Marius Müller-Westernhagen bei MTV Unplugged – Stefan Holtz am FOH mit der Avid VENUE | S6L
von Redaktion,
Bei „MTV Unplugged“ präsentieren große Künstler seit 1989 ihre Songs in besonderer Weise und intimer Atmosphäre. Nun stieg endlich auch Marius Müller-Westernhagen auf den Barhocker dieser Institution des deutschen Musikfernsehens. In den vierzig Jahren seiner einzigartigen Karriere ist dazu längst mehr als genügend Material zusammengekommen.
Am 16. und 17. Juli 2016 ging Marius Müller-Westernhagen auf Erkundungsreise durch das Songbook seines Lebens. Namhafte Künstler und Freunde hat er eingeladen und gemeinsam mit seiner Band performte er Stücke wie „Mit 18“ (als Gastsänger: Jan Plewka), „Johnny Walker“ oder „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ (begleitet von Udo Lindenberg am Schlagzeug). Explizit gewünscht hat er sich auch den Regisseur: In Szene gesetzt wurde diese „MTV Unplugged“-Produktion von Fatih Akin, dessen unverwechselbare Handschrift Filme wie „Gegen die Wand“ und „Soul Kitchen“ belegen.
„Spektakulär! Die Klangqualität ist unter anderem dank der 96K extrem gestiegen und liegt noch mal über der S3. Das Processing ist in beiden Pulten deutlich näher an einem analogen Sound als das bei früheren Desks der Fall war. Das Handling von der S6L ist extrem schnell, wenn man sich mal dran gewöhnt hat.“ Stefan Holtz
Stefan Holtz im Interview
Wie viele Kanäle hast du gebraucht? Die Anzahl der Musiker hat sich im Gegensatz zu vielen Unplugged-Produktionen in Grenzen gehalten, weil unter anderem kein Orchester gewünscht war. Eine Geige haben wir mit eingebunden, aber ansonsten den Schwerpunkt eher auf „Vintage“-Instrumente wie Mellotron, Omnicord, Wurlitzer und Hammond gelegt – und eben auf viele akustische Gitarren. Insofern war die Kanalanzahl dann doch überschaubar. Wir sind tatsächlich mit knapp fünfzig Kanälen ausgekommen. Ich war für die Saalbeschallung zuständig, es war ja eher eine Aufzeichnung und habe den Ü-Wagen mit einer Vorabmischung zum Schneiden versorgt.
Die Veranstaltung fand in der Volksbühne Berlin statt und wir haben dort auch die hauseigene Beschallungsanlage genommen. Warum sollte man auch C-Dur neu erfinden? Die Mannschaft vor Ort war enthusiastisch dabei und hat uns großartig unterstützt – vielleicht auch weil es die letzte Produktion vor dem Spielzeitende war (lacht).
Gemischt habe ich auf einer VENUE | S6L mit 32 Fadern und einer 144er Engine. Die MADI-Karte war damals noch nicht erhältlich, sonst hätte ich mit der sicher noch was veranstaltet. Ich hatte also quasi nur das Basispult und ein wenig analoges Spielzeug dazu, das ich immer sehr gerne benutze – unter anderem ein Vertigo-VSC-2-Kompressor und ein VSE-2-Gyrator-Equalizer in der Summe. Für die Gitarrensumme habe ich zwei Chandler-Germanium-Kompressoren, für die Schlagzeug- und Basssumme Kush Audio Tweaker genommen. Dann hatte ich noch zwei Kush Audio Clariphonics, einen hinter den Kompressoren in der Gitarrensumme und einen für Snare und Gesang.
Für die Stimme von Marius benutze ich normalerweise einen Millenia STT-1, wobei sich bei den Proben herausgestellt hat, dass der keine signifikante Verbesserung mehr gebracht hat, weil die Preamps von dem Pult so gut sind, dass man sich das eigentlich auch sparen kann. Sieht dann nur noch schön aus im Rack (lacht). Die Kompressoren von dem STT-1 hab ich benutzt, aber auch dafür gibt es tolle Plugins, mit denen man den Kompressor gut nachbilden kann.
Welche Plugins hast du eingesetzt? Diese Produktion war ziemlich plugin-arm. Ich hatte knapp vierzig Time Adjuster in Betrieb, weil ich das Panorama gerne über Delays mache. Alle Kanäle, die im Panorama verschoben werden sollen, werden als Stereokanal mit dem gleichen Preamp am Eingang angelegt, so kann ich die dann mit dem Time Adjuster über die Delayzeit von links nach rechts im Panorama bewegen. Ansonsten waren ein paar Hallgeräte am Start, darunter Revibe 2 und Oxford Reverb. Dann gab es noch einen McDSP AE400 als dynamische EQs für weibliche Gastvocals und einen Brainworks BX Opto für den Gesang von Marius. Ansonsten habe ich nur die Kompressoren und EQs des Mischpults und mein analoges Outboard benutzt.
https://www.youtube.com/watch?v=A52i6kwFH00
Was war dein erster Eindruck von der Konsole? Spektakulär! Die Klangqualität ist unter anderem dank der 96K extrem gestiegen und liegt noch mal über der S3. Das Processing ist in beiden Pulten deutlich näher an einem analogen Sound als das bei früheren Desks der Fall war. Das Handling von der S6L ist extrem schnell, wenn man sich mal dran gewöhnt hat.
Die Inputliste ist sequenziell, so wie man das seit Jahrzehnten macht. Sie fängt bei den Drums an und hört bei den Vocals auf, dahinter kommen dann noch ein paar Effekte. Da bei dieser Show extrem viele Instrumente getauscht und Musiker gewechselt haben, habe ich mir für jeden Song einen Custom Layer programmiert. Den habe ich Song für Song so eingestellt, dass ich die benötigten Kanäle oben hatte. So konnte ich mit den 32 Fadern ein bisschen haushalten.
Was möchtest du nicht mehr missen? Die Anzahl der Encoder, weil man sich ein schönes Standardsetup hinlegen kann, sodass man für jede 8er-Bank die am häufigsten benutzten Funktionen direkt im Zugriff hat. Wenn ich den Kanal selektiere, habe ich gleich die wichtigsten Aux Sends, zwei bis drei EQ-Bänder, Kompressor, Threshold, Gate – da, wo es benutzt wird. Ich habe pro 8er-Bank also einen Kanalzug, den ich bedienen kann. Den kann ich mir so anlegen, dass die Dinge, die ich öfter benutze, auch an der richtigen Stelle liegen, damit sich meine Finger automatisch bewegen können. Das ist eine Funktion, die ich auf keinen Fall mehr missen möchte.
Hast du die S6L an ihre Grenzen gebracht? Ich habe ein bisschen Surround gemischt, was das Pult ja eigentlich gar nicht kann. Aber da es da nur um statische Sachen ging, zum Beispiel die beiden Wurlitzer aus den Ecken des Theaters kommen oder einen eindringlichen Chor von überall her flüstern zu lassen, konnte man das bequem über den Aux Send regeln, obwohl das Pult ja eher auf den U-Musikbereich zielt und nicht auf Surround-Beschallung bei z.B. großen Theaterproduktionen. Für so einfache Sachen kann man sich aber durchaus mit Aux Sends helfen.
In Sachen Stabilität hatte ich keinerlei Stress und keinen einzigen Softwarehänger. Wir hatten während den Proben reichlich Zeit, man konnte sich also auch einfach mal eine ganze Nacht an die Konsole setzen, versuchen die Konsole zu stressen und wahllos Peripherie an und abzumelden, um zu sehen, was kritisch werden kann. Einen echten echten Absturz hab ich aber nicht hinbekommen!