Audio-DSP für PA-Anlagen

Was bringt ein FIR-Filter mit 2048 Taps?

FIR-Filter-Tool
Das System Designer FIR-Filter Tool importiert die Messdaten und berechnet dann nach den Vorgaben des Anwenders die Filter. Die weiße Kurve zeigt das Resultat. Neben den FIR-Filtern können auch noch unterstützende IIR-Filter einbezogen werden (Abb. 19) (Bild: Anselm Goertz)

Die Möglichkeit, bei den Endstufen der Powersoft-T-Serie (Test der Powersoft 602 und 604 hier online) FIR-Filter mit bis zu 2048 Taps pro Kanal zu nutzen, klingt verlockend. Was aber lässt sich damit erreichen?

2048 Taps bedeutet zusammen mit einer Abtastrate von 48 kHz zunächst einmal eine maximale Länge der Filterimpulsantwort von 42,66 ms. Es bedeutet jedoch nicht, dass zwangsläufig auch eine Latenz von 21,33 ms damit einhergeht. Die Regel, dass ein FIR-Filter die Hälfte seiner Filterlänge als Latenz verursacht, trifft nur dann zu, wenn es sich um linearphasige Filter handelt, deren Impulsmaximum in der Mitte der Filterimpulsantwort steht. Für alle anderen FIR-Filter-Varianten gilt, dass die Filterlatenz von der Filterfunktion abhängt. Sie kann im Extremfall zwischen 0 und der maximalen Länge der Filterimpulsantwort liegen.

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Frequenzweichenfunktionen und Entzerrung

Für FIR-Filter gibt es zusammen mit Lautsprechern zwei typische Anwendungen: Zum einen linearphasige Hoch- und Tiefpassfilter für Frequenzweichenfunktionen ohne Phasendrehung. Diese Funktion ist im Powersoft-DSP bereits bei den Hoch- und Tiefpassfunktionen integriert, allerdings mit der Limitierung einer maximalen Filterlänge von 128 Taps, womit Hoch- und Tiefpässe mit einer Eckfrequenz bis zu 400 Hz hinab möglich sind. Tiefere Eckfrequenzen sind mit diesen relativ kurzen Filtern nicht möglich. Die Begründung dafür findet sich im vorab gesagten bei der Filterlatenz, da es sich um linearphasige Filter handelt. Bei einer Filterlänge von 128 Taps beträgt die Latenz 1,33 ms.

Die zweite und wesentlich effektivere Anwendung für FIR-Filter ist eine Kombination aus Lautsprecherentzerrung zusammen mit einer Frequenzweichenfunktion: Das Filter equalisiert den Lautsprecher so, dass der Summenfrequenzgang aus Lautsprecher und Filter einer gewünschten Bandpassfunktion entspricht. Die Basis für die Berechnung eines solchen Filters ist zunächst die Messung der einzelnen Wege eines Lautsprechers. Wichtig ist, dabei auf echte Freifeldbedingungen zu achten, sodass die Messung völlig frei von Reflexionen ist und alle Wege mit der gleichen Position für Lautsprecher und Mikrofon zu messen, um exakte Laufzeit und Phasenbezüge der Wege zueinander zu haben. Was so vielleicht etwas zu theoretisch klingt, ist an einem einfachen Bespiel gut zu erklären.

Lautsoprechermessung
Ausgangsdaten für die Berechnung von FIR-Filtern mit Lautspre- cherentzerrungen sind die Freifeld-Frequenzgangmessungen der Lautsprecher. Als Beispiel eine 2-Wege-Box mit den Frequenzgän- gen von Tieftöner (rot) und Hochtöner (blau, Abb. 18) (Bild: Anselm Goertz)

Wir betrachten dazu eine 12/2-PA-Box für den voll aktiven Betrieb. Abb. 18 zeigt dazu die Frequenzgangmessungen von Hoch- und Tieftöner. Die Messungen erfolgten in 4 m Abstand auf der Mittelachse zwischen Hoch- und Tieftöner im reflexionsarmen Raum. Unterhalb von 100 Hz wurde für den Tieftöner eine Nahfeldmessung ergänzt. Die Trennung der beiden Wege soll bei 1300 Hz erfolgen.

Berechnet haben wir die Filter nun mit dem Four Audio System Designer als externem Filter Tool (da die Powersoft- Armonía-Software aktuell noch kein eigenes Tool zur Berechnung der Custom-FIR-Filter besitzt). Die einzige Voraussetzungen für den Import der Filter in die Armonía-Software als CSV-Datei sind eine maximale Länge von 2048 Taps und 48 kHz Samplerate. Das Filter-Gain wird nach dem Import in der Armonía-Software angezeigt und kann dann bei Bedarf noch korrigiert werden.

Das Filter-Tool erfordert neben der Trennfrequenz noch die Charakteristik der Trennung und die Steilheit der Hoch- und Tiefpässe für die Zielfunktionen. Die Einstellung erfolgte hier auf 1300 Hz mit Linkwitz-Riley-Charakteristik und 48 dB/Oct Steilheit. Für den Hochtöner wurde am oberen Ende des Übertragungsbereiches ergänzend noch ein Tiefpass bei 18 kHz gesetzt. Damit sind für beide Wege die Zielfunktionen definiert. Die Filterberechnung erfolgt danach mit dem Ziel, dass Hoch- und Tieftöner zusammen mit dem jeweiligen FIR-Filter ihren definierten Zielfunktionen möglichst nahe kommen. Dem sind jedoch durch die Filterlänge und Auflösung gewisse Grenzen gesetzt, die sich vor allem bei tiefen Frequenzen bemerkbar machen. Als weitere wichtige Einstellung kann der Anwender genau vorgeben, welche Latenz das FIR-Filter haben soll. Abhängig von diesem Wert versucht der Algorithmus zur Berechnung der FIR-Filter dann, den damit maximal möglichen linearphasigen Verlauf zu erreichen. Man kann damit zwischen der Grenzfrequenz, unterhalb der das Gesamtsystem aus Filter und Lautsprecher nicht mehr perfekt linearphasig ist, und der Latenz des Filters abwägen. Ist die Anwendung kritisch, z. B. bei einem Bühnenmonitor, dann würde man eine kurze Latenz von vielleicht 3 ms vorgeben. Ist der Wert, z. B. für eine große PA, eher unkritisch, dann würde man eventuell auch Latenzen von 10 ms oder mehr zulassen, wobei selbst 10 ms ja auch nur der Laufzeit für eine Distanz von 3,4 Meter entsprechen. Im hier gezeigten Beispiel wurde ein mittlerer Wert von 6 ms Latenz eingestellt entsprechend der Laufzeit für eine Distanz von 2 m. Das Programm berechnet darauf basierend die FIR-Filter für beide Wege. Abb. 19 (oben) zeigt im Filter-Tool die geladenen Messungen, die berechneten Filter und das Gesamtergebnis. Da das FIR-Filter für den Tieftöner noch keine Hochpassfunktion zum Schutz des Treibers im Bassreflexgehäuse enthält und auch noch einige kleine Korrekturen wünschenswert wären, können noch unterstützende IIR-Filter gesetzt werden. Den Unterschied zeigen die beiden Filterkurven in Abb. 19, für den Tieftöner gestrichelt nur für das FIR-Filter und durchgezogen mit zusätzlichen IIR-Filtern. Mit Ausnahme des Hochpassfilters bei 50 Hz sind die Verbesserungen durch die drei zusätzlichen IIR-Bell-Filter eher kosmetischer Art, aber doch schön anzusehen.

FIR-Filter für den Tieftöner
FIR-Filter im CSV-Format importiert die Armonía-Software mit 48 kHz Abtastrate und einer Länge bis zu 2048 Taps. Die Grafik zeigt das FIR-Filter für den Tieftöner zusammen mit einem Hochpass und drei Bell-Filtern, die als IIR-Filter umgesetzt werden (Abb. 20) (Bild: Anselm Goertz)
FIR-Filter für den Hochtonweg
FIR-Filter für den Hochtonweg (Abb. 21) (Bild: Anselm Goertz)

 

Sobald die Berechnungen und Einstellungen für die Filter abgeschlossen sind, können FIR- und IIR-Filter in die Armonía-Software übertragen werden. Abb. 20 und 21 zeigen die finalen Filterkurven für den Tieftöner (blau) und für den Hochtöner (rot). Die anschließende Messung an der Endstufe (Abb. 22) bestätigt die korrekte Umsetzung der Filter. Filter und Lautsprecher zusammen liefern dann ein Ergebnis, wie es in Abb. 23 für die einzelnen Wege und deren Summenfunktion dargestellt ist. Die Amplitudenverläufe können bereits überzeugen, so dass nur noch die Frage nach dem Phasenverlauf des Gesamtsystems bleibt. Den Phasengang der Summenfunktion aus Hoch- und Tieftöner liefert dann abschließend noch Abb. 24. Der linearphasige Verlauf gelingt ab ca. 100 Hz aufwärts. Die kleine Welle im Phasengang bei 200 Hz ist der kurzen Latenz und den zusätzlichen IIR-Filtern geschuldet. Die oberhalb von 10 kHz zu erkennende Phasendrehung wird durch die Endstufe verursacht. Würde man diese mit in die Filterberechnung einbeziehen, dann könnte man die Auswirkungen auch noch entsprechend kompensieren. An diesem einfachen Beispiel ist bereits gut zu erkennen, welche zusätzlichen Möglichkeiten für den Lautsprecherentwickler durch die frei definierbaren FIR-Filter bestehen. 2048 Taps bieten dazu bereits fast alle Möglichkeiten, die man sich wünscht. Und wenn es nicht ganz reicht, dann gibt es immer noch die IIR-Filter zur Unterstützung.

Gemessene Frequenzgänge der beiden Endstufenkanäle für die 2-Wege-Box mit FIR- und IIR-Filtern, HF (blau) und LF (rot). Gestrichelter Verlauf LF nur mit FIR-Filter (Abb. 22)
Das Ergebnis für Hoch- (blau) und Tieftöner (rot) sowie deren Summenfunktion (grün, Abb. 23)
Phasengang der so gefilterten 2-Wege-Box für Hoch- (blau) und Tieftöner (rot) sowie deren Summenfunktion (grün). Die Phasen- drehung am unteren Ende entsteht durch das zusätzliche IIR-Hoch- passfilter. Oberhalb von 10 kHz wird die Phasendrehung durch die Endstufe verursacht. Die Filterlatenz für diese Konstellation beträgt lediglich 6 ms (Abb. 24)

 

 

 

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr schön, allerdings können das die Crown I-Tech HD schon seit 14 Jahren. ja richtig gelesen, seit 2009. Also so etwas mag bei einem Italienisch Hersteller etwas besonderes sei, das bei Anderen seit Jahren zum Standart gehört.

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