Nach der Prolight+Sound 2015 müssen wir einmal keine neuen Abkürzungen für Audionetzwerke oder Allianzen lernen. Und es gibt Hoffnung in Sachen Kompatibilität – durch die Unterstützung von AES67 durch Dante.
Vor der Prolight+Sound 2015 kündigte Audinate die Veröffentlichung eines Firmware-Updates an, das die Unterstützung von AES67 ermöglicht. Bei einem Gespräch auf der Messe bestätigten Kieran Walsh und John Rechsteiner von Audinate: „In drei Wochen geht die AES67-kompatible Firmware an unsere OEM-Kunden. Dadurch entsteht für unsere 220 Lizenznehmer die Möglichkeit, ihre Produkte AES67- fähig zu machen.“ Wann und ob die Hersteller die Firmware ihrer Produkte auf einen AES67-fähigen Stand bringen, ist natürlich nicht die Entscheidung von Audinate und wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen.
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Und AES67 wird sicher nicht Dante, Ravenna, oder Ähnliches ersetzen. Trotzdem ist es schon eine kleine Sensation, dass es nun in vergleichsweise kurzer Zeit potenziell viele Geräte geben könnte, die den neuen, offenen Standard unterstützen. Konsolidieren und orientieren – so lassen sich die sonstigen Tendenzen bei den Audionetzwerken grob umreißen: Es gibt einige neue Produkte, meist mit Dante-Schnittstellen, Lautsprecher mit Audionetzwerk-Schnittstelle tauchen vermehrt auf, durch neue Schnittstellenplatinen und Entwicklungsumgebungen erweitern z. B. Archwave und ALC Networx die Integrations-Alternativen für Hersteller und die OCA warb mit eigenem Messestand und Treffen für ihre herstellerübergreifende Steuerungsalternative. Für die praktische Nutzung sind sicher die Erweiterungen der Produkte zum Umsetzen der Audiosignale von einer Netzwerk-Technologie auf die andere interessant. Und vielleicht der ein oder andere Aspekt, den Ruben van der Goor von Yamaha beim VPLT-Seminar erläuterte. Nach diesem kurzen Überblick soll es nun konkret um die Neuheiten gehen, die es zu sehen gab, und die natürlich nicht nur Neuigkeiten bei den IP-basierten Netzwerken beinhalten.
Dante-Welt
Für die Verbindung zwischen Personal Mixer und Dante stellt Aviom den D400 als Alternative zum D800 zur Verfügung. Der D400 zum Anschluss von acht Personal Mixern – die gleich auch mit Strom versorgt werden – ist kleiner und daher kostengünstiger. Lieferbar soll der D400 ab Sommer sein. Zu den neuen Konsolen der TF-Serie von Yamaha – mit neuem Erscheinungsbild, Bedienphilosophie inkl. „Wisch-Panel“ und Schnittstellen gleich auf der Rückseite – gibt es auch eine neue Dante-Karte, die optional in den Karten-Slot eingesetzt 64 Kanäle mit einem Dante-Netzwerk austauscht. So lassen sich das TF1 (16 Fader und Mic/Line-Eingänge, 32 Mono und zwei Stereo-Kanäle, 20 Aux), das TF3 (24 Fader und Mic/Line-Eingänge, 40 Mono- und zwei Stereo-Kanäle, 20 Aux) und das TF5 (32 Fader und Mic/Line-Eingänge, 40 Mono- und zwei Stereo-Kanäle, 20 Aux) bei Bedarf in ein Dante-Netzwerk einbinden. Zu den neuen Produkten von BSS gehört Soundweb London BLU-DAN, die in einem 8,5″-Gerät eine einfache Brücke zwischen BLU-Link und Dante herstellt.
Bild: Christiane Bangert
Bild: Christiane Bangert
Offenheit für andere
Die Anzahl der Schnittstellen-Karten für cyberTEQ-m von Teqsas wächst stetig. Neu hinzugekommen sind die Karten zum Senden und Empfangen von HDMI-Signalen, das Empfangs-Modul kann mit eigenem Scaler für unterschiedliche Displays genutzt werden. Mit der Dual 4port-Switch-Karte lässt sich die Anzahl der Ethernet-Ports erweitern, wenn bei Veranstaltungen z. B. viele Steuerrechner für die diversen technischen Einrichtungen benötigt werden. Das W-Lan-Modul lässt sich neu per Schalter deaktivieren, praktisch für Veranstaltungen wie Hauptversammlungen. Mit einer zweiten PSU kann der Mainframe jetzt auch gegen Netzteilausfall gesichert werden. Mit der 2 HE hohen Orange Box baut Digico eine Brücke zwischen analogen und digitalen Signalen in den verschiedensten Ausprägungen. Dafür sorgen zwei Steckkartenplätze und die diversen Schnittstellenkarten, die ab Juni zur Verfügung stehen sollen. Zu den DMI-Karten mit bis zu 64 Kanälen gehören Karten mit Hydra2, MADI über BNC oder Cat, AES/EBU, Dante, Optocore, A-Net, Waves Soundgrid sowie analogen Ein- und Ausgängen. Die RSio64-D von Yamaha setzt die Signale der diversen Mini-YGDAI auf Dante um. Das betrifft nicht nur die 30 16-kanaligen Karten mit analogen, digitalen (u. a. AES/EBU, MADI, SDI, TDIF) und Netzwerk-Schnittstellen (u. a. CobraNet, EtherSound, A-Net, Optocore, Dante, RockNet). Auch die vier Prozessor-Karten mit Lake-Algorithmen, Automatik-Mischern oder Echo-Cancelling können eingesetzt werden. Sieben Presets für allgemeine Routing-Aufgaben auch zwischen den Karten sind am Gerät auszuwählen oder die Einstellungen werden mit der R-Remote-Software, einer CL- oder QL-Konsole vorgenommen. Ein zusätzlicher DC-Spannungseingang kann für eine redundante Stromversorgung sorgen. Mit den Steckkartenplätzen in den Konsolen von Roland erweitern sich die Alternativen beim Signalaustausch: XI-Karten mit Dante, MADI, Soundgrid und zusätzlichen REAC (der Roland-eigenen Schnittstelle) stehen an den „reinen“ Audiokarten zur Verfügung. DVI, SDI und SFP-Karten können im Video-Mischer V-1200HD Bildinhalte austauschen. Eingesetzt in die M5000 Konsole ermöglichen sie den Zugriff auf die eingebetteten Audiosignale.
Nah am Lautsprecher
Die DSP-gesteuerte Zeile PB 08 gehört zu den Lautsprechern von Pan Acoustics, die mit einer Dante-Schnittstelle ausgestattet sind. Dabei wird nicht nur Audio, sondern auch gleich die Steuerdaten für die DSPs per Dante übertragen. Der D20-Verstärker (4 × 1.600 W) von d&b setzt auf OCA zur Steuerung. Dies ist besonders in Zusammenarbeit mit dem Array Processing – dem neuen Feature von ArrayCalc – wichtig: es kommen schon einige Daten bei der Berechnung der optimalen Einstellung für jeden Lautsprecher im Line-Array zusammen. Mit dem schnellen Transport zum jeweiligen Verstärkerkanal wäre der Can-Bus wohl überfordert. Den gibt es aber nach wie vor am D20, damit der Verstärker auch nahtlos in bestehende Anlagen eingefügt werden kann. Von der Formgabe wirken sie wie die kleinen LF- oder LFI-Lautsprecher von Fohhn. In ihnen verbergen sich aber Optocore- oder Sane-Schnittstellen, die neben den Audiosignalen auch die Steuerdaten zu den DSP-gesteuerten Zeilen weiterleiten. Unter oder über den Zeilen platziert sind die „Schnittstellen-Boxen“ optisch nur eine minimale Verlängerung der Zeile. Mit optionalen Dante-Modulen für die Verstärker DA428 und DA230 schafft auch KME eine Netzwerkschnittstelle ganz nah am Lautsprecher. Die 3-Wege-Zeile VIDA von Kling & Freitag wird u. a. mit 48 DSP- und Endstufen-Kanälen für die 32 0,8″-, zwölf 3,5″- und sechs 6,5″-Treber in einem Modul ausgestattet werden. Geplant ist die Kling & Freitag VIDA in Längen bis zu acht Metern und optionalem rückwärtigen Modul zur Optimierung der Abstrahlcharakteristik kann sie Audiosignale über die Dante-Schnittstelle direkt in der Zeile entgegennehmen.
Bild: Christiane Bangert
Für größere Anlässe
Die neue M-Serie von Optocore kann nicht nur in einem Optocore- oder Sane-Ring vier (M8) oder acht (M12) MADI-Ports zur Verfügung stellen, sie lassen sich auch alleine als Router jedes individuellen Audiokanals in den anliegenden MADI-Streams nutzen. Mit BNC- oder Glasfaser-Schnittstellen bzw. MADI über Cat.5 mittels der SANE-Schnittstellen des M8 lassen sich so große Mengen MADI-Streams verwalten, die nach wie vor bei vielen Geräten für den mehrkanaligen Austausch von digitalen Audiosignalen zum Einsatz kommen. Alleine, als Teil des MediorNet oder zusammen mit dem MetroN Core Router erweitert das MicroN von Riedel die Anschlussmöglichkeiten, wenn es um ganz viele Daten geht. Das 19″/1 HEGerät unterstützt 10G High-Speed Video, 3G-SDI Video, MADI Audio und Gigabit Ethernet. Ein MicroN allein kann als 12 × 12 Kreuzschiene und Audio Embedder/De-Embedder u. a. mit MADI SRC, Video Frame Sync und Delay fungieren. Mehrere MicroNet können beispielsweise eine 192 × 192 HD-SDI Matrix bilden. Zwei neue Karten bereichern die NEXUS-Kreuzschiene von Stagetec: Mehr DSP-Kapazitäten für die Signalbearbeitung stellt die neue XDSP- Generation der DSP-Karten zur Verfügung. Optional gehört der ISOSTEM Upmix-Algorithmus für das Generieren eines 5.1 aus einem Stereo-Signal oder eines Stereo- aus einem 5.1-Signal zum Funktionsumfang, neben den EQs, Filtern, Delays, Mixern, Dynamik-Funktionen etc. Für die Erweiterung des Angebots an Steuerschnittstellen ist die XACI u. a. mit zwei USBs, Ethernet Switch mit drei RJ45 und mSATA-Port konzipiert.
Über 35 Hersteller gehören inzwischen zum Kreise der Ravenna-Unterstützer. Um die Hersteller bei der Integration zu unterstützen, bietet ALC Networx das COMi.MX Board an. Mit 2 × 64 Kanälen und für Abtastraten bis 192 kHz ist das Board für gehobene Ansprüche konzipiert. Die zwei Ravenna-Gigabit Ethernet-Schnittstellen können sowohl für Redundanz als auch für die Verdopplung der Kapazität genutzt werden. „Professionelles Skypen“ ermöglicht das STX-200 von Riedel. Es verfügt über eine ganze Reihe von Funktionen, um Skype-Inhalte direkt in den Produktionsprozess einzubinden. Zu den erweiterten Funktionen soll demnächst AES67 als Audioschnittstelle gehören. Nun ist auch das Base Board für die uNet Mini AES67-Modul von Archwave mit zwei Ein- und zwei Ausgängen fertig, das die Entwicklung von AES67-Schnittstellen für Lautsprecher, Verstärker etc. fördern soll. Bezeichnenderweise stellte Archwave auf der Musikmesse aus und zeigte damit, dass die Archwave AES67-Lösungen auch für Geräte sind, die von Musikern eingesetzt werden.
Zwei häufige Netzwerk-Probleme
„75 % der Probleme, für die unser Support kontaktiert wird, haben ihre Ursache in fehlerhaften Kabeln“, so Ruben van der Goor von Yamaha über die häufigsten Fehler beim Einsatz von Audionetzwerken beim VPLT-Seminar. „Schlechte Qualität der Kabel, falsches Crimpen, fehlerhafte Stecker etc. führen zu Fehlern in den Netzwerken, die oft schon an sich nicht leicht zu durchschauen sind.“ Denn bei größeren Produktionen sind die Audiosignale ja nicht die einzigen Daten, die über Netzwerkverbindungen weitergeleitet werden und selten gibt es jemanden, der Gewerke-übergreifend die Netzwerk-Fäden in der Hand hält. Strategien zum Finden von Fehlern und am besten „ein Blick von oben auf die Netzwerkstrukturen“ können helfen, den Überblick zu bewahren. Dante genießt den Ruf, auch herstellerübergreifend zuverlässig zu arbeiten. Wichtig ist es aber, dass alle Geräte mit der gleichen Firmware-Version arbeiten. „Die Firmware für die Dante-Schnittstelle setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Dem Teil von Audinate und dem vom Hersteller des jeweiligen Geräts. Wenn die Audinate-Firmware bei den Geräten nicht auf demselben Stand ist, kann es zu Problemen kommen. Es ist daher wichtig, alle Geräte gleichzeitig upzudaten. Das erfordert in großen Firmen z. B. mit über 120 Pulten an zwölf verschiedenen Orten schon einiges an Organisation.“