsole untergebracht sind, rundum zur Wirkung, um deren räumliche Wirkung zu unterstreichen.

Machen so viele Shows noch Spaß? Und bevor sich die Türen für das Publikum öffnen, eine letzte Frage an „Bambi“, Head of Sound bei Bodyguard: Nach so vielen Jahren des Live-Mischens – macht das überhaupt noch Spaß, immer wieder am Pult zu stehen? „Ich mag noch immer diese Herausforderung, Live Theater zu mischen. Diese Show hier ist ganz besonderer Genuss, wegen der Mischung aus kräftigem Rock’n’Roll-Konzertsound, den Balladen bis zu schnell getakteten Dialogen mit vielen SoundEffekten, die mich ziemlich auf Trab halten. Insgesamt gab es ja in der Musik in den letzten Jahren den Trend, den „Lautheits-Faktor“ immer noch mehr zu forcieren – mit dem Risiko, eine definierte Dynamik zu verlieren. Das Erfrischende an dieser Produktion ist, dass sie den Fokus zurück auf die Dynamik eines Songs und der Show an sich zurücklenkt. Ja klar, wir haben einen fantastischen Rock-Start in die Show, aber wir haben auch einige wunderbar arrangierte Balladen. Es ist auch schön, wieder zu einem „weniger ist mehr“- Ansatz zurück zu gehen. Mit den heute selbstverständlichen digitalen Konsolen, und besonders vom Kaliber einer SD7T, wie wir sie hier besitzen, lässt man sich leicht vom Weg ablenken, indem man der Signalbearbeitung ein Problem zu lösen versucht, das man effektiver behoben hätte, indem man – zum Beispiel – ein Mikrofon in eine bessere Position bringt. Richard Brooker hat jede Stufe des Signalpfades vom Anfang bis zum Ende sehr sorgfältig geplant, und ich glaube, das ist entscheidend für das Ergebnis, dass das Publikum jeden Abend erlebt.“

Backstage Crew in Köln
Backstage Crew in Köln (Bild: Detlef Hoepfner)

Bodyguard Backstage-Crew

Die Backstage-Crew der Abteilungen Bühne, Licht, Ton, Stage Management, Company Management (auf dem Foto fehlen Maske und Kostümabteilung)

Jörn Schäfer (Bühne)
Daniel Fuchs (Bühne)
Olaf Murgia (Bühne)
Felix Ernst (Bühne)
Marcio Silva (Bühne)
Solange Carvallo (Licht)
Stephanie Hacker (Licht)
Bettina Döhmer (Bühne)
Jorge Delgadillo (Licht)
Andreas Strohecker (Bühne, Tech. Leitung)
Chris Treude (Licht)
Matthew „Bambi“ Nunn (Ton)
Emily „Bear“ Palmer ( Stage Management)
Caro Ruhrmann (Stage Management)
Laura Smith (Stage Management)
Dominik Ast (Licht)
Katrin Berz (Stage Management)
Ingo Esselin (Ton)
Victor Halasz (Ton)
Olivia Rode (Company Management)
Jan Heimke (Bühne)

 

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