Lebenstraum Rockstar: Die Dokumentation „Life on the road“ schickt den Vertriebler David Brent auf Tour und persifliert die Gepflogenheiten unseres Geschäfts.
Einen großen Tour-Bus mieten für die Südengland-Tour mit einem Radius von gefühlten 20 Kilometern? Kein Thema! David Brent (Ricky Gervais) plündert für die Erfüllung seines Traums gar die Rentenversicherung und nimmt in seinem Job als Vertriebsmitarbeiter einer Firma für Hygieneartikel einen Monat – größtenteils unbezahlten –Urlaub.
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David Brent ist der Alter Ego des britischen Schauspielers Ricky Gervais, der damit die BBC2-Serie „The Office“ (deutscher Ableger: Stromberg) Anfang der 2000er Jahre zum Erfolg führte. 15 Jahre später begleitet ein Film-Team Brent erneut, dieses Mal, um der Erfüllung seines Lebenstraums beizuwohnen: der späten Verwirklichung einer Rockstar-Karriere mit seiner früheren Band „Foregone Conclusion“. Brent nimmt durchschnittliche Classic-Rock-Songs mit fragwürdigen Erzählungen auf, will auf große Tournee gehen und macht auf überdimensional dicke Hose. Die Bürokollegen verachten ihn größtenteils, der Job deprimiert ihn.
Der letzte Ausweg? Brent will einen Plattenvertrag als Singer-Songwriter, dazu macht er eine Promotion-Tour: Er engagiert Begleitmusiker, als FOH engagiert er kurzerhand den lokalen Tonstudiobesitzer, den er mit der Verdopplung seines Studio-Tagessatzes lockt („Ich hätte niemals gedacht, dass es so viel ist“). Also löst er eine weitere Rentenversicherung auf. „Foregone Conclusion 2.0“ proben, er organisiert die Tour rund um die englische Kleinstadt Reading als Tour-Manager, bucht Hotels, bekommt einen Auftritt bei einem Radiosender.
Zurück in den Tour-Bus: Die engagierten Live-Musiker meiden ihren überenthusiastischen, sich selbst überschätzenden Chef, wann immer es geht. Sie sorgen dafür, dass er gar nicht erst im Tour-Bus mitfährt („schon voll“). Brent fährt im eigenen Auto hinterher („Nein, es ist richtig, dass der Lead-Sänger sein eigenes Auto kriegt!“). Die Gigs in kleinen Clubs sind unterbesucht, die Band weigert sich, mit ihm Zeit zu verbringen – es sei denn, er bezahlt sie dafür. Was er dann auch tut.
Die „Mockumentary“ schwankt zwischen Dramödie und beißender, stellenweise schmerzhafte Satire; das macht es bis weilen schwer, hinzuschauen, denn die Kamera bleibt in peinlichen Situationen oder eklatanter Stille oft noch die entscheidende Sekunde länger drauf, „aalt“ sich in der Pein. Auf Enttäuschungen reagiert Brent mit zusätzlichen Investitionen („spekulieren um zu akkumulieren“), engagiert eine PR-Agentin, lässt sich (halb) tätowieren. Ein Publikumshöhepunkt: Die Band spielt in einem Studentenwerk, das Publikum ist gesichert – der Gig wird lokal allerdings als Trash („Shite Night“) beworben. Beim Versuch, die Stimmung anzuheizen, feuert David Brent mit einer T-Shirt-Kanone Merchandise ins Publikum – was, wie zu erwarten, auch nicht glimpflich ausgeht. Der Versuch, Groupies aufzureißen, bleibt ebenfalls von überschaubarem Erfolg gekrönt.
In dem 96-minütigen Film, bei dem Gervais auch als Regisseur, Drehbuchautor und Koproduzent auftrat, erweist sich die Figur David Brent als Narzisst, der sich eigentlich selbst verachtet, mit einem Minderwertigkeitskomplex der Größe Großbritanniens. Aus Produktionssicht bleibt der ganz große Erkenntnisgewinn zwar aus, dafür werden feinsinnig die Gepflogenheiten des Geschäfts persifliert, verbunden mit Humor, der gelegentlich eine Stufe weiter eskaliert als erwartet. Und – so viel sei verraten – die Wende kommt zum Schluss; Brent reflektiert überraschend ehrlich die eigenen Schwächen, die Musiker gelangen zu der Erkenntnis, dass die gemeinsame Zeit doch eigentlich gar nicht so schlecht war, verglichen mit anderen, wirklich professionellen Tourneen. Der FOH-Mann spendiert ihm beim Abschluss-Gig den Theaterschnee, der finanziell den Rahmen sprengt, den Brent aber unbedingt wollte. Und am Ende plant David Brent bereits die nächste Tournee. Wie so oft gilt auch bei „richtigen“ Produktionen: Manchmal geht es einfach nur ums Machen.