Autostadt Panoramakino

„Autoland D“: Kino für Fans und Events

Zum 15. Geburtstag der Autostadt in Wolfsburg wurde auch der Kinoraum im Konzernforum technisch und architektonisch für die Anforderungen und Ansprüche der nächsten Dekade umgebaut. Dabei wurde nicht nur die imposante 360º-Projektion durch eine gewölbte 120º-LED-Wand und das bestehende Sound-System durch eine Wellenfeldsynthese ersetzt, sondern die neuen Techniken wurden gleichzeitig in ein zeitgemäßes Raumdesign integriert.

Panoramakino der Autostadt
(Bild: Harald Heckendorf)

Die Autostadt GmbH wollte erneut ein richtungsweisendes Konzept für eine Multifunktions-Location umsetzen und tauschte die 360º-Projektion des Panoramakinos gegen eine neue LED-Wand. Die Technik sollte dabei so flexibel und leistungsstark sein, dass auch Echtzeitsignale im Rahmen von Live-Events möglichst latenzfrei eingebunden werden können. Ein weiterer Wunsch war eine automatische Start-Funktion an veranstaltungsfreien Tagen inklusive einiger Steuerungsfunktionen für Türen, Beleuchtung usw. Überdies sollte die Bedienung des Systems leicht und gleichzeitig sicher konzipiert werden. Der Zugriff auf Audio- und Videobereiche für bestimmte Anforderungen war klar abzugrenzen. Als bewährte Partner wählte man das Büro der Morese-Architekten aus Braunschweig, das eng mit dem Planerbüro FachWerk-igb aus Baden-Württemberg zusammenarbeitete. Dipl.-Ing. Christian Kimmig (FachWerk-igb) betont, dass die volle Umsetzung der Wünsche des Auftraggebers nicht zuletzt deshalb möglich gewesen sei, weil der Dialog zwischen Architektenbüro und Fachplanern besonders früh und sehr offen geführt wurde. Aber auch die spätere Zusammenarbeit mit den ausführenden Unternehmen sei vorbildlich verlaufen.

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Anschlussfelder
Anschlussfelder identisch hinter der LED-Wand als auch im Kinosaal, Video- und Audiosignale können dank modernster Medientechnik integriert werden (Bild: Harald Heckendorf)

Lukas Held von Neumann&Müller oblag die Projektsteuerung der technischen Gewerke. Auch N&M arbeitete bereits in der Vergangenheit mit der Autostadt zusammen. Sein Team errichtete sowohl das Gerüst und Fundament der LED-Wand und den Aufbau der Video- und Zuspieltechnik. Überdies koordinierte Lukas Held die Arbeiten im gesamten Regie – bereich. Zusätzliche ICT-Techniker betreuten z. B. den Einbau der LED-Tiles. Die Lautsprechersysteme wurden von der Nordsound Event- & Medientechnik installiert. Audiofachplaner Clemens Clausen (Shure Distribution Deutschland) und Videospezialist Markus Eibl unterstützten das ambitionierte Projekt.

LED-Screen
Eine Vorgabe des Planungsbüros FachWerk-igb war, dass die LED-Wand in jedem Falle lüfterlos arbeiten sollte. Als PixelPitch waren ursprünglich 2,5 mm ausgeschrieben worden. Dieser Abstand sollte jedoch im Laufe des Fertigungsprozesses wegen der leicht gewölbten horizontalen Anordnung der Video-Kacheln sogar auf 2,4 mm verringert werden. Die Quadrate mit einer Seitenlänge von 42 cm mussten in einem Winkel von 2,2° zueinander angebracht werden, um die gleichmäßige Wölbung auf der gesamten Strecke zu garantieren. Pixel-Versatz an den Kanten musste unbedingt vermieden bzw. der exakte Abstand von der Mitte des Pixels zur nächsten Mitte des benachbarten Pixels garantiert werden.

Im Rahmen der Ausschreibung waren vier LED-Wände einer engeren Wahl unterzogen und schließlich in A/B-Vergleichen bewertet worden. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten des von N&M vorgeschlagenen ICT-Modells. Ein Grund für das Inspire Model S2.4b war die hervorragende Möglichkeit, defekte Module bequem von vorn austauschen zu können. Nach der Auftragsvergabe legte die ICT AG die Messlatte freiwillig höher als ursprünglich gefordert: „Gerade in der LED-Technik schreitet die Entwicklung ständig voran und der Anspruch des Auftraggebers war sehr hoch. Wir wollten beste als auch geprüfte Qualität bieten und neben bestmöglichen Farb-, Kontrast- und Helligkeitswerten auch einen hohen, verlustfreien Einblickwinkel ermöglichen, der selbst bei einem geringen Betrachtungsabstand gewährleistet sein würde“, erklärte ICT Chief Technology Officer Manfred Dolde. So wurden für diese Wand u. a. neue Shader entwickelt: Diese auf die Platinen gestülpten Hülsen schließen die Räume zwischen den LEDs, verhelfen zu einem hohen Kontrastwert und vermeiden störende Spiegelungen. In Tests wurde ein geeignetes Material gefunden, das z. B. bei Wärmeentwicklung keine Wölbungen verursacht, die wiederum Auswirkungen auf das Abstrahlverhalten der Leuchtdioden haben könnten.

Justage
Justage mit speziellem Verschlussverfahren, um die Tiles exakt zu positionieren (Bild: Harald Heckendorf)

Zudem steuerte die ICT AG eine Weiterentwicklung für das Video Processing bei, um den linearen Zusammenhang zwischen der Szenenhelligkeit und der Veränderung der Leuchtdichte der LED-Wand (Gamma-Wert) zu optimieren. Die lüfterlose LED-Wand folgt in einer zylindrischen, horizontalen Anordnung von einem Radius von 10,8 m und misst ca. 21 × 4 m, kommt also auf eine Bildfläche von über 80 m2 bei einer nativen Auflösung von 8.832 × 1.728 Pixel. Mit einer Bildrate von 85 fps, einer Farbtiefe von 16 Bit und einem Kontrastverhältnis von 6.000:1 bietet sie beachtliche Werte. Sie ist signaltechnisch in acht Segmente aufgeteilt und wird mit acht Main- und acht Backup-Processings realisiert. Die Redundanz wird durch ein Auto Backup für den Fall gegeben, dass ein Kabel oder Processing ausfallen könnte. Die insgesamt ca. 10 t schwere Konstruktion ist im Beton – boden des Saals verankert. Sämtliche Controller wurden in einen ca. 50 m entfernten Serviceraum untergebracht – allein die Verlegung der Signalwege dauerte 14 Tage. Hinter der Wand aus 46 × 9 Modulen finden sich Anschlüsse für zusätzliche Veranstaltungstechnik, um externe Licht-, Ton- und Videoregien problemlos anzuschließen. Auch im Saal gegen- über der LED-Wand befindet sich ein identisches Anschlussfeld. An den Traversen, unter der Decke des 10 m hohen Saals, findet sich professionelle Lichttechnik, die bei Bedarf entsprechend erweitert werden kann. Nur der Fußboden ist – für einen vermeintlichen Kinosaal etwas ungewöhnlich: ein Tanzboden – aber es ist ja auch kein Kino, sondern eben ein Multifunktionsraum. Nach einer kompletten Entkernung des Panoramakinos wurden Fundament und Stahlkonstruktion für die LED-Wand errichtet. Nach dem Aufbau der LEDWand wurde die Räumlichkeit schließlich mit einer Tanzdarbietung im Rahmen der Movimentos-Festwochen eröffnet.

Der audiovisuelle Raum
Die Wand beeindruckt beim Betreten des 360 Quadratmeter großen Raumes auf den ersten Blick: Alles wirkt leicht, elegant und nicht so wuchtig, wie man es anhand der technischen Daten vermuten würde. Rund zwei Drittel des Sichtfelds des menschlichen Auges wird durch diese Bildfläche abgedeckt. Das Bild ist im Gegensatz zu gängigen Kinoprojektionen also 66 | PRODUCTION PARTNER 05/2016 Report | Kino LED-Wand wird mit Cat-Kabeln versorgt, die Controller sind im Technikraum verbaut Autostadt Panoramakino_Autostadt Panoramakino 25.04.16 12:49 Seite 66 mehr als doppelt so breit! Statt starrer Kinositzreihen finden sich in dem Saal, der einen Durchmesser von 21,5 m aufweist, locker verteilt bequeme Sofas und Sessel. Wo man Platz nimmt, um das Bild zu genießen, ist unbedeutend. Auch das dreidimensionale Raumklang – erlebnis funktioniert auf jedem Quadratmeter: Über 80 Lautsprecher bilden hier die größte Indoor 3D-Wellenfeldsynthese-Festinstallation Europas. Man scheint sich regelrecht inmitten des Geschehens zu befinden, das sich auf der Leinwand abspielt. In einem Moment sind es die Geräusche von Rennwagen auf einer Rennstrecke. Sobald eines der Fahrzeuge auf dem Screen erscheint, erklingt der Sound auch genau von dem Punkt, an dem sich das Fahrzeug gerade befindet. Die anderen Wagen, die aus dem Bild rasen, scheinen seitlich vorbei zu fahren, hinter dem Blickfeld weiter, bis sie wieder im Sichtfeld erscheinen.

Reserve-Tiles: Paralleles Altern

Spare Tiles
Spare Tiles in diesem Case laufen die Ersatz-Videokacheln aus Alterungszwecken permanent mit (Bild: Harald Heckendorf)

LEDs verlieren über ihre Betriebsstunden ihre ursprünglichen Luminanz- und Chrominanzwerte. Der Austausch bzw. Abgleich neuer Kacheln ist mit einem sehr hohen messtechnischen Aufwand verbunden und nicht immer können die Werte neuer Bauteile (oftmals aus anderen Fertigungsprozessen) auf gewünschte Werte gebracht werden. Im Kino der Autostadt in Wolfsburg wollte man daher nicht nur mehrere zusätzliche Quadratmeter der identischen LED-Tiles-Charge in Reserve vorrätig haben, sondern ersann in Zusammenarbeit mit Planern und Technikern eine weitere Vorkehrung: In den Wartungsräumen unmittelbar hinter dem Screen wurde eine kleine LED-Wand mit baugleichen Tiles aufgestellt. Diese „Ersatzwand“, die sich in einem Flightcase auf Rollen befindet, wird parallel zur Hauptwand bespielt. Sollten zukünftig Kacheln ausgetauscht werden müssen, so sind die Ersatzteile stets in einem „exakt gleich gealterten“ Zustand. Müssen zukünftig Teilflächen ersetzt werden, können diese „neuen Bauteile“ nicht auffallen und das aufwändige, messtechnische Anpassen der Luminanz- und Chrominanzwerte bleibt den Technikern erspart.

 

Auf der nächsten Seite geht es weiter mit der nahezu unsichtbar installierten Audiotechnik in den Wänden des Panoramakinos, einem Bildformat für extrem breite Kameraeinstellungen und neuen Möglichkeiten für Video und Audioformate! 

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