Kling & Freitag VIDA Sound System in ersten Praxistests
von Detlef Hoepfner,
In der Orangerie in Hannover konnte Vater Tontechnik als typische „kleinere Firma“ Konferenz-Erfahrungen mit der neuen Kling & Freitag Zeile VIDA als Alternative zu einer dezentralen Beschallung sammeln.
Versatile, Intelligent und Digital nennt Kling & Freitag sein neustes Array VIDA, das nach intensiver Entwicklung- und Erprobungsphase zum Jahreswechsel 2015/2016 in den Markt geht. Erste vorläufige Muster waren zuvor auf Messen zu sehen und machten schon die technischen Eckdaten bekannt: Jede Säule besitzt 48 Endstufen und ebenso viele DSP-Kanäle für drei akustische Wege, was jeder Box zu einer Gesamtleistung von über 3 kW verhilft. Eine VIDA alleine ist bereits einsatzfähig, möglich und in vielen Einsätzen sinnvoll ist die Kopplung mehrerer Module – maximal bis zu einer über acht Meter langen Linie aus acht Elementen. Die VIDA ist aber nicht nur in der Länge (und damit ihrer Abstrahlung und Leistung) skalierbar, sondern auch in ihren horizontalen Eigenschaften: Die Abstrahlung quer zur Linie (also meist die horizontale Ebene) ist in der Regel fest vorgegeben, die VIDA kann hier aber auch gezielt kardioid abstrahlen, indem man rückseitig ein Lautsprecher-Zusatzmodul andockt. Signalseitig angesteuert wird die VIDA ganz nach Wunsch: analog, AES/EBU und/oder Dante, auch als Havarie-Schaltung. Hinzu kommen GPIO, der VIDA-Bus, analoger Link und sogar noch ein analoger Out – also das volle Programm. Früher belächelt, aber heute Standard ist, dass so ein System softwareseitig umfangreich ansprech- und steuerbar ist: Alle Module melden sich automatisch in einer Bediensoftware an und werden dort samt ihrer Betriebszustände und des tatsächlichen Hängewinkels sichtbar. Der von ihnen geformte Beam kann definiert, über die visualisierte Hörfläche geschwenkt oder auch geteilt werden. Losgelöst von einer Regie kann der Beam auch per mobiler Kontrolle optimiert und auch noch ein Geschmacks-EQ bedient werden, hier muss man sich allerdings eventuell auf ein Windows-Tablet neu umstellen.
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Optisch werden viele Tonleute besonders die spinnenartigen Waveguides mit der VIDA assoziieren, die zusammen mit der sehr kompakten und koaxialen Anordnung von Tief-, Mittel- und Hochtönern der Kling & Freitag-Linie zu optimaler akustischer Performance verhelfen sollen. Im Einsatz soll so eine Säule aber nicht nur perfekt klingen, ideal den Hörerbereich abdecken und kraftvoll aufspielen, sondern auch optisch ganz unauffällig bleiben. Entsprechend aufwändig war der Entwicklungsaufwand, die gesamte Montage- und Verbindungsmechanik nicht nur sicher und bedienfreundlich hinzubekommen, sondern auch ganz unauffällig in die Stranggussprofile aus Aluminium zu integrieren. Ein eigenes Interview haben wir zur VIDA-Entwicklung mit Christoph Lohrer geführt, VIDA-Projektleiter bei Kling & Freitag.
Sound-Test im Gewölbe
Einer der vielen Praxis-Test fand im Herbst 2015 auf einer Bühne der Klimakonferenz in Hannover statt, die in der Orangerie der Herrenhäuser Gärten stand. Geteilt wird der große, gewölbeartige Raum durch eine fest eingebaute Tribüne. Hinter der davor befindlichen Aktionsfläche für Diskussionen und Präsentationen war der Raum bei unserem Besuch in Hannover nochmals abgehängt, um eine Trennung zu einem belebten Ausstellungsbereich zu erhalten. Für diese Bühne hatte die Vater Tontechnik GmbH aus Hannover den Zuschlag erhalten, die schon die unterschiedlichsten Beschallungssysteme bis hin zu einer K-Array Anakonda im Einsatz hatte. Anlass für einen VIDA-Test war, dass Vater Tontechnik schon länger auf der Suche nach einem geeigneten Lautsprechersystem war, das auch in komplizierten akustischen Umgebungen – z. B. in Kirchen – eine hervorragende Sprachverständlichkeit leistet. Mit der Orangerie war eine spezielle Location gegeben, die das Team stets vor große Herausforderungen stellt. Durch einen Kontakt mit Jürgen Freitag entstand die Idee, VIDA in der Beta-Phase unter anderem in dieser Location zu testen. Neben dem Vorteil für den Dienstleister, das Produkt kennenlernen und testen zu können, ergab sich auch ein Vorteil für das Entwicklungsteam, das über Arne Muscheites von Kling & Freitag bei der Anwendung „im Ernstfall“ weitere Erfahrungen sammeln und die Rückmeldungen der Anwender einfließen lassen konnte.
»Die Abstrahlung nach hinten klingt so ausgeglichen, dass sich auch Redner hinter den Lautsprechern ohne zusätzliches Monitoring wohlfühlen können«
Ingmar Vater | zur Performance der VIDA über der Bühne
Beim einem vorhergehenden VIDA-Einsatz hatte Ingmar Vater bezogen auf den angestrebten Anwendungsbereich bereits einen überraschend positiven Eindruck: „Die Location, die wir sonst dezentral mit bis zu acht kleinen Lautsprechern beschallen, konnten wir zentral mit nur zwei Kling & Freitag VIDA mit perfektem Ergebnis beschallen. Dies hatten wir mit den anderen Ansätzen nie geschafft, wenn man auch fairerweise sagen muss, dass die bisher von uns getesteten Lösungen in anderen Preisbereichen spielten. Bei allen anderen Lösungen musste mindestens noch eine Delayline her, und das Ergebnis war trotzdem nicht so perfekt wie mit der VIDA-Lösung. Hinzu kommt, dass die VIDA gegenüber den herkömmlichen ‚Zeilen’ ein echter PA-Lautsprecher ist und Fullrange oder in Kombination mit Subbass eben auch Musikwiedergabe auf höchstem Niveau ermöglicht. Bei unserem ersten Test schloss sich an den offiziellen Teil mit Vorträgen ein Get-together mit DJ- und Live-Musik an. Selbst Gäste sind damals verblüfft an uns herangetreten, weil sie festgestellt hatten, dass der Sound unter den vorhandenen raumakustischen Bedingungen hervorragend sei.“ Bei dieser Veranstaltung hatte das Team pro Seite jeweils eine VIDA direkt auf die XLT-Bässe von Kling & Freitag gestellt. „Die Bässe hatten wir eigentlich nur dabei, weil das passende Stativ bei Kling & Freitag noch in der Entwicklung war. Einen 50-kg-Lautsprecher stellt man halt nicht mal eben auf einen Boxenhochständer. Klanglich beurteile ich den Lautsprecher hervorragend: brillant, tonal angenehm und ausgewogen. Mit der Tiefbass-Unterstützung durch die Doppel-18er wurde das eine unglaubliche Kombination.“
Bei diesem Einsatz im Vorfeld dieser Konferenz wurde bereits mit dem Beamsteering und versuchsweise mit dem Split-Beam experimentiert: „Wir haben z. B. einen Split-Beam realisiert, bei dem der eine Beam die ebenerdige Fläche beschallte und der zweite Beam jeweils auf eine der in der Location vorhandenen drei Emporen gerichtet wurde. Die oberste Empore befand sich in ca. 15 m Höhe, das entsprach einem Richtungswinkel von etwa 45°. Diese Anwendung hat sehr überzeugend funktioniert. Es mutete schon ein bisschen wie Zauberei an, dass man mit einem kleinen Klick in der Remote-App den Schall hörbar machen oder ausblenden konnte. Dass diese Einstellungen elektronisch realisiert werden und sich mechanisch nichts bewegt, ist mehr als verblüffend.“
Beam-Anpassung an die Tribüne
Zurück zur Klimakonferenz gab es eine etwas andere Situation. Es galt, die bis auf 4 m Höhe ansteigende Tribüne von 25 Meter Tiefe zu beschallen. Dazu wurden gemeinsam mit Arne Muscheites zwei übereinander geflogene Kling & Freitag VIDA eingeplant, auf deren Rückseite jeweils das VIDA-Cardioid-Modul montiert war. Ingmar Vater zur Wirkung dieser Zusatz-Module: „Mit Cardioid fällt nach hinten kaum Mulm in den Low-Mids an. Im Gegenteil: Die Abstrahlung nach hinten klingt so ausgeglichen, dass sich auch Redner hinter den Lautsprechern ohne zusätzliches Monitoring wohlfühlen können.“ Hier sammelte das Team Erfahrungen damit, den Nah- und Fernbereich der Tribüne mit Hilfe des Beam-Steerings möglichst gleichmäßig zu beschallen. Ingmar Vater erklärt dazu zwei unterschiedliche Ansätze: „Man konnte beide VIDA-Module unseres Arrays als unabhängige Schallquellen benutzen und einen Lautsprecher für den vorderen Bereich, den anderen für den hinteren Bereich elektronisch ausrichten. Oder man definiert das Array quasi als einen einzigen Lautsprecher und kann damit auch den Split-Beam verwenden. Welche Lösung für den Anwendungsfall optimal ist, kann man durch die Realtime-Fernsteuerung ganz unkompliziert ausprobieren. Sowohl Ausrichtung und Spreizung des Beams, Konfiguration des Lautsprecher-Arrays, EQ-Einstellungen und vieles mehr können übersichtlich in der VIDA-App vorgenommen werden.“ Später wird das Team hier sicherlich auf die gesammelten Erfahrungen zurückgreifen können – vor allem, wenn es schnell gehen muss. Angenehmer Effekt bei diesem Setup: Für die ME36 wurde keinerlei EQ am Mischpult benötigt, was sicher nicht selbstverständlich ist.
Einfaches Mechanik- und Netzwerk-Handling
Aufbau und Rigging funktionierten für die Crew wie schon vom Kling & Freitag Sequenza gewöhnt völlig unkompliziert: Die Lautsprecher werden übereinander gestellt, wobei sie durch eine Führung richtig positioniert und mit einem Handgriff ein- bzw. ausgerastet werden. Noch gewöhnungsbedürftig war für die kleine Firma dagegen, dass man neben Audio und Strom jetzt auch Netzwerk für die Steuerung zu jedem Lautsprecher führen muss. „Von den großen Meyer-Sound-Arrays, die wir früher bei Rocksound hatten, kannte ich das zwar schon“, so Ingmar Vater. „Neu ist aber, dass das Thema Netzwerk zum relevanten Thema auch für kleinere Anwendungen avanciert. Man muss sich schon Gedanken machen, wo man einen Switch positioniert und wie man die Netzwerkstruktur aufbaut. Kling & Freitag hat das allerdings sehr gut gelöst, indem Audio via Dante und Remote über dieselbe Netzwerkleitung transportiert werden. Das funktionierte auch anstandslos. Wir hatten zusätzlich eine Audioleitung zu beiden Lautsprechern mit einem AES/EBU-Stereo-Signal gelegt. Die Dante-Verbindung diente somit nur als Havarie und wir waren trotzdem voll digital. Die VIDA erkennt, wenn das AES/EBU-Signal gestört ist und schaltet im Havariefall unhörbar auf Dante um. Wir haben das ausprobiert, indem wir einfach den XLR-Stecker mit dem Audiosignal abgezogen haben, und es hat funktioniert. Durch dieses Feature spart man sich ggf. die sehr aufwändige, redundante Netzwerkverkabelung mit mehreren Switches an den Knotenpunkten. Schön ist auch, dass man in einem Array jede weitere VIDA nur mit einem kurzen CAT-Patch-Kabel verbinden muss. Das Signal- und Remote-Management sind in der Box integriert.“
Lob für die Tontechnik
Lob erntete Vater Tontechnik für die Konferenzbeschallung dann auch von Kristof Wistal, dem Technischen Leiter in den Herrenhäuser Gärten in Hannover und Herrn Olaf Höfer von der Vermarktung der Räumlichkeiten. Ingmar Vater: „Letztlich muss man sagen, dass wir auch hier mit der zentralen Lautsprecheranordnung ein mindestens so gutes Ergebnis erzielt haben wie mit einer dezentralen Beschallung mit einigen Delay-Lines!“ Und auch nach unserem Eindruck war der Sound über die ganze Tiefe der Tribüne ausgesprochen gleichmäßig, direkt und sehr natürlich wahrnehmbar – sodass man sich gerne nach den Vorträgen noch die kreativen Exponate und Ausstellungen rund um die Themen Klima und Nachhaltigkeit anschaute:
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