Ein Out Board TiMax-System wurde wie in den vergangenen Jahren auch beim Basel Tattoo 2015 verwendet, um die akustische Lokalisation für die Besucher dort stattfinden zu lassen, wo auf dem Platz tatsächlich etwas passierte.
Ausgenutzt wurde beim Basel Tattoo 2015 (mehr zur Beschallung auch in unserem Beitrag hier) der Haas-Effekt: Die Lautsprecherwiedergabe wurde gegenüber dem Originalsignal derart verzögert, dass sie die Zuhörer nach der vom Instrument kommenden ersten Wellenfront erreichte. Dem Pegel musste dabei ebenfalls Beachtung geschenkt werden, da das vom Lautsprecher abgestrahlte Signal für den gewünschten akustischen Eindruck nicht mehr als 8 dB oberhalb des Originals liegen darf. In der Praxis konnte der Effekt nicht in dem Umfang ausgeschöpft werden, wie es sich die Tontechniker unter idealen Umgebungsbedingungen gewünscht hätten: Für laute Instrumente wie Snaredrum und Blechbläser funktionierte das Setup sehr gut, während Stimmen durchaus als aus dem Lautsprecher kommend wahrzunehmen waren.
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Einen wichtigen Beitrag lieferte TiMax für das Timing; störende Flams durch unterschiedliche Zeiten beim Eintreffen von Originalsignal und Lautsprecherwiedergabe waren nicht auszumachen. An der TiMax-Plattform wurden vorrangig Delay und Level eingestellt. Weiterhin wurde das System als eine Art Showcontrol-Steuerung genutzt und lieferte auch einige Zuspielungen von seiner internen SSD.
Aufgrund des komplexen Geschehens auf dem Platz sowie der Vielzahl der Mitwirkenden wurde auf eine automatische Tracker-Steuerung verzichtet; die TiMax-Matrix wurde stattdessen händisch mit einer Maus bedient. „Die Situation beim Basel Tattoo ist nun einmal ziemlich tricky“, kommentierte Dave Haydon, neben Robin Whittaker einer der beiden Geschäftsführer von Out Board. Zum Einsatz kamen zwei TiMax SoundHub-Prozessoren (1 × Spare). Insgesamt wurden dem aktiven TiMax-Prozessor via MADI 16 monophone Inputs aus dem Pult zugeleitet, darunter Gruppen-Outputs, das Ansager-Signal (auf allen Lautsprechern identisch, ohne TiMax-Processing) und zehn Ambience-Mics. Nach der Bearbeitung lieferte das Gerät 32 Outputs, welche den Verstärkern digital zugeführt wurden. Im Fall der Subbässe kam noch eine Yamaha DME64N ins Spiel, mit deren Hilfe das Crossover realisiert wurde.
Je ein Ambience-Mikrofon (Schoeps CCM 41) war an einem Ausleger der jeweils sechs Lautsprecher-Poles an den Längsseiten der Arena angebracht; genutzt wurden de facto fünf dieser Mikrofone. Hinzu kamen zwei Mikrofone oberhalb des Eingangstores in die Arena, welche parallel zu den vorderen Pole-Mics betrieben wurden. Die Signale lagen einzeln an der FOH-Konsole auf, ließen sich jedoch als Paare (die jeweils gegenüberliegenden Mics, Ambi1Left/Ambi1Right etc.) mithilfe einer DCA-Gruppe steuern. Zwischen den Gruppen wurden in TiMax per Hand Crossfades gemäß der Bewegung der in der Arena marschierenden Formation ausgelöst. Die Solistenmikrofone ließen sich separat steuern: Eine TiMax-Bildschirmdarstellung mit Namen „Pan Space“ zeigte ein Modell der Arena, welche in 3 × 8 Zonen unterteilt war. Visuelle Repräsentationen der einzelnen Signale konnten auf der Bildschirmoberfläche mit der Maus bewegt werden.
„Ich möchte denjenigen sehen, der eine Aufgabe wie das Basel Tattoo ohne TiMax bewältigen kann!“, so Thomas Strebel bei der nachmittäglichen Durchlaufprobe. „Immerhin reden wir von einer Aktionsfläche mit 80 Meter Länge und 25 Meter Breite – die in diesem Zusammenhang erforderlichen Zeitverzögerungen lassen sich schlichtweg nicht mehr komfortabel mit pultinternen Delays realisieren.“
FOH
Der FOH-Platz wurde bereits zum fünften Mal kompetent von Roman Huber betreut. Der Tontechniker hatte an einer Digico SD7-Konsole inklusive der Kommunikationskanäle 156 Inputs aufliegen. Wireless-Outputs (56 plus Spares) galt es ebenso zu verwalten wie rund 60 von der Vorbühne kommende Signale. Selbstverständlich musste auch der Chor abgenommen werden. Hinzu kamen Ambience-Mikrofone, darunter ein Stereopärchen für Fanfaren auf der Empore sowie rund um den Exerzierplatz verteilte Schoeps-Mikrofone. Zwei plus zwei mit Rycote-Windjammern überzogene Ambience-Mics (Schoeps MK4 in ORTF-Anordnung) am vorderen Ende des Platzes wurden nicht vom FOH, sondern ausschließlich von den mit der Multitrack-Aufnahme befassten Studiokollegen genutzt. Zu den Mikrofonsignalen gesellten sich einige vorbereitete Zuspielungen: Die Tapdance-Einlagen (Ailsa Craig Highland Dancers, Celtic Stars Irish Dancers) etwa wurden wie bei großen Shows üblich nicht mikrofoniert, die perkussiven Schuh-Steppgeräusche kamen stattdessen von der Harddisk.
Die Vielzahl der Signale erforderte ein strukturiertes Arbeiten, und Roman Huber hatte auf dem ersten Layer der Mischpultoberfläche alle Signale „chronologisch“ abgelegt. Auf dem zweiten Layer wurde mit sechs Bänken gearbeitet, welche der Audiospezialist gemäß eigenem Gusto zusammengestellt hatte – ein schnelles Eingreifen war möglich und aufgrund des rasch getakteten Geschehens auf dem Platz auch erforderlich. Insgesamt waren für die zweieinhalbstündige Show im Pult „nur“ 25 Snapshots abgelegt, Solistenkanäle wurden zu gegebener Zeit händisch geöffnet. Bezüglich der Gain-Struktur musste den Unwägbarkeiten der Gesamtsituation Rechnung getragen werden, und die Preamps wurden nicht derart hoch ausgesteuert, wie es bei einer übersichtlicheren Konstellation vermutlich der Fall gewesen wäre.
Seinen Arbeitsplatz fand Roman Huber hoch oberhalb des Geschehens in einem Container vor. Durch die geöffneten Fenster waren hier die Signale der nach oben strahlenden Array-Lautsprecher bei gerecktem Kopf halbwegs gut zu vernehmen. Für die Mischung dürfte dennoch ein gewisses Maß an Abstraktion erforderlich gewesen sein – Low-End-Anteile und Pegel waren im Container kaum sinnvoll einzuschätzen. Für eine dezente Auffrischung der PA-Signale sorgten zwei aktive Zweiwegemonitore von Yamaha. Ein „Ausflug“ mit Tablet-PC auf die Tribüne war während der Show nicht möglich, so dass Roman Huber auf Rückmeldungen von Thomas Strebel angewiesen war, der dem Sound in den Publikumsbereichen lauschte.
Bezüglich des Monitorings gab es eine Arbeitsteilung zwischen Roman Huber und seinen mit der Mehrkanalaufzeichnung befassten Kollegen: Am FOH wurden die über Lautsprecher distribuierten Monitorsignale inklusive des Field-Monitorings und der Stage-Wedges verantwortet, während alle über Kopfhörer ausgegebenen Monitorsignale am Recording-Pult (Peter Luginbühl, Audiopool) erstellt wurden.
Mikrofone für Sackpfeifen und Haarreifen
Für die Mikrofonierung im Allgemeinen sowie die Drahtlostechnik im Besonderen war Audiopool-Mitarbeiter Markus Luginbühl zuständig. Zu den Herausforderungen zählte auch hier die Logistik, da während der Show diverse Wechsel von Handund Taschensendern erforderlich waren. Die Musiker der Marching Bands, die an den Einsatz von Drahtlostechnik zum Teil nicht gewohnt sind, äußerten sich mitunter skeptisch über die Verwendung von Mikrofonen, akzeptierten Letztere jedoch nach einer kurzen Erläuterung. Die dem Militär eigene Disziplin machte sich insofern positiv bemerkbar, als sämtliche ausgegebenen Komponenten stets pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt in ordentlichem Zustand den Weg zurück in den Radioraum fanden …
Bemerkenswert an der Mikrofonierung war, dass neben der üblichen Close-up-Mikrofonierung für Solisten (z. B. mit Shure Beta 98 H/C) zahlreiche Lavaliermikrofone (u. a. Shure WL50) an eher ungewöhnlichen Positionen angebracht wurden: So wurden Miniaturmikrofone mit kugelförmiger Richtcharakteristik an den Schultern einzelner Protagonisten befestigt – Ergebnis war, dass nicht nur das einzelne Instrument, sondern auch das Spiel der umgebenden Musiker in durchaus vorteilhafter Weise mit einem recht homogenen Sound eingefangen werden konnte. Die Maßnahmen waren erforderlich, um beispielsweise Holzbläser gegenüber den zackig aufspielenden Blechbläsern in der Mischung nach vorne bringen zu können.
Headsets von DPA wurden zur Abnahme von Flöten genutzt, und wer schon immer einmal wissen wollte, wie man einen Dudelsack marschiertauglich mikrofoniert, konnte in Basel eine bewährte Praxis beobachten: schallabstrahlend sind die mit Gri öchern versehene Spielpfeife sowie die ergänzenden Bordunpfeifen („Dronen“) – beim Basel Tattoo wurde mit einem Mikrofon die Melodie eingefangen, während ein zweites Mikro an einer der Dronen angebracht war. Die Ausgangssignale der beiden Mikros wurden per Y-Kabel auf einen einzelnen Taschensender geführt; die bestklingende (ein großes Wort für eine Sackpfeife …)
Anordnung der beiden Mics wurde vorab von den Tontechnikern ermittelt. Zur Mikrofonierung des dreißigstimmigen Chors wurden Lavaliermikrofone (DPA 4061) an Haarreifen angebracht, welche sowohl von Sängerinnen als auch von Sängern getragen wurden – ein Mikrofon war für etwa vier bis fünf Vokalisten zuständig. Überzüge aus Schaumstoff schützten gegen Windgeräusche.
Das je nach auftretender Formationen mitspielende Orchester saß beim Basel Tattoo relativ beengt auf einem kleinen Podium; eine Plexiglas-Stellwand um Schlagzeuger und Percussionist sorgte für eine Verringerung des unerwünschten Bleedings. Zahlreiche drahtgebundene Mikrofone entstammten dem Portfolio von Shure, darunter KSM27, KSM32, KSM44 und KSM137. Die Kickdrum des Schlagzeugs wurde mit einem Shure Beta52 abgenommen, während an der Snare das seit Jahrzehnten etablierte SM57 Verwendung fand. Die Streicher wurden mit DPA d:vote 4099 mikrofoniert, wobei den relativ neuen Supernieren von den Tontechnikern eine hervorragende Klangqualität bei sehr wenig Übersprechen durch andere Instrumente bescheinigt wurde. Zum guten Klang trugen weiterhin bewährte Neumann-Kleinmembranmikrofone bei.
Shure Wireless
Die Drahtlostechnik stammte von Shure; insgesamt 56 Funkstrecken sowie zwei Spare-Strecken wurden vorgehalten. Im Radioraum stand eine Phalanx aus UR4D Doppelempfängern, zu denen sich aktive UA845SWB-E Antennensplitter sowie ein Axient Spektrum Manager AXT600 gesellten. Die Antennen waren rund um den Exerzierplatz verteilt; auf jeder Längsseite des rechteckigen Platzes gab es drei „Paddel“ (Shure UA870) zu entdecken. Die Antennen waren mit unterhalb der Tribüne platzierten Splittern verbunden, welche Booster des Typs UA830 mit Strom versorgten. Jeweils drei Antennen wurden auf diese Weise zusammengefasst, so dass jeweils nur ein einzelnes Kaskadierungs-Koaxkabel vom Platz in den Radioraum verlegt werden musste.
Zwölf In-Ear-Funkstrecken (1 × Spare) auf Basis des Shure PSM 900-Systems komplettierten die umfangreiche Drahtlosausstattung. Der HF-Übertragung dienten drei Helix-Antennen, welchen jeweils vier Taschenempfänger P9RA zugewiesen waren. Ausgestattet mit den IEM-Systemen wurden in erster Linie Solisten, die auf dem Platz in weiter Entfernung zu den übrigen Musikern standen, die Signale ihrer Kollegen zwecks perfektem Timing jedoch verzögerungsfrei hören mussten. Größere Formationen wie der an verschie-denen Positionen auftretende Chor wurden mit UKW-Empfängern (GNS Tra cScout professional) versorgt; ein gemeinsamer Mix wurde über einen eigens eingerichteten Sender abgestrahlt. Insgesamt 80 UKW-Empfänger kamen zum Einsatz – eine angesichts der schieren Menge deutlich kostengünstigere Lösung als individuelle IEM-Systeme.
Frequenzen wurden der Veranstaltung vom Schweizer BAKOM (Bundesamt für Kommunikation) zugeteilt. LTE-Bereiche mussten bei der Frequenzplanung ebenso wie zusätzliche Funkstrecken für die Bedürfnisse von Fernsehen und Rundfunk berücksichtigt werden. Nach Absprache wurden Frequenzen für kurzzeitig anwesende EB-Teams freigehalten. Vor Ort wurde die Frequenzsituation mithilfe der Shure-Software Wireless Workbench 6 analysiert.
Vier Solo-Vokalisten, wie beispielsweise die beliebte Basler Sängerin Nubya, wurden mit Shure-Handsendern UR2 ausgestattet. Die Sender waren mit einer KSM9-Kondensatorkapsel versehen – die gewählte nierenförmige Richtcharakteristik wusste die Tontechniker im konkreten Zusammenhang mehr zu überzeugen als die schaltbare Supernierenoption. Als Beltpacks kamen Shure UR1 zum Einsatz, und Verwendung gab es auch für UR3 Aufstecksender: Während einzelner Auftritte wurden Rollriser auf den Platz geschoben, auf welchen Schlagzeuger, Percussionisten, Bassisten, Gitarristen und Keyboarder agierten. Die Stromversorgung für die Instrumentenverstärker und Tasteninstrumente wurde per USV sichergestellt, die Mikrofonierung auf Basis konventioneller Mikrofone mit aufgesteckten Plug-on-Sendern realisiert.
Am Rande: Im Radioraum war ein Shure 55SH Series II beweglich von einem Stahlseil abgehängt worden. Das „Elvis-Mikrofon“ diente den Tontechnikern als Kommunikationslösung mit im Vergleich zu Intercom-Funk besserer Sprachverständlichkeit. Die interne Kommunikation erfolgte auf einer eigenen, über das Mischpult eingerichteten Party-Line, in welche FOH, das Aufnahmestudio und der Radioraum eingebunden waren. Zur Wiedergabe der Signale wurden aktive Yamaha-Zweiwegelautsprecher herangezogen.
Spektakel
Das Basel Tattoo 2015 präsentierte sich als Spektakel im wahrsten Sinn des Wortes: Große Bilder, effektvoll inszenierte Massenchoreografien, bunte Kostüme und betont forsche Musik verwoben sich zu einer zweieinhalbstündigen Show, die auf den Tribünen in keinem Moment Langeweile aufkommen ließ. Das militärische Zeremoniell wurde bewusst durch humoristische Akzente aufgelockert, und es soll erzkonservative Marschmusikkameraden geben, die den Glamour-Einlagen innerhalb der familienkompatibel inszenierten Revue nur wenig abgewinnen konnten. Demonstranten, die gegen die latente Verharmlosung des Militarismus sowie gegen das „Werben fürs Sterben“ protestierten, waren vor der Basler Kaserne nicht zu sehen.