Méneˇ je více – KV2 verspricht: „Weniger ist mehr!“
von Detlef Hoepfner,
KV2 Audio – ja klar, die kennt man doch von der Prolight + Sound … das ist doch diese englische, kanadische, italienische … nein wo kommt die Firma noch mal her? Alles nicht ganz falsch, was Geschichte und Entwicklung des Teams angeht. Zentraler Drehpunkt aber ist das tschechische Milevsko südlich von Prag, wo wir Firmengründer George Krampera besucht haben.
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Flapp – flapp – flapp – flapp – … flapp – wie lange habe ich dieses Geräusch nicht mehr gehört! Der graubärtige Kopf von George Krampera beugt sich über die Tonbandmaschine, nimmt nichts weiter wahr als seine ausgebreiteten Stapel an Tapes und Langspielplatten, er wechselt unwirsch das Band, spult hin und her – er findet einfach die eine Stelle nicht, die er uns gleich über seine neuste Beschallungsentwicklung vorspielen wollte. Von einer Idee gepackt, lässt er nicht so leicht locker.
Die Vergangenheit von KV2
Es war ein langer Weg für ihn mit vielen Umwegen bis hier in sein nun fast fertiges Sound-Laboratorium im tschechischen Milevsko. Bereits mit 14 Jahren baut der musik- und elektronikbegeisterte Tscheche Musikelektronik für Freunde in Prag – eine Passion, die ihn offenbar zeitlebens nicht mehr loslassen sollte. 1968 erfolgten bereits ein erster Wendepunkt und der Start zu einer internationalen Karriere, die es manchem auch heute noch schwer macht, seine Firma KV2 geografisch zuzuordnen: Nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes verlässt er mit seiner jungen Familie das Heimatland und wandert nach Kanada aus.
Dort findet er bald einen Job bei Yorkville, wo er Instrumentenverstärker und Beschallungskomponenten entwickelt. Bald macht er mit Gitarrenverstärkern der eigenen Marke Rexx auf sich aufmerksam – aber ein Eigentümerwechsel wird zum Anlass, nach Europa zurückzukehren. Die Familie landet aber nicht in Tschechien, sondern lässt sich in Italien nieder, wo sich Krampera in die Chassis-Entwicklung stürzt und für RCF die ART-Serie entwirft. Auch hier führt offenbar wieder eine Veränderung der Besitzverhältnisse – Mackie erwarb RCF – zur Verstimmung Kramperas und er setzt seine Arbeit bei B&C fort, einem weiteren erfolgreichen Chassishersteller. Deren Komponenten verwendete er auch noch, als er Ende der 90er schließlich in sein Heimatland zurückkehrt und zusammen mit Marcelo Vercelli – ebenfalls einem ehemaligen RCF-Mitarbeiter – Beschallungslautsprecher in Eigenregie designt. Davon wiederum bekommt Greg Mackie Wind, der beide vorübergehend zurück zu RCF/Mackie holt. Bevor es nun vollkommen unüberschaubar wird, gründen Krampera und Vercelli zum 2. Mal eine eigene Firma – deren Name KV2 damit auch gleich definiert war.
Technologisch indirekt mitbeteiligt und prägend ist mit Andrea Manzini ein weiterer ehemaliger RCF-Kollege, der zu der Zeit bereits als Entwicklungsleiter bei 18 Sound arbeitete und die Basis für eine enge Verzahnung der KV2-Produktentwicklung mit dem Chassis-Zulieferer 18 Sound legte.
Zurück ins heute
Zurück im Sound-Laboratorium – die hier und da noch offenen Wände des Trockenbaus zeugen davon, dass Handwerkertrupps derzeit den ganzen Firmensitz auf den Kopf stellen – hat mittlerweile George Krampera Junior die Initiative ergriffen: Er schlägt einen Imbiss in einer schlichten Kantine ein paar Straßen weiter und einen anschließenden Rundgang durchs Gebäude für Fertigung, Entwicklung und Verwaltung vor. Auf der knapp eineinhalbstündigen Fahrt vom nördlich gelegenen Prag nach Milevsko waren wir bereits am ersten „historischen“ Standort vorbeigekommen, einem kompakten Gebäude von der Größe eines Einfamilienhauses mit angegliederter Werkstatt. Das ist längst Historie, der Region aber sind die Kramperas treu geblieben und mit vielen ansässigen Mitarbeitern in eine ehemalige, aufgegebene russische Bekleidungsfabrik umgezogen. Hier und da schimmern noch alte Wandbeschriftungen hervor und sind Relikte der industriellen Textilfabrikation zu sehen.
Aber Krampera Junior eilt uns mit Tempo von Etage zu Etage voraus und kann sich selbst nicht entscheiden, was ihn gerade mehr berührt: die Begeisterung über die vielen sichtbaren Baufortschritte oder die Vorfreude auf die letzten Arbeiten, die noch in den folgenden Wochen anstehen und bei denen er auf unsere Vorstellungskraft angewiesen ist: Die nagelneue Lackiererei beispielsweise ist bereits in Betrieb, die Elektronikfertigung bekommt eine ganz neue Etage spendiert, in der aber gerade erst die Ausstattung eingerichtet wird. Eine zentrale Position nimmt auch der reflexionsarme Raum ein – ein für alle Audiofirmen gleichermaßen wichtiger wie auch bauseits extrem aufwändiger Posten: Je nach gewünschter unterer Grenzfrequenz ist ein enormes Raumvolumen nötig, das dann ebenso kostspielig gedämpft – also „vollgestopft“ – werden muss. Im Falle des KV2-Gebäudes kam hinzu, dass es ursprünglich als Munitionsfabrik entworfen worden war, und damals folgte die praktische Logik zur schnellen Produktionswiederaufnahme dem Gedanken: Wenn bei einem Angriff schon die Wände rausfliegen, sollten wenigstens die Zwischendecken halten. Dass sich später einmal ein Bautrupp wochenlang an so einer Decke die Zähne ausbeißen würde, um den Messraum über mehrere Etagen in der Höhe auszudehnen, hat man sicher nicht geahnt … Im R&D schließlich stoßen wir auf die vielleicht wichtigste Investition der Kramperas. Auf den Tischen stapeln sich Boards, Testaufbauten, Prototypen, die Regale an den Wänden sind bis unter die Decke vollgestopft mit Messgeräten, Elektronik, Bauteilmustern – spätestens hier wird deutlich:
KV2 mag noch eine relativ junge Marke sein, aber ihre Wurzeln reichen tief und weit in die letzten Jahrzehnte der professionellen Audio-Evolution, gemeinsam entwickelt mit englischen und italienischen Marktkennern im Führungsteam der Firma. Und mittendrin dann ein junges Team tschechischer Ingenieure, die bereits an den aktuellen Produkten mitgearbeitet haben. Sie sollen weiter mitgestalten, wie sich KV2 die Zukunft von Pro-Audio vorstellt, um den deutschen Vertrieb kümmert sich Franz Swierzy, mit dem wir über die lokale Service- und Supportsituation sprachen.
Zurück im großen Experimentier- und Hörraum hat George Krampera Senior seine Klangbeispiele zusammen, der Plattenspieler wird noch zur Entkopplung auf den Boden gestellt und dann ordentlich Gas gegeben. Aufgebaut ist das große (aber von der Bauform her flache) SL412 Clubsystem. George ist in seinem Element, spielt ein paar gruselige CD-Aufnahmen an (später wird er seine Abneigung gegen dieses Format noch weiter ausführen, der aus manchen HiFi-/ Highend-Kreisen bekannten Argumentation mag man in diesem Fall folgen oder auch eher nicht) und vergleicht sie mit Tape-Aufnahmen, abgespielt über die von ihm elektronisch überarbeitete Bandmaschine.
Das SL412 macht einen phantastischen Job, aber für Krampera zählt zur Sound-Reproduktion wohl eher ein ganzheitlicher Ansatz: ständig pegelt er hier oder da, vergewissert sich mit schnellen Blicken der Reaktion seiner Zuhörer und demonstriert die Wirkung des „Compex“, der nur in Kombination mit einer KV2-Beschallungsanlage geliefert wird: Der Compex kombiniert einen optoelektronischen Kompressor, der auf ausgewählte höhere Frequenzbereiche reagieren soll, um unangenehme Härten eines schlechten Audiomaterials zu lindern. Eine fehlende „Frische“ reproduziert Krampera dann mit dem Compex in einer zweiten Processing-Stufe in Form gerader Harmonischer.
KV2 in der Praxis
Weiter geht es draußen mit den nächsten Hörproben, Krampera demonstriert seine Alternativen zu Line-Arrays. Sein durchaus in vielen Punkten schlüssiger Ansatz: Line-Arrays sind nicht per se das Allheilmittel für jede Anwendung. Mit einer Punktquelle erreicht man mit überschaubarem Aufwand erhebliche Pegel und eine ebenfalls planbare Coverage.
Und das ist nicht mit den in Audiokreisen öfters nostalgisch bewunderten „Steinzeit-PAs“ vergleichbar, bei denen sich die selektive Erinnerung gerne an unheimlich druckvollen Sound, aber weniger an die ganzen Kammfilter- und Verzerrungsprodukte damaliger Zeiten klammert: Gut designte Schallführungen, moderne Verstärkertechnik und – vor allem – extrem weiterentwickelte Lautsprecherchassis und Treiber machen heute ein ganz anderes Pegel- und Qualitätsniveau aus einer einzelnen Box möglich, als es in der Zeit vor den Line-Arrays denkbar war. Und auf dieses Konzept konzentriert sich das KV2-Team mit Leib und Seele: Die endgültige Audioqualität entscheidet sich bei der Wandlung der elektrischen Energie im Lautsprecherchassis selbst, Amping und Processing dienen dazu, ein optimales Antriebssignal zu liefern. Die Produktkonzepte mögen nicht unbedingt in jedes Schema passen, aber einer Sache kann man sich ganz sicher sein: dass die Kramperas mit aller Besessenheit daran arbeiten, die Mundwinkel der Zuhörer nach oben zu bewegen. Und sei es, indem man dann noch aus dem Stapel eine Karel-Gott LP auflegt …