Der Weg zur besseren Vergütung

VLLV Leistungsrechner

Im Februar 2022 veröffentlichte der VLLV e.V. seinen Leistungsrechner. Das Ziel des kostenlosen Online-Tools: eine faire, nachvollziehbare und leistungsorientierte Angebotserstellung auf Basis einer unternehmerisch nachhaltigen Kalkulation.

VLLV Timo Graf(Bild: Timo Graf)

Wir haben mit Timo Graf, 1. Vorsitzender des Verbands der Lichtdesigner und Licht- und Medienoperator in der Veranstaltungswirtschaft e.V., gesprochen, um zu erfahren, wie der Leistungsrechner in der Branche angenommen wird und wie dieser dabei helfen kann, die Vergütungsproblematik von selbstständigen Licht- und Mediendesignern sowie Operatoren zu lösen.

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Der VLLV Leistungsrechner ist seit rund einem Monat verfügbar. Wie sind die ersten Reaktionen der Anwender?

Timo Graf: Die ersten Rückmeldungen von Kollegen aus der Branche zeigen uns, dass wir genau den richtigen Nerv getroffen haben. Zum einen ist der Leistungsrechner im Backoffice-Alltag von Solo-Selbstständigen eine enorme Hilfe und macht vieles einfacher und strukturierter. Darüber hinaus freuen sich viele Licht- und Medientechniker, dass damit endlich eine längst überfällige Preisdiskussion angestoßen wird.
Auch ich habe übrigens vor kurzem zum ersten Mal ein (erfolgreiches) Angebot mit unserem Leistungsrechner kalkuliert. Ich war selbst noch einmal überrascht, wie viel detaillierter und präziser sich damit Angebote erstellen lassen. Ich bin also genauso auf den Rechner angewiesen wie viele meiner Kollegen … (lacht). Zudem zeichnet sich glücklicherweise ab, dass es in den kommenden Monaten wieder mehr Events in allen Bereichen geben wird. Dann werden hoffentlich wieder mehr echte Angebote geschrieben. Wir freuen uns auf zahlreiches Feedback!


Kannst du uns einen Einblick geben, wie ihr die einzelnen Quotienten der Persönlichkeits- und Leistungsfaktoren ermittelt und festgelegt habt?

Graf: Wir haben die Quotienten komplett aus den Praxiserfahrungen unserer Mitglieder abgeleitet und dazu zahlreiche Umfragen und Auswertungen vorgenommen. Die befragten Mitglieder waren bzw. sind allesamt langjährige Profis, so dass die gewonnenen Daten die tatsächliche Situation in der Branche wiedergeben. Nachdem wir alle Faktoren definiert hatten, stand die größte Herausforderung an: das Gewichten und Abwägen der einzelnen Faktoren. Das war ein langer, fortlaufender Prozess.

Bei den Tätigkeitsfeldern haben wir uns zum Beispiel am Verantwortungslevel, den Anforderungen sowie an tatsächlich erzielten Erlösen aus der Praxis orientiert. Hinsichtlich der Qualifikation haben wir uns hingegen für eine geringere Gewichtung entschieden und die Erfahrung im spezifischen Tätigkeitsfeld etwas höher gewichtet, da es für Licht- und Mediendesigner bzw. Operatoren noch keine spezifische Ausbildung gibt. Dies ist übrigens ein Punkt, an dem wir seit unserer Gründung in einer eigenen AG (AG Berufsbild) arbeiten und der auch in Zukunft eines unserer zentralen Ziele als Verband bleibt.


Wie seid ihr bei den Leistungsfaktoren vorgegangen? Warum wird etwa eine Generalprobe stärker gewichtet als die Betreuung einer Produktion?

Graf: Bei den Leistungsfaktoren richten wir uns in erster Linie nach der Frage: Wie hoch sind die Verantwortung, die Anforderung und die Wichtigkeit im Hinblick auf das Endergebnis? Dies unterscheidet sich je nach Tätigkeitsfeld. Zudem spielt auch die Intensität des Arbeitseinsatzes eine entscheidende Rolle, also das Stresslevel für den Auftragnehmer. Bei einer Generalprobe oder einer Premiere hat der Lichtoperator eine höhere Verantwortung und kann mehr Einfluss auf das Endergebnis nehmen als ein Lichtplaner, weshalb der Quotient für den Operator höher ist. Zudem hat eine Generalprobe mehr unmittelbare Auswirkung als eine Betreuung, die „nur“ der Aufrechterhaltung eines zuvor geschaffenen Zustands dient. All dies haben wir für jede Tätigkeit und jedes Anwendungsfeld neu bewertet und entsprechend gewichtet.

Timo Graf im Interview

Eine professionelle Kalkulation der eigenen Kosten und Stundensätze ist ein guter Start. Doch wie wollt ihr Solo-Selbststän-
dige darüber hinaus dabei unterstützen, dass die aufgerufenen Honorare von den Auftraggebern als „neuer Standard“ akzeptiert werden?

Graf: Das Wichtigste ist die dauerhafte Kommunikation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber, aber auch unter Kollegen. Ein weiterer Baustein ist unsere intensive Zusammenarbeit mit den anderen Fachverbänden. Hier möchte ich vor allem den Austausch mit dem ISDV und die Arbeit im IGVW herausheben, dem wir als angeschlossenes Mitglied angehören. Diese Kommunikation wollen wir weiter ankurbeln. Zudem wird es entscheidend sein, den Arbeitgebern den Nutzen und Mehrwert des Leistungsrechners nahezubringen. Schließlich können damit nicht nur Solo-Selbstständige nachhaltig kalkulieren, sondern auch die Firmen, die Fremdleistungen einkaufen. Je breiter und umfassender diese Diskussion in der Branche mit ihren vielen Nischensegmenten geführt wird, desto besser und schneller kommen alle auf einen gemeinsamen Nenner. Der Weg zu besseren Preisen wird kein harter Switch, sondern ein Fade – da sind sich die meisten Selbstständigen einig. Das deckt sich mit unserer Empfehlung: neu kalkulierte Preise übernehmen und dann über Rabatte und Staffelungen in die richtige Richtung bewegen. Das setzt sich beim Kunden besser fest und hat nebenbei noch einen psychologischen Effekt.Darüber hinaus werden wir uns in naher Zukunft intensiv mit der Notwendigkeit von rechtssicheren Beauftragungen befassen. Hier gibt der Leistungsrechner bereits eine wichtige Hilfestellung. Je detaillierter die Bestandteile im Angebot beschrieben sind, desto besser ist die Vertragsgrundlage und desto besser die Rechtssicherheit einer Beauftragung. Wem dies zu trocken klingt, sollte sich klarmachen, das im Zweifelsfall genau hier über eine Scheinselbstständigkeit entschieden wird.
In diesem Zusammenhang haben wir letztes Jahr eine Handlungsempfehlung zur rechtssicheren Beauftragung von selbständigen Licht- und Medienoperatoren und Lichtdesignern für unsere Mitglieder herausgegeben, die sich im Detail mit den Kriterien befasst. Im Mitgliederbereich unserer Webseite können sich VLLV-Mitglieder die Handlungsempfehlung
herunterladen.

VLLV Leistungsrechner
Der Leistungsrechner erfasst zuerst die Basiskosten. Anschließend werden diese Kosten je nach Tätigkeit und Erfahrung auf einen Tagessatz fakturiert. Der Leistungsrechner ist unter leistungsrechner.vllv.de erreichbar, die Nutzung ist kostenlos (Bild: VLLV)


Plant ihr, den Leistungsrechner in Zukunft noch zu erweitern? Welche Funktionen könnten noch kommen?

Graf: Ja, diese Überlegungen gibt es natürlich. Da wir den Rechner jedoch erst vor kurzem veröffentlicht haben, warten wir aktuell erst mal die erste große Feedback-Welle ab, um zu schauen, ob seitens der Anwender noch Optimierungsbedarf im Handling etc. besteht. Wir haben bereits viel Zuspruch für die intuitive Struktur bekommen und wollen deshalb nicht in die Falle tappen, den Rechner mit zu vielen Einzellösungen zu überfrachten. Bestimmte Zusatzfunktionen, zum Beispiel für Designpauschalen, können wir uns jedoch sehr gut vorstellen.
Natürlich wurden wir schon mehrfach darauf angesprochen, ob wir den Leistungsrechner auch für andere Berufsgruppen, wie Lichtsystemer oder sogar
für andere Gewerke wie Video oder Ton anbieten können. Aktuell können wir das als kleiner Verein nicht leisten. Nichtsdestotrotz sind wir für alle Ideen und Diskussionen offen und könnten uns eine Kooperation mit anderen Verbänden und Initiativen durchaus vorstellen.


Eure Einschätzung der Vergütungslage von Lichtdesignern und Licht-/Medienoperatoren beruht auf einer Umfrage aus dem Jahr 2019. Dann kam Corona. Plant ihr hier eine aktuelle Erhebung?

Graf: Ja, wir werden definitiv eine neue Umfrage durchführen, um die Zahlen aus der ersten Umfrage zu überprüfen und Trends abzuleiten, wie sich die Situation in den letzten Jahren entwickelt hat. Dies wäre bereits in „normalen“ Zeiten eine logische Fortführung. Durch die Pandemie ist es umso wichtiger geworden. Wir planen mit Ende 2022 oder Anfang 2023 und hoffen, dass sich die Arbeitssituation in der Eventbranche bis dahin zusehends normalisiert hat.

>> Hier geht es zum VLLV Leistungsrechner

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