The Story of Hanley Sound

Buch-Review: „The Last Seat in the House“ von John Kane

John Kane hat in einer detailversessenen Fleißarbeit die Geschichte von Hanley Sound nachgezeichnet – und damit nicht nur den Aufstieg des amerikanischen Show-Business, sondern auch manchen Paradigmenwechsel.

Buchcover
The Last Seat in the House – The Story of Hanley Sound (Bild: Detlef Hoepfner)

Urgesteine der Beschallungstechnik – wer fällt einem da nicht alles ein? JBL, Meyer Sound, Altec … was gab es sonst noch auf der Vintage Audio Show zu sehen? Alles fast schon moderner Kram, wenn man einen Blick in den Wälzer von John Kane wirft. Der dreht sich auf über 500 Seiten vordergründig um die Geschichte von Bill Hanley. Kanes Liste (amerikanischer) Audiounternehmen beginnt daher schon im Jahr 1926 mit Swanson Sound, gefolgt von McCune Sound (1932) und Masque Sound (1936).

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In diese erste Generation reiht sich ab 1957 dann auch der 1937 geborene Bill Hanley ein, Namensgeber seiner Firma Hanley Sound. Schnell machte Hanley sich einen Namen als innovativer und mutiger Tontechniker, der mit den im Rückblick einfachen Mitteln seiner Zeit versuchte, insbesondere Großveranstaltungen einigermaßen akzeptabel über die Bühne zu bringen. In Kanes Buch beschriebene Stationen reichen über Beatles-Touren zu Präsidentschaftswahlen und insbesondere Festivals wie Woodstock. Solche großen Menschenansammlungen wurden schon damals, nicht erst 2020, durchaus skeptisch betrachtet: Sicherheitsbedenken waren sicher nicht nur vorgeschoben, weil amerikanischen Verantwortlichen der Inhalt der Shows nicht gefiel. Als noch sehr junges Startup gelang es Hanley, sich gegen die Wettbewerber die Einführungsveranstaltung von Präsident Jonson zu sichern. Spannend zu lesen, unter welchen Bedingungen solch ein von der Welt beobachtetes Event über die Bühne ging.

Liste im Buch
Bis zu dieser Liste dachte man noch, bereits lange in der Branche zu arbeiten … (Bild: Detlef Hoepfner)

Was man heute bereits wieder als zu „gebastelt“ vermeiden würde, war damals Voraussetzung, die schon zu jenen Zeiten von nüchternen Beobachtern wie Hanley als katastrophal empfundenen Beschallungsergebnisse Schritt für Schritt zu verbessern. Hanley war ständig auf der Suche nach innovativen Komponenten. Dabei ging es nicht nur um bessere Verstärker, sondern begann auch bei Ideen, vielleicht mal mit der Standardisierung von Steckverbindern zu beginnen – hallo XLR! Zu den Anekdoten gehört, dass Hanley massenweise Ersatzteile verschiedener Mikrofone einkaufte, um sich daraus ein Modell nach eigenen Festival-Bedürfnissen zusammenzusetzen – bis Shure aufmerksam wurde, was das eigentlich für seltsame Bestellungen waren und selbst tätig wurde.

Jenseits solcher technischer Rückblicke gibt Kanes Buch Einblicke in die Gesellschaft der 60er und 70er Jahre, auch wenn man als Europäer jetzt nicht das allerletzte Detail nachvollziehen kann, warum nun damals wer mit wem und warum … hier steht Kane gelegentlich seine Profession als Historiker ein wenig im Wege – schon aus der Anzahl seiner Zitate, Referenzen und Belege ließe sich ein Buch drucken. Zugegeben, dunkle Jahreszeit hin oder her: In einem Rutsch linear durchzulesen, fällt mir schwer.

Festivalaufnahmen
Festivals waren Hanleys Spezialität –später verlor er mangels Professionalisierung den wirtschaftlichen Anschluss (Bild: Detlef Hoepfner)

Wichtigster Anstoß des Buches ist daher vielleicht die aufkommende Frage: Bill Hanley? Warum haben die meisten von uns heute noch nie etwas von ihm gehört? Von jemandem, der früh begann, Gerüstbauten zu entwickeln und Motorzüge reinzuhängen, der als Pionier Multicores zu FOH-Positionen zog, kraftvolle Kinolautsprecher einsetzte, Bildübertragungen einbezog, überhaupt mal eine Band-Mikrofonierung vornahm? Das Problem: ab den 70ern bekam Hanley zunehmend Konkurrenz. Er war gewohnt, auf gigantischen Events im größten Stil zu arbeiten. Dass man weltbewegende Friedensmärsche beschallte, sich erfolgreich mit den Behörden herumschlug oder arrangiert, hieß jedoch nicht, dass sich automatisch wirtschaftlicher Erfolg einstellte.

Plötzlich tauchten Namen wie die Clair Brothers, Meyer Sound oder Showco auf. Sie agierten wirtschaftlicher, entwickelten auf Basis von Hanleys Erfahrungen effektivere, leichter zu transportierende Lösungen. Plötzlich war nicht mehr Hanley derjenige, der State-of-the-art anbot, vor allem nicht im modularen Gesamtpaket. Die Konkurrenz achtete wohl auch mehr darauf, die Finanzierungen im Auge zu behalten. Isolierter Erfindergeist und Passion reichten jetzt nicht mehr aus, um zu bestehen und die Workflows effektiv zu managen – und vor allem zu skalieren. Das Showgeschäft entwickelte sich zu voller Blüte, aber Bill Hanley schloss seine Firma vor rund 30 Jahren.

Event zur Amtseinführung
Frühe Mega-Events Bill Hanley sicherte sich als Startup 1965 die Amtseinführung von Lyndon B. Johnson (Bild: Detlef Hoepfner)

Das Kapitel „Sound“ ist damit für die Familie aber nicht beendet: Wenn auch in Methuen im Nordosten der USA die Clubs wieder öffnen können, wird man Bill mit seinen Anfang 80 wieder jeden Dienstag im Jocko‘s Jazz treffen. Am Mischer, natürlich.

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