Das hundertjährige Bestehen der Firma Mott sollte im September 2020 groß gefeiert werden. Corona durchkreuzte die Planung – sorgte aber auch für Innovationen
Die Band für das Open Air war organisiert, auch das Programm mit den geladenen Gästen stand schon“, erzählt Jürgen Junker, Geschäftsführer von Mott Mobile Systeme im baden-württembergischen Tauberbischofsheim. Ein Grund zum Feiern ist ein 100-jähriges Firmenjubiläum allemal, als Unternehmen in einer verhältnismäßig jungen Branche wie der Veranstaltungswirtschaft ist es aber auch eine kleine Besonderheit. Dabei waren Bühnen in der Anfangszeit noch kein Thema: Gegründet wurde das Unternehmen 1920 von Karl Mott als mechanische Werkstätte an der damaligen Hauptstraße von Tauberbischofsheim und es wurden Beschläge und Kartenständer gefertigt. Nach dem Krieg übernahmen die Söhne die Firma, und mit dem Umzug zum jetzigen Standort wurden neben Tisch- und Stuhlkombinationen ab 1972 auch mobile Podeste und Bühnen gefertigt.
Die eigene Herstellung wurde um die Möglichkeiten der Pulverbeschichtung und des Rohrlaserns erweitert, mittlerweile verfügt die eigene Schlosserei über verschiedene Schweißtechniken und einen Schweißroboter. Einerseits wollte man sich so auch als Dienstleister breiter aufstellen, andererseits die Herstellung von Produkten und Zubehör am Standort sichern und die Möglichkeit haben, auf individuelle Wünsche von Kunden zu reagieren.
Miteinander, füreinander, gemeinsam, stark und ehrlich
Um die Realität der angebotenen Lösungen besser im Markenkern abzubilden, kam es bei der Geschäftsübernahme 2015 auch zur Umfirmierung: Aus „Mott Metallwaren und Bühnenbau GmbH“, wie das Unternehmen seit 1986 hieß, wurde „Mott Mobile Systeme GmbH & Co. KG“. Laut Jürgen Junker war der Begriff „Metallwaren“ einfach zu allgemein und industriell, gleichzeitig klang der Begriff „Bühnenbau“ zu sehr nach Produkten für die Festinstallation. Obwohl sich diese auch bei Mott finden, wollte man den Fokus doch auf den mobilen Aspekt legen und das Veranstaltungsmobiliar und die Transportsysteme im Namen mit einschließen.
Eine weitere Besonderheit der Geschäftsübernahme in 2015: Nach 95 Jahren befindet sich mit Jürgen Junker nun kein Mitglied der Familie Mott mehr auf dem Posten des Geschäftsführers. Junkers Vorgänger, Thorsten Mott, hatte zu seinem Rentenaustritt die Unternehmensnachfolge auf einer Internetplattform ausgeschrieben. Die Übernahme erstreckte sich über vier Monate, bis sie schlussendlich notariell vollzogen war. In diesem Prozess wollte Junker „das weiter betreiben, was gut war und das verbessern, was besser laufen könnte.“ Gleichzeitig sei eine Übernahme natürlich ein Scheideweg für ein Unternehmen, bei dem es auf das Mitwirken aller Akteure (Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer) ankomme, da es erstmal für alle eine ungewohnte Situation sei. In diesem Prozess legte man auch den Wertekompass für das Unternehmen fest: „Miteinander, füreinander, gemeinsam, stark und ehrlich.“
Mittlerweile ist die Firma auf rund 50 Beschäftigte angewachsen – und auch die Produktlösungen haben sich weiterentwickelt. „Nimmt man das Bühnenelement der ersten Stunde, hätten wir es jetzt alle mit dem Rücken. Das waren einfache Stahlrahmen“, erklärt Junker. Seit Aluminium als leichter Werkstoff für mobile Bühnen zum Einsatz käme, liege der Reiz in der Weitentwicklung. Diese sei ein Spagat zwischen technischer Performance und dem Leichtbau der Elemente, denn „je leichter die Bauweise, desto größer die Gefahr der Instabilität“, stellt Junker fest. Mott realisiert trotzdem Stabilität in Verbindung mit Leichtbau. Man richtet sich dabei nach der DIN-Norm 15921, welche sicherheitstechnische Anforderungen an Aluminiumpodeste regelt: Auf 1 m Höhe muss die Traglast 500 kg/m² betragen. Mit dem Bühnenelement Praktikus 500 erfülle man diese Vorgaben bei einem Elementgewicht von 29 kg und positioniere sich mit diesem Produkt im unteren Preissegment – aber dennoch mit Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ und TÜV-Prüfung. Für die Erfüllung von Sicherheitsvorgaben ist man sich um die Wichtigkeit von Gesamtlösungen bewusst und bietet für die meisten Bühnenelemente auch passende Sicherheitsgeländer.
Ebenfalls ein Produkt aus einem ständigen Weiterentwicklungsprozess ist das Trussdest (Truss + Podest). Der Groundsupport für eine Traversen-Konstruktion kann direkt mit dem Bühnenpodest verbunden werden. Es wurde eine neuartige Verbindungstechnik für Traversen in den Bühnenboden integriert. Für den Transport kann diese Bodenplatte umgedreht im Podest verstaut werden. Ziel war es, eine ganzheitliche Lösung für Bühnen und Traversenaufbauten zu finden, um die Optik von Bühnen zu vereinheitlichen.
Auch wenn Mott sich auf die Veranstaltungswirtschaft als Hauptmarkt ausgerichtet hat, verlangt die aktuelle Pandemie-Situation auch eine entsprechende Anpassungsbereitschaft. Deshalb hielt man Anfang März ein Strategiemeeting ab, in dem neue Entwicklungsideen ausgetauscht wurden. Innerhalb von vier Wochen nahm Mott Hygiene-Trenner mit ins Portfolio auf, die entweder aus Acrylglas im Stecksystem gefertigt werden oder bei der Flexikus-Serie mit einer individuell gestaltbaren Rahmenkonstruktion geliefert werden können. So wurde das Angebot an Bühnenelementen, Transportsystemen Klapptischen um aktuell gefragte Lösungen für Hygienemaßnahmen erweitert.
Generell sei seit 2015 ein Ziel, den direkten und individuellen Kontakt mit Kunden und anderen Partnern zu verbessern, durch individuell gestaltete Lösungen oder durch die Digitalisierung verschiedener Arbeits- und Produktionsprozesse. So wurde dieses Jahr ein neues Enterprise-Resource-Planning implementiert, das auch potentielle Schnittstellen für Kunden und Zulieferer enthält.
Gleichzeitig habe man auch die Nachhaltigkeit im Blick und versuche, der Umwelt gerecht zu werden, indem man die Restmaterialien aus der Herstellung in das Recycling zurückführe. Darüber hinaus gibt es eine Wärmerückgewinnung aus den verwendeten Kompressoren und eine Holzheizung, die mit dem Verschnitt aus der eigenen Schreinerei befeuert wird. Auch der Strom kommt vom regionalen Wasserkraftversorger; die Beleuchtung ist auf LED umgestellt.
Durch die komplette Fertigung in Tauberbischofsheim können auch alle Zubehör- und Ersatzteile für die Produktserien eigenständig und langfristig hergestellt werden. Vorwiegend arbeite man mit Zulieferern aus Deutschland oder Europa zusammen. Auch der Standort Deutschland ist nie in Frage gestellt worden, ein Export der Arbeitsplätze käme nicht in Frage. Vielmehr sieht Jürgen Junker durch die fortschreitende Digitalisierung neue Möglichkeiten für den deutschen Wirtschaftsstandort und damit auch Tauberbischofsheim, das seit Gründung von Mott Wirkstätte ist. Und das ausgefallene Jubiläum? „Na dafür haben wir jetzt einfach ein bisschen mehr Planungszeit“, erklärt Jürgen Junker lachend.