Eine Festlegung auf „das Format der Zukunft“ steht weiter aus – wenn sie denn überhaupt je gefällt wird. Im Vergleichslabor von Panasonic wird hilfreich deutlich, welcher Qualitätsstandard heute real mit den verfügbaren Technologien möglich ist.
Welches System wird es denn jetzt? Das ist im Pro-AV-Markt die allgegenwärtige Frage, wenn es um die Zukunft von Video over IP geht. Auch Production Partner hat kontinuierlich über diese Entwicklungen berichtet. Eine Transformation in Richtung IP-netzwerkbasierter Übertragung von Videosignalen steht an, das ist mittlerweile kaum umstritten. Nicht nur die notwendige Netzwerkhardware ist erschwinglicher geworden. Auch einsatzbereite Übertragungstrecken sind, teilweise seit mehreren Jahren, am Markt verfügbar. Der Preisunterschied der IP-basierten Signalwandler ist bei manchen Geräten gegenüber etablierten Punkt-zu-Punkt-Lösungen – um z.B. HDMI zu Glas und zurückzuwandeln – nicht mehr groß.
Die entscheidende Frage bleibt jedoch, auf welchen der verfügbaren Standards man am besten setzen sollte? Schließlich geht es für viele Anwender dabei um eine Richtungsentscheidung, die Investitionen über mehrere Jahre prägt.
Dabei ist die Basis für alle Systeme scheinbar identisch: ein leistungsfähiges IP-Netzwerk. Aber auch hier sind je nach Übertragungsstandard die Anforderungen erstaunlich unterschiedlich. Sowohl bezüglich der Protokolle als auch der notwendigen Bandbreiten für ein bestimmtes Signal gehen die Vorgaben der verschiedenen Systeme deutlich auseinander. Diese Anforderungen sind also beim Design und der Dimensionierung des Netzwerks oder Auswahl von z.B. Switchen entscheidend.
Die Hersteller bewerben ihr jeweiliges System naturgemäß als überlegen. Auf Fachmessen werden zwar alle Lösungen demonstriert – eine echte und faire Gegenüberstellung ist dabei aber nicht zu erwarten. Die Praxiserfahrungen durch reale Installationen wachsen zwar an. Trotzdem will kaum jemand eine Prognose abgeben, welcher Standard sich dauerhaft durchsetzen wird.
Mit dieser Frage war auch das Team der Panasonic Connect Europe GmbH konfrontiert. Als Videoprojektor-Hersteller im Pro-AV-Markt hat Panasonic natürlich Interesse, ein möglichst breites Spektrum an Systemen und Schnittstellen für Anwender komfortabel zu integrieren. Um Antworten zu finden, baute das Team am Hauptsitz in Wiesbaden daher eine konsequentes Test-Setup auf.
Das Ziel des dauerhaften Setups: Ein Direktvergleich verschiedener IP-basierter Übertragungssysteme mit einer klassischen Direktverbindung. Damit lassen sich schonungslos Latenz, Bildqualität und Bandbreite gegenüberstellen.
Neben dem eigenen Nutzen der Erkenntnisse sollte damit aber vor allem eine Erfahrungs-Chance für interessierte Kunden geschaffen werden. Für die meisten Anwender ist es weder finanziell noch personell eine Option, von jedem System ein Gerät zu kaufen, alles zu konfigurieren und nebeneinander aufzubauen – nur, um neue Einsichten zu gewinnen. Genau dieser Aufgabe eines Direktvergleichs hat sich ein Team um Marco Schulz sechs Monate lang gewidmet. René Rabe, Application Specialist und Support Engineer für den Visual-Bereich, betreut das Ergebnis und führt inzwischen jede Woche Interessierte durch das „Labor“.
Das Setup kann sich sehen lassen. Auf eine Gerriets Full White sind nebeneinander drei 3-Chip-DLP-Videoprojektoren ausgerichtet. Verglichen werden können die direkte HDMI-Verbindung von Zuspieler zu Projektor, NDI, SDVoE, IPMX (JPEG-XS) und IPMX (Colibri).
Um die Anzeige der Signale nicht zu verfälschen, sind alle Geräte kameragestützt kalibriert. Dafür kam das ET-CUK10-Modul für Panasonics Geometry Manager zum Einsatz. Darüber wurden Farbe, Helligkeit und Schwarzwert angeglichen. Als Zuspielsystem fiel die Wahl auf einen Pixera-Server von AV Stumpfl. Das Herz des zugrunde liegenden 10-Gigabit-Netzwerks besteht aus einem Netgear M4300-24XF aus der AV-Serie des Herstellers. Der Pixera-Medienserver gibt auf drei Ausgängen synchron ein Testvideo aus.
Zwei der Ausgänge werden von DisplayPort auf HDMI gewandelt und gehen dann direkt in die Eingänge zweier Projektoren. Diese beiden konventionellen Verbindungen sind die Referenz und somit das Maß der Dinge im Vergleichssetup.
Der dritte Ausgang ist mit einem HDMI-Verteilverstärker (Extron DA HD 4K Plus) verbunden. Von dort aus geht das Signal auf die verschiedenen IP-basierten Signalwandler. Mittels einer Crestron-Steuerung kann man nun zwischen den verschiedenen Signalarten wechseln. Dafür werden die Inputs der Projektoren umgeschaltet.
Die verschiedenen Sender erhalten ihr Signal vom HDMI-Verteilverstärker. Für den Empfang hat Panasonic, wo vorhanden, auf SDM (Smart Display Modules) gesetzt. Seit der letzten Gerätegeneration findet sich die von Intel entwickelte Technik in professionellen Projektoren des Herstellers. In einen Steckplatz können Module von Fremdherstellern platziert werden, um Signalformate „nachzurüsten“.
Das 4K/50Hz-Testvideo hat es in sich. Es wurde von René Raabe selbst hergestellt, um möglichst unterschiedliche Szenarien in ihren anspruchsvollsten Ausprägungen abzudecken. Hochauflösende, farbintensive Drohnenaufnahmen aus Japan, Architektur oder Motive mit Farbverläufen sind ebenso zu sehen wie filigrane 3D-Drahtgitter-Renderings, Excel-Tabellen und Testmuster. Letztere sind schonungslos ehrlich und zeigen am deutlichsten die Unzulänglichkeiten bei der Komprimierung bestimmter Formate.
Vor Ort können Interessierte selbst Erkenntnisse sammeln. Sehr schnell lässt sich die Latenz beurteilen. Klarer Verlierer dabei ist NDI. Die Verzögerung gegenüber allen anderen Formaten ist mit bloßem Auge erkennbar. Ein Foto oder eine Slow-Motion-Aufnahme mit dem Smartphone bestätigt einen Versatz von etwa sieben Frames. Was die anderen Kandidaten auf der Teststrecke betrifft ist das verblüffende Ergebnis, dass hier kein sichtbar erkennbarer Unterschied zur nativen DisplayPort / HDMI-Verbindung existiert. Nur in der Zeitlupenaufnahme ist ein minimaler Versatz der IPMX-Systeme zu sehen. Mit SDVoE ist selbst in 240-fps-Zeitlupe kein Unterschied zur Direktverbindung erkennbar.
Die Bildqualität lässt sich weitaus schwieriger beurteilen. In „normalen“ Sequenzen mit Videoaufnahmen ist auf den ersten Blick kein Unterschied erkennbar. Die visuellen Fallstricke des Testvideos legen aber Probleme von verlustbehafteter Übertragung offen. Auch hier zeigt NDI am stärksten Kompressionsartefakte und Color Banding. Bereits bei feineren Strukturen in den Videoaufnahmen und Animationen sind sie zu erkennen, das 3D-Drahtgittermodell flackert an den Linien. Sanfte Farbverläufe im Himmel zeigen Banding-Effekte. Das alles setzen hingegen SDVoE und IPMX mit beiden Codecs weitestgehend gut bis sehr gut um.
Geht es an die Testmuster mit Buchstaben, werden aber auch bei diesen Kandidaten Unterschiede deutlich. Bei IPMX mit JPEG-XS gibt es Bilder nur dann vollständig frei von Artefakten, wenn man dem System genügend Bandbreite gönnt. Das Colibri-System liefert hingegen durchweg saubere Bilder. „Irgendetwas machen die richtig“, denkt man sich beim Betrachten. SDVoE schwächelt leider in einigen Testmustern und scheitert teils an zu feinen Strukturen.
Besonders interessant wird es, ordnet man diese Erkenntnisse gemeinsam mit den Anforderungen an die Bandbreite in ein Gesamtbild ein. NDI ist dabei besonders sparsam. Laut Spezifikation bleibt ein 4K-Datenstrom selbst mit 60 Hz etwa bei 200 Mbit/s. Damit ist es das einzige Format, das sich sicher noch innerhalb eines 1G-Netzwerks betreiben lässt.
Bei beiden Codecs der IPMX-Systeme lässt sich innerhalb bestimmter Grenzen die Zielbandbreite frei definieren. Mit ca. 800 Mbit/s in der gewählten Standard-Einstellung ist IPMX mit Colibri dabei am genügsamsten und theoretisch innerhalb einer 1G-Umgebung nutzbar. René Raabe empfiehlt trotzdem, den Datenstrom nicht auf ein 1G-Netzwerk loszulassen und zumindest auf 2,5 Gbit/s zu setzen.
IPMX mit JPEG-XS fordert in der gezeigten Standard-Einstellung etwa 2,5 Gbit/s. Das ist vor allem erstaunlich, da es teilweise schlechtere Kompressionsergebnisse als Colibri liefert. Am hungrigsten bleibt SDVoE mit ca. 9,5 Gbit/s dauerhaften Datenstroms für das 4K-Signal. Damit kann über einen 10 G-Port nur ein einziges Bildsignal übertragen werden.
Bei SDVoE lässt sich die Bandbreite nicht über Kompression, sondern nur über die Wahl verschiedener Formate, Framerates und Farbunterabtastungen steuern.
Was sind also die Erkenntnisse des Teams? Für René Rabe ist es zunächst einmal die Überraschung, wie latenzarm und qualitativ hochwertig IPMX mit Colibri arbeitet, obwohl das System vergleichsweise moderate Bandbreitenanforderungen stellt. Interessant ist auch, dass sich bei der Erhöhung der Bandbreite der IPMX-Systeme die Qualität zumindest beim verwendeten Testvideo nicht sichtbar erhöht. Die Erfahrung der bisherigen Präsentationen zeigt aber im Gesamtbild, dass – obwohl alle Gäste dasselbe Setup zu sehen bekommen – oft sehr unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Je nach Anwendungszweck wird die Gewichtung von Latenz, Qualität und Bandbreite anders beurteilt. Dazu kommen individuelle Kriterien wie Budget, Geräteauswahl oder die bereits vorhandenen eigenen Bedingungen. So unterschiedlich also die Einsatzbereiche, so unterschiedlich die individuellen Bewertungen.
Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass viele Details erst auf der großen Fläche sichtbar werden. Das war sowohl für Panasonic als auch für viele Gäste eine Überraschung. Selbst auf großen Monitoren bleibt vieles unsichtbar, was in einer Projektion nicht mehr zu übersehen ist.
Bei den Ergebnissen des Tests überrascht es, dass bisher kaum Geräte mit der Kombination IPMX und Colibri am Markt verfügbar sind. Aber auch weitere JPEG-XS-basierte Geräte lassen im Moment noch auf sich warten. Lediglich Matrox ist hier bereits mit der ConvertIP-Serie am Start. Bei NDI, aber auch SDVoE bietet bereits seit mehreren Jahren eine Fülle von Herstellern Lösungen an. Alte Vorurteile gegenüber netzwerkbasierten Systemen – langsam, qualitativ minderwertig, unzuverlässig – können die gezeigten Systeme weitgehend ausräumen. Voraussetzung ist immer ein gut eingerichtetes Netzwerk, das die Bedingungen für den Datenverkehr schafft.
Am Ende bleibt ein Eingeständnis: „Das“ System und „die“ Empfehlung gibt es scheinbar weiterhin nicht. Aber vielleicht muss es das auch gar nicht: Die Vielfalt am Markt kann auch helfen, für die individuellen Anforderungen eines Projekts die optimale Lösung zu finden.
Panasonic möchte bei seinen Projektoren der Fülle an Formaten damit begegnen, in Zukunft weiter auf SDM zu setzen. Damit können heute angeschaffte Geräte auch in einigen Jahren mit einem finanziell überschaubaren Aufwand umgerüstet werden, um kompatibel mit neuen Versionen von Formaten zu bleiben. Als nächstes hofft René Raabe auf erste SDM, die SMPTE ST2110 umsetzen. Damit soll in Zukunft auch das vor Ort installierte Kairos-System mit in das Test-Setup eingebunden werden. Denn obwohl SMPTE ST 2110 eher auf ein Broadcast-Umfeld abzielt, ist es, wie traditionell SDI, je nach Anwendung auch für Pro-AV-Installationen interessant.
Es empfiehlt sich auf jeden Fall die Chance zu nutzen und sich in Wiesbaden selbst ein Bild zu machen (Kontakt: René Raabe, rene.raabe@eu.panasonic.com). Panasonic hat auch ein mobiles Testkit zusammengestellt, um bei Kunden vor Ort Demos anzubieten. Das Setup soll sich, wie der gesamte Markt, weiterentwickeln. Die Aussichten machen definitiv neugierig: NDI 6 ist angekündigt, die Integrated Systems Europe 2024 steht vor der Tür – dem Team von Panasonic wird nicht langweilig werden. Überraschungsmomente wird es mit Sicherheit auch in Zukunft weiterhin geben.