Das Line Array Processing ArrayCalc von d&b bietet in einem integrierten Workflow eine verbesserte System-Directivity, definierte tonale Balance in der gesamten vertikalen Ebene plus gezielte Pegelverläufe in der Zuschauerfläche – und das mit dem existierenden d&b Lautsprecher- und Amp-Material rein als Software-Download.
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Den Schall gezielt auf die Zonen zu richten, wo sich die Zuhörer befinden, dabei die Anregung von reflektierenden Flächen vermeiden – das war von Anfang an die Herausforderung für die Beschallungstechnik. Bei einer eng begrenzten, überschaubaren Publikumszone ist das meist eine einfache Aufgabe. Die Regel sind aber eher ausgedehnte Zuhörerflächen und größere Distanzen zwischen Lautsprecher und Zuhörer: da möchte man vorne so gut hören wie hinten, und auch nicht mit der Platzwahl sozusagen ein individuelles „Sound-Preset“ mitliefern. Nach den mehr oder weniger gut funktionierenden Hornsystemen und danach der (nicht immer, aber oft eher weniger erfolgreichen) Arrangierung dieser Lautsprecher zu Clustern, die auf einzelne Hörerzonen ausgerichtet sind, versprachen die Zeilenlautsprecher und Line-Arrays eine deutlich verbesserte Beschallungssituation: Bei meist fester horizontaler Coverage sind sie vertikal individuell skalierbar und lassen sich prima an die Zone anpassen, die von der Lautsprecherposition aus erreicht werden soll. Bei einer technisch gelungenen akustischen Kopplung bis in den Hochtonbereich entsteht zudem eine gewisse Reichweitenerhöhung durch einen reduzierten Pegelabfall in der Raumtiefe.
So weit, so gut. Bis auf den kleinen „Schönheitsfehler“, dass die akustische Interaktion der einzelnen Line-Array-Module vertikal per se erst einmal keine frequenzunabhängig laute Schallabstrahlung erzeugt: In der Raumtiefe kämpft man gegen den Effekt an, dass ein passend auf die Zuhörerzone gecurvtes Line-Array hinten eine etwas andere tonale Balance bietet als in mittlerer Entfernung oder vorne. Auch bei einer vertikalen Ausrichtung eines einzelnen Line-Arrays von den Zuhörern im Parkett hoch in den ersten und zweiten Rang wird man je nach Position jeweils eine andere Klangbalance geboten bekommen. Diese fehlende tonale Balance kann man durch verschiedene Maßnahmen in den Griff zu bekommen versuchen, und richtig „schlecht“ sind die Ergebnisse ja auch nicht. Aber es liegt nahe, hier nach Verbesserungspotential zu suchen.
d&b Line-Array-Lösungssuche für die Praxis
Das R&D von d&b Audiotechnik testete in den vergangenen Jahren die verschiedensten Lösungsansätze, diese tonale Balance bei Line-Arrays besser herstellen zu können. Es liegt ja nahe, hier zusätzlich zum mechanischen Curving durch elektronisches Processing einzugreifen bis hin zum Beam-Steering, indem man Laufzeiten und Amplituden für einzelne Frequenzen und einzelne Lautsprecher individuell verändert. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich, dass alle Line-Array-Module auch einzeln individuell angesteuert und verstärkt werden und das Processing zur Verfügung steht, was mit d&b’s neuen Amp-Plattformen ab dem D80 der Fall ist. In Zeiten von mittlerweile vielen Beam-Steering-Lösungen klingt die Umsetzung eines solchen Konzeptes erst einmal einfach, auf den zweiten Blick waren aber doch etliche Hürden zu nehmen. So soll natürlich das insgesamt erzeugte zusätzliche Delay möglichst niedrig sein. Dann wäre die Frage, welche zusätzliche Investition auf Anwenderseite nötig ist, darunter ist auch ein womöglicher Zusatzaufwand durch spezialisiertes Fachpersonal zu zählen, um vor Ort eine Inbetriebnahme hinzubekommen. Und schließlich – sollte so ein Line-Array nicht nur messtechnisch brillieren, sondern auch „klingen“.
Bereits der letzte Punkt bereitete einige Kopfschmerzen: Man konnte zwar ein Line-Array elektronisch schön in die gewünschte Abstrahlung „verbiegen“, aber die Klangresultate begeisterten das d&b-Team nicht besonders. Man erinnerte sich dann daran, dass in der Physik heftige Sprünge oft mit unerwünschten Artefakten verbunden sind und forschte mehr in Richtung eines gemäßigteren Processings mit weicheren Übergängen. Ab einer bestimmten Frequenz abwärts, wo nicht mehr jeweils einzelne Line-Array-Module auf separate Hörflächen strahlen, werden gar keine Amplitudenmanipulationen mehr vorgenommen. Eine so entstandene Kombination aus IIR- und FIR-Filtern wurde nun als genehmer empfunden und die Laufzeit des Line-Array-Processings bleibt zudem auf niedrigen 5,9 ms. Eine weitere Rahmenbedingung: Die Schallabstrahlung hält man immer innerhalb der durch die Line-Array-Mechanik definierten Raumzonen, nimmt also kein Beam-Steering vor, in dem sich der Beam vom Line-Array-Curving löst.
Berechnet wird dabei jetzt eine enorme Datenmenge: Das d&b ArrayCalc ArrayProcessing berücksichtigt für einen einzelnen „Messpunkt“ in der Raumtiefe für jedes einzelne Line-Array-Modul 24 Frequenzen in zehn Oktaven. Berücksichtigt werden dabei auch die Interaktionen zwischen den Lautsprechern, wo sich Resonanzverschiebungen ergeben können. Das macht also pro Line-Array-Lautsprecher 240 Messungen, und das jetzt für eine irre Menge an Messpunkten im Abstand von nur 20 cm in der Raumtiefe. Für ein typisches Line-Array in einem anzunehmenden Raum landete man dadurch erst einmal bei Rechenzeiten von einer Dreiviertelstunde, was nicht richtig praktikabel ist. Ein bedauernswerter Mathematiker wurde daher beauftrag, die Rechenalgorithmen zu optimieren, mit dem erfreulichen Ergebnis, dass nun eine Neuberechnung in wenigen Sekunden erfolgt.
d&b ArrayProcessing im ArrayCalc
Der bisherige Workflow einer Line-Array-Planung sieht bei d&b so aus, dass im ArrayCalc (unter Windows und OS X lauffähige Applikationen) die dreidimensionalen Raumdaten eingegeben werden, die Lautsprecher gruppiert und gewinkelt werden, um eine gute Pegelverteilung für das 2/4-kHz-Band zu erreichen und man noch Filter wie zur HF-Absorption eingibt. ArrayCalc berechnet dann auch die mechanischen Parameter und erzeugt ein File, das via der zweiten Software R1 in die Amps geladen wird.
In diese Arbeitsweise ist das ArrayProcessing nun für die Serien J, V und Y schlüssig integriert und wird durch einige wenige Bedienelemente sichtbar. Anfangs wird eine ausgewählte Hörerfläche in ihrer Tiefe in drei rot/grün/blau markierte Zonen (vorne, mittig, hinten) variabler Länge aufgeteilt. Für diese drei Zonen ist der gewünschte Pegelabfall definierbar: Beispielsweise vorne relativ laut, einen mittigen Raumbereich mit leichtem Pegelabfall sowie einem rückwärtigen Platz mit deutlich leiserer Beschallung. Bei einer Konferenz wird man dagegen vermutlich einen viel gleichmäßigeren Pegelverlauf anstreben. Es ist auch möglich, einen mittleren Bereich zu dämpfen. Ein richtiges Trennen auf zwei Beams ist bisher in der Bedienoberfläche zwar in Arbeit, aktuell aber noch nicht umgesetzt. Nun ist eine Grundsatzfrage zu entscheiden: Möchte man für diesen geplanten Pegelverlauf in der Raumtiefe eine möglichst perfekte tonale Balance, oder nimmt man ein paar Kompromisse in Kauf, und holt etwas mehr Headroom aus dem Line-Array? Mit einem Griff zum Schieberegler kann man sich hier zwischen den Extremen „Power“ und „Glory“ einordnen. Ein Farbbalken klärt dabei darüber auf, wie gut die jeweilige Kombination aus Hörerfläche, Anzahl und Typ der Lautsprecher und gewünschtem „Perfektionsgrad“ technisch machbar ist oder ob man so eine extreme Vorstellung eingegeben hat, dass erst Grundvoraussetzungen (wie Anzahl der Line-Array-Module) geändert werden müssen.
Nach dem Klick auf den Processing-Knopf zeigt ArrayCalc die Frequenzgänge (und über ihren senkrechten Versatz natürlich den zu erwartenden Pegelabfall) innerhalb der drei Raumtiefen. Die Einstellung wird in einem von zehn Speicher-Slots und im neuen d&b Projektformat dbac2 gespeichert, das per R1 in die Amps geladen wird. Als Ergebnis sollten nun alle Line-Arrays eines Projektes – auch wenn sie aus verschiedenen d&b-Produktlinien stammen – an allen Raumpunkten als Direktschall den „d&b reference response“ abstrahlen, also einen d&b-typischen Referenz-Frequenzgang, der natürlich innerhalb des Planungs-Workflows noch mit eigenen EQs überlagert werden kann. Auch die Kompensation für die Temperatur-/Feuchtigkeits-abhängige Hochton-Absorption ist bereits eingerechnet. Abgesehen vom Vorteil, an möglichst allen Raumpunkten den gleichen Zielfrequenzgang zu erhalten und dennoch individuelle Pegelverläufe vorgeben zu können, erleichtert dies natürlich das Tuning gemischter Setups enorm.
Voraussetzung ist neben den d&b-Serien J, V und Y das Vorhandensein ausreichend vieler, via OCA vernetzter Verstärker der neuen d&b-Generation. Und die verwendeten Lautsprechermengen müssen den gewünschten Headroom, den ArrayCalc eh immer für verschiedene Signale anzeigt, auch leisten können. Einer gerade so laufende Spar-Minimalkonfiguration kann man nicht auch noch zusätzliche eine tonale Korrektur abverlangen, komplett im Grenzbereich laufende Systeme haben dafür dann keinen Spielraum mehr. Kompensiert wird diese möglicherweise als Mehraufwand gesehene Prämisse (d&b schätzt für viele Anwendungen ein Investitionsplus von 10-15%) dadurch, dass nach den bisherigen Erfahrungen andererseits manchmal sogar Delay-Lines eingespart werden können, weil man mehr Raumbereiche mit einem homogeneren Klangbild aus einem Line-Array erreicht. Ein Line-Array mit zwei unterschiedlichen Signalen anzusteuern (eine seltenere, aber vorkommende Situation), kann man sich natürlich abschminken. Eine weitere Ansage von d&b ist, die Raumdaten und Line-Array-Winkel wirklich mit modernen Hilfsmitteln sehr akkurat zu vermessen, mit über den Daumen gepeilten Werten macht das Processing wenig Sinn. Aus dem gleichen Grund werden ab einem bestimmten Punkt im ArrayCalc auch Parameter deaktiviert, um nicht für eine berechnete Situation nachträglich versehentlich die mechanischen Voraussetzungen zu ändern. Durchaus vorstellbar ist aber, während einer laufenden Veranstaltung noch Änderungen an den Zielvorstellungen vorzunehmen, das Umschalten auf ein neues in die Amps geladenes Processing dauert ein, zwei Sekunden (sollte also nicht unbedingt mitten im Song erfolgen …).
Voraussetzungen ArrayCalc d&b Line Array Processing: schon alles da
Gehört haben wir verschiedenste Setups in der 15.000 Zuschauer fassenden SAP Arena. Die Resultate einer „normalen“ Berechnung der Arrays ist natürlich nicht wirklich schlecht, aber mit dem neuen Array Processing – das man im Design-Prozess aktivieren und nutzen kann, aber nicht muss – macht die Wiedergabe doch in vielen Zonen einer Array-Abdeckung einen guten Schritt nach vorne. Neben der sehr gleichmäßigen tonalen Balance über ganz weite Strecken (und eben nicht nur am FoH …) lassen sich gezielte Pegelabfälle definiert erzeugen, ohne dass der Sound auseinander fällt, und auch die Kombination mehrerer Lautsprecher-Serien gelingt gut. Da wird man dann auch schon einmal auf ein J als Fill – nur damit es „gleich“ klingt –verzichten können, und kann auf ein kleineres Modell wechseln. Gilt es, strenge Pegelbeschränkungen – gemessen am lautesten Punkt – einzuhalten, hilft das Array Processing sicher auch, nicht zu viel von diesem Pegel über die Entfernung zu „verlieren“. Super gelungen ist auch die Integration in den bisherigen Workflow, für die Nutzung des Processings in ArrayCalc braucht man definitiv nicht auch noch einen d&b-Supporter, nur damit das System auch korrekt läuft; und das, obwohl eine enorme Datenmenge und Detailtreue im System-Design verarbeitet wird.
Eingeflossen sind in das Processing bereits die Erfahrungen etlicher Großveranstaltungen, beispielsweise beim PUR-Event in der Schalke Arena, Teenager Cancer Trust in der Royal Albert Hall (mit extrem kurzer Aufbauzeit) oder beim Wacken Open Air.
Verfügbar ist das ArrayCalc Processing für d&b User ab sofort via kostenlosem Download in Form der neusten Array-Calc-Version V8.
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