Milky Chance ist eine deutsche Folktronica-Band, die nicht nur in heimischen Gefilden, sondern vor allem weltweit eine Fangemeinde aufgebaut hat. Deshalb zog es die Jungs im Jahr 2016 auf eine Tournee mit 38 Konzerten in 20 Ländern.
Im Sommer 2016 feierte die deutsche Band Milky Chance den Start ihrer Tournee in Moskau, und die Musiker und ihre Crew begannen im Anschluss eine Reise, die sie von Anchorage in Alaska, Kanada, und Nordamerika über viele Länder Europas bis zurück nach Deutschland führte, und die auf dem Lollapalooza in Berlin ihren Schlusspunkt hatte. Dabei spielten die Musiker sowohl eigene Club-Gigs als auch Festivals, und absolvierten zusätzlich einige TV-Auftritte. Schon 2015 tourte die Band auf verschiedenen Kontinenten und so konnten Band und Produktion schon auf Erfahrungen der weltweiten Auftritte im Jahr zuvor zurück greifen – und vor allem aus der Feststellung Konsequenzen ziehen, dass das bisherige Setup sowohl in Bezug auf Technik als auch auf Deko für eine solche Tour zu aufwändig angelegt war.
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Mit der Idee, die Produktion in Bezug auf diese beiden Aspekte effektiver und praktikabler zu gestalten – die Deko bestand bis dahin auf 40 hölzernen Totems, die als Bühnenhintergrund dienten – kam die Band auf Jojo Tillmann zu, der gebeten wurde, sich ein entsprechendes Bühnen- und Lichtkonzept zu überlegen. Die Totems sollten dabei weiterhin den optischen Auftritt der Band bestimmen. Für Jojo Tillmann wurde dabei schnell klar, dass dies nur funktionieren konnte, wenn die Anzahl der Holzelemente reduziert werden würde: „Mir gefielen die Totems sehr, aber die Menge war in Bezug auf die extrem kurzen Umbaupausen auf Festivals der Wahnsinn. Die Deko musste ja nicht nur positioniert, sondern vorher auch montiert werden“, so der Lichtdesigner. Denn neben einem optimierten Aufbau sollte auch die Teamgröße berücksichtigt werden – ein eigener Lichttechniker war nicht eingeplant.
Custom-Light-Deko-Dollys
Die Lösung fand JoJo Tillmann in Custom-Dollys, die sowohl Licht als auch die Deko transportieren konnten. „Ich wollte unbedingt ein System entwickeln, dass Plug-and-Play ist. Da wir aus Budgetgründen keinen ausgebildeten Lichttechniker mitnehmen konnten, musste unser äußerst flexibler Backliner in der Lage sein, das Lichtund Bühnensetup aufzubauen.“ Und auch hier spielte der Tourplan wieder eine zentrale Rolle: Für gesonderte MovingLight-Cases wäre einfach kein Patz vorhanden gewesen. Letzte Bedingung war zusätzlich die Flexibilität des Systems, denn das musste sowohl Hänger-tauglich sein als auch in zwei Volumen aufgeteilt werden können, um bei einem engen Schedule den schnelleren Transport per Sprinter gewährleisten zu können.
Konstruiert und gebaut wurden die Dollys dann bei der Firma PA Team um Thomas Kläser in Meckenheim. Die insgesamt vier Dollys wurden sowohl nach europäischem als auch amerikanischem Truckmaßen geschweißt – 115 × 58 × 1,80 cm H/T/L. Oben und unten waren die Stahlrohrrahmen-Dollys mit Siebdruckplatten abgeschlossen. Innerhalb dieser wurde das komplette Toursetup für Licht und Deko verstaut. In der verbauten Lichtanlage setzte JoJo Tillmann auf Geräte vom deutschen Hersteller GLP. In der oberen Siebdruckplatte waren jeweils drei GLP X4s verschraubt, vertikal positionierte Jojo Tillmann drei X4 Bars 10 mit Zoom und Tilt sowie ein GLP Spot One und impression X4. Die Auswahl der Geräte erfolgte unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte. Neben dem Gewicht spielte vor allem eine hohe Lichtleistung zur Verwendung in dunkler und heller Umgebung eine Rolle. Hier favorisierte Jojo Tillmann LED-basierte Systeme wegen geringer Hitzeentwicklung und schneller Wiederentzündbarkeit des Leuchtmittels. Auch der Strombedarf wurde hinsichtlich einer unsicheren Energieversorgung berücksichtigt. Diese Kriterien brachten die Entscheidung für Produkte von GLP und LED.
Da die Dollys das einzige Band-eigene Bühnenequipment waren, wurden drei Schlitze in die obere Siebdruckplatte gesägt, um die Totems darin aufzustellen. Dazu wurden die Totems zusätzlich modifiziert, seitliche Flügel wurden entfernt. „So haben wir mit den Dollys unser Ziel erreicht, ein System zu konstruieren, das einfach auf die Bühne gerollt und von einem versierten Allrounder angeschlossen werden konnte. Das hat ausnahmslos perfekt funktioniert“, resümiert der Lichtdesigner. Für die Problematik der unterschiedlichen Strom- und Steckeranschlüsse für Amerika und Europa überlegte sich das PA-Team ebenfalls eine Lösung. In der in den Dolly integrierten Kabelverteilung wurden alle Energiekabel direkt auf Harting aufgelöst. Und für diesen erstellte dann die Meckenheimer Technikfirma verschiedene Adapter die z. B. auf den in Amerika verbreiteten NEMA-Stecker passten.
Halbrunder Bühnenaufbau
Die Dollys wurden halbrund hinter der Band angeordnet – so konnte bei jedem Venue unabhängig von der Bühnengröße ein einheitlicher Raum für die Band definiert werden. Ein weiterer Vorteil war, dass die Totems komplett über Kreuz von den GLP X4s aus den Dollys heraus beleuchtet werden konnten. „Die X4s haben mich sehr überzeugt, da sie trotz ihrer geringen Größe sowohl bei Clubshows, als auch bei den Festivals im Tageslicht ausreichend Leistung lieferten.
Bild: JoJo Tillmann
Bild: JoJo Tillmann
Der Spot One dagegen hatte im Hellen etwas zu kämpfen, wobei das auch eine schöne Leuchte ist“, so JoJo Tillmann. Die GLP X4 dagegen hatten wie erwartet keine Probleme sich durchzusetzen. Die X4 Bars liefen im Pixelmode – das bedeutet, man hat ein Masterfixture und zehn einzelne Fixtures für die Pixel. „Da ich eine Hog4, die softwareseitig schon einen Pixelmapper anbietet, dabei hatte, konnte ich sehr schnell und effektiv tolle Effekte generieren. Mit einer Effect-Engine wäre das so eigentlich nicht möglich gewesen – jedenfalls nicht in der Zeit“, fasst Tillmann die Vorteile von Hog4 und Pixel-basierter Leuchte zusammen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren die Dollys immer dabei – nur dort, wo deren Einsatz logistisch nicht möglich war, musste auf lokales Material zurückgegriffen werden. Für diese Shows hatte der Lichtdesigner als Alternative Martin Mac Viper vorprogrammiert, da er erwartete, dass diese Geräte vor Ort meist verfügbar wären. Er stellte aber fest, dass es bei vielen Festivals nicht mehr Usus war, klassische Spotlights einzusetzen. Stattdessen wurde häufig auf sogenannte Hybrid-Geräte gesetzt, die für Jojo Tillmann allerdings als akzentuierende Hinterlichtspots nicht einsetzbar sind. Dafür seien die Beams dieses Scheinwerfertyps zu verwässert und bilden keine klare Abgrenzung im Gegenlicht. Als wesentlich schwerwiegender für die Tour stellte sich aber dar, dass kaum Geräte für Gassen- oder Seitenlicht vorhanden waren, und wenn doch, dass diese nur eine unbefriedigende Qualität boten. So fanden sich vor Ort manchmal Scheinwerfer aus dem Club- und Diskothek-Bereich, manchmal auch alte Martin MAC 2000, die dann zu Programmierung der Show nicht passten. „Nach dem ersten Tourblock in den USA haben wir uns deshalb entschieden, unser Reisegepäck doch noch einmal zu erweitern. Wir haben uns für Martin MAC Quantum Profile entschieden und diese auf Bodenbretter montiert. Der MAC Quantum ist wirklich ein hervorragender Scheinwerfer, der ordentlich Punch hat, weit auf macht und ein tolles Seitenlicht kreiert“, erzählt Jojo Tillmann.
Als weiteres Design-Element waren 36 magnetische Notfalllichter mit auf Welttournee. Die kleinen wasserdichten und akkubetriebenen LED-Lichter haften an allen metallischen Gegenständen, und wurden so als Effekt an Backline und Stativen, aber auch auf dem Boden liegend eingesetzt. Da diese nicht per DMX steuerbar sind, griff Jojo Tilmann auf die internen Lauflichtprogramme zurück.
Tipps vom Lichtdesigner JoJo Tillmann
Um mich von den Einheitseffekten der Effekt-Engines abzugrenzen, versuche ich mir die Programmierung von Bewegungsmustern mit unterschiedlichen Attributen mittels aufeinander abgestimmter Q-Folgen zu bewahren. Diese Arbeitsweise habe ich selbst früher bei meiner Arbeit mit der Artisan-Konsole kennengelernt. Jedem Einsteiger am Pult möchte ich das Nachdenken darüber sehr ans Herz legen, weil es hilft, z. B. Bewegungen von Moving Lights besser zu verstehen und auffälligere Looks damit zu gestalten. Auch sollte man sein FOH-Equipment bei einer Festivaltour immer auch gegen Staub, Wasser, Insekten und Hitze schützen können – dafür habe ich immer eine weiße, reißfeste und umlaufend geöste Plane dabei, die ich mir ganz schnell mit Spann- fixen je nach Situation am FOH montieren kann.
Flugshows und Pultsetup
Durch einen engen Tourplan und große Distanzen zwischen den einzelnen Venues waren einige Shows nur per Flugzeug erreichbar. Für diesen Fall musste das Setup nochmals aufgeteilt werden: Cases durften nicht über 32 Kilogramm schwer sein, auch weil die Crew diese zum Teil selber einchecken musste. Jojo Tillmann selbst hatte dafür das FOH auf drei Cases verteilt. In einem Case war das Siderack mit dem DP8000 DMX-Prozessor, dem Backupsystem von Rockswitch zum Umschalten und andere DMX-Tools untergebracht, ein anderes Case war mit kleinen Teilen wie Magicarm, Mini-Fadeboard, einem Timecode-Reader und natürlich dem obligatorischen Kabelsortiment gefüllt, außerdem mit Planen, die zum Wetterschutz der Equipments genutzt wurden.
Im dritten Case befand sich die Steuerung. Jojo Tillmann entschied sich eine Hog4 einzusetzen, da sie ihm für die Anforderung eines zum Teil schwer einschätzbaren Tourverlaufs geeignet schien. Oft blieben gerade 20 Minuten Zeit, um sich auf eine Show vorzubereiten. „Die Wholehog ist in einigen Punkten wirklich sehr gut. Es ist zum Beispiel sehr einfach, Scheinwerfer, die mit Goborotation laufen, in zwei Gruppen aufzuteilen, um eine der Gruppen entgegengesetzt laufen zu lassen. Ein solcher Effekt ist mit zwei ‚Klicks‛ erledigt. Für mich ist die Hog4 eher das Pult, das meine künstlerische Arbeitsebene unterstützt, im Gegensatz zur GrandMA, die in meinen Augen ingenieurtechnisch das bessere Pult ist“, so Jojo Tillmann.
Es gab bis auf einige wenige Kleinigkeiten keine Ausfälle der Steuerung, und das obwohl die Cases einiges aushalten mussten. Zur besseren Orientierung ließ er bei den einzelnen Setups vor Ort immer die Visualisierung der Vorprogrammierung mitlaufen. So hatte er vor Augen, wie der ursprünglich geplante Look aussehen sollte. Die komplette Show wurde als Timecode-Show programmiert.