Elektrische Betriebsmittel der Veranstaltungsbranche müssen Konformität mit Sicherheitsanforderungen gewährleisten. Dietmar Rottinghaus zu der Frage, wie man sicherstellt, dass diese den Anforderungen der LVD 2014/35/EU und den spezifischen Normen entsprechen.
(Bild: Detlef Hoepfner / Midjourney)
Die Low Voltage Directive (LVD) 2014/35/EU ist eine Richtlinie der Europäischen Union, die Anforderungen an die Sicherheit elektrischer Geräte festlegt, die innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen arbeiten (50 bis 1000 V für Wechselstrom und 75 bis 1500 V für Gleichstrom). Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau für EU-Bürger vor Gesundheitsrisiken und Gefahren durch den Einsatz solcher Geräte sicherzustellen.Welche Kriterien müssen gemäß der LVD erfüllt werden?
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Dietmar Rottinghaus: Zur Erklärung muss ich ein wenig genauer werden.
Die Low Voltage Directive (LVD) 2014/35/EU oder auch Niederspannungsrichtlinie ist zunächst eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen diese dann in nationales Recht überführen.
In Deutschland wird durch die „Erste Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz“ die Niederspannungsrichtlinie (LVD)2014/35/EU in nationales deutsches Recht überführt. Vereinfacht spricht man auch von der „Verordnung über elektrische Betriebsmittel“.
Tja, was ist nun ein elektrisches Betriebsmittel? Das kann ein Lötkolben oder in der Veranstaltungsbranche z. B. ein Mischpult, eine aktive Lautsprecherbox, ein Effektscheinwerfer, ein LED Videopanel aber auch eine einfache Geräteanschlussleitung sein.
Die Vermutung der Konformität mit den Sicherheitsanforderungen der Niederspannungsrichtlinie(LVD) kann angenommen werden, wenn das Produkt / Betriebsmitteldie Anforderungen der im Amtsblatt gelisteten Normen erfüllt (standards listed under the LVD).
Ich möchte hier drei für unsere Branche relevante Normen aufführen:
DIN EN IEC 62368-1 | Einrichtungen für Audio/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik
DIN EN 60799 | Geräteanschlussleitungen und Weiterverbindungs-Geräteanschlussleitungen
DIN EN IEC 60320-1 | Gerätesteckvorrichtungen für den Hausgebrauch und ähnliche allgemeine Zwecke
Produkte, die z. B. den oben genannten Normen entsprechen, erfüllen daher auch die Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie. Somit dürfen diese Produkte die CE-Kennzeichnung tragen und im europäischen Wirtschaftsraum erstmalig in Verkehr gebracht werden. Übrigens, zum in Verkehr bringen gehört auch das Vermieten dieser Produkte.
Fazit: Elektrische Betriebsmittel, welche unter den Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU1 fallen, sind im Einklang mit den Sicherheitszielen zu entwerfen und herzustellen. Die Niederspannungsrichtlinie fordert, dass der Hersteller mittels einer Konformitätsbewertung die Übereinstimmung des elektrischen Betriebsmittel mit den Richtlinienanforderungen prüft und für die gesamte Serie sicherstellt. Dies beinhaltet die Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung und das Aufbringen der CE-Kennzeichnung.
Wie praxisrelevant ist dabei die immer wieder genannten Unterscheidung Steckverbindung/Steckvorrichtung?
Dietmar Rottinghaus: Gerätesteckvorrichtungen nach DIN EN IEC 60320-1 dürfen unter Spannung gesteckt und auch wieder getrennt werden. Man nennt dies auch Steckvorrichtung mit Lastschaltvermögen. (engl. Connector with Breaking Capacity (CBC)). Diese Steckvorrichtungen sind dazu geeignet, direkt am Energieversorgungsnetz betrieben zu werden.Dem gegenüber stehen Gerätesteckverbinder nach DIN EN 61984. Diese Steckverbinder haben kein Lastschaltvermögen und dürfen nur spannungsfrei gesteckt und auch wieder getrennt werden. Diese Steckverbinder dürfen NICHT direkt am Energieversorgungsnetz betrieben werden. Solche Steckverbinder dürfen zwar nach entsprechender Abschalteinrichtung eingesetzt werden, aber eben nicht direkt am Energieversorgungsnetz. Bespiele hierfür sind z. B. Harting 16pol oder Socapex 19pol Steckverbinder. Außerdem müssen diese Steckverbinder mit einen entsprechenden Hinweis gekennzeichnet sein, z. B. „Spannungsfrei stecken und trennen!“.
Deshalb steht die DIN EN 61984 auch nicht in den im Amtsblatt gelisteten Normen und die Vermutung der Konformität mit den Sicherheitsanforderungen der Niederspannungsrichtlinie (LVD) kann nicht angenommen werden.
Das zeigt sich auch in der DIN EN 60799 / Geräteanschlussleitungen und Weiterverbindungs-Geräteanschlussleitungen, wir sprechen hier umgangssprachlich vom „powerCON“-Kabel. Es werden hier nur Steckvorrichtungen nach DIN EN IEC 60320-1 zugelassen und nicht Steckverbinder nach DIN EN 61984.
Das Ganze ist deswegen praxisrelevant, da Steckverbinder nicht in der Lage sind, den Lichtbogen, der beim Stecken und besonders beim Trennenunter Last entsteht, abzuleiten. Dadurch verbrennen die Kontakte und es entsteht eine gefährliche Situation. Die Folge sind verbrannte oder nicht mehr zu trennende Verbindungen und es besteht natürlich Feuergefahr. Fazit:
Geräteanschlussleitungen und Weiterverbindungs-Geräteanschlussleitungen mit Steckverbindern nach DIN EN IEC 60320-1 sind zulässig und sicher. Sie dürfen das CE-Zeichen tragen.
Geräteanschlussleitungen und Weiterverbindungs-Geräteanschlussleitungen mit Steckverbindern nach DIN EN 61984 sind nicht zulässig und auch nicht sicher. Sie dürfen das CE-Zeichen nicht tragen.
LEaT con 23: Sichere Energieversorgung von Geräten der Veranstaltungstechnik
Dietmar Rottinghaus wird in seiner Präsentation aufzeigen: Normen sind nicht nur trockene Regelwerke, sondern Ergebnisse aus der Praxiserfahrung. Häufig sind es Unfälle oder Beinaheunfälle, die zur Entstehung neuer Standards oder zur Aktualisierung bestehender Standards führen.
Die Berücksichtigung des Gefahrenrisikos, das von möglichen Energiequellen ausgeht, steht im Vordergrund einer sicheren Gerätekonstruktion. Erkundet, warum etablierte Verfahren zur Geräteentwicklung und -prüfung nicht einfach wahllos fortgeführt werden können – besonders im Bereich der Netzsteckverbindungen gab es in den letzten zehn Jahren tiefgreifende Veränderungen!
Hochqualitatives Material wird heute nicht nur aus Europa geliefert, auch der ursprüngliche XLR-Stecker entstand als weiterentwickelte Kopie des Cannon-Originals aus den 50ern. Die reine Orientierung an einzelnen Marken allein mag nicht ausreichen – wie unterscheide ich davon abgesehen, ob ein Hersteller seinen Verpflichtungen nachkommt?
Dietmar Rottinghaus: Dies lässt sich ganz einfach daran erkennen, ob das Produkt / Betriebsmittel das CE-Zeichen trägt. Kennzeichnungspflichtige Produkte ohne CE-Zeichen
dürfen im europäischen Wirtschaftsraum nicht in Verkehr gebracht werden. Auch sollte man darauf achten, dass die Produkte nach den richtigen Normen zertifiziert sind. Eine Steckverbindung kann nach DIN EN 61984 zertifiziert sein, dann ist sie aber nicht in Anwendungen, in denen z. B. die DIN EN IEC 60320-1 gefordert wird (Geräteanschlusskabel oder auch LED Video Panel) zulässig und auf dem Kabel bzw. LED Video Panel darf kein CE-Zeichen angebracht sein. Im Zweifelsfall überprüft man die EU-Konformitätserklärung.
In Deutschland sind aber die Hersteller, Importeure und Vertreiber von elektrischen Geräten verantwortlich dafür, sicherzustellen, dass ihre Produkte die Anforderungen der LVD erfüllen. Dies umfasst sowohl die Entwurfs- und Herstellungsphase als auch die Bereitstellung von Informationen und Dokumentationen für den Endverbraucher. Welche Verantwortung trifft mich als Anwender und Endkunde überhaupt?
Dietmar Rottinghaus: Wir müssen hier schon etwas genauer hinsehen. Zunächst einmal möchte jeder ein sicheres Produkt kaufen oder benutzen. Ein mit dem CE-Zeichen versehenes kennzeichnungspflichtiges Produkt sollte diese Anforderung erfüllen. Es gibt aber leider auch einige schwarze Schafe, die ein CE-Zeichen zu Unrecht anbringen.
Kommen wir jedoch auf die Veranstaltungsbranche zurück. Für einen Veranstaltungstechniker oder Mitarbeiter einer Event-Firma ist das Produkt ein „Arbeitsmittel“. Der Arbeitgeber / das Unternehmen ist für die Bereitstellung sicherer elektrischer Betriebsmittel verantwortlich.
Im Text der Verordnung heißt es: „Elektrische Anlagen sowie die darin vorhandenen elektrischen Betriebsmittel zählen gemäß § 2 (1) der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zu den Arbeitsmitteln im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung.“
Wie geht man mit internationalen Steckverbindungsstandards um, wenn man Veranstaltungstechnik für Tourneen oder internationale Events plant?
Dietmar Rottinghaus: Hierbei sind die geltenden Vorschriften des Landes zu berücksichtigen, in dem die Tournee oder der internationale Event stattfindet. Die internationalen Verbände und Normungsorganisationen arbeiten daran, dass es einfacher wird, indem man versucht gelebte Praxis in Normendokumente einfließen zu lassen. Deswegen gibt es z. B. eine DIN EN IEC.
Auch ist es einfacher, wenn man Steckvorrichtungen oder Steckverbinder-Systeme benutzt, die nach mehreren internationalen Standards zertifiziert sind.
Vortrag: Auswirkungen auf den Alltag
Auf der LEaT con 23 wirst Du zu diesen Fragestellungen referieren – was sind Deine Themen dort und wann kann man Dich dort zum persönlichen Austausch treffen?
Dietmar Rottinghaus: Der Vortrag beschäftigt sich im ersten Teil damit, wie sich Normen im Laufe der Zeit verändert haben. Das, was vor 20 Jahren super war, ist heute z. B. nicht mehr zulässig. Ich gehe dort auf die DIN EN IEC 62368-1 / Einrichtungen für Audio/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik ein. Insbesondere auf den sicherheitsrelevanten Teil der Geräteeingangssteckvorrichtung. Hier gab es in den letzten Jahren (Jahrzehnten) Verschärfungen, die aber in der Praxis noch zu wenig bekannt sind. Der zweite Teil beschäftigt sich damit, was das bedeutet und was die Auswirkungen auf den Alltag der Veranstaltungsbranche sind. Auch stehe ich dort gerne für Antworten auf Fragen und zum Austausch zur Verfügung!■