Der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren EVVC verband seine Jahreshauptversammlung mit einem umfangreichen Rahmenprogramm. Wichtige Impulse gab die Konferenz mit dem Schwerpunkt International Event Safety Conference (I-ESC).
„Verantwortung übernehmen und übertragen“ – dieses Thema der International Event Safety Conference des EVVC ist aufgrund der vielen Änderungen und Neuregelungen über Verordnungen, Gesetze und Regeln der Technik akuter denn je, wie nicht zuletzt unser Beitrag zur Neuordnung der Betriebssicherheitsverordnung zeigte. Der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren, der in Europa ca. 750 Veranstaltungszentren, Kongresshäuser oder Arenen vertritt, orientierte sich in seiner thematischen Struktur an den sechs Stufen der Delegation, die da wären:
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Verantwortungsbereiche definieren
Anforderungen definieren
geeignete Personen auswählen
An-/Ein-/Unterweisen
Rechte übertragen
angemessene Aufsicht
Widergespiegelt wurden diese sechs Punkte durch entsprechende Vorträge, wobei wir hier einige exemplarisch aufgreifen.
Verantwortung ist wie ein Thera-Band
Aus großer Kraft folgt große Verantwortung – im übertragenen Sinn bedeutet dies: Man kann in Führungspositionen nicht nur viel bewirken, sondern übernimmt auch die Verantwortung. Naheliegend, dass Rechtsanwalt Martin Leber gleich darauf hinwies, dass Verantwortung nicht gleich mit Haftung einhergeht. Auch wenn man glaubt, die Verantwortung an eine folgende Stelle (wie z. B. einen Unternehmer) weiterdelegiert zu haben, hat man noch lange nicht „den Hals aus der Schlinge“: Man muss sich auch vergewissern, ob der Auftragnehmer in der Lage ist, die delegierte Aufgabe richtig umzusetzen und sich durch Kontrolle vergewissern, dass dies auch in der angemessenen Weise erfolgt. Aber was ist, wenn dieser Unternehmer weiter an Subunternehmer delegiert? Das Fazit: Als Betreiber muss man auch die weitere Kette der Aufgabenweitergabe verfolgen, um der Sorgfaltspflicht Genüge zu tun, denn der ursprüngliche Träger der Pflichten bleibt immer in einer Restverantwortung. Hat er Anhaltspunkte dafür, dass der Subunternehmer nachlässig arbeitet, muss er eingreifen. Ein Beispiel aus dem Begleitbuch, das kostenfrei auf dem Vortrag verteilt wurde, zeigt sehr anschaulich die Zusammenhänge der Weisungs- und Kommunikations-Strukturen: „So entschied das LG Nürnberg-Fürth, dass ein Veranstalter für Hörschäden von Besuchern, die jene aufgrund zu lauter Beschallung erleiden, selbst dann haftet, wenn nicht der Veranstalter, sondern die Tontechniker des Künstlers für die Beschallung zuständig waren. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Veranstalter aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht die Künstler wie auch deren Tontechniker zu überwachen habe und die Überwachungspflicht des Tontechnikers nicht auf diesen selbst als Lärmverursacher abgewälzt werden dürfte.“
Crash-Kommunikation
Nichts zu sagen ist auch eine Antwort, und Kommunikation kann unterschiedlicher Qualität sein. Peter Brandl, Kommunikationstrainer und ehemaliger Pilot, verdeutlichte an mehreren Fallbeispielen, wie sich z. B. der Absturz eines Flugzeuges letztendlich nur deshalb ereignete, weil weder Pilot noch Copilot denn den Mut aufbrachten, einer Forderung ihres Präsidenten nach einer sofortigen Landung zu widersprechen. Mit plastischen Phrasen wurde aufgezeigt, welcher Umgangston in vielen Unternehmen gang und gäbe ist und welche Folgen sich daraus entwickeln können.
Insbesondere in unserer Branche, die viele Gewerke miteinander verzahnen muss, ist eine Kommunikationskultur auf hohem Niveau nicht nur wünschenswert, sondern für einen sicheren Betrieb unabdingbar. Am abschließenden Beispiel – der Wasserlandung auf dem Hudson River – wurde aufgezeigt, wie wichtig eine gute Kommunikation gerade in Notlagen ist. So endete der mitreißende Vortrag mit dem Anstoß, im Ereignisfall nicht den Schuldigen zu suchen oder eine „Was-kümmert’s-mich-Haltung“ einzunehmen, sondern zu fragen: „Was kann ich tun, um zu helfen?“
AG IV für Techniker
Neben den obligatorischen Neuwahlen einer Jahreshauptversammlung trafen sich auch die Arbeitsgruppen (AG). Während sich die AG 1 bis 3 nach der maximalen Bestuhlung der Spielstätte richtet, ist die AG IV für die Techniker. Hier erfolgt ein Wissenstransfer über die neue Regeln der Technik, ihre Auswirkungen und ob die eine oder andere DIN-Norm nicht doch fallen gelassen werden sollte. Sie bietet auch eine Plattform für Firmen, um Antworten zu bestimmten Betriebsproblemen aufzuzeigen. So demonstrierte Sennheiser ein personalisiertes Schwerhörigen oder Blinden-System, bei dem nicht wie bisher die altbekannte Schwerhörigenschleife zum Einsatz kommt, sondern der Betroffene sein eignes Smartphone nutzt, um via WLAN und Anbindung an einen Accesspoint Informationen zu übertragen und auf seinem Smartphone mitzuhören. Auch für Sprach-Funkübertragungen bietet Sennheiser im Hinblick auf die Digitale Dividende II ein selbstverwaltendes und abhörsicheres System im lizenzfreien 1,9-GHz-Bereich an, wo auch die DECT-Telefone zu Hause sind. Die Firma Rigging Service veranschaulichte mit einem Versuchsaufbau die Wichtigkeit von Lastmesssystemen. Ebenso interessant war die Vorstellung eines Lastverteilungsträgers, um an Halfen-Schienen mehr als nur 50 kg auf einen Punkt zu setzen. Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss des demographischen Wandels, der sich in manchen Spielstätten – je nach Programm – darin äußert, dass genügend Platz für Rollatoren benötigt wird. Sind evtl. vorhandene Kabelbrücken überhaupt mit Rollatoren zu überwinden, und wie sieht man diese bei Dunkelheit? So werden auch „Randthemen“ interessant behandelt, denn irgendwann kommt man selbst an den Punkt, wo genau diese Fragestellung eine Lösung sucht.
Man spricht miteinander
Die Kommunikation innerhalb des EVVC trägt auch insofern Früchte: Wenn ein Produktionsleiter wieder einmal versucht, eine kritische Eigenheit seiner Produktion mit der Taktik „in anderen Häusern war das aber erlaubt“, zu rechtfertigen, ruft das nur noch ein müdes Lächeln hervor – durch die Vernetzung innerhalb des EVVC hat sich das eine oder andere von einer Produktion schon herumgesprochen. Es ist mittlerweile ein Irrtum zu glauben, dass die Häuser – die nun mal Immobilien darstellen und nicht von Stadt zu Stadt ziehen – keine Erfahrungsschätze aufbauen könnten. Gerade durch die Verbandsarbeit ist ein sehr dichter Informationsaustausch unter den Spielstätten entstanden, um genau dem Defizit der Immobilität entgegenzuwirken. Dabei wird sich das notwendige Knowhow effektiv und komprimiert für ein sicheres Arbeiten untereinander zugespielt – wie auch auf der diesjährigen Hauptversammlung auf der Prolight + Sound.