Wenn Chris „Rocketchris“ Glatthor ein Lichtdesign entwirft, dann packt er nicht einfach eine Menge Lampen und „Effekt-Dinger“ auf die Bühne. Vielmehr erschafft er mit verschiedensten Elementen vielschichtige Räume auf der Bühne, in denen sich die Künstler wohlfühlen sollen. So auch geschehen für die aktuelle Tour von Rea Garvey, in der sich das Neon-Thema des neuen Albums widerspiegelt. Hier schuf er mit verschiedenen Elementen ein überraschend variables „Wohlfühl-Wohnzimmer“ für den irischen Künstler und seine fünfköpfige Band.
Das aktuelle Album „Neon“ von Rea Garvey dreht sich thematisch um das eigene Zuhause. Darum, dass man oft erst fremde Länder und Orte besuchen muss, um das eigene Zuhause finden zu können. Und dass man manchmal auch gar nicht weit weg muss, um weit zu kommen. Das Album spielt also ganz bei sich selbst, fokussiert sich auf die wichtigen Dinge im Leben, die oft ganz nah sind. Dieser einerseits vielschichtige und andererseits doch fokussierte und fast schon intime Charakter findet sich auch im Lichtdesign der Neon-Tour wieder, für das einmal mehr der Lichtdesigner Chris „Rocketchris“ Glatthor verantwortlich war. Was sich als beeindruckendes Gesamtkonzept zeigte, entstand in der Praxis mit deutlich reduzierten Mitteln, viel Kommunikation zwischen den Musikern und der Technik-Crew sowie viel Liebe zum Detail und Mut zur Kreativität. Eine gelungene Zusammenarbeit zwischen dem Künstler Rea Garvey, seinem Lichtdesigner Chris Glatthor sowie dem zusätzlich ins „Wohnzimmer“ geholte Videodesigner Matt Finke.
Zusammenarbeit und Planung
Chris Glatthor kennt Rea Garvey schon seit 2000 – die Konstellation war aber noch eine ganz andere: Rea Garvey war damals als Frontmann der Band Reamonn unterwegs. Chris Glatthor begleitete noch als Azubi von TDA Rental eine HIMEuropatour, bei der Reamonn als Support auftrat. In der Folge übernahm er immer wieder (damals noch als Vertretung für den Lichtdesigner) Konzerte von Reamonn. Auch als sich Rea Garvey solo auf den Weg machte, war er ab und zu als Vertretung dabei, und begleitete den irischen Sänger als Konzertfotograf ein paar Jahre. „Irgendwann ging dann das Telefon und Rea fragte mich: ‚Hast du Bock?‘ und so kam vor ein paar Jahren meine erste Tour mit ihm zustande.“
Nach den beiden Touren zu den Alben „Pride“ und „Prisma“ war Chris Glatthor im Sommer 2018 nun zum dritten Mal mit Rea Garvey auf der „Neon“-Tour unterwegs. „Ich versuche immer, das Thema vom Album möglichst genau aufzugreifen und aus dem Künstler rauszukitzeln, was für ihn das Album und die prägnanten Songs bedeuten. Ich setze mich damit wirklich auseinander – mit dem Künstler, der Musik und der Aussage des Albums“, fasste Chris Glatthor seine Intuition zusammen. „Das letzte Album, das „Prisma“, war sehr gesellschaftskritisch und in der Aussage auch eher aggressiv“, erinnerte sich Glatthor. Im Lichtdesign fanden sich darum vor allem grelle Farben mit vielen Neonschnüren. „Das aktuelle Album dagegen ist ein bisschen fröhlicher und offener – nach der Aussage: ‚Guck doch mal auf dich selbst. Eigentlich ist doch alles super. Guck nach vorne, nimm alle Menschen mit und hab Freude am Leben.‘ Es spricht die ganzen positiven Einflüsse und Welten an, die direkt um uns herum sind“, beschrieb Glatthor die Kernaussage des Albums, die sich im Lichtdesign widerspiegeln sollte.
Ein erstes Treffen fand im Oktober 2017 statt, als die meisten Songs des neuen Albums fertig waren: „Die Treffen mit Rea sind immer sehr kreativ. Wir tauschen unsere Ideen und Gedanken aus und Rea sagt natürlich, was ihm dabei wichtig ist. Daraus entwickeln wir dann Ideen weiter und prüfen die Realisierbarkeit. Manchmal verwirft man anfängliche Ideen aber auch wieder. Dieses Mal wollte ich z. B. auf Movinglights verzichten und nur PAR-Kannen mitnehmen. Dafür habe ich selber einen Farbwechsler gebaut – dann hat sich aber später herausgestellt, dass die Idee in einigen Hallen nicht handhabbar gewesen wäre. Und dann verwirft man eine Idee auch wieder, in die man vorher knapp ein halbes Jahr investiert hat“, lachte Chris Glatthor. „Dann kam uns die Idee mit den Leinwänden, mit denen wir Räume bauen wollen. Das gibt ganz viel Tiefe.“ Bei dieser Idee fühlten sich alle Beteiligten im wahrsten Sinne des Wortes angekommen: „Man muss das so sehen: Für die Musiker ist die Bühne wie ihr Wohnzimmer. Die müssen sich da einfach wohlfühlen. Darum ist mir auch so wichtig, dass man das Bühnenbild gemeinsam kreiert.“
Ein weiterer Punkt, der für die Konzeption eine nicht unwichtige Rolle spielte, liegt Rea Garvey bei jeder Tour besonders am Herzen: „Bei ihm steht die Band ganz weit oben, darum ist jedes Mal ganz klar: die Band soll ebenfalls eine deutliche Präsenz haben. Klar, er ist der Künstler, aber er sagt selbst: Was ist ein Musiker ohne seine Band?“, erklärte Glatthor. Doch auch hierfür hat der Lichtdesigner eine Lösung gefunden, die sich nahtlos in das Konzept einfügt.
Gesamtkonzept: flexibles Bühnendesign mit Neon-Facetten
Was den aufmerksamen Leser kaum verwundern wird: Das Lichtdesign der Show war sehr Neon-lastig. Zum Einsatz kamen u. a. 72 Leuchtstoff(-Neon-)Röhren, 60 Fusion2 LED-Sticks mit Tube Diffusor („Was ja auch Neon-Style hat“, erklärt Chris Glatthor), fünf custom-made Neon-Ringe für die Band-Musiker und eine Neon-Leuchtstoff-Röhre als Mikrofonständer für Rea Garvey. Die angesprochene Raumwirkung erschuf Rocketchris durch verschiedene Ebenen auf der Bühne: an der Bühnenhinterkante hingen acht Neon-Leisten aus Fusion 2-Sticks inkl. Diffusor, dazwischen sieben Leitern mit Leuchtstoffröhren, die von sieben Bahnen schwarzer Projektionsfolie verdeckt werden konnten. In der Bühnenmitte wurden (neben diversen „Standard“-Leuchten) für jeden Bandmusiker jeweils ein custom-made Neon-Ring aufgebaut und die Zwischenräume durch weitere Fusion 2-Sticks gefüllt. Die Bühnenvorderkante zierten 16 Meter Slimpixx-LED, ebenfalls inkl. Tube-Diffusor sowie sieben Bahnen hochtransparenter Laser-Scrim. Der Aufbau dieser drei Ebenen mit jeweils projizierbaren Flächen schuf viele Möglichkeiten für ein variables Bühnendesign. Durch die Anordnung hinter – einander entstand eine enorme optische Bühnentiefe: „In der Null-Achse, auf der das FoH steht, ist das gar nicht so deutlich. Aber da, wo die Mehrheit der Konzertbesucher steht, nämlich links oder rechts seitlich versetzt zur Bühne, da wird das richtig schön deutlich.“
Durch die Wandelbarkeit des Bühnendesigns konnten auch die bereits angesprochenen Welten und positiven Einflüsse des Umfelds visualisiert werden: Häufig veränderte sich von einem Song zum anderen die gesamte Atmosphäre, ohne dass man wirklich begreifen konnte, was gerade vor sich geht oder was sich verändert hat. So kam es auch vor, dass man vom Lichtdesign der Bühne noch so gefangen war, dass man gar nicht bemerkt hat, wie Rea Garvey zwischenzeitlich zur B-Stage wechselte. Die durch den Ortswechsel entstandene Nähe zu den Konzertbesuchern spiegelte sich wiederum im deutlich reduzierten Lichtdesign wieder, wodurch eine fast greifbar intime Atmosphäre entstand. Rea Garvey verstärkte diesen Eindruck noch, indem er an dieser Stelle persönliche Geschichten von seiner Familie und vor allem seiner Mutter erzählte. „Wichtig für die Umsetzung war, dass wir die Bühne komplett schwarz gehalten haben – selbst die Projektionsfolie war schwarz. Nur so konnten wir die Übergänge so unauffällig gestalten, dass der Konzertbesucher nichts mitbekommt – und so entstehen dann auch erst die Aha-Effekte“, erklärte Chris Glatthor.
Umsetzung des Lichtdesigns
Für die Leuchtstoffröhren-Konstruktion an der Bühnenhinterkante wurden 72 normale Leuchtstoffröhren miteinander als „Leitern“ verbunden. So konnten die einzelnen Leitern als Gesamtkonstrukt einfach ins Rigging gehängt und nach der Show genauso wieder in passende Transportboxen verstaut werden. Etwas weniger einfach war die Lösung für die Helligkeit der Röhren: „Hier mussten wir schon das erste Mal zaubern, denn die Röhren sind ja nicht dimmbar. Die kennen nur an oder aus.
Darum haben wir hinter der Bühne eine Blindlast, die gleichzeitig mit auf dem Dimmer liegt. Damit können wir die Leuchtstoffröhren veräppeln. Wenn ich den Dimmer auf 100 % drehe, geht die Leuchtstoff-Röhre normal auf 100 % an. Wenn ich jetzt aber nur auf vier oder fünf Prozent drehe, dann versucht die Röhre immer zu zünden – so kann ich das typische Zucken der Leuchtstoffröhre imitieren. Das gibt einen ganz speziellen Charakter, der super ins Bühnendesign passt. Wenn ich dann nochmal ein paar Prozent mehr gebe, dann ist die Röhre tatsächlich auch ‚gedimmt an‘. So ergeben sich ein paar Bereiche, in denen ich mit den Röhren spielen kann. Das ist alles nur durch den Einsatz der Blindlast möglich“, erklärte Chris Glatthor.
„Gerahmt“ wurden die Röhren-Leitern von acht vertikal gehängten „Riesen-Leuchtstoffröhren“, die aus mehreren Fusion 2 LED-Sticks von Ehrgeiz zusammengesetzt waren. „Noch bevor die Fusion 2 auf der Prolight+Sound 2018 vorgestellt wurden, hatte ich schon überlegt: ich hätte gerne einen LED-Stick (DMX oder ArtNet-steuerbar) mit einem Tube versehen, der auch deutliches Raumlicht macht. Die kleinen Sticks haben alle nur 1,5- oder 3-Watt-Chips drin, damit kann man den Raum nicht beleuchten. Hier habe ich jetzt die Fusion-Sticks mit einer Folie und dem schwarzen Tube Diffusor verpackt. So kann ich die einmal als Objekt selber benutzen aber auch den Raum erhellen, wenn ich wirklich Vollgas gebe. Durch den Diffusor kann ich z. B. auch schöne Pastelltöne zaubern, das kommt in einigen Songs zum Einsatz.“ Zur Konstruktion erklärte Chris Glatthor: „Theoretisch kann man die einfach untereinander hängen, das ist uns aber vor kurzem um die Ohren geflogen.* (lacht) Darum haben wir nochmal eine Pipe dahinter gebaut, damit da wirklich nichts passieren kann.“
* Das Droppen der Fusion 2 Sticks kann durch spezielle Verbinderplatten von Ehrgeiz erfolgen. Im Vorfeld der Tour stellte sich jedoch heraus, dass die aktuellen Platten für das geplante Vorhaben, sechs Fusion-Sticks untereinander zu fliegen, unter Einberechnung der achtfachen Sicherheit nicht geeignet sind – diese bieten momentan nur eine Tragfähigkeit von bis zu drei Fusion-Sticks. Um den geplanten Look dennoch realisieren zu können, organisierte Ehrgeiz das benötigte Material um die Fusion auf dem klassischen Weg mittels rückseitiger Pipe zu Droppen.
Information von Ehrgeiz: Platten, die das Droppen von bis zu neun Sticks ermöglichen, befinden sich derzeit in der Produktion und sollen gegen Ende 2018 lieferbar sein.
Vor den Leuchtstoffröhren konnten sieben Bahnen einer schwarzen Projektionsfolie von Gerriets heruntergefahren werden. Montiert waren diese an einem Rolldown-System des dänischen Herstellers Wahlberg, welches Chris Glatthor erstmalig im Einsatz hatte. Er begründet diese Entscheidung durch das spezielle System: „Wir konnten für die Tour kein System mit Laufzeitprogrammierung einsetzen, denn die Hallen haben ja verschiedene lichte Höhen. Dann hätte jedes Mal die Programmierung an die jeweilige Höhe der Halle angepasst werden müssen. Bei dem System von Wahlberg habe ich einen 16-Bit-Kanal. Hier wird von der obersten Position zur untersten Position einfach in 65.536 Schritte aufgeteilt – also 256 mal 256. Ich speichere dann keine Laufzeit sondern eine konkrete Position in diesem Raster ab, auf welche die Leinwand in einer bestimmten Zeit gefahren werden soll. Ich definiere also: Fahr bitte in 15 Sekunden auf die Position × im Raster. Ich könnte jetzt auch noch Delay-Zeiten für die verschiedenen Bahnen einbauen – also das die äußeren Bahnen mit einem bestimmten Delay zur mittleren Bahn starten. Das kann ich alles vom Lichtpult aus steuern. Ich gebe am Anfang die oberste und die unterste Position der jeweiligen Halle ein und muss dann nur die Positionspresets, wie bei einem Movinglight, programmieren. Auf einer Tour ist es eine große Erleichterung, wenn man sich nicht in jeder Halle neu damit beschäftigen muss.“
Um einen weiteren Tiefeneffekt auf der Bühne zu schaffen, wurden ca. einen Meter vor den Rollleinwänden weitere Bahnen der Laser-Scrim angebracht. Diese Ebene (7 × 2 Meter breite und acht Meter hohe Bahnen) wurde an einer Kingschiene von Gerriets auf die Bühne gezogen – da die Verwandlung immer im Black passierte, wurde das jedoch händisch gefahren. Durch die Positionierung der Gaze unmittelbar vor der Hauptprojektionsfläche konnte ein 3D-Effekt erzeugt werden, der im Laufe der Show deutlich sichtbar wurde.
LED-Ringe im Neon-Look für die Musiker
Den Wunsch von Rea Garvey, auch den Band-Musikern eine eigene Präsenz zu verleihen, erfüllte Chris Glatthor durch fünf custom-made Holzringe mit eingelassener Neon-Flex, die jeweils hinter den Musikern positioniert waren – Schlagzeuger, Keyboarder und Bassist wurden zudem auf Podesten platziert, um noch mehr Raum rund um Rea Garvey zu schaffen. Die LED-Ringe waren innen ebenfalls mit der Laser-Scrim bespannt, sodass auch innerhalb der Kreise eine von vorne projizierbare Fläche entstand. „Die Scrim in den Ringen hatte aber nicht nur den Vorteil, dass ich hierdurch auch die einzelnen Musiker in Szene setzen konnte – auch das Gegenteil verschaffte mir weiteren Spielraum. Denn wenn ich von hinten mit einer Lampe auf die Scrim leuchte, wirkt der Ring von vorne wie eine Wand“, erklärte Glatthor. Für diesen Effekt waren einige Movinglights hinter den Ringen verbaut, die Steuerung erfolgte über eine Hog4-Konsole vom FoH aus.
Das Neon-Thema fand sich auch an der Bühnenvorderkante wieder. Hier waren insgesamt 16 Meter der relativ neuen Slimpixx von Lichtlogistik verbaut. „Das sind kleine filigrane ArtNet-LED-Sticks, die wir wiederum mit einem Tube verpackt haben, damit auch hier der Neon-Röhren-Look entsteht. Die Slimpixx sind vor allem für die ersten Reihen schön und schaffen durch die Pixelmapping-Möglichkeiten auch wieder neue Räume“, führte der Lichtdesigner aus. Die Kreise und die Slimpixx werden über Madrix gesteuert: „Die haben für das Pixelmapping schon ein umfangreiches Portfolio an Effekten mit drin. Dadurch muss man selber nicht viel Content haben, sondern kann mit den vorhandenen Möglichkeiten einfach ein bisschen rumspielen und ausprobieren. Ich steuere von der Konsole dann nur noch die Intensitäten der einzelnen Layer und was überhaupt abgespielt werden soll – also welcher Filme, welche Farben usw. Das habe ich alles mit Madrix gemacht, weil das einfach schneller geht.“
Ein wichtiger Bestandteil des Bühnendesigns befand sich direkt zwischen Musikern und Konzertbesuchern: sieben Bahnen LaserScrim von Westholt wurden während der Show gefahren, angebracht ebenfalls an einem Rolldown-System von Wahlberg. Durch seine hochtransparente Eigenschaft konnte das Bühnengeschehen trotz herunter – gelassenem „Vorhang“ verfolgt werden – ein wenig wirkte es, als stünden die Musiker in einem Regenschauer. Dadurch, dass die Gaze außerdem bespielbar ist, diente sie dem Videodesigner als weitere Projektionsfläche. Durch die Kombination aus hoher Transparenz und Bespielbarkeit wirkte es fast, als spielten die Musiker in einem Film aus dem Videocontent von Matt Finke.
Steuerung: Follow-Me und Hog 4
Ein Neuling im Glatthor‘schen Setup ist Follow-Me – ein Follow-Spot System aus den Niederlanden. „Ich habe das bei einer Volbeat-Reportage gesehen und fand super, dass es so smart ist! Das Problem bei einem normalen Follow-Spot ist, dass der Künstler davon schnell geblendet wird. Und da Rea gern das Publikum sieht, war relativ schnell klar, dass wir das nur mit einem Truss-Follows machen können. Definiert war außerdem, dass wir fünf Lampen unterschiedlich steuern wollen. Und dann fiel mir die Reportage wieder ein. Ich habe das System dann im Sommer ausprobiert, dafür hat Follow-Me mir ein Demofile zugeschickt und ich habe das mit Capture getestet. Dafür brauchte ich nur eine 3D-Maus und ein MIDI-Faderwing um die Intensitäten machen zu können. In der Probenhalle von TDA habe ich dann einen halben Tag damit rumprobiert und mein Fazit danach war: Supergeiles Tool!“ Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens: „Das Bühnenbild wird nicht durch einen weißen Fleck vom Follow-Spot gestört, denn ich muss keinen Spot hinhängen – ich kann auch einen Wash nehmen, wenn mir das besser gefällt. Und vor allem: Ich bin unabhängig von den Herstellern. Bei Festivals kann ich auch einfach den örtlichen Provider supporten und nehme einen Scheinwerfer von dem“, begeisterte sich Chris Glatthor.
Automatisiertes Follow-Spot-System
Für die Steuerung des Follow-Me während der Tour war der Techniker Christoph „Chick“ Kapsch zuständig. Auch sein Fazit ist durchweg positiv: „Das System ist super. Ich kann alleine alle fünf Scheinwerfer steuern. Bei anderen Systemen braucht man dafür viel mehr Leute. Und außerdem ist es echt einfach zu bedienen: Ich habe mich da vor der Tour mit der Unterstützung aus dem Support reingefuchst und jetzt läuft das super intuitiv. Außerdem habe ich noch nichts Schlechtes von Rea gehört – das ist doch ein gutes Zeichen“, lachte Chick.
»Die Einrichtung ist wirklich einfach: Kamera aufhängen, DMX-Merge machen und schon ist das Thema gegessen«
Chris Glatthor | über das neue Follow-Spot System von Follow-Me
Das erste Setup hat Follow-Me zur Verfügung gestellt und anhand der Angaben von Chris Glatthor eingerichtet. Was dann folgt, scheint ebenfalls unkompliziert: „Kamera vorne rein hängen, DMX-Merge machen – was aber bei der großen Version in der Software selber passiert; bei der Kleinen muss man das extern in einem ArtNet-Knoten machen, aber auch das ist ja kein Hexenwerk. Und dann ist das Thema gegessen“, fasste Glatthor zusammen. Auch die Einrichtung in den Hallen selbst geht laut Chick schnell über die Bühne: „Das Einrichten dauert ungefähr 10 bis 15 Minuten. Dafür gebe ich die Maße der betreffenden Bühnenfläche in die Follow-Me-Oberfläche ein, kalibriere die Messpunkte, teste das Ganze mit einem Stagehand und fertig ist das Ding.“ Während der Show steuert er das System von der Bühnenseite aus.
Zu seinem Setup gehören zwei Monitore, ein MacBook-Pro, ein Faderwing und eine dynamische 3D-Maus. Der rechte Monitor zeigt den Blick von oben auf die Bühne, mit der Maus steuert er in Echtzeit die Spots, die er auf dem Mac einzeln auswählen kann. Mit dem Faderwing steuert er die Intensitäten. Der zweite Monitor links von Chick gehört eigentlich gar nicht zu seinem Setup: „Auf den zusätzlichen Monitor habe ich mir das Kamerabild legen lassen. So sehe ich aus der Perspektive der Konzertbesucher und des FoHs und kann die Wirkung im Bühnenbild direkt überprüfen und ggf. nachregulieren.“ Nur die Farben und ggf. Gobos steuert er nicht selbst, das übernimmt Chris Glatthor vom FoH aus.
Für die Steuerung der Show nutzt der Lichtdesigner eine Hog4-Konsole, das PC-Setup drum herum hat er sich selbst zusammengebaut: „Ich habe eine Nano von der Hog4 und zwei kleine Mini-Playbackwings von der Hog3 – das kann man alles ganz einfach miteinander kombinieren. Aus einem alten Pultcase habe ich mir dann noch eine Konstruktion gebaut, wo das alles drin ist. Ich muss nur die Monitore abnehmen und kann dann einfach den Deckel drauf machen. Dann ist alles kompakt und vor allem schnell weggepackt.“ Die gesamte Show ist ohne Timecode, wird also von Chris Glatthor und Matt Finke live und unabhängig voneinander geschaltet. Es gab zwar die Überlegung einer Session, damit Glatthor ein paar Effekte vom Videodesign triggern kann, aber im Endeffekt entschied man sich doch für die unabhängigere Variante: „Wenn es Sinn macht, habe ich kein Problem damit. Aber warum sollte man etwas miteinander verbinden, wenn es unabhängig für sich gut funktioniert?“
Licht-Setup
22 × Martin Viper Profile 39 × Martin Aura 6 × Martin Atomic 3000 inkl. Scroller 60 × Ehrgeiz Fusion 2 inkl. schwarzer Tube-Diffusor 8 × Sunstrip active 1 × 16m Slimpixx inkl. Diffusor von Lichtlogistik Led Support 72 × T8 Leuchtstoffröhren (inkl. 72 × 40Watt Glühbirnen als Blindlast) 12 × 4 Lite 7 × Wahlberg Motion Design Minirolldown mit Westholt Laserscrim schwarz (Bühnenkante) 7 × Wahlberg Motion Design Mini Roll Down mit Gerriets Scene Projektionsfolie (Bühnenhinterkante) 7 × Westholt Laserscrim an Gerriets Kingschiene 1 × Followspot System von Follow-Me 1 × costume-made High End Systems Hog4 PC Nano System 4 × High End Systems DP8000 1 × Madrix System 1 × Capture System für Pre-Production
Außerdem:
5 × costum-made Setdesign-Objekte: Kreis mit LED-Flex und schwarzer Laserscrim von Lichtlogistik Led Support 3 × costum-made Riser (1×3 m Durchmesser, 2×2,5 m Durchmesser) von Hoac
Technischer Provider: TDA Rental GmbH
Videokonzept
Als der kreative Part für Matt Finke begann, stand das Grundgerüst für die einzelnen Songs bereits fest. Seine Ideen, wie die einzelnen Songs visualisiert werden könnten, fanden schnell Zuspruch. Anhand der bereits ausgeklügelten technischen Architektur des Bühnendesigns konnte er diese schnell adaptieren. „Für mich war vor allem wichtig zu wissen: was wird wo stehen, welche Projektionsflächen soll es geben usw. Erst dann konnte ich mit der Realisierung der Ideen beginnen.“
Ca. einen Monat lang wurde mit drei Leuten Tag für Tag im Studio gearbeitet. Es wurden kleine Grafiken aber zeitgleich auch die reine Hardware gebaut und das Ganze in den verschiedenen Softwares, z. B. dem Managersystem von Pandoras Box, zusammengeführt. „Um die Abläufe auf der Tour zu vereinfachen, hat meine Systemtechnikerin Bianca Mischinger die komplette Hardware in zwei Racks gebaut – eins für die Bühne und eins für mich am FoH. Das hat zwar echt Zeit in Anspruch genommen, bis das wirklich fertig war … aber es zahlt sich jetzt voll aus!“, resümierte Matt Finke und Bianca Mischinger ergänzte: „Wir mussten echt viele Maschinen in die Racks bekommen: HMS-Server, eine NotchPlayback-Maschine, einen Manager-Rechner in Matts FoH- Rack, Netzwerk-Switche, HMS-Backup … und dann alles voll durchverkabeln. Das war platzmäßig echt schwierig. Die größte Herausforderung ist aber immer, alle Systeme miteinander ans Laufen zu kriegen und daraus Dinge zu erschaffen, die unseren Vorstellungen entsprechen. Mit Updates und alle Server auf den gleichen Stand bringen hat das ca. eineinhalb Wochen gedauert. Vor der Show werden dann nur noch die Beamer und Kameras angeschlossen. Wir checken das jeden Tag nochmal durch, um sicher zu gehen, dass für die Show alles läuft. Aber nach dem Konzert packen wir dann nur noch den Deckel drauf und gut ist. Das ist echt effektiv!“
Christie: Projektoren und Medienserver im Einsatz
Für die Medienzuspielung kamen zwei Medienserver Pandoras Box von Christie zum Einsatz, eine weitere diente als Backup falls die Mainserver ausfallen. Die Ausspielung des Contents auf die Projektionsflächen wurde über zwei ChristieProjektoren realisiert: ein Crimson war an der Truss für die Ausspielungen auf die hintere Projektionsfolie montiert, ein Christie Boxer hing oberhalb des FoHs und bespielte von dort aus die Laser-Scrim an der Bühnenvorderkante. Beide Beamer wurden über Netzwerk ferngesteuert.
Das ganze Setup musste dann signalwegtechnisch noch mit der Live-Regie verbunden werden: Um die Bilder aus der Live-Regie annehmen zu können, wurde eine HD-SDI-Kreuzschiene verbaut. Hier kommen die Programm- und Einzelsignale aus der Regie an. „Wir haben das System so flexibel wie möglich gehalten, da wir das Live-Bild mit dem VideoContent kombinieren wollten“, erklärte Matt Finke. Er entscheidet also am FoH, ob er die Live-Bilder unbearbeitet rausgibt, oder ob er diese zunächst verändern möchte. Zusätzlich zu den „normalen“ Kameras kamen darum auch einige 3D-Tiefenkameras zum Einsatz, die Tiefenabbilder erzeugen, die wiederrum veränderbar sind. Das nächste Problem: Die Übertragungswege der 3D-Kameras waren nicht lang genug. Ein passendes Kabel musste also her. Das Team um Matt Finke suchte tagelang nach einem USB-3-Kabel, welches die Distanz zur Schnittstelle überbrücken konnte. „Du kriegst USB-3 nicht einfach so über 30 Meter gezogen. Dann findest du ein Produkt, wo draufsteht, dass es das kann – probierst es aus und es geht nicht. Da gehen schon mal zwei oder drei Arbeitstage eines Mitarbeiters drauf, der nichts anderes macht, als diese Dinge zu testen“, ärgerte sich Finke, ergänzt jedoch direkt: „Aber der Aufwand hat sich gelohnt. Die 3D-Kameras machen aus dem Abbild von Rea eine Art Objekt, das ich auf künstlerische Weise verfremden kann. Das gibt super Effekte!“
3D-Kameras für kunstvolle Bilder
Die 3D-Kameras ertasten einen bestimmten Bereich und erstellen dreidimensionale Formen (Vektoren). Im Gegensatz zu normalen Kameras sieht man bei dieser Technik nachher nicht, was hinter dem Bereich liegt. Durch mehrere Linsen erzeugen sie ein Tiefenabbild des definierten Bereichs. „Aus diesem Material erzeuge ich dann Formen oder füge Effekte hinzu. Bei einem Song ordne ich entlang der Konturen einen GlitzerSchimmer an. Sobald der definierte Bereich weg ist (also wenn Rea sich aus dem Kamerabereich entfernt), ist auch das Glitzern weg.“ Diese Technik kommt aus dem Spielebereich, bekannt ist es z. B. durch die Hardware Microsoft Kinect, die zur Steuerung der Spielekonsole Xbox One verwendet wird.
»Durch die Technik der 3D-Kameras hat Rea direkten Einfluss auf das Design. So ist jedes Konzert individuell«
Matt Finke (Loop Light) | über die Vorteile von Tiefenkameras
Ca. 40 % des gesamten Video-Inputs waren Echtzeitgrafiken. Matt Finke steuerte all diese Grafiken konstant und beeinflusste z. B. ganz bewusst die Art und Weise, wie ein „Partikelsturm“ entstand oder wie viele Flammen den Feuermensch umgaben. „Vieles davon ist sehr subtil. Das muss man auch nicht erkennen oder verstehen. Es soll einfach auf die Konzertbesucher wirken und vielleicht Emotionen hervorrufen. Das ist wie im Film, da fragst du ja auch nicht, warum ist das jetzt grün oder warum laufen die Linien jetzt so?“, erklärte Matt Finke. Der bestehende Look des Lichtdesigns von Chris Glatthor bekam dadurch jedoch einen zusätzlichen, dynamischen Aspekt, der direkt beeinflusst werden konnte. Entweder durch das, was Matt Finke am Pult schaltete oder was Rea Garvey auf der Bühne machte. „Das ist eben das Besondere daran: Rea trägt auf diese Weise aktiv dazu bei, wie der Gesamtlook am Ende des Abends aussieht. So ist jedes Konzert individuell. Außerdem fokussiert es noch mehr auf den Künstler, da sich die Show der Dynamik von Rea unterordnet.“ Trotz der umfangreichen Möglichkeiten, die diese Technik mit sich bringt, verwendete Matt Finke es doch ganz gezielt. „Wenn man sowas benutzt, muss man das nicht in jedem Song totreiten. Manchmal ist es auch einfach in Farben oder Formen versteckt.“
In manchen Situationen wollte Matt Finke jedoch nicht vom Geschehen auf der Bühne ablenken, so dass er die Videoeffekte vom FoH schnell abschalten konnte. „Hierfür ist im FoH-Rack noch ein Widget-Designer verbaut, der auf dem Touchscreen liegt. Das ist meine Steuerzentrale, über die z. B. entscheide, welche Kamera gerade rausgeht.“ Von dem gesamten Video-Input sollte möglichst viel auf den SideScreens gezeigt werden können – sowohl die Bilder aus der Live-Regie von Philipp Lenner, als auch der Content, den Matt live generierte. „Durch die Berechnung entsteht zwar ein bisschen mehr Latenz, aber das Delay ist durchaus vertretbar“, erklärte Matt Finke.
Wichtig für all das war laut Matt Finke vor allem eins: „Ich muss wissen ob alles läuft – und zwar noch bevor der Song anfängt! Dafür müsste ich hier eigentlich noch mehr Glasfaser liegen haben um die Bilder transportieren zu können. Aus Kosten- und Aufwandgründen haben wir uns aber dagegen entschieden und dafür aber eine wirklich einfache Lösung gefunden: Da wir ja schon ein bestehendes Netzwerk haben, nutzen wir einfach eine Netzwerkkamera, die hinten im Rack hängt. Diese liefert mir das Bild auf den Monitor, der hier hinten im FoH verbaut ist. So kann ich direkt sehen, ob alles läuft.“
Video-Setup
2 × Loop Light HMS2 / Pandoras Box Server 2 × coolux workstation Manager Pro Systeme 1 × Widget-Designer Pro System 1 × Notch Realtime System basierend auf LL Server mit NVIDIA P6000 Grafik 1 × Christie Boxer 4k 30.000 Ansilumen Projektor 1 × Christie Crimson 25.0000 Ansilumen Projektor HD 1 × Blackmagic HD-SDI Kreuzschiene (12×12 Wege) 1 × Lightware DVI Matrix (9×9) 1 × Hog 4 + DP8000 1 × 4-fach HD-SDI & DVI Inputs
Den Eindruck, dass alles läuft, hat auch das Konzert in der Oberhausener König-Pilsener-Arena hinterlassen. Den Konzertbesuchern präsentierte sich ein erstaunlich vielfältiges Bühnendesign mit viel Tiefe, das den Charakter des neuen Rea Garvey-Albums zu 100% getroffen hat und für so manchen Wow-Moment sorgte. Hier wurde miteinander verbunden, was sehr gut miteinander funktioniert – aber was erwartet man auch anderes, wenn zwei OPUS-Preisträger gemeinsam an einer Show feilen? Die Zusammenarbeit von Lichtdesigner Chris Glatthor und Videodesigner Matt Finke, die bei der Neon-Tour zum ersten Mal zustande kam, hat auf jeden Fall ein wirklich überzeugendes Ergebnis hinterlassen. To be continued!
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