Mark Knopfler: Tourproduktion mit großer Komfortzone
von Nicolay Ketterer,
Mark Knopfler setzte auf seiner vermutlich letzten großen Tour auf einige Änderungen: Statt auf eine L/R-Beschallung mischt FoH Dave Dixon auf L-Acoustics L-ISA, das für beeindruckende Transparenz sorgte, Gitarren-Verstärker verschwanden von der Bühne und alle Gitarristen nutzen digitale (und stille) Kemper-Amps.
Eine „Feuertaufe“ und gleichzeitig ein Abschied sollten es sein: Mark Knopfler geht in Rente, sagt er. Bei einigen Shows der 2019er- Tournee zu seinem aktuellen Album „Down The Road Wherever“ erzählte der ehemalige Mastermind der Dire Straits, dass er sich freut, wieder in einer ihm bekannten Stadt aufzutreten, die Zuschauer und Venues wiederzusehen, wie in den Tournee-Jahrzehnten zuvor. Und dass er nun auch Abschied nehmen muss, er sei schließlich alt. Schon wenige Wochen später würde er im Laufe der Tour seinen 70. Geburtstag feiern.
Die erwähnte Feuertaufe fiel gleich doppelt aus: Zum einen verwendet die Produktion statt einer herkömmlichen Links/Rechts-Beschallung erstmals ein L-Acoustics L-ISA-Mehrkanal-PA-System, bei dem Lautsprecher in sieben Hangs über den gesamten Bühnenbereich verteilt sind, um die Instrumente präziser zu positionieren. Zum anderen verzichtet die Band auf traditionelle Gitarrenverstärker, stattdessen kommt ein digitales Kemper-Setup zum Einsatz.
Größer als die Dire Straits
Mark Knopflers Band ist mittlerweile auf elf Musiker angewachsen: Der Gitarrist und Sänger wird unterstützt durch Drums, Percussion, Bass, Gitarre, Keyboards, Piano, Saxofon, Trompete – dazu spielen zwei Multi-Instrumentalisten unter anderem Irish-Folk-Instrumente. Das stellt ebenfalls ein „Höhepunkt“ für Knopfler dar, dessen Dire-Straits-Tour-Inkarnation beim „Finale“ 1992 immerhin neun Musiker beherbergte. Aus den Zeiten ist der Percussionist Danny Cummings aktuell wieder mit dabei, sowie Knopflers langjähriger Weggefährte, der Keyboarder Guy Fletcher. Der Musiker führt seit Jahren ein Tour-Tagebuch auf seiner Webseite – teilweise aufgrund seiner Begeisterung für die Logistik einer Produktion, wie er schreibt.
Zunächst ein Blick zurück zum Knopfler-Konzert 2005 in Zaragoza, Spanien 2005: Nach zehn Minuten Soundcheck fiel der Strom aus, gleich mehrfach, laut Fletchers Eintrag. Das einzige Mal, dass er sich sonst an einen Stromausfall erinnert, war 2001 in Barcelona, als PA und Monitoring beim Konzert einige Minuten streikten. „Das Publikum sang laut weiter, für gut fünf Minuten, während wir alle still unsere Instrumente schrammelten.“ In Zaragoza soll es an der Stromversorgung der Halle gelegen haben, das Problem wurde vom lokalen Techniker angeblich behoben. Zumindest bis nach der Hälfte des Konzerts – im Song „Rüdiger“ war der Strom erneut weg. „Das scharfe Knacken in den In-Ears hinterließ mächtig Eindruck.“
Nach rund einer Minute war die Stromversorgung wieder gewährleistet, Knopfler begann „Rüdiger“ erneut. Wieder ein Knall: keine Follow-Spots und keine Backline mehr – inklusive Knopflers Amps, so Fletcher. Beim dritten Stromausfall fielen dann auch Fletchers Keyboards aus. Die Band verließ die Bühne zur Problembehebung durch die Crew – die 25 Minuten später eine weitgehend funktionsfähige Bühne herstellte, indem der Stromkreis isoliert und unnötige Verbraucher abgestellt wurden – darunter Catering und Follow-Spots. Das Konzert lief durch – ein Spannungsabfall sorgte allerdings dafür, dass die Hammond-Orgel irgendwann aufgab, ebenso wie ein unverzichtbarer Synthesizer, bei dem im Schlüsselmoment ein Neustart half.
Derlei Probleme sind mittlerweile – zum Glück – fast nur noch Anekdoten. Auf der aktuellen Tournee war wieder eine kleine dabei: Beim Gig in der Londoner O2-Arena einige Wochen zuvor fiel zu Beginn des zweiten Songs das gesamte Bühnenlicht aus. Lichtdesigner Tellson James schaltete einen Spot auf Knopfler, während das Problem in den Folgeminuten behoben wurde. Die Erfahrung, in der Dunkelheit zu spielen, sei immerhin interessant gewesen, resümiert Fletcher im Blog.
Beim Besuch in der Mannheimer SAP-Arena wirkt die Produktion ruhig und routiniert, sie waren bereits mehrfach zu Gast. Production Manager Kevin Hopgood übernimmt Knopfler-Tourneen bereits seit dessen 2006er „All The Roadrunning“-Tour mit Emmylou Harris, ansonsten macht der Brite den gleichen Job etwa bei Kylie Minogue. Die Knopfler-Produktion kam gerade aus Leipzig, am Folgetag steht München an. Sie sind rund bei der Hälfte der Tour angekommen, Mannheim markiert die 44. von 86 Shows, laut Hopgood.
Sie sind mit sechs Sattelschleppern und drei Crew-Bussen unterwegs. Die Band selbst teilt sich mit den Managern ein kleines Charter-Flugzeug. „Sie reisen schon auf diese Weise, seit ich dabei bin – jeweils in große Städte, was zwei Flüge pro Tag bedeutet. Ich gewöhne mich daran, das macht das Reisen etwas entspannter.” Für die Fahrten zum Hotel und Flughafen nutzt die Band zwei Fahrer-Teams mit vier Autos, die sie über die gesamte Tournee begleiten.
Guy Fletchers erklärt in seinem Blog einen der Nachteile des Charter-Flugzeugs: Bei einem Konzert mussten sie eine Zugabe weglassen, um noch rechtzeitig vor der Sperrstunde eines Flughafens ausreisen zu können. Hopgood nickt: „Manchmal, wenn wir die Band sonst nicht rechtzeitig zum Flughafen bekommen würden, müssen wir ein, zwei Songs rausnehmen, um nicht die gesamte Logistik zu gefährden.“
Viele Venues kennen sie bereits mehrfach, „in jeder Tour kommen ein paar neue dazu – Mark spielt gerne ungewöhnliche Venues, zum Beispiel in Rom [zwei Nächte in den antiken Badeanlagen „Terme di Caracalla“, die für Open-Air-Veranstaltungen genutzt werden, Anm. d. Red.]. Die ungewöhnlichen Locations sind manchmal technisch eine Herausforderung, aber immer etwas Besonderes – an die erinnert man sich!” Meist bestehe die Schwierigkeit sowohl in den Bereichen Akustik und Logistik. „In Rom existiert kein Dach, dort können wir die Lautsprecher nicht aufhängen. Das erinnert an die alten Tage eines Ground-Stacks, wo es darum geht, einen großen Bereich vom Boden aus abzudecken – was nicht einfach ist. Dazu bestehen logistische Einschränkungen vor Ort.”
Stichwort Routine: Der Brexit mit dem ursprünglichen Datum Ende März wäre ein Problem für die Tour gewesen. „Zu der Zeit befanden wir uns in den Proben. Wir haben den Offiziellen viele Fragen zukommen lassen, was der Austritt für die Tour bedeutet, aber niemand konnte uns Antworten geben. Es sind seltsame Zeiten – aus Sicht einer britischen Tournee ist das sehr enttäuschend: Wir sind alle gewohnt, uns in Europa frei zu bewegen und zu arbeiten. Der Brexit wäre für uns nicht gerade komfortabel, und für die Kollegen, die nach Großbritannien auf Tour kommen, ebenfalls nicht.“
Support-Bands sind bei den Knopfler-Shows übrigens eine Seltenheit. „Bei den letzten Tourneen hatten wir Ruth Moody [Singer-Songwriterin, Anm. d. Red.] für einige Shows dabei. Die Gründe variieren: In Frankreich existiert beispielsweise ein Gesetz, wonach du eine Support-Band auftreten lassen musst! Früher musste es eine französische Band sein, mittlerweile nicht mehr. Ansonsten gilt: Wir spielen eine recht lange Show, das reicht den meisten. Trotzdem ist es auch gut, anderen die Chance des Publikums zu geben. Dieses Mal hatten wir einen Support in Frankreich und bei unseren Royal-Albert-Hall-Shows in London.“
»Wenn wir Screens nutzen, starrt jeder auf die Bildschirme, statt auf die Show« Production Manager Kevin Hopgood
Das Support-Thema erinnert an ZZ Top, deren aktuelle 75-minütige Show praktisch auf eine Vorgruppe als „Abendfüller“ angewiesen ist (siehe Artikel „Jubiläumstour: 50 Jahre ZZ Top“). „Wir haben das gegenteilige Problem: Zu Beginn der Tour dauerte die Show knapp zweieinhalb Stunden. Das schien uns etwas lang für das Publikum, sodass der Punkt der Ermüdung erreicht wird – auch für die Band wäre über die gesamte Tour ein etwas kürzeres Set angenehmer.“ Sie haben dann die Spielzeit gekürzt, etwa der knapp viertelstündige Dire-Straits-Klassiker „Telegraph Road“ wurde der Anpassung geopfert.
Auf Videoleinwände für das Publikum verzichtet die Produktion. Lediglich bei wenigen Gigs wie etwa im Antwerpener Sportpalais oder bei der O2-Arena in London kamen welche an den Seiten zum Einsatz. „Wir haben oft darüber gesprochen. Der generelle Konsens: Wenn wir Screens nutzen, starrt jeder auf die Bildschirme, statt auf die Show. Mark meinte, er sieht manchmal Leute in der dritten Reihe, steht direkt vor ihnen und spielt Gitarre – und sie starren auf die Seite auf den Bildschirm. Das lenkt den Blick automatisch“, erklärt Hopgood. „Klar, in manchen Fällen überwiegen die Vorteile, speziell für das Publikum im hinteren Bereich, aber es ist eine schwierige Entscheidung.“
Die Bildschirme erst in der Mitte der Halle aufzuhängen sei wiederum problematisch, da die Sichtlinien zur Bühne beschnitten würden. „Du stellst praktisch einen Bildschirm zwischen Show und Publikum auf. Screens lassen sich in dieser Show schwer integrieren, sie würden sich wie ein Add-On anfühlen – im Gegensatz zu Produktionen, die beispielsweise bereits einen Screen auf der Bühne hinter der Band verwenden.“ Die Schlussfolgerung: „Wir beschlossen, sie nur in wirklich riesigen Venues zu nutzen.“
Im Catering schüttet Knopfler seinen Kaffee in sich hinein, fixiert sein Smartphone und lauscht gleichzeitig aufmerksam seinem Keyboarder Guy Fletcher und dem nebenan sitzenden Bassisten Glenn Worff. Wer Knopfler direkt reden hört, dem erscheint das Timbre etwas nasaler als in den Aufnahmen – das macht die Verstärkung mitunter zur Herausforderung, wie FoH Dave Dixon später erzählt. Und: Seine Stimme klingt nicht wirklich alt – oder sie war schon immer zeitlos. Interessantes Detail am Rande: Die Produktion hat einen eigenen Chefkoch mitgebracht – Steve, grauhaarig, tätowiert, mit rauem britischem Charme, erläutert die Speisekarte mit mehreren hochklassigen Menüs. Man wolle gewohnte Bedingungen über die gesamte Tournee schaffen, erläutert Hopgood.
Die Sache mit der Rente, die zu Beginn der Tour eindeutig schien? Bei den Konzerten in England verzichtete Knopfler auf die Verabschiedung, das ließ die Vermutung aufkommen, dass er lokal weiter Konzerte spielen würde. Bei anschließenden Europa-Gigs dann ein scheinbarer Sinneswandel: „Ich dachte, ich wollte in Rente gehen, aber ich liebe es zu spielen“, so Knopfler beispielsweise beim Gig in Stuttgart. Hopgood: „Er hat seine Meinung nicht komplett geändert, denke ich, aber seine Entscheidung hinterfragt, definitiv nie mehr auf Tour zu gehen. Es sind vier Jahre seit der letzten Tour vergangen, er hat viele andere Projekte gemacht. Womöglich hat er schlicht vergessen, wie viel Spaß die Tour gemacht hat, und er würde die Kameradschaft der Band vermissen. Ich vermute, er wird weiter auftreten, nur keine sehr langen Tourneen mehr, vielleicht auch geografisch weniger ausladend.“
Beim Besuch eines vorangegangenen Konzerts in Stuttgart machte L-Acoustics L-ISA Eindruck: Das Ergebnis mit sieben Hangs direkt vor der Bühne klang dreidimensional und transparent – fast so, als hätte jeder Musiker einen eigenen „PA-Verstärker“ an seiner Bühnenposition. „Damit war keine eingeschränkte Sitzposition im Publikum mehr nötig, um den Klang optimal wahrzunehmen!“, erklärt FoH Dave Dixon den Grund für den Umstieg. Dixon übernimmt bereits seit 2004 den Knopfler-Live-Mix. Er habe naturgemäß immer stark „mono“ gemischt, um mit einem herkömmlichen Links/Rechts-System nicht die Hälfte der Zuschauer „auszuklammern“, erläutert er das übliche „PA-Problem“. „Nun kann ich meinen Mix im Stereobild ‚öffnen‘, und jeder, der das Ticket bezahlt, bekommt das gleiche Gefühl vermittelt. Der ‚demokratische‘ Aspekt ist mir sehr wichtig – und offenkundig funktioniert es gut.“
Der französische System Engineer Maxime „Max“ Menelec erklärt, dass sich die Kalibrierung für das L-ISA-System von einem Links/Rechts-System entsprechend unterscheidet. „Wir verwenden drei unterschiedliche Arten von Hangs: Die Scene-Systeme 1 und 5 mit KARA-Lautsprechern, Scene-Systeme 2, 3 und 4 mit K2-Lautsprechern sowie zwei Extensions mit KARA.“ Dazu kommt ein Subwoofer-Hang. „Jedes Array muss das gleiche Level und dieselbe Kontur haben, sodass keine Unterschiede hörbar werden, wenn du ein Objekt im L-ISA-Controller verschiebst.“ Der Verzicht auf überlagernde Positionierungen zwischen den Hangs verhindere Interferenzen und verbessere die Projektion.
Dixon verwendet eine DiGiCo SD7-Konsole, mit seinen Signalen geht er auf den L-ISA-Controller, der eine Zuordnung der Einzelsignale auf die einzelnen Hangs über eine Matrix erlaubt. Durch die individuelle Zuordnung – keine Signale liegen parallel auf mehreren Hangs auf – entfallen Phasenprobleme durch Überlappungen. Durch die individuellen Inhalte ändert sich auch die Raumantwort teilweise: „In Leipzig hatte ich gestern ein Horror-Slapback von Marks Gesang an meiner FoH-Position wahrgenommen. Rechts und links davon hast du es als Zuhörer nicht wahrgenommen, weil du dich außerhalb der Slapback-Achse des Centers befandest.“
»Pass auf, ich muss mich auf den Typen mit der Gitarre konzentrieren!
Du machst, was auch immer du mit der Control-Software machen möchtest«
FOH Dave Dixons Ansage an den LISA-Tech
Wann er L-ISA zum ersten Mal wirklich gehört hat? Dave Dixon muss laut lachen. „Als ich in die Tour-Proben ging!“ Er korrigiert sich: „Nicht ganz – ich hatte mir vorher ein Demo im L-Acoustics-Showroom angehört. Das schien mir ein wirklich großartiges Surround-System! Danach ging ich zum L-ISA-Setup im Londoner Stadtteil Highgate und hörte es mir mit meinen Live-Mitschnitten an – ein kleineres Speaker-Setup, das mir allerdings einen Eindruck vermittelte. Im Endeffekt machte ich mir keine Sorgen; ich wusste, dass es mit dem richtigen Personal gut funktionieren würde. Für die Bandproben waren wir zwei Wochen lang bei Musicbank in London. Dort hatte ich ein Array aus sieben X8s [kompakte L-Acoustics-Boxen, Anm. d. Red.]. Ein Angestellter von L-Acoustics half mir mit der Software. Ich meinte: „Pass auf, ich muss mich auf den Typen mit der Gitarre konzentrieren! Du machst, was auch immer du mit der Control-Software machen möchtest. (schmunzelt) In den folgenden Tagen arbeitete ich mich immer mehr ins System ein. Beim Full-Production-Rehearsal klang das System schlicht beeindruckend. Die gesamte Crew zeigte sich begeistert vom Ergebnis. Sie meinten: ‚Wir hatten gehofft, dass es nicht funktioniert!‘“, beschreibt er augenzwinkernd den logistischen Aufwand. „Mir scheint, ich habe dieses Mal den geringsten Druck zum Start einer Knopfler-Tour verspürt – eigentlich hätte es umgekehrt sein müssen! Aber ich war sehr ruhig, weil ich wusste, dass es funktionieren würde.“
Dadurch, dass die Musiker entsprechend ihrer Bühnenposition verteilt sind, lässt sich vom Hörer besser lokalisieren, welcher Musiker was spielt. „Jemand meinte, das sei, als würde man sich die Band in einem Jazz-Club anhören. Das ist großartig, weil es Publikum und Band näher zusammenbringt. Du wirst mehr in die Musik hineingesogen, statt herauskatapultiert.“ Der Klangunterschied beeindruckte die Zuschauer. Keyboarder Guy Fletcher betreut online ein Tour-Tagebuch und ein Forum – ein Fan schrieb begeistert: „If that PA is hired, don’t give it back!“
PA “Down The Road Wherever”
L-Acoustics L-ISA
2 Hangs mit 15 × KARA
2 Hangs mit 18 × KARA
3 Hangs mit 16 × K2
1 Sub-Hang aus 9 × KS28 (Cardioid Mode & End Fire Mode mit K2 Center)
Outfills
2 Hangs mit 12 × K2
Frontfills
6 × KARA
Arcs
2 × WIFO & SB18
Trotzdem müssen sie bei einzelnen Gigs umsteigen, wie in Rom. „Wir haben zwei Shows bislang mit herkömmlichen Systemen gemacht, kürzlich erst in der Schweiz. Ich war nervös, wieder zurück zu Links/Rechts-Beschallung zu gehen, gerade beim ersten Mal. Wir haben dann einen großen Center-Hang eines KARA-Systems zugehängt, nur mit Marks Gesang und Gitarre. Der Rest der Band lag Links/Rechts auf der normalen Anlage, dazu ein Mono-Mix auf den Side-Hangs, wie beim L-ISA-System. Das funktionierte recht gut. Wir gehen nach wie vor noch durch die L-ISA-Control-Software. Bei Festivals müssen wir teilweise die vorhandenen PAs nutzen, hängen aber ebenfalls einen Center-Hang auf.“
Mit den mittlerweile elf Musikern haben sich auch seine Input-Signale multipliziert. „Zu viele!“, meint er lachend – 98 Kanäle, die allerdings nicht alle gleichzeitig genutzt werden. Abgesehen von der neugewonnen Verteilung im Stereo-Bild über die L-ISA-Software habe sich seine Herangehensweise an den Mix nicht verändert. „Jetzt kann ihn nur jeder hören!“
Er greife dynamisch kaum in die Signale ein: „Die ersten zwei Songs kommen als großes ‚Hallo-Statement‘, durch diese Lautstärke entsteht ein bestimmter Sound – danach wird es ruhiger, das ändert den Gesamtklang.“ Trotzdem müsse der Mix dynamisch bleiben, sonst würde das Ergebnis nicht funktionieren, meint Dixon. „Auf den Drums verwende ich beispielsweise gar keine Kompression. Ich versuche, das Signal an der Quelle richtig hinzubekommen, und nutze nur wenig Kompression. An manchen Eingängen verwende ich dynamische Kompression.
Für Marks Stimme dient mir ein externer Summit TLA 100A-Kompressor, ein weiterer auf dem E-Bass.“ Knopflers Gesang klingt live klarer als in den Vorjahren – Dixon führt den Umstand auf den „exklusiven“ PA-Hang für Gitarre und Stimme zurück. Zur Gesangsverstärkung nutzt Knopfler ein DPA 4018-Kondensatormikrofon. „Wir haben bislang kein Modell gefunden, das für ihn besser funktioniert.“
Einzelsignale verhallt er mit einem TC M6000 mit Stereo-Ausgängen: „Die Signale platziere ich in unterschiedlicher Ausprägung links/rechts. Ich habe vier Engines im TC6000: Drei davon sind im Stereopanorama verteilt zu den Extensions, eine ist mono für den Center – auf Marks Stimme und seiner Gitarre.“ Er nutzt ebenfalls ein Eventide H3000, für den zweiten und vierten Hang. „Im L-ISA-System ist ein Hall enthalten, aber der ist nicht kanalbasiert, sondern geht über das gesamte System, um die Akustik zu ‚formen‘. Das haben wir in Stierkampfarenen ausprobiert – das funktionierte sehr gut. In Arenen hingegen mochten wir das Ergebnis nicht, die liefern bereits ausreichend Reflexionen.“
Von den digitalen Gitarren-Rigs bezieht Dixon direkte Signale. Der Grund für den Umstieg auf das Kemper-System bei Mark Knopfler, Rhythmus-Gitarrist Richard Bennett sowie der gelegentlichen E-Gitarre von Multi-Instrumentalist John McCusker? Kevin Hopgood: „Konsistenz war einer der Hauptfaktoren; herkömmliche Röhren-Amps reagieren teilweise empfindlich, je nach Strom vor Ort. Dazu kommt die Lautstärke: Inzwischen hat die Band fast keine Lautsprecher mehr auf der Bühne!“
Sie hätten das System ausprobiert, waren sehr positiv überrascht. „Die Idee, dass E-Gitarren mit Röhrenverstärken und Mikrofonen zu tun haben müssen, ging mir sogar noch bei den ersten Shows nicht aus dem Kopf“, gesteht FoH Dixon. Er sei ebenfalls von den Klängen begeistert. „Mark hatte nie eine laute Bühnenlautstärke, aber jetzt ist sie noch cleaner.“ Gitarrist Richard Bennett ergänzt: „Wir haben auf dieser Tour zwei Bläser mit dabei, dazu Danny [Cummings] mit seinem Percussion-Setup – das sind drei neue ‚Baustellen‘. Ein Grund besteht darin, die Bühne nicht weiter vollstellen zu wollen, ein anderer, den Sound ‚aufzuklaren‘ – schließlich haben wir jede Menge offene Mikrofone auf der Bühne.“
Knopfler und Guy Fletcher hätten sich für das Kemper-System entschieden, erklärt Mark Knopflers langjähriger Gitarren-Techniker Glenn Saggers auf Nachfrage. Die drei verbrachten einige Zeit in Knopflers British Grove Studios, um dessen Amps einzufangen. „Für Marks Setup haben wir seine Reinhardt-Amps, seine Komets, die Tone King-Modelle Imperial and Falcon Grande, einen Fender Bassman und einen Vibrolux geklont. Die Amps liefen jeweils durch Marks Vintage Marshall 4 × 12-Zoll-Boxen. Die größte Herausforderung bestand wohl in der passenden Mikrofon-Auswahl und Positionierung beim Klonen“, so Glenn Saggers.
Der in Nashville lebende Session-Gitarrist Richard Bennett spielt bereits seit 1995 mit Knopfler, davor war er mit Neil Diamond auf Tour. Sein Eindruck des Kemper-Setups? „In der Theorie wollte ich die Verstärker nicht mögen, aber ich tue es! Ich brauchte eine Weile, mich daran zu gewöhnen und die Sounds richtig einzustellen. Dann klang das System fantastisch, und es reagiert wie ein Verstärker!“ Bennett spielt neben E- und Akustikgitarren auch eine Pedal-Steel-Gitarre sowie Bouzoukis.
Für die akustischen Instrumente nutzt er Audio Sprocket ToneDexter Acoustic Preamps: „Das Gerät bearbeitet das Signal deines herkömmlichen Tonabnehmers: Es lässt sich ‚trainieren‘, indem du das Instrument parallel mit einem Mikrofon und dem internen Tonabnehmer abnimmst. Das Pedal ‚lernt‘ den Klang des Mikrofons und gleicht das Tonabnehmersignal dem Ergebnis möglichst gut an. Das Signal klingt ‚akustischer‘ und natürlicher.“
Vom Kemper wie auch dem ToneDexter werden jeweils zwei Geräte gleichzeitig bespielt, erklärt sein Gitarrentechniker Tim, im Problemfall könnten die „Sound-Jungs“ umschalten. Probleme seien bisher überschaubar gewesen: Bei der bereits erwähnten Londoner Show in der O2-Arena fielen Guy Fletcher Kratzgeräusche von Bennetts E-Gitarren-Signal auf – das sei am nächsten Tag behoben worden, meint Bennett. Der erste digitale „Zwischenfall“ nach 22 Shows, das sei keine allzu schlechte Bilanz, resümierte Fletcher in seinem Blog.
Neben zwei Leslie-Boxen für die Hammond-Sounds ist das Setup von Bassist Glenn Worf das einzige mit klassischer Verstärkung: Seine E-Bässe sowie ein alter Kontrabass laufen durch alte Raven-Labs-Preamps, einen Warwick LWA1000-Verstärker und schließlich durch eine alte SWR 4 × 10-Zoll- Box, erklärt Worf. „Die Box läuft sehr leise auf der Bühne mit, kaum hörbar – nur, wenn niemand anders spielt.“
»Praktisch jeder kann eine Snare EQen, aber es ist wichtig, sich einzufühlen, was im jeweiligen Moment nötig ist.«
Monitormann Gavin Tempany mischt über eine SSL L550
Schlagzeuger Ian Thomas verwendet ein Drumfill, das sei allerdings nur „gerade wahrnehmbar“ an, erklärt Monitormann Gavin Tempany. Thomas mischt seine Signale selbst über ein Allen & Heath-System. Für die restlichen In-Ear-Mischungen ist Tempany zuständig, ihm dient ein SSL Oxford Live L550-Pult. Der Australier war bereits als Jugendlicher ein Fan der Dire Straits, erzählt er. Er hatte bereits noch umfangreichere Aufgaben, gibt er zu bedenken – bei einer Hans-Zimmer-Tournee war er für 22 Musiker zuständig.
Die größte Herausforderung bei den Mischungen der Knopfler-Tour? „Für Mark sind Änderungen im Bereich eines halben Dezibels relevant, er weiß genau, was er möchte. Seinen Mix zu machen ist, als würde ich einen FoH-Mix machen! Ihm entgeht nichts. Das baut einerseits etwas Druck auf, umgekehrt ist es großartig: Hat er keine Anmerkungen, war alles gut. Ansonsten war nach zweieinhalb Stunden vielleicht ein Signal ein Dezibel zu laut.“ Damit lasse sich leben, meint er augenzwinkernd. Es gehe darum, die Musiker zu „lesen“, ihre Bedürfnisse zu verstehen. „Praktisch jeder kann eine Snare EQen, aber es ist wichtig, sich einzufühlen, was im jeweiligen Moment nötig ist.“
Dabei sei Platz in der Musik entscheidend: „In allen Mixen kannst du alles wahrnehmen, weil die Signale nicht nur in der Mitte oder in den Extremen stattfinden, sondern subtil im Panorama platziert sind. Fragte mich bei anderen Bands jemand, ob ich ein Signal aufdrehen kann, habe ich es zunächst leicht gepanned – oft sind die Musiker damit zufrieden! Es geht nicht immer um Lautheit, sondern darum, das Signal wahrnehmen zu können. Das ist im Panorama manchmal einfacher, statt im Center dein eigenes Instrument übertönen zu wollen.“
Ob sich der Verzicht auf Gitarren-Amps in den In-Ear-Mischungen bemerkbar macht? „Bei den Proben schien uns, dass die Band den Eindruck von Gitarren-Amps auf der Bühne vermissen könnte. Wir haben testweise kleine Lautsprecher auf der Bühne positioniert. Noch bevor Mark und die Band ankamen, war uns klar, dass das Ergebnis furchtbar war – sie kamen wieder weg. Keiner hat sich beschwert. Mir scheint, wenn du einen neuen Ansatz probierst, musst du ihn auch konsequent umsetzen. Manche Musiker nutzen In-Ears und Wedges, nehmen einen Ohrstöpsel heraus – eigentlich ist die Kombination grauenhaft. Ich habe mit Bands gearbeitet, die Sidefills, Wedges und In-Ears nutzen – dann weißt du gar nicht mehr, wo der Schwerpunkt liegt.“
Zwischen den Gigs müsse er das Monitoring kaum verändern. „Wir spielen in Arenen, Stierkampfarenen oder offenen Festivals. Die Reflexionen ändern sich von Ort zu Ort natürlich, aber das lässt sich im Monitoring nicht wirklich beeinflussen. Wenn du anfängst, rumzuschrauben, verlierst du dich und machst alles nur schlimmer.“ Bei seiner Arbeit tendiere er dazu, nur zum EQ zu greifen, wenn es wirklich sein müsse.
„Viele Kollegen ändern die Sounds gleich zu Beginn – es mag einen Grund geben, warum die Gitarre so klingt. Hier will ich beispielsweise nicht in die Kemper-Abstimmungen eingreifen und lasse viele Signale ‚flat‘. Drums brauchen immer irgendwo EQ-Einsatz, aber meine Toms sind unbearbeitet.“ Auch auf dynamische Eingriffe verzichtet er. „Wenn ich die Signale komprimiere, und die Band zur Kompression spielt – was soll Dave dann damit anfangen? Das wäre praktisch ein GAU, weil er nur unebene Signale bekommt.“ Das dynamische Zusammenspiel ergebe keine Einheit mehr.
Hinter seinem Arbeitsplatz fällt ein 3D-Drucker ins Auge, den Tempany als Do-It-Yourself-Bausatz bei Kickstarter gekauft hat. Damit druckt er kleine Helfer, beispielsweise Abstandshalter für die Stecker eines Bühnen-Racks. „Ich kann maximal 125 mal 125 Millimeter drucken, daher teile ich die Ergebnisse in Bausätze auf.“ Als Software lassen sich Auto-CAD-Programme verwenden – er nutzt Fusion360 von Autodesk. „Danach geht das Ergebnis in ein Programm, das den Entwurf in Einzelteile zum Drucken teilt. Mir wird langweilig, wenn ich kein Projekt habe“, meint er schmunzelnd.
Beim abendlichen Konzert in Mannheim beeindruckt die neue PA-Anlage ebenfalls mit Klarheit und unaufdringlichem Tiefbass. Knopflers Gesang sitzt laut im Mix, kommt aus der Mitte, ebenso wie seine Gitarre. Die einzelnen Quellen sind im gesamten Raum gut ortbar, praktisch unabhängig von der Zuschauerposition. Der Sound schwebt praktisch von Einzelquellen auf den Zuhörer zu.
Die Band beginnt mit „Why Aye Man“ und dem mitreißend gespielten Stomper „Corned Beef City“, schließlich das ruhigere „Sailing To Philadelphia“, bei dem die Bühne in stimmungsvolles kräftiges Magenta getaucht wird. Die Gitarren- Sounds wirken hochklassig und edel, wie ideale Vertreter ihres Genres; manchem mag höchstens etwas Druck im Mittenbereich fehlen. Der Dire-Straits-Klassiker „Once Upon A Time In The West“ wird eher als Reggae-Folk-Version mit verhaltenem Drumming zelebriert. Insgesamt werden viele Stücke langsamer gespielt, die Band „rockt“ meist eher in Ansätzen.
Bei „Romeo & Juliet“ spielt Knopfler eine Beard Deco Phonic- Gitarre aus Holz mit einem Metallresonator, sie bleibt allerdings nur leise hörbar. Um den Songwriter stülpt James eine zentrierte Lichtinsel, bei der letzten Strophe ist der Rest dunkel – das reduziert die Halle auf Club-Feeling. Knopfler kommuniziert seine Überlegungen zum Thema Rente. „Ich liebe das Spielen, was bleibt mir also übrig? Wir machen einfach weiter, bis ich umfalle wie ein Baum.“ Erwartungsgemäß löst die Feststellung Begeisterung beim Publikum aus.
Vor einem Track des neuen Albums, das sparsam akustische „Matchstick Man“, erzählt Knopfler dem Publikum die zugehörige Geschichte, wie er als Jugendlicher mit seiner Gitarre bis nach Griechenland trampte. Am Weihnachtsmorgen befand er sich demnach in Südengland, 800 Kilometer von Zuhause, beschloss, kurzerhand die Familie zu besuchen. Er ließ sich um vier Uhr morgens von einem Truck mitnehmen, nachdem Neuschnee gefallen war – der musste irgendwann abbiegen, setzte ihn auf einer zugeschneiten Kreuzung mit weiter Sicht aus, um ihn herum nichts als Schnee – und kein Auto weit und breit. „Da stand ich also, mit meiner verdammten Gitarre, meiner blöden Tasche – dazwischen ich Idiot. Das wollte ich also aus meinem Leben machen! Aber es fühlte sich trotzdem in Ordnung an.“ Die Melodie rührt beim Zuhören unwillkürlich.
„Heart Full Of Holes“, ein Folk-Song im Dreivierteltakt, stellt ein unerwartetes Highlight dar: In der Mitte bricht die Band aus der leisen Folk-Lethargie in die Klangwelt eines auftrumpfenden Spielmannszugs auf. Gegen Ende – wieder in der Ruhe angelangt – summt Knopfler fast versunken die eigene Zupfmelodie mit. Ebenfalls ein Highlight: Die Dire-Straits-Saxofon-Nummer „Your Latest Trick“, die Saxofonist Graeme Blevins solide abliefert. „On Every Street“ erweist sich als „lautes“ Highlight.
Das ebenfalls kraftvolle „Speedway To Nazareth“, ein Song über einen Rennfahrer während einer Nascar-Saison, stellt gegen Ende des kontinuierlich gesteigerten Sets den dynamischen Höhepunkt dar. Bei der Zugabe „Money For Nothing“, pompös mit ausuferndem Schlagzeug- und Percussion-Intro dargeboten, steht das Publikum bis zum Bühnenrand, lässt sich mitreißen. Knopflers Les Paul ächzt sich mit Resonanzen des verzerrten Wah-Sounds durch eine Solo-Passage, im oberen Dynamikbereich erscheint der Sound ungewöhnlich kratzend. Beim Rausschmeißer „Piper To The End“ zücken die Zuschauer schließlich die Smartphone-Taschenlampen – und gehen anschließend beseelt nach Hause.
Das Alter geht nicht spurlos an Mark Knopfler vorbei, der nachdenklicher und ruhiger wirkt als bisher. Trotzdem packt er einen irgendwann immer noch. Das Konzert wirkt eher behaglich als treibend, eine unbändige Rock-Show dürfte aber ohnehin kein Zuschauer erwartet haben. Was transparenten, angenehmen Live-Sound angeht, würde Knopfler auf einem Höhepunkt vom Tour-Zirkus abtreten … was hoffentlich noch Zeit hat.