ETC Augment3d: Kleine Revolution im Lichtworkflow?
von Stefan Junker,
Die Verschmelzung von physischer und virtueller Realität ist heutzutage bereits aus vielen Bereichen des (technischen) Lebens nicht mehr wegzudenken und mittlerweile weit mehr, als japanische Monster mit dem Handy zu erlegen. Mit der neuen Software „Augment3d“ des amerikanischen Herstellers ETC kommt nun ein Teil der faszinierenden Möglichkeiten auch im Bereich der Visualisierung und Programmierung von Movinglights zur Anwendung.
Es war ein langer Weg von den ersten bewegten Bildern und deren „künstlichen Abbildungen“ der Realität bis hin zu den heutigen Abbildungen einer „künstlichen Realität“ im Bereich Virtual und Augmented Reality. Vor allem durch Computerspiele entstanden zu Beginn der 80er Jahre verstärkt virtuelle Welten, auch wenn hier aufgrund mangelnder Grafikleistungen noch lange nicht von „Realität“ die Rede sein konnte. Filme wie „Terminator 2“ oder „Jurassic Park“ gaben aber bald einen eindrucksvollen Vorgeschmack auf das technisch Mögliche. Binnen kürzester Zeit konnte man sich in gewissem Umfang in virtuellen Welten frei bewegen – nicht nur per Joystick oder Controller, sondern letztlich auch mittels VR-Brille dreidimensional im virtuellen Raum.
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Mit Augmented Reality als aktueller „State of the Art-Technologie“ versucht man sich nun an einer Verschmelzung von künstlicher und realer Welt und ermöglicht so, virtuelle Monster in den Straßen der eigenen Stadt zu jagen, die aktuelle Route eines Navigationssystems in Echtzeit auf dem Kamerabild der Straße zu sehen oder Medizinern einen „Röntgenblick“ bei schwierigen Operationen zu ermöglichen …
Mit der Software „Augment3d“ hält diese faszinierende Technik nun auch Einzug in die Welt der Beleuchtung und Programmierung – wie die Schreibweise des Namens bereits andeutet, ist sie ein Hybrid aus CAD-, 3D-Visualisierungs- und Augmented-Reality-Programmiertool.
Das Tool ist Teil des für Herbst/Winter diesen Jahres geplanten, kostenfreien Software-Updates EOS 3.0 für alle neueren ETC-Konsolen mit Display-Port wie beispielsweise EOS Ti, Gio oder Ion XE. Alternativ lässt sich die Software auch auf Mac- oder Windows-Rechnern installieren und extern nutzen, für Remote und Augmented-Reality-Anwendung sind Apps für iOS und Android verfügbar.
CAD-Anwendung und Visualisierung
„Augment3d“ erhebt als Programmiertool keinen Anspruch darauf, ein vollwertiges CAD-Programm zu sein. Zwingend notwendig zur Visualisierung ist lediglich ein Boden, einige Wände sind ratsam, der gesamte Rest ist aber optional. Eine solch einfache Umgebung ist über die integrierte Library mit grundlegenden Objekten wie geometrischen Formen, Mobiliar, Personen oder Traversen sowie einfachen Editierungsmöglichkeiten wie Verschieben, Rotieren oder Skalieren problemlos modellierbar – man sollte jedoch bedenken, dass Nutzen und Potential der Software direkt proportional mit der Detailverliebtheit des 3D-Raumes steigt.
Daher lassen sich – wie auch bei der Visualisierungssoftware anderer Hersteller – komplexe 3D-Modelle und Umgebungen durch eine extrem umfangreiche und vielfältige Importfunktion in nahezu allen gängigen Formaten einlesen und integrieren. Dies ermöglicht anschließend in einem exakt modellierten Raum mit diversen 3D-Objekten, diese direkt anzuklicken, um die gewählten Scheinwerfer darauf auszurichten und als Position in der Konsole abzuspeichern, was eine enorme Zeitersparnis bei der Programmierung bedeutet.
Die Orientierung und Bewegung im dreidimensionalen, virtuellen Raum erfolgt dabei sehr einfach und praktikabel über die Tasten „WASD“ sowie die Maus – ehemalige oder auch aktive Gamer werden sich hier sehr schnell und leicht zurechtfinden.
Die benötigten Scheinwerfer werden entweder in „Augment3d“ direkt eingefügt oder aber in der Konsole gepatcht. Diese erscheinen dann allerdings erst nach Eingabe von XYZ-Positionsdaten im Visualizer – eine gute Möglichkeit, nicht benötigte Scheinwerfer zwar im Showfile patchen zu können, diese aber Ressourcen schonend nicht in der Visualisierung darstellen zu lassen. Zukünftig ist hier auch ein Plug-in für Vectorworks geplant, um nicht nur 3D-Modelle, sondern auch die dort hinterlegten Scheinwerfer direkt in Pult-Patch und „Augment3d“ übernehmen zu können.
Wer die Positionsdaten seiner Scheinwerfer nicht kennt oder wenn die realen Bedingungen des Aufbaus stark von der Papierversion abweichen, bietet „Augment3d“ die Möglichkeit, diese Daten über das Referenzieren auf mindestens vier zu fokussierende Positionsmarker errechnen zu lassen. Allerdings muss dies mit allen benötigten Scheinwerfern händisch ausgeführt werden – eine Automatisierung über Sensoren ist hier (aktuell) leider noch nicht vorhanden.
„Augment3d“ bietet ein paar Besonderheiten und Details bei der Visualisierung, die das Leben von Programmierer und Operator einfacher machen. Hierzu zählen die sogenannten „Stick-Beams“ – eine einfache Strich-Darstellung der Beamrichtung. Dies spart zum einen Ressourcen beim Rendering und bietet somit latenzfreie Visualisierung auch auf „kleinen“ Rechnern. Andererseits ermöglicht dies aber auch Korrekturen der Scheinwerfer ohne physischen Output, da diese „Sticks“ auch bei eingezogenen Intensitäten dargestellt werden.
Weiterhin bieten die optional einblendbaren „Fixture-Tags“ einen deutlichen Mehrwert, wenn es um das Erkennen und Zuordnen der Scheinwerfer im Lichtbild geht. Hier zeigt die Visualisierung die Fixture-ID nicht nur am Scheinwerfer, sondern auch im Projektionskreis auf der Bühne an – eine praktikable Möglichkeit also, die betreffende Leuchte zu identifizieren, auszuwählen und nach Bedarf abzuändern.
Last but not least können sogenannte „Fixture-Anchors“, also Fangpunkte am „Beam-Ende“, dazu verwendet werden, die Ausrichtung von Scheinwerfern extrem schnell zu verändern – ohne das Movinglight vorher selektieren zu müssen.
Augmented Reality: Der Trumpf von Augment3d
Bis hierher bietet „Augment3d“ noch nichts bahnbrechend Neues, ein direkter Vergleich mit der Konkurrenz wäre an dieser Stelle – wenn überhaupt – nur nach Punkten gewonnen, auf keinen Fall mit einem technischen Knockout. Im Gegensatz zu anderen, gängigen Visualizern beginnt der interessante Teil von „Augment3d“ aber genau da, wo die Konkurrenz oftmals bereits Geschichte ist: auf der Veranstaltung selbst. Hier spielt „Augment3d“ mit der Integration von Augmented Reality seine Trümpfe aus und bietet bisher ungeahnte Möglichkeiten der Programmierung!
»Der interessante Teil von Augment3d beginnt genau da, wo die Konkurrenz oftmals bereits Geschichte ist: auf der Veranstaltung selbst.«
Stefan Junker über das Potential von Augment3d
Die Verknüpfung von realer und virtueller Welt erfolgt über einen oder mehrere Marker, die in der CAD-Umgebung als Symbole, in der realen Welt als physischer Papier-Ausdruck an zuvor definierten Stellen abgelegt und anschließend bei geöffneter Remote-App mit dem Smartphone gescannt werden. Dank der umfangreichen Sensorik aktueller mobiler Fernsprechapparate ermöglicht dies die Ermittlung der relativen Position des Handys im 3D-Raum und somit die Verschmelzung des realen Kamerabildes mit den Daten aus der virtuellen 3D-Umgebung.
Dies bedeutet nun folgendes: Der Operator geht mit seinem Handy durch den Veranstaltungsort, richtet die Kamera in das Rigg … und bekommt dort direkt die Fixture-Nummern und/oder DMX-Adressen der anvisierten Scheinwerfer eingeblendet. Diese kann er nun durch Antippen selektieren und mittels Gestensteuerung bearbeiten. Ein Wisch nach oben auf dem Touchscreen erhöht dabei die Intensität, die klassische Zwei-Finger-Geste beeinflusst den Zoom des selektierten Gerätes – ein beeindruckendes und schlicht sehr cooles Arbeiten!
Doch es wird noch besser: Mit der Funktion „Focus-Wand“ wird aus dem Handy nun eine Art Zauberstab – oder weniger theatralisch ausgedrückt: eine Art Laserpointer. Wo auch immer man hinzeigt: die Movinglights fokussieren automatisch die Stelle, an der der imaginäre Laserstrahl die 3D-Umgebung treffen würde – und das gilt auch für Hindernisse! Zeigt man beispielsweise auf eine Säule im Raum, fokussiert der Beam eben diese Säule und nicht die Wand dahinter. Natürlich funktioniert dies nur, wenn die 3D-Umgebung und die Position der Scheinwerfer physikalisch und virtuell sehr exakt übereinstimmen. Alternativ zur „Focus-Wand“ lassen sich mit der selbsterklärenden Funktion „Find Me“ auch alle ausgewählten Scheinwerfer auf das Smartphone ausrichten – bei Bedarf sogar kontinuierlich, was einem Tracking-System schon sehr nahe kommt. Das Einleuchten diverser Positionen auf einer Bühne wird somit zu einem Kinderspiel und einer Sache von nur wenigen Minuten, zumal man für die „Find Me“-Funktion noch nicht einmal bestimmte 3D-Objekte im Raum platzieren muss …
Neben der Anzeige der Fixture-Nummer lassen sich auch in der Augmented Reality die bereits angesprochenen „Fixture Tags“ im Beam anzeigen. Dies ermöglicht ein extrem einfaches Identifizieren von realen Beams und dazugehörigen Scheinwerfern in einer Szene und damit ein erleichtertes Editieren derselben.
Fazit zu ETCs Augment3d
Mit „Augment3d“ schafft ETC eine neue Umgebung, die außerordentlich viel Potential für Wachstum und Weiterentwicklung hat. Eine umfangreiche Importmöglichkeit komplexer 3D-Umgebungen, ein gelungener Visualizer mit praxistauglichen Details, vor allem aber die Integration von Augmented Reality bieten dem Operator bereits in dieser frühen Entwicklungsphase Möglichkeiten, wie man sie bisher auf Konsolen allein nicht hat. Das Abschreiten des Riggs mittels Smartphone-Kamera, die Einblendung von Geräte-Informationen auf dem Display sowie die Selektion und Fokussierung von Scheinwerfern mittels „Focus Wand“- oder „Find Me“-Funktion in der ETC-Remote-App eröffnen völlig neue Möglichkeiten der Programmierung und Editierung von Movinglights.
Allein diese bisherigen Funktionen faszinieren und beeindrucken wohl jeden, der damit zum ersten Mal arbeiten darf. Bleibt abzuwarten, welche weiteren Möglichkeiten hier noch in den nächsten Monaten implementiert werden.