ESC 2021: Hygiene-Bestimmungen

Europa maskenlos

Der Eurovision Song Contest fand 2021 in Rotterdam vor 3.500 Zuschauern statt – ohne Maske, aber durchgetestet. Möglich machte das eine Zusammenarbeit der niederländischen Regierung und der Eventbranche.

Hygiene-Bestimmung ESC(Bild: Nathan Reinds)

Der Anblick ist eigentlich vertraut und doch so ungewohnt: Nachdem die Eurovision-Hymne den ESC 2021 in Rotterdam eröffnete, sehen
die Zuschauer:innen vor den Fernsehgeräten die
vollen Ränge der Ahoy-Arena. Keine Pappaufsteller, keine Stuhlreihen auf Abstand – Menschen sitzen direkt nebeneinander, wedeln mit Fahnen oder Schildern und strahlen ohne Mund-Nase-Schutz in die Kameras.

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Übersicht:

Fieldlab Events

Maßnahmen beim ESC

Regeln für die Produktion

Optimistisches Zeichen

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Blendet man den eher leeren Innenraum der Arena aus, indem vereinzelte Sofa-Landschaften stehen, könnte man fast meinen, Corona wäre kein Thema mehr. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Denn damit der ESC nach der Absage 2020 in diesem Jahr vor Publikum stattfinden konnte, benötigte es viel organisatorische und technische Vorbereitung, auch abseits der Gewerke Licht, Video und Ton.

Fieldlab Events

Der Eurovision Song Contest sollte dieses Jahr nicht nur den besten Song Europas küren, sondern diente auch als Feldversuch für die Initiative Fieldlab Events (https://fieldlabevenementen.nl), die von der niederländischen Veranstaltungswirtschaft in Zusammenarbeit mit der niederländischen Regierung gegründet wurde.

Ziel der Initiative ist, Kultur- und Sportveranstaltungen in Coronazeiten wissenschaftlich und sicher durchzuführen, die Erkenntnisse für bessere Regulierungen zu nutzen und so die Eventbranche bis zum Restart zu unterstützen. Indem man vereinzelte Veranstaltungen durchführt und die Wirkungsweisen verschiedener Regularien (Testpflicht, Kapazitätsgrenzen, Temperaturmessung usw.) in der Praxis untersucht, möchte man sogenannte „Building Blocks“ entwickeln, die sowohl der Regierung als auch Veranstaltern bei der zukünftigen Planung helfen sollen.

Seit Februar 2021 fanden bereits verschiedene Events statt: von Theaterstücken über Fußballspiele bis hin zu Tanzveranstaltungen und Konzerten — mal indoor, mal outdoor, mit festen Sitz- oder Stehplätzen und viel Bewegung. Die Kosten wurden laut Dimitri Bonthuis, Manager bei Fieldlab Events, geteilt: Die Regierung übernahm die Finanzierung der Tests und der wissenschaftlichen Auswertung, die Event-Industrie kümmerte sich um die Organisation der Testungen.

ESC Hygiene
Viel hilft viel: Neben Tests und Masken kam beim ESC auch weiterhin Desinfektionsmittel zum Einsatz (Bild: Nathan Reinds)

Beim ESC legt man das Augenmerk vor allem darauf, wie die Leute untereinander in Kontakt treten und ob sich die bisherigen Erkenntnisse und Datensätze auch auf größere Teilnehmerzahlen skalieren lassen. Die Ergebnisse der Studienreihe sollen als Handlungsrahmen dienen, die den verschiedenen Modellen der deutschen Verbände ähneln, allerdings auf praxisnahen Erkenntnissen und Empirie beruhen. Zwar gab es auch in Deutschland einzelne Versuche mit Großveranstaltungen, aber ein organisiertes Vorgehen innerhalb einer umfänglichen Studienreihe wie in den Niederlanden blieb bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung aus.

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Maßnahmen beim ESC

Fans des Eurovision Song Contest dürfte dieser Zusammenschluss gefreut haben, sicherte er doch die Publikumspräsenz bei Vorrunden, Proben und der Finalveranstaltung. Die Durchführung war aber für alle Beteiligten aufwendiger als noch vor Corona-Zeiten.

Wie bei vielen Konzerten und Shows waren die Tickets personalisiert: Neben der Eindämmung des Schwarzmarktes ist so eine Nachverfolgbarkeit der Teilnehmenden gewährleistet. Nach dem Kauf und der Personalisierung wird das Ticket in der App „Close“ hochgeladen. Die App fungiert als wichtiger Begleiter für alle Gäste: Neben dem Ticket selbst vermittelt sie auch Informationen über den genauen Ablauf am Veranstaltungstag, dient als Vermittlung für Teststellen und ist der generelle Kontakt zu den Gästen. Am Veranstaltungstag selbst werden so vier Stunden vor Showbeginn allen Zuschauer:innen sogenannte Triage-Fragen gestellt: „Haben Sie Fieber?“, „Hatten Sie Kontakt zu positiv getesteten Personen?“ etc. Fieldlab hat im Laufe seiner Versuche herausgefunden, dass eine Beantwortung dieser Fragen im Voraus sinniger ist als beim Einlass, da es dadurch nur zu unnötigem Personenstau komme. Außerdem könnten möglicherweise schon kranke Personen durch das Beantworten der Fragen vom Besuch absehen. Interessanter Side Fact: Jegliche Risikogruppen (z. B. Personen mit Vorerkranung oder über 70-Jährige) waren schon vorab von der Teilnahme ausgeschlossen.

Per „Close“ bekommen die Zuschauer:innen außerdem einen festen Einlass-Slot zugeteilt. So sollen lange Schlangen vor der Arena vermieden werden, denn auch beim Einlass dauert es länger: Die negativen Corona-Tests müssen kontrolliert werden. Pauschal habe man für die Testvorlage laut Bonthuis 20 Sekunden pro Teilnehmendem extra eingeplant. Der gesamte Einlass dauerte anderthalb Stunden. Alle Besucher:innen müssen ein maximal 24 Stunden altes, negatives Testergebnis vorlegen. Dieses darf nur von offiziellen Teststellen stammen, für die man über die „Close“-App einen Termin buchen konnte. Das Testergebnis selbst wird dann über die App „CoronaCheck“ präsentiert. Beide Apps sind für die Show Pflicht: Fans ohne Smartphone können ihr Testergebnis zwar ausdrucken, müssen sich aber einer Gruppe mit „Close“-App anschließen.

ESC Hygiene
Teststrategie: Produktion und Künstler:innen werden nur mit negativem Test akkreditiert; gleiches gilt für den Eintritt der Zuschauer:innen. (Bild: Nathan Reinds)

In der Warteschlange, in der Arena und auch beim Getränke- und Snack-Kauf herrscht Maskenpflicht. Am eigenen Platz jedoch dürfen die Zuschauer:innen die Masken abnehmen und sich ohne einen Mindestabstand dem Live-Erlebnis hingeben. Damit es in den Wegen der Arena nicht zu Ansammlungen kommt, habe man auf intelligentes Design von Laufwegen geachtet und zusätzliches Personal eingesetzt.

Dimitri Bonthuis zeigt sich zufrieden: alle Fans hätten sich vorbildlich benommen und sich an die Regeln gehalten. Während des Events habe man zusätzlich per Videoüberwachung und App-Tracking einen Überblick über die Begegnungen der Personen gehabt.

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Regeln für die Produktion

Doch nicht nur die Zuschauer:innen mussten sich an besondere Regeln halten, der ganze ESC stand im Zeichen strenger Corona-Vorgaben.

Die Größe der Delegationen aus den verschiedenen Ländern wurde auf 20 Leute begrenzt, alle Acts und das dazugehörige Team durften sich nur in einer eigenen, zugeteilten Bubble aufhalten. Die Anzahl der freiwilligen Helfer wurde auf 650 gedeckelt und mit 500 Journalisten war auch nur ein Drittel der sonst anwesenden Presse vor Ort. Auch beim Live-Kommentar wurde reduziert: Nur einige Sendeanstalten waren in der Arena. Für Deutschland kommentierte Peter Urban — dieses Mal aus Deutschland. Alle Beteiligten wurden jeden zweiten Tag getestet, nur so war eine tagesaktuelle Akkreditierung möglich. Zum Einsatz kamen neuartige Puste-Tests, die allerdings eine hohe Ungenauigkeit aufwiesen, sodass oft doch auf die bekannten Schnelltest-Arten zurückgegriffen wurde. Insgesamt wurden während der gesamten Produktion (vom 6. April bis zum 20. Mai) ca. 24.400 Tests durchgeführt. Die in diesem Zeitraum gemeldeten 16 positiven Tests (0,06 %) sollen sich nicht während der Produktion, sondern bereits vorher angesteckt haben.

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Optimistisches Zeichen

Ein genaues Ergebnis von Fieldlab aus dem „Experiment Eurovision Song Contest“ stand zu Redaktionsschluss noch aus. Die Schlagzeilen wurden allerdings durch die italienischen Gewinner und andere gute oder auch skurrile Beiträge anderer teilnehmenden Länder dominiert.

In den Niederlanden fallen aktuell die Inzidenzwerte, genau wie in den meisten anderen europäischen Ländern; ein Superspreader-Event war der ESC 2021 also nicht. Ganz ohne Corona-Beeinträchtigungen kam die Show dann aber trotzdem nicht aus: Da eines der Bandmitglieder positiv getestet wurde, verbrachte die Band um den Künstler Daði Freyr die Live-Show in Hotel-Quarantäne, stattdessen wurde eine mitgeschnittene Probe für den Auftritt Islands gesendet. Auch Duncan Lawrence, der 2019 als Sieger den ESC in die Niederlande holte, konnte wegen eines positiven Tests nicht auftreten.

Das Fazit von Dimitri Bonthuis fällt gut aus: Alle geplanten Mechanismen hätten funktioniert. Nur bei der Installation und Einrichtung der Apps auf den Endgeräten der Teilnehmenden wäre teilweise mehr Unterstützung notwendig gewesen. Der Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch: Die Künstler:innen und ihre Begleitpersonen im Innenraum sowie die Zuschauer:innen auf den Rängen der Ahoy-Arena feierten ausgelassen und ohne Masken. Ein Bild, das einen Corona fast vergessen lässt und Hoffnung macht auf einen baldigen Restart für Events.

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