Dreigroschenoper mit Soundscape

Dreigroschenoper als immersives Erlebnis

Mit einer mehr als 125-jährigen Geschichte gehört das Berliner Ensemble zu den traditionsreichsten deutschen Bühnen. Im größten Saal des unter Denkmalschutz stehenden Berliner Ensembles, in dem rund 700 Gäste Platz finden, sorgt Immersive Sound für einen besonders hoch auflösendes Hörerlebnis.

(Bild: Copyright ® d&b audiotechnik GmbH & Co. KG - All rights reserved)

 

Anzeige


Überblick:

Audio-Kompetenzteam

Läuft und läuft und läuft …

„This sounds fantastic!“

Bühnentauglich und salonfähig

Signalfluss

Immersive Sound: Bessere Lokalisation bei weniger Pegel

Die Mischung macht’s

Soundscape als fester Inszenierungsbestandteil


In einem Haus, das untrennbar mit dem Namen Brecht verbunden ist, kommt man trotz aller Liebe zu zeitgenössischen Stoffen um die Aufführung der Dreigroschenoper nicht herum: Der Klassiker ist und bleibt ein Kassenmagnet, welcher möglicherweise auch dazu beiträgt, dass Aufführungen von Stücken mit eher experimentellem Charakter und tendenziell geringerem Besucherzuspruch überhaupt finanziert werden können. Immerhin wurde im historischen Haus am Schiffbauerdamm 1928 die „Dreigroschenoper“ uraufgeführt – das vermutlich bekannteste Werk des einflussreichen deutschen Dramatikers, dessen gesellschaftskritische Inhalte sich mit Aussagen wie „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ ins kollektive Bewusstsein eingeprägt haben.

Die Spielzeit 2021/22 eröffnete das Berliner Ensemble mit einer Premiere: „Die Dreigroschenoper“ steht seither in einer Neuinszenierung von Opern- und Theaterregisseur Barrie Kosky auf dem Spielplan. Für das prestigeträchtige Vorhaben wurde die im Großen Haus vorhandene Beschallungsanlage erheblich erweitert: Ein Soundscape-System von d&b audiotechnik trägt zu einem natürlich wirkenden Klang sowie zu einer präzisen akustischen Ortung der Bühnenakteure bei.

Audio-Kompetenzteam

Verantwortlich für das neue Beschallungskonzept im Großen Haus ist die Produktionsfirma MMT-TLV Ltd. mit Sitz in Tel Aviv. Geschäftsführer des Unternehmens ist Dipl.-Ing. Ralf Bauer-Diefenbach, der auch Geschäftsführer der in Berlin ansässigen MMT Network GmbH (herstellerunabhängiges Planungsbüro mit Schwerpunkten auf Akustik und Medientechnik) bekannt ist. Bei Planung und Umsetzung des Beschallungskonzepts arbeitete Ralf Bauer-Diefenbach intensiv mit Tondesigner/Diplom-Tonmeister Holger Schwark zusammen; die Audioexperten unterhalten seit mehr als 15 Jahren eine Kooperation.

>>zurück zum Anfang

Läuft und läuft und läuft …

DS100 Soundscape im Einsatz
Signal-Engine: DS100 als Herzstück von Soundscape (Bild: Copyright ® d&b audiotechnik GmbH & Co. KG - All rights reserved)

Als Tonspezialist des Berliner Ensembles war Maik Voß (Leitung Szenische & Audiovisuelle Medientechnik) in Planung, Installation, Inbetriebnahme und Einrichtung der neuen Beschallungsanlage involviert. Voß ist seit 2017 am Berliner Ensemble tätig, war im Haus allerdings schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn in den 1990er-Jahren als freier Tontechniker aktiv und konnte seinerzeit auf im Berliner Ensemble vorhandene d&b F1220 zurückgreifen. Dass die Beschallung mit Lautsprechern von d&b audiotechnik im Berliner Ensemble eine lange Tradition besitzt (von einer Zwischenepisode mit Produkten eines weiteren Herstellers abgesehen), belegt eine Anekdote, die Maik Voß zum Besten gibt: „Irgendwann habe ich hier im Haus eine der alten d&b E1 aufgeschraubt, die bereits 30 Jahre auf dem Buckel hatte: Der Kalottentreiber lag frei, und das ihn ursprünglich umgebende Material rieselte mir als feiner Staub entgegen. Erstaunlicherweise kam aus dem Lautsprecher trotzdem noch etwas heraus, und es klang eigentlich auch nicht so, als ob mit der Box etwas total im Argen liegen würde.“ Das museale Stücke hat Maik Voß im Lager des BE aufbewahrt. Produkte von d&b hat der theatererfahrene Audiospezialist nach eigener Aussage während seiner Tätigkeit an der Berliner Volksbühne kennen und schätzen gelernt.

Zu den für die Neuinszenierung der Dreigroschenoper angeschafften Tontechnikkomponenten gehören Lautsprecher aus der A-Serie von d&b: Oberhalb der Portalöffnung vier an einer Traverse befestigte Doppel-Cluster, welche sich jeweils aus einer AL60 (oben) und einer AL90 (unten) zusammensetzen. Die Lautsprecher aus der A-Serie sind essenzieller Bestandteil des im Großen Haus neu zum Einsatz kommenden d&b Soundscape. Zwecks Anbringung der Lautsprecher wurden im denkmalgeschützten Saal während der Theaterferien eigens Kettenzüge samt einer Traverse installiert. Stephan Besson, Technischer Direktor am BE, weist darauf hin, dass diese Maßnahme „in Bezug auf die Statik wie auch finanziell“ aufwendig war und lediglich „durch das gemeinsame Wollen im Haus zeitnah und schnell“ umgesetzt werden konnte.

Ergänzend zu den Clustern mit Lautsprechern aus der A- Serie sind entlang der vorderen Bühnenkante vier d&b 4S Punktquellenlautsprecher verteilt, welche die Ortung für die vorderen Publikumsreihen „nach unten ziehen“ und darüber hinaus dem Monitoring der im Graben sitzenden Orchestermusiker dienen. Geliefert wurden die neuen d&b-Komponenten von der Elektroakustik Neuenhagen GmbH.

>>zurück zum Anfang

„This sounds fantastic!“

Vor der Anschaffung konnte die d&b A-Serie im Rahmen eines Probeaufbaus im Großen Haus klanglich überzeugen, konstatiert Ralf Bauer-Diefenbach. „Die Arrayable Pointsources mit 30 Grad Öffnungswinkel sind für die Aufgabe im Großen Haus des BE perfekt geeignet. Wir verfügen über ein EASE-Modell des Saals, da wir dort früher schon einmal akustische Maßnahmen begleitet haben. Die EASE-Daten haben wir unter Einsatz von ArrayCalc Exchange in Array- Calc-kompatible Venue-Dateien überführt. Passend zu den Berechnungen haben wir die Lautsprecher dann im Saal aufgehängt, wobei wir das System kaum entzerren mussten. Während des Probeaufbaus schauten zufällig Barrie Kosky und Oliver Reese vorbei, und obwohl wir die Anlage noch gar nicht vollständig eingerichtet hatten, zeigten sie sich beim Hören unserer vorbereiteten Einspielungen vollkommen begeistert. Spontan haben sie Schauspielerin Josefine Platt hinzugebeten, die mit ihrer Live-Performance einen sehr guten Eindruck davon vermitteln konnte, wie sich das neue System bei einer Aufführung anhören würde.“

Barrie Kosky lauschte dem Klang an unterschiedlichen Plätzen im Saal und äußerte sich laut Ralf Bauer-Diefenbach mit den Worten „This sounds fantastic!“. Oliver Reese zeigte sich angesichts des hervorragenden Klangbilds verwundert über die kompakten Maße der Lautsprecher und hatte keine Bedenken, sie sichtbar an einer Traverse einzusetzen. Holger Schwarks Wunsch, eine ungerade Cluster-Zahl zu verwenden, musste allerdings verworfen werden – fünf Cluster hätten die zulässige Maximalbelastung der Befestigung überschritten.

>>zurück zum Anfang

Bühnentauglich und salonfähig

Bereits vor der Installation der neuen d&b-Komponenten verfügte das Große Haus über eine Portalbeschallung mit Lautsprechern aus Backnang: Pro Seite finden in Logen auf Höhe des 2. Rangs zwei V7P Verwendung; eine Etage tiefer nahe der Parkettlogen verrichtet eine quer angebrachte d&b E12-D (breite Abstrahlung mit 110 × 50 Grad) ihren Dienst. Kugelförmig abstrahlende Bassreflex-Tieftöner (4 × d&b Q-SUB) sind in Lüftungskanälen unter dem Parkett ver- borgen und werden im Großen Haus in erster Linie zur Er- zeugung atmosphärischer Effekte verwendet. Weitere im Saal verteilte d&b-Lautsprecher können für Surround-Effek- te herangezogen werden.
Im Großen Haus werden am hinteren Ende der weitläufi- gen Bühnenfläche in Richtung des Publikums weisende Doppel-Cluster aus d&b C7 mit jeweils einem zugehörigen Subwoofer geflogen. Zahlreiche E12 sind als Gassen-Moni- tore seitlich an den Wänden angebracht. Wedges aus dem Portfolio von d&b kommen bei Bedarf zum Einsatz. Im lang- gestreckten „Großen Salon“ finden regelmäßig Lesungen sowie Einführungen zu den am Abend im Haus zu erleben- den Vorstellungen statt. An den Seitenwänden des Salons verteilen sich 2 × 4 d&b 16C Säulenlautsprecher, die von zwei d&b 10D Endstufen angetrieben werden.

>>zurück zum Anfang

Signalfluss

Foto mit Endstufen D80, 30D und 10D
DSP-Endstufen der Typen D80, 30D und 10D erhalten ihre Audio-Eingangssignale noch analog aus D/A-Wandlern von StageTec Nexus (Bild: d&b audiotechnik GmbH & Co. KG)

Im zum Großen Haus gehörenden Regieraum ist in einem 19″-Rack eine d&b DS100 Signal Engine als Herzstück von Soundscape untergebracht. Das Dante-Netzwerk des Hauses ist vollständig redundant (primary/secondary) ausgelegt und beinhaltet zum Audinate-Protokoll kompatible 19″-Switches.

Die Fernsteuer-Software d&b R1 kommuniziert mit DSP-Endstufen der Typen D80, 30D und 10D, welche ihre Audio- Eingangssignale analog aus D/A-Wandlern von StageTec Nexus-Karten erhalten. Laut nachgedacht wird am BE bereits über eine durchgehende digitale Audiovernetzung bis in die Endstufen, welche hohe Abtastraten unterstützen soll – weniger wegen der (zumindest theoretisch besseren) Audioqualität, sondern vielmehr mit Gedanken an möglichst kurze Durchlaufzeiten.

>>zurück zum Anfang

Immersive Sound: Bessere Lokalisation bei weniger Pegel

„Wir setzen Immersive Sound bei den von uns verantworteten Projekten nicht als reines Quellortungsbeschallungssystem ein, sondern nutzen Verfahren wie d&b Soundscape in Übereinstimmung mit der in einer Location vorhandenen beziehungsweise für das Vorhaben optimierten Raumakustik“, erläutert Ralf Bauer-Diefenbach. „In trockenen Räumen wie dem Großen Haus des Berliner Ensembles funktioniert das sehr gut. Dank einer außerordentlich präzisen Lokalisation lassen sich sogar die Pegel deutlich reduzieren, obwohl die Lautheit gefühlt gleich bleibt. Da der Klang differenzierter und hochauflösender wahrgenommen wird, ist es bei Immersive Audio möglich, die Lautstärke etwas abzusenken.“

Maik Voß sieht einen der größten Vorteile beim Einsatz von d&b Soundscape in einer merklich verbesserten Ortung der mit einer Funkmikrofonierung ausgestatteten Bühnenakteure. „Gäste ohne tontechnischen Hintergrund merken oft gar nicht, dass sie elektroakustisch beschallt werden“, hat Voß festgestellt. „Der Klang wirkt durch den Einsatz von d&b Soundscape vollkommen natürlich – Besucherinnen und Besucher orten die Stimmen immer genau dort, wo sich das Geschehen auf der Bühne gerade abspielt.“

Für jede Szene der Dreigroschenoper hat Tondesigner Holger Schwark während der Proben einen passenden Snapshot für das Objektpositionierungs-Tool En-Scene erstellt, welches Bestandteil der Soundscape-Infrastruktur ist und über die R1-Software bedient wird. Um Parameter der Klangobjekte in der DS100 Signal Engine mit individuell passender Überblendungszeit von einem in den nächsten Zustand überführen zu können, kommt die Automations-Software En-Snap von Gareth Owen Sound zum Einsatz. Zum komfortablen Abruf der En-Snap-Snapshots und der Digitalpult-Szenen in einer gemeinsamen Cue-Liste wird am BE die MacOS-Software QLab verwendet, welche die angeschlossenen Systeme via OSC bzw. MIDI steuert.

Auf den Einsatz des d&b Inline-Raumemulations-Tools En-Spacewird bei der Dreigroschenoper verzichtet, da die Erzeugung zusätzlicher Räumlichkeit laut Holger Schwark „inhaltlich weder notwendig noch gewünscht“ war.

>>zurück zum Anfang

Die Mischung macht’s

Laptop mit laufender EN-Snap Software Soundscape
En-Snap: Snapshots und Digitalpult-Szenen werden in einer gemeinsamen Cue-Liste via QLab abgerufen (Bild: d&b audiotechnik GmbH & Co. KG)

„Wir setzen Soundscape am Berliner Ensemble ganz bewusst in Verbindung mit der im Saal vorhandenen und von uns optimierten Raumakustik ein“, betont Ralf Bauer-Diefenbach. „Es wäre falsch, sich ausschließlich an der Verteilung des Direktschallpegels zu orientieren: Ein wirklich überzeugender Sound wird nach meinem Dafürhalten erst möglich, wenn man den Klang des Orchesters beziehungsweise die ersten Reflexionen aus dem Graben mit in die Überlegungen einbezieht.“

Bauer-Diefenbach weiter: „Ich betrachte die d&b-Lautsprecher wie zusätzliche Instrumente, die im Raum ihre Wirkung entfalten. Holger Schwark und ich haben zusammen mit den Toningenieuren Thorsten Hoppe und Afrim Parduzi viel Zeit darauf verwendet, den Klang der Dreigroschenoper unter dieser Prämisse so überzeugend wie möglich zu gestalten. Während der Proben haben wir uns mit dem Orchester abgestimmt, damit es nicht zu laut spielt, da zu viel Druck aus dem Graben der erwünschten Balance im Publikumsbereich abträglich wäre. Ich würde sagen, dass sich bei der Aufführung der Dreigroschenoper im Großen Haus heute der natürliche Klang und die elektroakustische Verstärkung paritätisch mischen.“

Die Reaktionen auf das neue Beschallungskonzept fallen außerordentlich gut aus, und Lob kommt auch aus berufenem Mund von Schauspieler:innen, die sich mit Kolleg:innen besetzte Aufführungen im Saal anhören: „Man merkt gar nicht, dass Lautsprecher im Einsatz sind“, gehört zu den gängigen Kommentaren. Für Aufhorchen sorgt darüber hinaus immer wieder der Umstand, dass die Ortung auf fast allen Sitzplätzen (mit Ausnahme weniger Extrempositionen) hervorragend funktioniert.

>>zurück zum Anfang

Soundscape als fester Inszenierungsbestandteil

Die aktuelle Inszenierung von Barrie Kosky ist die fünfte Premiere der Dreigroschenoper am Berliner Ensemble und wird den Spielplan des Hauses über Jahre hinweg bereichern. Nach dem Auslaufen der pandemiebedingten Einschränkungen sind Gastspiele geplant, welche die Produktion nicht nur an verschiedene Orte in Deutschland, sondern auch auf andere Kontinente führen werden. Die Beschallung mit d&b Soundscape ist dabei obligatorisch: „Wir werden dafür Sorge tragen, dass d&b Soundscape passend skaliert in jedem Haus zum Einsatz kommt, in welchem Barrie Koskys Inszenierung der Dreigroschenoper aufgeführt wird“, erklärt Ralf Bauer-Diefenbach.

>>zurück zum Anfang

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.