„Die Menschen machen den Unterschied“

ETC: David Lincecum im Interview

Bei unserem Besuch im US-Headquarter von ETC in Middleton haben wir mit Vice President Marketing David Lincecum über die zukünftige Aufstellung von ETC und die Entwicklung neuer Produkte gesprochen.

David Lincecum, Vice President Marketing ETC (Bild: Marcel Courth)

Fred Foster war nicht nur Firmengründer, sondern auch eine besondere Persönlichkeit. Sein Tod ist sicher ein großer Verlust für alle Mitarbeiter. Wie schwierig war es für ETC und die Mitarbeiter sich in dieser Situation zu finden?

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David Lincecum: Der Verlust von Fred Foster war sehr schwierig für uns alle, da er nicht nur eine Führungsfigur, sondern für uns alle auch ein Freund war. Es war sehr wahrscheinlich, dass man ihn sah, wie er den Bürgersteig fegte oder einen Fleck in der Küche aufwischte. Fred war keiner, der sich in einem Turm einschloss und von dort aus große Entscheidungen traf.

Er war der Gründer von ETC, aber das besondere an Fred war, dass er genau wusste, wann und wo er zurücktreten musste, um seinen Mitarbeitern genug Freiraum zu lassen.

Die Firma ist auf dem Prinzip der Gleichberechtigung, des Teamworks und der Entscheidungen des Teams aufgebaut. Fred war immer Teil des Teams, hat seine Erfahrung und Meinung eingebracht, aber nicht als Anführer, sondern als Teammitglied.

Fred Foster ETC ist gut aufgestellt, obwohl die Mitarbeiter den Firmengründer und guten Freund sehr vermissen. Viele kleine Andenken zeigen die riesige Wertschätzung der Mitarbeiter (Bild: Marcel Courth)

Das ist wahrscheinlich das Geheimnis für das stetige Wachstum von ETC, denn wenn man an allem festhält und alle Entscheidung alleine treffen möchte, verhindert man die Entwicklung eines Unternehmens.

Natürlich wusste Fred Foster seit über drei Jahren, dass er sehr krank war und er wusste, dass die Prognose nicht gut war.

Er nahm sich also viel Zeit, um die Verantwortung auf andere Schultern im Unternehmen zu übertragen. Selbstverständlich kann man als Firma nie richtig auf solch einen traurigen Moment vorbereitet sein, aber Fred hat zusammen mit allen dafür gesorgt, dass das Unternehmen bestmöglich darauf vorbereitet war. Das Führungsteam ist jetzt neu aufgestellt, wir arbeiten noch mehr im Team als vorher und entscheiden gemeinsam.

Wir alle vermissen Fred sehr — ich vermisse ihn jeden Tag und besonders auf der LDI, wo er letztes Jahr noch teilgenommen hat. Er fehlt uns in der täglich Arbeit natürlich sehr, aber wir haben in seinem Sinne extrem gut weitergemacht. Es ist für alle eher ein neuer Anfang, als eine Ende.

Dann schauen wir auch nach vorne: Wie sehen die Strategien für die ETC-Zukunft aus – gibt es neue Ideen und Pläne?

Lincecum: Eine von Fred Fosters zentralen Philosophien war: man muss die besten Menschen anwerben und behalten, um ETC als Unternehmen in seiner Führungsposition zu erhalten. Die Menschen, die die Arbeit machen, machen den Unterschied.

Für Fred war es wichtig, die besten Leute in so vielen Positionen wie möglich zu haben. Seine andere Philosophie war es: sobald du diese Menschen hast und wenn du sie behalten möchtest, muss deine Firma mit einem gleichmäßigen Tempo wachsen – nur so kannst du ihnen neue Möglichkeiten anbieten und so kannst du ihnen jährlich mehr zahlen.

Wenn du als Firma stillstehst, kann es sein, dass du tatsächlich schrumpfst, ohne es zu merken. Wir setzen seine bzw. unsere Philosophie in dieser Hinsicht fort.

Ich denke, dies ist einzigartig: Es geht nicht um Wachstum, damit ein einzelner Inhaber mehr Geld verdient — was eigentlich typisch amerikanisch ist. Es geht um Wachstum, damit die Mitarbeiter glücklich sind und herausgefordert werden.

Vor drei Jahren haben Fred und die anderen Partner ein Drittel des Unternehmens an die Mitarbeiter verschenkt. Gemeinsam gehört den Mitarbeitern also ein Drittel von ETC.

Das bedeutet, dass wir tatsächliche Anteile haben und wir erhalten jährliche Berichte zum Wert dieser Anteile — für alle Mitarbeiter stellt dies ein Vermögenswert für den Ruhestand dar. In den USA nennt man dies ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm (Employee Stock Ownership Program, kurz ESOP).


»Es geht nicht um Wachstum, damit ein Inhaber mehr Geld verdient. Es geht um Wachstum, damit die Mitarbeiter glücklich sind und herausgefordert werden.«

David Lincecum über die Unternehmensphilosophie


Mit diesem Ansatz können die Mitarbeiter durch den Wert ihres Besitzes direkt sehen, wie es dem Unternehmen geht. Wenn wir darüber sprechen, den Wert des Unternehmens zu steigern, wollen wir den Wert für alle an dem Unternehmen Beteiligten steigern.

Die Zukunft ist Wachstum: Erweiterung unserer Produktlinien und Erweiterung unserer Märkte — beispielsweise wollen wir in den Bereich der Architekturbeleuchtung in Europa expandieren – vor allem in Europa. In den nächsten Jahren wird unser Fokus darauf liegen, in diesem Bereich zu wachsen und den Marktanteil zu vergrößern.

Wie ist ETC weltweit organisiert — so dass hier in Middleton die nötigen Informationen ankommen, um schließlich die richtigen Produkte zu entwickeln, die in den jeweiligen Märkten nachgefragt werden?

Lincecum: Das Führungsteam hier in Middleton entwickelt eine grundsätzliche, langfristige Strategie. Teile dieser Strategie sind bereits identifiziert und manchmal, vielleicht im Jahresrhythmus, fügen wir neue Elemente bzw. kleine Veränderungen hinzu.

Jede Dependance, beispielsweise in Deutschland, UK, Frankreich oder auch in Hongkong, entwickelt einen Plan, wie wir die in unserer Strategie enthaltenen Ziele dann lokal erreichen werden.

ETC ist international Die Flaggen der weltweiten Dependancen hängen präsent im Headquarter – nicht ohne Stolz. Der Austausch zwischen den Teams im Headquarter und den Standorten ist eng (Bild: Marcel Courth)

Architekturbeleuchtung ist ein gutes Beispiel: Ein Teil der Pläne für diese Standorte war es, Mitarbeiter aufzubauen oder zu reorganisieren, um diese Kunden bedienen und durch die Vertriebskanäle erreichen zu können.

Dann haben wir Produktmanager, die in diesen Märkten recherchieren: Was sind die Unterschiede bei der Beleuchtungstechnik im Bereich Installation zwischen Deutschland, den USA oder Asien? Diese Produktmanager schreiben Spezifikationen für neue Produkte und arbeiten mit Teams, die diese Entwicklungen oder Änderungen in unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung durchzuführen.

Der enge Austausch zwischen den Produktmanagern, die hauptsächlich hier in USA arbeiten und den lokalen Teams vor Ort sorgt dafür, dass die Ideen, die Trends und das Feedback der Kunden aus den jeweiligen Regionen in die Entwicklung einfließen. Die Vertriebsteams arbeiten ebenfalls sehr eng zusammen, da viele Projekte international geplant und abgewickelt werden.

Weltweit zu kommunizieren und die verschiedenen Anforderungen der Märkte abzudecken, ist herausfordernd. Es ist ein Bereich, in dem es dauerhaft die Möglichkeit gibt, sich zu verbessern.

Wie schafft man es, die Unterschiede zwischen USA und Europa zu bewältigen?

Lincecum: Das Wichtige für uns ist, die richtigen Leute in Deutschland und in London zu haben — und nicht zu versuchen, alles selbst und mit dem amerikanischen Ansatz zu machen. Ich glaube, wir hatten Glück darin, die Märkte so gut zu verstehen. Und unsere Fähigkeit, auf diese Anforderungen zu reagieren, ist ziemlich stark.

Wie werden ETC und High End Systems zukünftig geführt — bleiben beide Marken in ihrer Form bestehen?

Lincecum: Es sind unterschiedliche Unternehmen und operieren durchaus unabhängig voneinander — beide haben beispielsweise Vertriebskanäle, die am besten für die jeweiligen Produkte sind. Die Trennung der beiden Unternehmen ist aber nur sehr dünn und die Ressourcen werden geteilt.

Der Außendienst in Europa ist beispielsweise bei High End Systems derselbe wie für die Marke ETC; das gilt auch für London. Natürlich arbeiten wir bei der Forschung und Entwicklung sowie im Marketing und bei den Finanzen sehr eng zusammen.

Bevor wir High End Systems gekauft haben, arbeiteten wir bereits an einer Strategie, den Bereich Moving Lights auszubauen — natürlich auf den Theatermarkt bezogen. Als es die Möglichkeit gab, HES zu übernehmen, haben wir darin die Chance gesehen, unsere Marktanteile im Bereich Touring zu erweitern. Und das ist natürlich ein Schlüssel für Wachstum: neue Marktanteile erschließen.

In den letzten Jahren hatte es High End Systems schwer, im europäischen Markt — der sehr umkämpft und von anderen starken Marken besetzt ist — Fuß zu fassen und die richtigen Produkte auf den Markt zu bringen. Wie sieht die Strategie da aus — zielt sie besonders auf den Kernmarkt USA oder ebenfalls wie ETC weltweit?

Lincecum: Die Strategie ist weltweites Wachstum! Aktuell wachsen unsere Verkaufszahlen in Europa sehr gut. Aber du hast recht: als High End Systems zuvor im Besitz von Barco war, war der Distributionsplan für den Verkauf in Europa etwas schwach.

Wir haben das natürlich analysiert und festgestellt, dass wir bereits ein stärkeres Vertriebskonzept in Europa haben. Wir können die Kunden besser und schneller erreichen und auch einen besseren Service anbieten.

Aber uns ist selbstverständlich bewusst, dass es auf dem Markt sehr viel Konkurrenz gibt. Wir arbeiten daher daran, einzigartige Produkte zu entwickeln.

Was sind die Pläne bei den Pulten? Vor allem bei der Hog-Serie hatten die User auf neue Produkte gehofft.

Lincecum: Unser Plan ist es, neue Produkte zu entwickeln und den Markt für die Hog zu erweitern. Ich gebe zu, die Plattform ist in der Vergangenheit in ein paar Aspekten etwas zurückgefallen.

Wir haben jetzt aber neue Energie gegeben und die Teams in den Bereichen Produktmanagement und Technologie verstärkt. Die Philosophie der Hog beruht immer noch auf einer sehr intuitiven, einfachen Art sich der Live-Concert-Umgebung zu nähern, in der es immer wieder Improvisation gibt. Hier ist die Hog extrem stark.

Wir sehen, dass die Vertriebszahlen in den letzten Jahren weltweit gewachsen sind – und wir entwickeln neue Produkte.

In Frankfurt habt ihr die neue Augment3d Software gezeigt. Für mich ist das ein Blick in die Zukunft und zeigt, wie man künftig Scheinwerfer kontrollieren wird. Wird diese Entwicklung in ETC und HES-Steuerung angedacht?

Lincecum: Ja, wir haben Augment3d — wie auch unsere Advanced Color Correction bei Eos — so entwickelt, dass sie nicht speziell für eine Hardware- oder Technologieplattform geeignet ist. Diese sind so entwickelt, dass sie auch in anderen Bereichen eingesetzt werden können.


»Wir denken, es ist an der Zeit, dass Menschen bei der Arbeit so agieren können, wie wir dies im echten Leben auch tun.«

David Lincecum über zukünftige Lichtsteuerungen und intuitives Arbeiten


Wir haben beispielsweise mehr von unseren Farbsteuerungsfähigkeiten in unseren Architektursystemen und in unseren kleineren Konsolen eingesetzt. Das gleiche machen wir mit der Hog. Wir können uns Augment3d auch in anderen Produkten vorstellen und nicht speziell nur für eine Welt, wie beispielsweise Eos oder Theater. Wir sehen dies als Blick in die Zukunft, auch Hog-Produkte werden diese Technologie verwenden.

Ist dies eine generelle Art und Weise, wie ihr Lichtsteuerung in der Zukunft seht — in immersiven Umgebungen?

Lincecum: Ja, das denke ich. Sehr lange ging es bei der Lichtsteuerung darum, numerische Werte einzugeben, um Bewegung und Farbänderungen zu erzielen. In gewisser Weise ist das ja nicht sehr intuitiv — und wir wollen das ändern.

Wir wollen, dass Designer mit ihren Produkten in ihrer Muttersprache — also in der visuellen Sprache — sprechen können, anstatt mittels numerischer Werte oder der Bewegung eines Encoders. Einen Scheinwerfer mit einem Finger zu steuern, ist eine viel natürlichere Bewegung als über einen Encoder, der den Scheinwerfer zunächst schwenkt und dann neigt.

Wir denken, es ist an der Zeit, dass Menschen so agieren können, wie wir dies im echten Leben auch tun. Und das machen Produkte wie Augment3d oder Color Control und auch ähnliche künftige Produkte – sie lassen die Umgebung Teil der Steuerung werden.

Und wie sind die Reaktionen eurer Kunden?

Lincecum: Sie sind begeistert! Fast alle wollen es am liebsten sofort haben. Das einzige Problem ist, dass wir es noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben (mittlerweile ist Augment3d als Open-Beta erhältlich, Anm. der Red.).

Momentan läuft es in Testphasen bei einigen Kunden, die uns Feedback geben. Und auch da ist die einhellige Meinung, dass sie es sofort voll nutzen möchten. Einige haben uns nach dem ersten Anschauen gesagt, es sei nur ein Visualizer — aber man muss es selbst mal auf dem eigenen Job ausprobieren. Es ist so viel mehr als ein Visualizer!

Es geht nicht nur darum, das zu visualisieren, was auf der Bühne passieren wird. Es geht darum, es im Theater oder auf der Bühne zu verwenden, wenn die Scheinwerfer bereits hängen.

Das wird vermutlich in zukünftigen Generationen noch wichtiger. Menschen, die nur mit Touchscreen aufwachsen, werden die aktuelle Bedienphilosophie wahrscheinlich als befremdlich und kompliziert bewerten.

Lincecum: Ja, und es geht hier nicht um Technologie der Technologie halber. Es sollte deinen Job interessanter und produktiver machen. Ich finde, Augment3d bietet genau das, so wie es auch die Color Control macht.

Wir werden in den nächsten Jahren Produkte auf den Markt bringen, die beispielsweise Cloud-Dienste anbieten, damit man seine Shows auf dem normalen Weg in der Cloud speichern kann oder über die Cloud auf sein System zugreifen kann, wenn man mal nicht vor Ort ist.

All dies sind Möglichkeiten, die wir im Consumer-Bereich mittlerweile erwarten — und wir finden Wege, wie wir sie professionellen Licht-Kunden auch anbieten können.

Vielen Dank für deine Zeit!

 

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