Beschallungstechnik bei PUR: positive Schwingungen für Publikum & Crew
von Detlef Hoepfner,
PUR gehören zu den festen Größen im deutschen Konzertkalender. Auf welchen Stand hat sich die Beschallungstechnik bis zur heute größten Indoor-Tour entwickelt, und wie stemmt man den Doppeljob als Sound- und Produktionschef? Ein Treffen mit Patrick Eckerlin in der Lanxess-Arena
(Bild: Detlef Hoepfner)
Deutsche Texte am laufenden Band von der Radio-Playlist? Das hörte sich vor ein paar Jahrzehnten noch anders an, wenn man das Autoradio anschaltete. Künstler wie PUR waren eher eine als etwas seltsam empfundene Ausnahme. Bis Dieter Falk sich 1990 anschickte, die nächste PUR-CD zu produzieren, war die Band zwar bereits mit dem einen oder anderen Preis beehrt, aber doch noch mehr oder weniger eine musikalische Truppe aus der Provinz. Die richtig coolen internationalen Acts und Shows sahen anders aus. Plötzlich setzte nun aber verstärkter kommerzieller Erfolg ein, und die Strukturen in und um die Band mussten laufend angepasst werden. Im Laufe dieser Geschichte hat PUR so auch die Szene der deutschen Veranstaltungstechnik mitgeprägt. Viele Techniker, Musiker und beteiligte Firmen haben über kürzere oder längere Strecken den Weg von PUR begleitet und sich gemeinsam zu dem professionellen Level entwickelt, das man heute als „normalen Standard“ empfindet.
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Größte Tour der Band-Geschichte
Bei der letzten Hallen-Tour Ende 2018 setzte man in der Bandgeschichte einen neuen Meilenstein: Mit 15 Trailern war dies die technisch größte Indoor-Produktion in der Geschichte der Band, mit Satis&Fy als technischem Dienstleister für die gesamte Produktion, die durch die großen Hallen führte. Damit war auch die PA gesetzt, die sich in den von Licht und Video geformten Ring (hier geht’s zum Licht-Report der PUR-Tour) über der Bühne integrieren musste. An acht Punkten rund um die Mittelbühne hing je ein Array aus L-Acoustics K2, zu jedem Hang gehörten drei ebenfalls geflogene LA-Rak mit LA8-Amps. Ergänzt wurde diese Hauptbeschallung auf dem Boden um 20 × KS28 mit vier LA-Rak II (also LA12X als Amps) und 24 × Kiva II als Nahfeld. Unters Dach kamen die Signale als Dante-Daten über fünf System-Prozessoren Lake Audio LM44, auf den Technikplattformen übernahmen FourAudio DB01 als Signalausgabeeinheiten (s. a. S. 84) und spielten das Programm schließlich als AES in Richtung der LA-Racks. Zwei weitere LM44 unter der Bühne stellten die Signale für Nahfeld und Subwoofer bereit. Das Setup war dabei über die Tour hinweg sehr festgelegt, was die Abstände der Punkte nach innen anging – denn das Licht-Achteck fuhr schon sehr dicht an den LA-Racks vorbei.
Bild: Detlef Hoepfner
Wohin mit den Subs? Unter die Treppen!
Bild: Detlef Hoepfner
Enge rund um die Mittelbühne, und als Backliner sitzt man recht auf dem Präsentierteller fürs Publikum
Auch das Mothergrid war festgelegt, ein wenig variiert wurden nur Höhe, Curving und evtl. die Anzahl der Lautsprecher in den einzelnen Hangs. In einer asymmetrischen Halle wie der Olympiahalle oder der ÖVB Arena in Bremen, wo Seiten auch niedriger oder höher ausfallen, gab es schon mal kürzere und längere Hangs, um die nötige Coverage hinzubekommen, aber das Standrad-Setup waren 16 × L-Acoustics K2 pro Hang. In Köln, wo wir das Team trafen, wurde zudem die Hallenanlage im obersten, sonst per Main-PA kaum erreichbaren Rang von System-Engineer und Audio-Gewerkeleiter Christian Volland mit genutzt. Während wir das Routing durchsprechen, klopft kurz ein Crew-Kollege im Vorbeigehen auf die Schulter: „Gestern war der Sound wieder toll!“ Läuft also.
Hangs
Bild: Detlef Hoepfner
Acht Hangs aus L-Acoustics K2
Bild: Detlef Hoepfner
3 Amp-Racks für jedes der acht Line-Arrays, knapp daneben verfährt das Licht-Rigg
Bild: Detlef Hoepfner
Nearfields unter den Hangs, jeweils L/R-getauscht zu den Line-Arrays
Wo sind L und R im Kreis?
Wie tricky oder einfach steuert man nun so eine Rundbeschallung an? Patrick Eckerlin lieferte vom FOH die drei Signale L/R und Ground-Subs. Die L/R-Pegel wurden dann über der Center-Stage immer abwechselnd L/R/L … durchgetauscht. Im Nahfeld wurde ähnlich geroutet: Unter dem linken Hang kam ein R-Signal heraus, und es ging ebenfalls im Wechsel weiter um die Bühne verteilt auf zwölf Positionen. Das Ziel: „Überall ein bisschen Stereo hinzubekommen“, so Systemtechniker Christian Volland.
Aus technischer Sicht besonders typisch ist natürlich, dass der Gesang verstanden wird, insofern eine aktuell „typisch deutsche Produktion“ mit besonderen Anforderungen an die Sprachverständlichkeit. Hier schätzt Christian, dass das K2 mit seinen 12ern auch in der Sprachverständlichkeit einen schön auflösenden, tonal sehr natürlichen Low-Mid anbietet. In Kauf nehmen muss man bei der Rundbühnenbeschallung, dass sich besonders in der Mitte der Bühne beim Sänger eine sehr hohe Low-Mid-Addition ergibt, die auch messtechnisch sichtbar ist, wenn rundum alle Hangs in Betrieb gehen. In den Griff bekommt die Crew dies durch Filtern oder die LF-Contour des Network Managers.
Sportliches Monitoring
Für das Monitoring hatte Dirk Happel eine Lösung zusammengestellt, die auch logistisch möglichst easy zu handhaben ist. Die Band wird mit In-Ears Shure PSM1000 versorgt. Zwei L-Acoustics X12 sind prinzipiell für Hartmut Engler als Monitoring-Backup vorgesehen – „als letzten Notnagel, und ein Mikrofon ‚am Draht’ liegt bereit – aber wenn du das bräuchtest, dann eigentlich nur noch dazu, um die Show abzusagen!“, lacht Dirk. Also ein kompaktes Setup, wie man es auch auf einem Festival nutzen würde, vielleicht abgesehen vom Anspruch des Künstlers, so Dirk Happel: „Wir haben einen Sänger und Chef, der ist ein etwas ungeduldiger Mensch. Das heißt: Es wird auch mit Gästen eigentlich nie geprobt, so wie man das klassisch kennt: Ja sing erst mal was, und dann spielt die Band dazu. Es geht eher so: Ja, dann spielen wir’s mal!“ Die Wireless laufen mit dem Spektrum Manager Shure AXT600 im Netzwerk. „So ist das jetzt wieder eine relativ entspannte Sache, auch in Städte wie München zu fahren, wo es funkmäßig etwas schwieriger ist.“ Dabei setzt er auf Akkubetrieb, „damit man diese Batterie-Sauerei nicht mehr hat“, so Dirk Happel, „das funktioniert mittlerweile besser als mit Batterien. Leute, das ist nicht nur das Geld, guckt euch mal diese Berge von Batterien an. Und bei 60-100 Shows fängt es schon an, sich zu rechnen – die macht man ja schnell in ein, zwei Jahren. Dann fängt es an zu kippen, man hat noch ein besseres Gewissen, und die Akkus sind dann ja noch nicht durch.“
Monitor-Platz
Bild: Detlef Hoepfner
Monitorplatz mit Soundcraft Vi3000, Shure-In-Ear und Axient digital
Bild: Detlef Hoepfner
Dirk Happel muss ohne großes Proben schnell gute Signale anbieten können
Nachdem während unseres Treffens vor der Show die alles andere als ungewöhnliche Info „Soundcheck fällt aus“ in der Crew die Runde macht, kann Patrick den Funk mal einen Moment ausschalten und wir verziehen uns kurz in eine ruhige Ecke. Nicht einfach für ihn, denn Patrick ist nicht nur seit 1995 bei PUR und seit 2001 am FOH im Team, sondern übernimmt seit ca. 2008 in einer Doppelfunktion auch zusätzlich die Produktionsleitung. „Die letzten Mittelbühnen-Touren lagen immer so um die sieben bis neun LKWs – nun sind es 15. Rein materialmäßig ist sie also wesentlich umfangreicher, personalseitig lustigerweise nicht so sehr, vielleicht vier, fünf Leute mehr als bei der letzten Tour.“ Die meisten zusätzlichen Ressourcen sieht Patrick „… großteils beim Video, Rigging und C1 natürlich. Neu ist hier die Verfahrbarkeit. Und die Bühne ist halt super clean, unheimlich sauber, keinerlei Sichtbehinderungen – es hängt kein einziges Kabel herunter. Das ist schon großartig fürs Publikum. Es gibt eine große Kabeltrasse, über die alles nach hinten abgeführt wird.“
»Die Bühne ist super clean, keinerlei Sichtbehinderungen – es hängt kein einziges Kabel herunter. Das ist schon großartig fürs Publikum.«
Patrick Eckerlin | Beschallungs-FOH und Produktionsleitung
Besonders zufrieden ist Patrick nach diversen anderen Lösungen mit der nun gefundenen Konfiguration der Array-Punkte und dem homogenen Setup nur aus K2: „Ich hasse Mischsysteme wie die Pest!“ Unterschiede am FOH spürt er dann je nach Halle im Low-Mid-Bereich, der in der Regel halt länger steht, als man sich das wünscht, plus dass er je nach Größe des Halleninnenraums mit dem Pult mehr oder weniger weit weg von der Rundbühne positioniert ist. Bei einer so eingespielten Crew – gibt es da noch viel Diskussionsbedarf? „Meine Hauptarbeit für den FOH findet bei den Proben statt, wenn wir im Studio sind. Da bin ich in einem kleinen Raum, stelle mir aber schon eine PA hin, dass ich auch etwas Spaß und das Gefühl einer PA habe. Ich mische dort nicht über einen Studiomonitor, sondern zum Beispiel eine SB28 und ARCS pro Seite. Meine Wohlfühl-Mischlautstärke liegt zwischen 95 und 98 dB. Wenn ich weiter unten bin, dann spüre ich es nicht, drüber hinaus halte ich es nicht aus über einen längeren Zeitraum. Das ist eine ganz angenehme Lautstärke, bei der ich die Ergebnisse dann auch auf ein Live-Konzert in der Halle adaptieren kann, weil ich da ähnlich liege. In der Phase findet dann sehr viel Kommunikation statt, und ich kann auch Einfluss nehmen. Bei Keyboard-Sounds z. B., die brutal dick sind, schlägt dann Martin Ansel als musikalischer Direktor vor, sie eine Oktave höher zu spielen, die linke Hand wegzulassen usw. Auf die Arrangements legt gerade Martin sehr viel Wert, er weiß um die Probleme live in großen Arenen, dass das selten Studiobedingungen sind. Er dünnt die Arrangements schon in den Proben etwas aus, damit man einen möglichst ausgeglichenen Sound bekommt, weil er weiß: Der Pat bekommt da sonst Probleme. Da passiert sehr viel, und das macht auch wirklich Spaß, weil die Zusammenarbeit nach so einer langen Zeit nicht nur rein geschäftlich ist, sondern auf freundschaftlicher und kollegialer Ebene basiert.“
Routiniert, aber nicht abgebrüht
Eine Frage aber stellt sich umgekehrt: Wie vermeidet man nach so langer Zeit eine unaufmerksame Routine, wie bekommt man wieder eine etwas unvoreingenommenere Sicht auf die Arbeit? Den Text hat man als Tonmann ja schon verstanden, da ist er noch gar nicht gesungen: „Ja, ich kann die Ansagen auch schon mitsprechen … Bei so einer Tour passiert das definitiv, wenn neue Songs kommen. Die kennst du noch nicht so lange und gehst auf jeden Fall mit frischen Ohren dran. Die alten Sachen werden insofern interessant, als dass das eine oder andere musikalisch etwas umarrangiert wird. Die eine Nummer vielleicht in Richtung unplugged. Oder zum Beispiel der Song „Funkelperlenaugen“: den spielen wir schon seit 30 Jahren – der wurde jetzt so umarrangiert, dass man ihn gar nicht beim ersten Hören erkennt. Aber richtig, man muss sich jeden Tag am Riemen reißen und nicht diese Abgebrühtheit an den Tag legen. Für das Publikum ist es immer das erste Mal, ob du 50 oder 100 oder 500 Konzerte spielst. Dem Publikum, das Eintritt zahlt, die Karte vielleicht vor einem Jahr gekauft hat, sich auf diesen einen Tag freut, dem muss man das Gefühl geben: Das ist heute die beste Show der ganzen Tour! Das ist der Anspruch, den ich habe.“
»Dem Publikum, das die Karte vielleicht vor einem Jahr gekauft hat, sich auf diesen einen Tag freut, muss man das Gefühl geben: Das ist heute die beste Show der ganzen Tour!«
Patrick Eckerlin | Beschallungs-FOH und Produktionsleitung
Tour-Strategien gegen schlechte Laune
Wo holt Patrick sich selber Anregungen? „Ich war im Sommer mit Kravitz auf Tour, aber da höre ich mir weniger die Konzerte vom Sound her an. Aus meiner Doppelfunktion als Produktionsleiter beobachte ich eher aus dieser Perspektive – was machen die Amis bei den Produktionsabläufen anders? Es gibt Sachen, da sagt man: Interessant, kann man vielleicht umsetzen bei uns. Anderes finde ich dann schon sehr typisch amerikanisch, und es würde bei uns nicht funktionieren.“
Sind die Unterschiede international wirklich so groß? „Na, der Amerikaner an sich ist erst mal ein sehr bequemer Mensch, daher sind viele Dinge in diese Richtung getrimmt. Ein klassisches Beispiel, das mir sehr gut gefallen hat, betrifft die Hotels: Du fährst mit drei Nightlinern vorm Hotel vor. 40 Mann kommen verkatert, kaum geschlafen, schlecht gelaunt aus dem Bus und stürmen die Rezeption. Wenn dann irgendwas nicht sofort funktioniert, ist natürlich Alarm angesagt! Also geht zuerst eine Produktionsassistentin rein, setzt sich mit den 40 Tickets in eine Ecke, und jeder aus der Crew kommt einzeln zu ihr und bekommt sein Ticket. Sie kennt die Leute mit Namen, muss nicht in Listen suchen, sondern hat das Ticket schon in der Hand, wenn der nächste reinläuft – ab in den Aufzug und hoch aufs Zimmer. Das nimmt so viel Stresspotential raus. Das finde ich klasse und habe es hier auch umgesetzt. Und das Hotel ist dankbar, wenn da morgens um fünf Uhr 40 Halbirre … und nur der Nachtportier da ist, der eh nicht weiß, wie’s läuft – da habe ich schon Dramen erlebt! So etwas zu verbessern, finde ich sehr interessant: Wie kann man das eine oder andere etwas angenehmer für die Leute machen.
Darum geht’s: die zwei, drei Faktoren, wie man die Crew bei Laune halten kann. Angenehm reisen, Hotel, Catering – wenn die Rahmenbedingungen stimmen, hast du schon mal die halbe Miete. Wenn du andererseits jeden Tag das Gemecker hast – wie willst du schlecht gelaunte Menschen motivieren, Spaß bei der Show zu haben? Entsprechend ist die Stamm-Crew schon 15- 20 Jahre dabei, es ist schon fast ein Familienbetrieb.“