Mobilfunknetz der nächsten Generation: 5G bei Events
von Peter Kaminski,
Das Mobilfunknetz der nächsten Generation hat auch weitreichende Folgen für unsere Branche: Im Live- und Event-Bereich sind in diesem Zusammenhang gleich mehrerer Faktoren zu bedenken.
(Bild: 3GPP)
Bei 5G, der fünften Generation des Mobilfunks, steht anders als bei den vorangegangenen Generationen nicht nur die höhere Bandbreite im Fokus, sondern es werden auch neue Dienste, Anwendungen und technische Spezifikationen geboten. Natürlich geht alles auch mit deutlich mehr Bandbreite einher – technisch wären bis zu 20 GBit/s möglich. Klar ist natürlich, dass dies nicht sofort erreicht, sondern dass es mehrere Evolutionsstufen geben wird, die auch mit der Bereitstellung von Frequenzen über 20 GHz für Kurzstreckenverbindung mit hohen Datenraten einhergehen: Zunächst werden Übertragungsraten von 1 GBit/s angepeilt. In der Praxis wird der mittlere Datendurchsatz vielleicht bei >100 Mbit/s liegen. Aber Datendurchsatz ist nicht alles. Die sogenannte Ping-Zeit – also die Zeit, in der auf eine IP-Anfrage im Netz reagiert wird – ist deutlich niedriger als bei dem Vorgänger LTE. Man geht hier von Latenzzeiten von unter einer Millisekunde aus, was erstmalig auch Echtzeitanwendungen im Mobilfunk ermöglicht.
Bisher nutzen wir für die Übertragung von Audio und für Intercom-Lösungen entweder analoge oder digitale Systeme im UHF-Band, im speziellen Frequenzbereich um 1,8 GHz, im ISM-Band 2,4 GHz oder im DECT-Band. Viele Industrieanwender planen, nach der flächendeckenden Einführung von 5G bisherige Funkdienste in 5G zu überführen. Zu nennen wären da zum Beispiel die klassischen Gegensprechfunkdienste, die im Event-Bereich bei kleinen Veranstaltungen in FM analog und bei größeren über digitale DMR- oder TETRA-Funksysteme bereitgestellt werden. Hier planen verschiedenste Unternehmen die Integration von Gegensprechen via Voice-over-IP in den Mobilfunk. Selbst einige staatliche Behörden denken über eine Ablösung ihrer BOS-Digitalfunksysteme wie TETRA durch 5G nach, da nun erstmalig eine Echtzeitübertragung gewährleistet ist.
Brauchen wir noch klassischen Mikrofon-Drahtlosfunk?
Mit der Integration bzw. dem Abbilden von Funknetzsystemen in einer Mobilfunk-IP-Infrastruktur bilden sich gleich mehrere Vorteile: zum einen lassen sich so Mobilfunk-Handys in das System über Apps leicht integrieren. Zudem wird die Systeminfrastruktur weitgehend in das Mobilfunknetz verlagert und die Kommunikationsstrukturen nur noch virtuell im Netz abgebildet. Die klassischen TETRA- oder DMR-Sprechfunkgruppen – wo man auch mal eine „Kanal belegt“-Signalisierung erhält – sind damit passé. Über Gateways lassen sich auch andere Telekommunikations-Infrastrukturen einbinden, da diese ja heutzutage sowieso meistens IP-basiert sind.
Gehen wir noch einen Schritt weiter mit einer provokanten Frage: Brauchen wir im Jahr 2030 noch den klassischen Mikrofon-Drahtlosfunk? Oder wird alles im Netz landen, inklusive der Drahtlosmikrofonsender? So ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten. Ganz von der Hand weisen wird man diese These nicht. Das zeigt auch die Initiative zu einer Studie, die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert wurde, die sich genau mit diesem Thema (Programme Making & Special Events employing 4G+/5G technology) beschäftigte. An dem PMSE-xG Projekt waren Firmen und Institutionen wie ARRI, Bosch, Fraunhofer Heinrich Hertz Institute, Intel, Leibniz Universität Hannover, Sennheiser, Smart Mobile Labs und andere beteiligt. 2018 wurde ein finaler Workshop der Arbeitsgruppe in München abgehalten. Ein Whitepaper findet man auf der Web-Site des Projektes.
5G in der Praxis: theoretisch gut, praktisch komplex
Das Problem: Die 5G-Technologie ist sehr komplex. Viele Hersteller haben gar nicht die technischen und personellen Ressourcen, um da alleine mitspielen zu können. Aber die Anzahl der 5G-Chipsätze und deren Integrationsdichte wird stetig steigen – und mit Kooperationspartnern und etwas Phantasie ist so etwas durchaus denkbar. Man kann sich vorstellen, dass im Bereich der Intercom-Anwendungen früher mit solchen Lösungen zu rechnen ist, als bei den Drahtlosmikrofonen – zumal auch für Intercom funktionell viele neue Leistungsmerkmale bereitgestellt werden könnten. Bei Drahtlosmikrofonen ist dies so nicht gegeben und die Produkte dürften zumindest am Anfang zu teuer sein – sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktfertigung.
Ein weiterer Punkt bei 5G, der Vorangegangenes in dem einen oder anderen Punkt unterstreichen wird, ist die Tatsache, dass bei 5G auch spezielle Frequenzbereiche für Industrie- und regionale Anwendungen vorgesehen werden – in Deutschland zum Beispiel ein Frequenzsegment im Bereich um 3,7 und 26 GHz. Die 5G-Player sind also nicht nur die Mobilfunkanbieter, sondern unter Umständen auch die Industrie sowie die Kommunen selber. Man hat hier natürlich die „Industrie 4.0“ im Fokus, aber wie und wem diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ist noch offen. Interessant wären solche Industrie-spezifischen Anwendungen bei großen Veranstaltungsorten wie Stadien etc.
Aber mit 5G ist auch erstmals die Integration von Broadcast-Applikationen vorgesehen. Bisher ist es so, dass jeder Teilnehmer, der z. B. einen Video-Stream sehen möchte, diesen über eine dedizierte Verbindung abruft. Das heißt: Für jeden einzelnen Nutzer bzw. Zuschauer ist eine Bandbreitenkapazität erforderlich. Bei 5G gibt es den FeMBMS-Modus (Further evolved Multimedia Broadcast Multicast Service): Das Zauberwort ist hier Multicast, d. h. es wird ein Stream für alle Anwender bereitgestellt. Dies erfolgt über spezielle 5G-Sender: Hier kommen keine kleinen Zellen zum Einsatz, sondern HTHP-Sender – also High Tower High Power – auf exponierten Standorten mit entsprechend für Mobilfunkanwendungen sehr hohen Leistungen im Bereich von 100 Kilowatt und mehr. Man ist hier übrigens schon in der Phase der praktischen Evaluierung solcher Sender im Rahmen des Forschungsprojektes 5G Today. Der Bayerische Rundfunk hat schon zwei Sender im Testbetrieb.
Hier gibt es nicht nur technische Hürden zu überwinden. So gibt es zum Beispiel die Diskussion, ob ein Gratiszugang zu solchen ausgesendeten Inhalten ermöglicht werden sollte. Im Umkehrschluss könnte man aus dem Engagement der Broadcaster bei 5G schließen, dass man damit ein Ende von DVB-T2 einleiten möchte. Das ist zwar noch offen, aber persönlich glaube ich zurzeit nicht an einen DVB-T3 Standard. Es liegt nahe, dass auch die Broadcast-Dienste – zumindest das TV-Angebot – in den Mobilfunk integriert werden, die Zeichen dafür stehen gut. Das wiederum könnte auch die Nutzung der Funkfrequenzen für Drahtlosfunksysteme in Zukunft beeinträchtigen. Beim jetzigen Status dürfte man aber davon ausgehen, dass die von DVB-T2 auch für G5 FeMBMS genutzt werden – aber das wird man sehen und auch, wie groß der Frequenzbedarf sein wird. Wenn dem so wäre, würde man in einer Übergangszeit deutlich weniger Frequenzraum für Drahtlosmikrofone haben, oder es wird der Weg der Umschaltung an einem Stichtag angepeilt. Aber hier schauen wir schon sehr tief in die Glaskugel.
»In Südkorea ist schon seit April 2019 ein 5G-Mobilfunknetz in Betrieb.«
5G ist aber, wie man an den 5G-Broadcast-Testsendungen schon sehen kann, gar nicht mehr so weit entfernt wie man vielleicht glaubt. Samsung will das erste 5G-fähige Smartphone S10 schon im Sommer 2019 auf den Markt bringen, in Südkorea ist seit April 2019 ein 5G-Mobilfunknetz in Betrieb. Laut der 5G-Frequenzauktions-Bedingungen der Bundesnetzagentur sollen bis zum Jahr 2022 jeweils 98 Prozent der Haushalte, alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen und Schienenwege mit einer Datenrate von mindestens 100 MBit/s mit 5G versorgt werden.
5G wird also enormen Einfluss auf unsere Branche haben. Ob das technisch Mögliche auch in Anwendungen und Produkte umgesetzt wird, steht zwar auf einem anderen Blatt. Unabhängig davon ist aber eine Einflussnahme auf unsere Branche ohne Frage gegeben. Handlungsbedarf ist zwar aus Sicht der Drahtlosanwender oder Event-Industrie im Moment noch nicht gegeben. Da sich aber auch das schnell ändern kann, ist es gut, sich mit dieser Materie im Vorfeld bereits einmal auseinanderzusetzen.