Der Walt-Disney-Konzern feiert sein 100-jähriges Bestehen mit Konzerten, die die Filmmusik vieler Disney- und Pixar-Filme auf die Bühne bringen. In Paris kam ein Ensemble aus 500 Musikern und Chorsängern zum Einsatz, unterstützt durch eine aufwändige Licht-Show und Video-Projektionen.
„It’s Disney!“, antwortet Produktmanager-Consultant Emmanuelle Husson nach kurzem Nachdenken halb augenzwinkernd auf die Frage, wie es wohl möglich war, dass gleich zwei Orchesterkonzerte mit Disney-Filmmusik mit je 28.000 Zuschauern vorab ausverkauft sein würden. Mit dem Event-Spektakel, das neben Musik aus Märchenklassikern auch Pixar-Filme und beispielsweise Star Wars beinhaltet, feiert der Walt-Disney-Konzern sein 100jähriges Bestehen. Im nahegelegenen Disneyland Resort Paris finden zum Jubiläum ebenfalls Feierlichkeiten statt, die Orchestermusik-Veranstaltung ist davon allerdings unabhängig. Die Konzerte finden an einem Novemberwochenende 2023 in der „Paris La Défense“-Arena statt, ein Rugby-Stadion des Vereins „Racing 92“, mit verschließbarem Dach im westlichen Vorort Nanterre. Dafür waren mehrere Tage Aufbau vorgesehen, für die komplexe Bühne, die rund 150 Orchester- und Band-Musiker sowie einen 350 Personen starken Chor beherbergen sollte. Über den Musikern thront eine große Videoleinwand, auf der größtenteils Filmzusammenschnitte zur jeweiligen Musik gezeigt werden. Zwei kleinere Videoleinwände flankieren die Bühne links und rechts, dort sind vor allem Live-Bilder der Musiker zu sehen. Das Setup wird zudem durch eine komplexe Licht-Show ergänzt.
Am Vorabend zum ersten Konzert findet eine Generalprobe mit allen Musikern statt. Emmanuelle Husson, eine externe Dienstleisterin, die mit ihrer Firma Radioactivitées etwa Monitoring-Konzepte erstellt sowie Funkübertragungs- und Audio-over-IP-Anwendungen abdeckt, betreut mit ihrem Assistenten das In-Ear-Setup der Musiker. Dabei kommt als Personal Mixer ein Merging Technologies Anubis-Interface mit der Software „Venue Mission“ zum Einsatz, die von Husson zusammen mit Florian Baume, Senior Software Engineer bei Merging Technologies (die Firma wurde 2022 von der Sennheiser-Gruppe übernommen), entwickelt und programmiert wurde. Die Anwendung biete, so Merging Technologies, einen optimierten Workflow mit bisher ungekannter Kontrolle über das Audio-Gesamtsystem: Venue Mission, erklärt Husson, wurde für komplexe Monitoring-Setups auf der Bühne entwickelt – wie den bevorstehenden Orchestereinsatz. „Die Idee dazu hatte ich, weil ich die vielen Kabel auf der Bühne reduzieren wollte“, so die Entwicklerin. Sie schätze eine aufgeräumte Bühne. Zudem könnten sich die Musiker mit dem eigenen Mix wohlfühlen. Die ursprüngliche Idee entstand vor drei Jahren. Das Feedback von Musikern und Technikern floss seitdem mit ein, seit Oktober 2023 ist die Software erhältlich.
Das Konzept: Je zwei benachbarte Musiker teilen sich ein Interface. Es gibt zwei getrennte In-Ear-Mischungen aus, die sich die Performer aus Stems selbst mischen können. Das Display lässt sich zwischen beiden Mischungen umschalten. Ein Vorteil: Die eigenen Mikrofonsignale der beiden Instrumente werden direkt in den Preamp des Interfaces gespeist, was sehr geringe Monitoring-Latenzen des eigenen Instruments ermöglichen soll. Zum Monitor- und FOH-Pult gelangt lediglich ein RJ45-Kabel, in dem alle Signale – die Mikrofonsignale zu den Pulten sowie die Stems für die eigene In-Ear-Mischung – gebündelt werden. An ihrem Regieplatz hinter der Bühne kann sie in die jeweiligen Mischungen reinhören, erklärt Husson. Die Musiker hören ihre Mischungen jeweils über Shure SE215-Earpods. In den Interfaces sind bis zu 16 mischbare Kanäle (mono oder stereo) möglich. Die Stem-Signale – Violine, Cello und Kontrabass jeweils als Sektion, dazu Jazzband, Rockband, Percussion, Chor, Click-Signal und Moderation – werden an einem DiGiCo SD5-Pult hinter der Bühne erstellt. Zusätzlich ist dort ein zweites SD5 sowie eine SD12-Konsole vorhanden – ein Pult für die erwähnte Orchester-Fraktion, eines für die Lead-Vocals und eines für die 48 Mikrofonsignale des 350-Personen-Chors. Die Chor-Performer haben lediglich In-Ears mit einem Click-Signal, um passend auf die Filmsequenzen zu singen – einen weiteren Mix benötigen sie nicht, daher sind dort auch keine eigenen Personal-Mixer vorgesehen. Insgesamt befinden sich 42 Anubis-Interfaces auf der Bühne, ein weiteres bei Emmanuelle Husson hinter der Bühne zum Check. „Jedes Interfaces wird von einem oder zwei Musikern vom Orchester verwendet. Die Percussion-Sektion, der Chor und die Rock- und Jazz Band verwendeten ein anderes System – eine DiGiCo-Stagebox und Sennheiser EK1039-Monitorsysteme“, so Florian Baume.
„Wir sparen viel Zeit für Monitor-Mischungen – und wir sparen Akkus für die In-Ears der Musiker.“
– FOH Sylvain Denis über das Anubis-System mit „Mission Venue“-Software
Die Software entstand speziell für das kompakte Anubis-Interface, das unter anderem zwei kombinierte Mikrofon/Line-Buchsen (mit Phantomspeisung) als Eingänge bietet, zwei weitere analoge Line-Eingänge per Klink (alternativ sind zwei Hi-Z-Instrumenten-Eingänge schaltbar), zwei XLR-Line-Ausgänge und zwei Line-Klinkenausgänge. Ein internes Talkback-Kugelmikrofon ist ebenfalls vorhanden. Über zwei Kopfhöreranschlüsse an der Front werden die beiden Mischungen an die Earpods der Musiker ausgeben. Ein RJ45-kompatibler Ravenna/AES67-Anschluss (Gigabit Ethernet) erlaubt digitales Routing sowie bei Bedarf PoE (Power over Ethernet)-Stromversorgung, die statt oder als Redundanz zum herkömmlichen Netzteilanschluss betrieben werden kann. Eine alternative Version (Anubis SPS – „Seamless Protection Switching“) bietet zwei RJ45-Anschlüsse, als Redundanz etwa für Broadcast-Anwendungen. Die Spezifikationen sind vielversprechend – das Eingangsrauschen des internen Mikrofonvorverstärkers wird etwa mit –128 dB(A) angegeben; insgesamt bietet das Interface mit 139 dB(A) einen hohen Dynamikumfang bei den Line-Signalen; die reinen AD/DA-Latenzen liegen laut Hersteller bei 0,38 ms (48 kHz), Netzwerk-Einsatz addiere zusätzliche Latenzen. Die „Pro“-Variante bietet Abtastraten bis 192 kHz, die „Premium“-Variante unterstützt Sample Rates bis 384 kHz bzw. DSD256.
Auf der Hardware-Grundlage bietet Merging Technologies unterschiedliche sogenannte Software-„Missions“, sprich, Betriebsarten für bestimmte Use Cases: „Music Mission“ für Musikproduktion, Podcast und Content-Erstellung, „Monitor Mission“ für Mixing und Mastering in Stereo, Surround und beliebigen Immersive-Formaten, „Commentary Unit Mission“ soll das Anubis-Interface zur Live-Kommentator-Broadcast-Signalzentrale machen, und „Venue Mission“ dient, wie beschrieben, als neuartige Lösung für komplexes Bühnensignal-/Personal-Mixer-Routing.
Emmanuelle Husson schätzt die Eigenschaften und technischen Spezifikationen des Geräts. Die „Venue Mission“ kam als Alternative zur „Monitor Mission“ hinzu, um die Nutzeroberfläche und Übersichtlichkeit für die Musiker bei komplexen Anwendungen zu vereinfachen. Setup und erweiterte Einstellmöglichkeiten sind hierbei nicht vom Nutzer zugänglich, können aber per Remote konfiguriert werden, erklärt Florian Baume. Im Setup vor Ort wurden die Anubis-Interfaces mit den DiGiCo-Pulten verbunden. Dazu liefen die AES67-Streams über eine MADI-Bridge. Für Letztere wurden zwei Merging Technologies HAPI-Netzwerk-Audio-Wandler eingesetzt. Die MADI-Bridge wurde mit einem Optocore-Loop verbunden, um die DiGiCo-Pulte zu einzubinden.
FOH-Mann Sylvain Denis erinnert sich an die Ursprünge des Konzepts mit Emmanuelle. „Vor drei Jahren hatten wir eine große Aufnahme-Session in Straßburg für Warner Classics. Dazu haben wir alles Mögliche an Merging Anubis-Equipment mitgebracht, ein leitender Ingenieur von Merging war mit dabei. Wir haben das Konzept ausprobiert – es schien mir eine gute Lösung! Zuvor brauchten wir einen Preamp für die Musiker, aber auch In-Ears. Über das Anubis-Interface sparen wir uns den Akku für die In-Ears der Musiker. Die Digitalwandlung findet zudem hinter dem internen Preamp, also praktisch direkt beim Mikrofon, statt. Es entstehen keine Störgeräusche im weiteren Signalweg. Dazu ist es für die Musiker sehr einfach, Playbacks, das Orchester, das eigene Instrument, die Click-Lautstärke oder die Mikrofonlautstärke des Dirigenten einzustellen. Wir sparen so die Zeit, einen In-Ear-Mix für die Orchestermusiker zu erstellen und jeden zufriedenstellen zu müssen – was ohnehin nicht möglich ist“, meint er schmunzelnd. „Bei einem Projekt dieser Größe würden wir normalerweise fünf, sechs unterschiedliche Mischungen für die Orchestermusiker machen – aber selbst so wäre der Aufwand zu groß, da man immer hin und her laufen muss, und die Musiker sich untereinander einig werden müssen, wer welche Anteile hören möchte.“ 2023 fanden bereits einzelne Testläufe für Live-Shows statt – Denis erwähnt eine Louis-Vuitton-Show auf der Fashion-Week in Paris im Frühsommer. „Das Setup war sehr schnell aufzubauen, und für die Musiker auf der Bühne war es sehr einfach, damit zu arbeiten.“ Gerade bei einem Konzert mit vielen Performern sieht er den Nutzen durch das reduzierte Verlegen der Mikrofonkabelstrecken. „Jedes Kabel, auf das wir verzichten können, ist ein Vorteil.“
Am FOH stehen zwei DiGiCo Quantum SD7, Denis betreut das Hauptpult, sein Kollege Florian Siegwald das zweite. „Florian gibt mir viele Vormischungen – von den Stimmen und der Band. Alles geht durch mein Pult, durch die d&b Soundscape-Software. Wir teilen uns praktisch das Orchester, den Chor, einzelne Leadsänger, die gesamte Band sowie Extra-Musik- und -Sample-Tracks, wie die Micky-Stimme.“ Er spricht einen Darsteller im Micky-Maus-Kostüm an, der Pantomime-Bewegungen zu hochgepitchten Ansagen aus der Konserve macht. „Von Anfang an war mir das Konzept wichtig: Falls bei mir irgendwas passiert, sollten wir beide in der Lage sein, alle Signale auf die andere Konsole zu übernehmen. Bei rund 400 Mikrofonsignalen – drahtgebunden und drahtlos – ist es auf die Art einfacher, von einem Pult auf das andere zu gehen – ansonsten musst du mitunter sehr viele Layer umschalten!“
Wie gehen Baume und er den Mix an? „Wir haben ein paar Makros programmiert – meist Effekte, wie Hall. Mute/Unmute für Gruppen oder Layer-Recalls für spezifische Mikrofone, Gruppen oder VCAs.“ Darüber hinaus gilt für die Disney-Aufführungen ein „Hands On“-Ansatz: „Für lediglich zwei Shows ist das Arbeiten im Snapshot-Modus ‚riskant‘.“ Er spricht den Gedanken an, dass in der Kürze der Zeit vor Ort – eine Generalprobe, dann schließlich die Konzerte – die Abläufe noch finalisiert werden. „Du hast nicht genug Zeit, alles zu programmieren – daher ist es besser, alles ‚in der Hand‘ zu haben. So kannst du alles noch in der letzten Minute verändern, falls nötig.“
Die Disney-Aufführung sei wohl die größte Performer-Show in Europa, mutmaßt er. Worin besteht die größte Herausforderung im Mix bei so vielen Musikern? Es sei, wie so oft, der Klang der Location, meint Denis. „Für mich ist die Art von Mix grundsätzlich keine große Sache – musikalisch mache ich Orchester und Chor die ganze Zeit. Das Hauptproblem ist die Venue – wie sie auf die Musik reagiert. In einer kleineren Location mit 2.000 Sitzplätzen besteht bereits eine große Differenz zwischen der leeren und der vollen Halle.“ Er spricht den „Dämpfungsfaktor Publikum“ an. „Bei der Größe mit 28.000 Zuschauern ist der Unterschied umso gewaltiger – der Sound ist leer vielleicht eher boomy und beschissen, während es mit Publikum gut klingt. Es ist immer schwierig, einem Promoter zu erklären, dass er für den finalen Eindruck Geduld bis zum Konzert haben muss“, ergänzt er schmunzelnd. Feedback sei kein Problem, da er beispielsweise beim Chor die einzelnen Signale nicht stark hochziehen muss. „Ein Chor aus 350 Leuten macht es einfacher. Wenn es nur 20 wären, dann wäre es schwierig, den Chor hier über das Orchester zu bekommen. Zudem entsteht nun ein Maskierungseffekt: Ich erhalte eine ‚Durchschnittsstimmeʻ jeder Sektion. Selbst wenn ein einzelner nicht ganz ‚in tuneʻ singt, geht das im Gesamtbild unter.“ Es sei der gleiche Effekt wie bei einem Stadionpublikum, das gemeinsam singe.
„Ein Chor aus 350 Leuten macht es einfacher. Wären es nur 20, dann wäre es schwierig, den Chor über das Orchester zu bekommen.“
– FOH Sylvain Denis
„Was mich angeht: Bei einer Show wie dieser – mehr als bei anderen – musst du vorab zu 95 Prozent vorbereitet sein. Klar, ich muss vor Ort noch Einstellungen vornehmen – Lautstärke, Panorama, EQ, die Art von Dingen – aber alles ist grundsätzlich bereit, sodass du für das Setup an sich keine Zeit mehr verlierst. Ansonsten kannst du eine Woche damit verbringen, alles zu organisieren, bis am Ende irgendwas steht! Ich bin mir sicher: Wenn das Orchester auf die Bühne geht, haben wir einen Sound, der vermutlich noch nicht wahnsinnig gut klingt, aber bereits recht klar, und grundsätzlich in Ordnung sein wird.“ Der Rest sei Fein-Tuning. Das Konzert werde zudem nicht besonders laut sein. „Ich denke, die Show wird 85, 90 dB Pegel haben, nicht mehr. Das wird angenehm sein – es werden viele Kinder da sein, das Konzert dauert zwei Mal anderthalb Stunden. Es gibt keinen Grund, 100 dB zu fahren wie bei einer anderen Venue und jeden mit Lärm umzubringen! Bei einer PA gilt generell – du erreichst einen guten Sound, wenn sie nicht zu laut ist.“ Ansonsten entstünden zu viele Probleme, zu viele Reflexionen in der Location. „Bei einer Pop/Rock-Band kann das vielleicht noch funktionieren, aber hier habe ich hunderte Mikrofone auf der Bühne. Ein Feedback wird dann gleich hundertfach übertragen, es ist also ein großes Feedback.“ Er lacht.
Auf der Bühne befinden sich größtenteils Kondensator-Mikrofone: Der Chor wird über 48 Neumann KM184-Kleinmembranern abgenommen. Für die Bläser kommen Neumann TLM102- und TLM107-Großmembran-Mikrofone zum Einsatz. Holzbläser werden mit Schoeps CMC6-Kleinmembranern abgenommen. An Schlagzeug und Percussion findet sich eine Mischung, beispielsweise AKG C414-Großmembran-Kondensator-Mikrofonen als Overheads sowie DPA 4099-Clip-On-Exemplaren an den Toms, dazu dynamische Mikrofone an Snare und Bassdrum. Für die Moderatoren und Sänger dienen Sendemikrofone mit Shure Beta-58-Kapseln. Eine Besonderheit: Die knapp 50 Streicher – Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabässe – sowie die Harfe werden allesamt mit den Neumann MCM KK14-Elekret-Mikrofonen abgenommen, die 2022 als erstes Neumann Clip-Mikrofon auf den Markt kamen. Sylvain Denis besitzt selbst ein Exemplar der kompakten Mikrofone. „Im letzten Jahr war ich bei einer Harry-Potter-Konzerttour – dafür hat mir Neumann 15 Exemplare zur Verfügung gestellt. Sie gefallen mir richtig gut.“ Für die Disney-Show hätten die beiden zuständigen Vermieter die 50 MCM-Exemplare angeschafft, aufgrund der Buchung für die Show. „Für mich klingt es wie ein kleines Overhead über jedem Instrument.
Am Piano haben wir DPA 4099-Modelle im Einsatz. DPA-Mikrofone sind meiner Meinung nach sehr fokussiert im Einsprechverhalten.“ Er spricht die Hypernieren-Charakteristik an, während bei Neumann Nierencharakteristik als passender Kompromiss zwischen Klangfarbe und Richtwirkung gewählt wurde. Alternativ wäre mit der KK13 eine Kugelkapsel erhältlich. „Gerade in den hohen Frequenzen richtet das DPA sehr stark. Wenn die Musiker das Mikrofon an den tragbaren Instrumenten nicht wieder exakt gleich ausrichten, verändert sich der Klang. Manchmal – zum Beispiel bei den Celli – ist es interessant, nicht bei allen Instrumenten die gleiche Position abzunehmen.“ So ergebe sich ein idealer „Durchschnitts-Sound“ der Celli, der die Instrumente sehr natürlich abbilde. „Wenn jeder Cellist das Instrument an der Seite in Richtung der Kontrabässe abnimmt, erhalte ich einen Klang, der ‚boomyʻ ist.“
Die „Unempfindlichkeit“ gegenüber der Ausrichtung vereinfache die Arbeit mit den MCM-Modellen auf der Bühne. „Hier überprüfst du nur, ob das Mikrofon ungefähr an der gleichen Stelle ist – ob es in Richtung des Instruments zeigt – das ist praktisch ausreichend.“ Im Mix setzt Sylvain einen Low-Cut bei den Mikrofonen ein, abhängig vom jeweiligen Instrument, dazu zieht er leicht Resonanzen um 200 Hz, was die Resonanzfrequenz der Halle darstelle. Worin besteht ein Unterschied zur Verwendung von DPA-Exemplaren seiner Meinung nach? „Ich muss bei den MCM-Mikrofonen keine Shelves in den Höhen anwenden, um die Aggressivität im Klang aufgrund der Richtwirkung und der Nähe der Mikrofone zu den Instrumenten zu reduzieren.“
„Für mich klingt es wie ein kleines Overhead über jedem Instrument.“
– FOH Sylvain Denis über die Neumann MCM-Clipmikrofone
Denis und Husson schätzen die Halteclips für die Streichinstrumente. Sylvain Denis: „Die Clips sind besser als die Angebote der anderen Hersteller. Bei vielen musst du den Clip auseinanderdrücken, hier funktioniert es über eine Federspannung, ohne starken Druck.“ Emmanuelle Husson führt den Federmechanismus für die Violine vor. „Für die Musiker ist die Halterung einfach zu handhaben und selbst am Instrument anzubringen.“ Das sei wichtig, da die Musiker gerade bei Streichinstrumenten besonders empfindlich seien, was am Instrument fixierte Halterungen betrifft.“ Für die Musiker hat sie eine Halterung am Sitz befestigt, um die Mikrofone einzuhängen – sie hat sie per 3D-Drucker gefertigt.
Beim FolkBaltica-Eröffnungskonzert 2022 im dänischen Sønderborg hatte Neumann-Eigentümer Sennheiser die Produktion als großen Praxistest mit dem MCM KK14 vorab unterstützt (siehe Production Partner 6/22). Neben Begeisterung bei den Beteiligten fielen bei den Prototypen Kleinigkeiten auf, die noch optimierbar waren – so hatte die die Federspannung der Violinen-Halterung nach mehrfacher Benutzung der Prototypen nachgelassen. Auf Nachfrage bestätigt Stephan Mauer, „Head of Product“ bei Neumann, dass das Problem bis zur Serienfertigung behoben wurde, die Federspannung der Serienteile sei langzeitstabil. Auch der Gürtelclip, der seinerzeit praktisch nur angeklemmt wurde, löste sich im Vorfeld des FolkBaltica-Konzerts bei einzelnen Mikrofonen. „Die Fräsung der Nut, in die der Gürtelgriff einrastet, wurde für die Serie noch optimiert, sodass der Gürtelclip deutlich fester am Speiseteil sitzt“, so Mauer. Ein anderer Punkt, der bewusst gemacht worden war: Die Kabelverbindung zum Schwanenhals löst sich leicht bei Zugspannung. Das soll verhindern, dass einem Musiker, der das Kabel vergisst und sich wegbewegt, das Instrument aus der Hand gerissen wird. Beim Konzert in Dänemark wurde die leichte Verbindung zunächst vom Personal als „Makel“ moniert, bis das Konzept erklärt wurde. Seinerzeit wurden die Kabel mit Tape gesichert. In der Serienversion wird zudem ein Kabelclip mitgeliefert. Diese Lösung lasse sich variabel einsetzen, halte die Verbindung zuverlässig, lasse sich leicht öffnen, schließen und bei Bedarf auch entfernen, erklärt Mauer. Es sei sehr gut vom Markt angenommen worden. Für das System werden verschiedene Kabel angeboten, um alle gängigen Sendersysteme ohne Adapter anzuschließen – darunter 3,5 mm Klinkenstecker, Mini-XLR 4-Pin, Lemo sowie MicroDot, Wer – wie beim Disney-Event – das Mikrofon kabelgebunden verwenden möchte, benötigt die MCM100-Ausgangsstufe, die über eine 3,5 mm Klinkensteckverbindung angeschlossen wird.
„Aufgeräumter“ akustischer Eindruck bereits in der leeren Halle
Aufgrund der überschaubaren Lautstärke wirkt der akustische Eindruck bereits bei der Generalprobe in der leeren Halle aufgeräumt und angenehm einhüllend, ohne ausufernde Bassresonanzen oder störende Flatterechos und Hallfahnen. Orchester und Band erscheinen wie „aus einem Guss“, das Ergebnis wirkt fertig produziert, ohne künstlich zu klingen. Die Lichtshow setzt das Orchester gelegentlich optisch in Szene, in den meisten Fällen allerdings bleibt es zurückhaltend und dient der Untermalung zusammengeschnittener Filmsequenzen, unter anderen von „Arielle – die Meerjungfrau“, „Feivel, der Mauswanderer“, „Das Dschungelbuch“, „WALL-E – der Letzte räumt die Erde auf“, „Schneewittchen“, „Susi und Strolch“ oder „Star Wars“. Bei „Cars“ wird eine Hardrock-Einlage der Rockband-Sektion gespielt, in einem anderen Fall spielt eine Jazzband instrumentalen Barjazz. Dabei sind Piano und Bläser auf einem Bühnenpodest links der Zuschauer angeordnet, am rechten Ende der Bühne befindet sich auf einem separaten Podest die Rhythmussektion aus Drums, Bass und E-Gitarre. Mit „Piraten der Karibik“ werden entsprechende Realfilm-Ausschnitte projiziert, ein Darsteller, der als Captain Jack Sparrow verkleidet ist, läuft durch den Publikumsbereich. Zwischen den Filmschnipseln wird moderiert, teilweise einzelne Stücke gesungen, die erwähnte Micky-Maus-Figur betritt die Bühne und dirigiert in einem Fall das Orchester. Auch Tanzeinlagen verschiedener Gruppen finden statt, sowie Artistik-Auftritte von zwei Ballett-Akrobatinnen, die an eine Girlande in Richtung Hallendecke hochklettern.
Dem Vernehmen der Beteiligten nach war das Konzert-Event nach dem Wochenende ein voller Erfolg. Die Musiker seien hin und weg gewesen vom Komfort der Personal-Monitor-Lösung, erzählt Florian Baume. Auch Sylvain Denis war vom Event beeindruckt. „Von der Bühne kam unglaubliche Power“, meint Denis. „Ich hatte keine besonderen Probleme. Wir mussten lediglich die Bewegungen der Sänger adaptieren, da sie bis zum letzten Moment geändert wurden – da wir darauf vorbereitet waren, stellte das kein Problem dar.“
Wirklich verändern würde er bei einer Neuauflage nichts – „außer vielleicht 128 Objekten im d&b Soundscape-Programm, was noch nicht ‚in the boxʻ verfügbar ist,“ Denis übernahm nur die beiden stationären Shows. Nach dem Event steht für die Produktion nun „nur“ noch die Herunterskalierung für die kommende Tour an, die die Disney-Filmmusik durch Europa führt, mit rund 100 Musikern samt 20 Chorsängern. Im April und Mai 2024 ist die Show in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu sehen.
Der Walt-Disney-Konzern feiert sein 100-jähriges Jubiläum, in Europa u.a. mit großen Orchester-Konzerten, die die Musik vieler Disney- und Pixar-Filme auf die Bühne bringen. In Paris kam ein Ensemble aus 500 Musiker:innen und Chorsänger:innen zusammen, unterstützt durch eine aufwändige Lichtshow, Choreografien und Video-Projektionen.
Disney 100, das Event zum 100-jährigen Bestehen, bindet das Publikum generationsübergreifend, mit Musik von Märchenklassikern bis zu aktuellen Pixar-Filmen (die auch zum Disney-Konzern gehören). Die beiden Konzerte für je 28.000 Menschen – im Vorfeld bereits restlos ausverkauft – fanden Ende 2023 in der „Paris La Défense“-Arena statt.
Im Vorfeld waren mehrere Tage vorgesehen, um die komplexe Bühne, die rund 150 Orchester- und Band-Musiker:innen sowie einen 350 Personen starken Chor samt Licht- und Videotechnik aufzubauen. FOH-Tontechniker Sylvain Denis mutmaßt, die Disney-Aufführung sei in Europa wohl die größte Show, was die Anzahl der Musiker:innen angeht Viele der Orchestermusiker:innen haben daher auch ein kleines Gerät vor sich, das sogenannte Merging „Anubis“-Interface. Zwei Musiker:innen teilen sich je eines, sie können dort nach eigenen Vorlieben eine Mischung für die eigene Kontrolle erstellen. Ihre eigenen Mikrofone laufen ebenfalls über das Gerät. So wird lediglich ein Netzwerkkabel gebündelt für alle Signale benötigt.
Worin besteht die größte Herausforderung im Mix bei so vielen Musiker:innen? „Das Hauptproblem ist die Venue“, meint Denis, „wie sie auf die Musik reagiert. In einer kleineren Location mit 2.000 Sitzplätzen besteht bereits eine große Differenz zwischen der leeren und der vollen Halle.“ Er spricht den „Dämpfungsfaktor Publikum“ an. Bei der Größe mit 28.000 Zuschauer:innen sei der Unterschied umso gewaltiger: Der Sound ist leer vielleicht eher boomy und beschissen, während es mit Publikum gut klingt. „Es ist immer schwierig, einem Promoter zu erklären, dass er Geduld bis zum Konzert haben muss für den endgültigen Eindruck“, ergänzt er schmunzelnd.
Beim Besuch der Produktion während der Generalprobe wird der Eindruck des Events als „Gesamtspektakel“ klar: Da die hochwertig komponierte Musik der Disney-Filme immer im Dienst der jeweiligen Erzählung und der Untermalung der Bilder steht, ist der Eindruck erst mit zugehörigen Bildsequenzen komplett. Über den Musiker:innen thronte dazu eine große Videoleinwand, auf der größtenteils passende Film-Zusammenschnitte gezeigt werden. Komposition und Arrangement waren dramaturgisch auf die Bilder abgestimmt. Zudem flankierten zwei kleinere Videoleinwände die Bühne links und rechts. Dort waren insbesondere Live-Bilder der Musiker:innen zu sehen. Eine komplexe Licht-Show ergänzte den Gesamteindruck – unter anderem mit den Umrissen von Micky-Maus-Ohren, dargestellt mittels Scheinwerfern als übergreifendes Logo.
Stilistische Abwechslung sorgt für kurzweilige Unterhaltung
Laut den Beteiligten waren beide Konzerte ein voller Erfolg. Sylvain Denis: „Von der Bühne kam unglaubliche Power.“ Sie mussten lediglich die Bewegungen der Sänger:innen auf der Bühne adaptieren, da die Abläufe bis zum letzten Moment geändert wurden. Darauf waren sie allerdings vorbereitet, erklärt der Tontechniker. Mit einer anderen Crew soll das Konzert-Event nun auf Tournee gehen, mit einer herunterskalierten Produktion durch Europa. Dort sind dann rund 100 Musiker:innen dabei, darunter ein Chor aus 20 statt 350 Personen.