Temporäre Bauten sind fester Bestandteil der Veranstaltungstechnik-Branche. Aber wann genau ist ein temporäre Bau ein fliegender Bau? Welche rechtlichen Aspekte müssen berücksichtigt werden? Wer ist verantwortlich für den Bau? Und was sollte man sonst noch zum Thema wissen? Diese Fragen beantwortet unser Grundlagen-Artikel zum Thema Temporäre Bauten (erschienen in Production Partner 12|2018).
Traversenkonstruktionen, PA, Videoequipment und Lichtanlagen werden für den Zeitraum des Jobs aufgebaut und danach wieder demontiert: Lässt man einmal Festinstallationen außen vor, handelt es sich bei technischen Durchführungen von Veranstaltungen fast immer um temporäre, also zeitlich begrenzte, Aufbauten. Temporäre Bauten im engeren Sinne sind aber bauliche Anlagen wie Bühnen, Überdachungen und Tribünen, die üblicherweise nach den Vorschriften für sogenannte „Fliegende Bauten“ aufzustellen und zu betreiben sind: Es gibt also Normen, Regeln und Gesetze, die beim Einsatz solcher Aufbauten berücksichtigt werden müssen.
Fliegende Bauten zeichnen sich dadurch aus, dass sie geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Auch Zelte sowie Belustigungs- und Fahrgeschäfte wie Achterbahnen und Karussells auf Volksfesten zählen zu Fliegenden Bauten, die jedoch bei den weiteren Ausführungen nicht besonders berücksichtigt werden. Den Schwerpunkt dieses Berichtes bilden Bühnenkonstruktionen unterschiedlicher Größe.
Fliegende Bauten
Fliegende Bauten müssen in Deutschland den allgemeinen Anforderungen des Baurechtes nach §3 der Musterbauordnung (MBO) entsprechen: „Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und in Stand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.“ Nach §12 MBO muss „jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein.“ Da das Baurecht in Deutschland der Hoheit der einzelnen Bundesländer unterliegt, findet man die spezifischen Regelungen in den jeweiligen Landesverordnungen für Fliegende Bauten. Auf der Homepage der Bauministerkonferenz erfährt man dazu: „Die Regelungen der Länder beruhen auf der Muster-Bauordnung und den Muster-Vorschriften, insbesondere der Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb Fliegender Bauten und der Muster-Verwaltungsvorschrift über Ausführungsgenehmigungen für Fliegende Bauten und deren Gebrauchsabnahmen. Die Regelungen der Länder sind im Wesentlichen gleich. Unterschiede können sich jedoch einerseits aus der länderspezifischen Umsetzung der Musterbauordnung und der jeweiligen Systematik der Vorschriften der Länder ergeben – also daraus, in welchen Vorschriften Regelungen zu Fliegenden Bauten enthalten sind und welchen Rechtscharakter diese Vorschriften damit haben. Andererseits können Abweichungen aus dem unterschiedlichen Stand der Umsetzung der Muster-Vorschriften resultieren.“
Ein wesentliches Merkmal eines Fliegenden Baus ist das Fehlen einer festen Beziehung der Anlage zu einem Grundstück. Bei einer Standzeit von mehr als drei Monaten ist allerdings zu prüfen, ob es sich nicht um einen stationären Bau handelt, der dann nach baurechtlichen Kriterien zu beurteilen wäre. Das Fehlen der festen Beziehung bedeutet jedoch nicht, dass man einfach irgendwo eine „windige“ Konstruktion aufstellen kann: Ab einer gewissen Höhe oder Fläche benötigt ein fliegender Bau ein individuelles Prüfbuch mit Ausführungsgenehmigung, welches auch Nachweise der Standsicherheit enthält. Aber auch kleinere fliegende Bauten ohne Prüfbuchanforderung, so genannte „verfahrensfreie Fliegende Bauten“ – abhängig von den landesrechtlichen Bestimmungen zum Beispiel Anlagen mit einer Höhe bis zu 5 m, einer Grundfläche bis zu 100 m² und einer Fußbodenhöhe bis zu 1,50 m – müssen nach §12 MBO standsicher ausgeführt werden und den allgemeinen Ansprüchen des §3 MBO entsprechen.
Handelt es sich um eine Konstruktion mit Abmessungen oberhalb der Freistellungsgrenzen, die einmal in Zusammensetzung und Bauweise so geplant ist und immer gleich aufgebaut werden soll, braucht der Betreiber für diese Konstruktion zunächst eine Ausführungsgenehmigung – ähnlich einer „Allgemeinen Betriebserlaubnis“ eines Fahrzeugs für die grundsätzliche Zulassung im Straßenverkehr. Eine Ausführungsgenehmigung darf nur von bauaufsichtlich anerkannten Prüf- und Genehmigungsstellen für eine individuell bestimmte Konstruktion ausgestellt werden. Die dafür vom Ersteller der Konstruktion vorgelegten Statikberechnungen und Nachweise werden durch die Prüfstelle für Fliegende Bauten gegengeprüft. Zusammen mit diesen technischen Zeichnungen, Statikberechnungen und Prüfzertifikaten wird eine Ausführungsgenehmigung Teil des zur individuellen Konstruktion gehörenden Prüfbuches. Dies berechtigt grundsätzlich zur Aufstellung der beschriebenen Konstruktion unter Berücksichtigung der Ausführungsbeschreibung und möglicher Einschränkungen, die als Auflagen und Nebenbestimmungen enthalten sein können. Ausführungsgenehmigungen werden abhängig von der Art des jeweiligen Fliegenden Baus zeitlich befristet auf maximal fünf Jahre erteilt und können auf Antrag verlängert werden.
Bei jedem Einsatz ausführungsgenehmigungspflichtiger Fliegender Bauten ist vor Ort vom Betreiber eine behördliche Gebrauchsabnahme – oft als Bauabnahme bezeichnet – zu beantragen, bei der überprüft wird, ob die Festlegungen der Ausführungsgenehmigung bei Errichtung und Betrieb eingehalten wurden.
Im April 2018 veröffentlichte die Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft (IGVW) den Qualitätsstandard SQP5 „Aufstellung und Betrieb nicht ortsfester Bühnen und Bühnenüberdachungen“. Dieser Qualitätsstandard wurde vom zuständigen Arbeitskreis der IGVW in Abstimmung mit DGUV Sachgebiet „Bühnen und Studios” der VBG sowie dem Arbeitskreis der Sicherheitsingenieure von verschiedenen Rundfunk- und Fernsehanstalten erarbeitet. Dazu schreibt die IGVW: „Ziel der SQ Standards ist es, das erforderliche Qualitätsniveau von Dienstleistungen in der Veranstaltungswirtschaft zu definieren. SQ Standards berücksichtigen die aktuelle Rechtslage und beschreiben auf dieser Grundlage die speziellen Arbeitsverfahren der Branche. Sie enthalten eine Übersicht der anzuwendenden Rechtsnormen und Anforderungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.“ Dazu kommentiert der Europäische Verband der VeranstaltungsCentren (EVVC) als Mitglied des IGVW: „Der SQP5 richtet sich an Unternehmer und Beschäftigte die mit, auf, unter, hinter oder neben Bühnen und Bühnenüberdachungen tätig sind. Der SQP5 erläutert unter anderem die bauaufsichtlichen Anforderungen an Bühnen und Bühnenüberdachungen, gibt praktische Hinweise zur Aufstellung und zum Betrieb, formuliert Empfehlungen zum Verhalten bei Wettereinflüssen und richtet sich insbesondere auch an kleinere, genehmigungs- bzw. verfahrensfreie Bühnen und Bühnenüberdachungen. Der SQP5 ist weder Gesetz, Vorschrift, Verordnung noch Richtlinie. Der SQ P5 dient als Leitfaden für die Umsetzung der rechtlichen Anforderungen sowie den sicheren und effizienten Betrieb von nicht ortsfesten Bühnen und Bühnenüberdachungen in der Veranstaltungswirtschaft.“
Zur Anzeigepflicht fasst der SQP5 zusammen: „Die Aufstellung ausführungsgenehmigungspflichtiger Fliegender Bauten muss der Bauaufsichtsbehörde des Aufstellortes angezeigt werden. Der Inhaber der Ausführungsgenehmigung ist für die Anzeige verantwortlich, er kann die Anzeige selbst vornehmen oder die Pflicht zur Anzeige an einen Dritten, zum Beispiel an Veranstalter oder Auftraggeber, übertragen. Eine Übertragung der Anzeigepflicht ist schriftlich zu vereinbaren. Da die Übertragung der Pflicht zur Anzeige rechtlich nicht geregelt ist, empfiehlt sich diesbezüglich eine vorherige Abstimmung mit der zuständigen gebrauchsabnehmenden Stelle.“ Nach der Verordnung für Fliegende Bauten kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde auch von einer Gebrauchsabnahme vor Ort absehen; Anzeige und das Ergebnis einer Gebrauchsabnahme sind aber in jedem Fall im Prüfbuch einzutragen. Auch zu den genehmigungsfreien Fliegenden Bauten äußert sich der SQ P5: „Die Aufstellung verfahrensfreier Fliegender Bauten ist grundsätzlich nicht anzeigepflichtig. Es wird jedoch empfohlen, mit der zuständigen Ordnungsbehörde oder Koordinierungsstelle für Veranstaltungen Rücksprache zu halten, ob ein behördlicher oder nichtbehördlicher Vorgang oder anderweitige Zustimmungen für Aufstellung und Betrieb erforderlich sind.“
Auch wenn die „typisch deutsche Regulierungswut“ mit ihren Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Normen oft beklagt wird, kann man darin durchaus Vorteile für Ausführende und Beauftragende erkennen, da sie für ein hohes Sicherheitslevel in sicherheitskritischen Bereichen sorgen. Zur Situation im Ausland erklärt Uwe Runtemund, Statiker bei Bühnenanbieter Megaforce: „Klassische Normen auf Europaebene sind üblicherweise in jedem Land identisch und in die jeweilige Landessprache übersetzt. Da man allerdings den Baubereich als Kultur versteht und kulturelle Unterschiede durch europäische Harmonisierung nicht egalisiert werden sollen, darf jedes Land im Bauwesen auch eigene Normen verabschieden – auch wenn ein grundsätzlich ähnliches Basisregelwerk gegeben ist.“
Daher ist es bei Projekten im Ausland notwendig, sich mit den jeweils gültigen Vorschriften vertraut zu machen. Dies gilt auch für Anmeldungs- und Genehmigungsverfahren. Diese sind in Deutschland klar geregelt und für Ausländer oft schwer nachzuvollziehen, warum das so „kompliziert“ ist. Für deutsche Firmen ist das nicht so schwer, da wir in dem System leben und es seit eh und je kennen, dass Fliegende Bauten Teil des Baurechtes sind – was europäisch gesehen nicht einheitlich geregelt ist. Im Ausland können diese auch den Bereichen des Maschinenbaus und der Maschinenrichtlinie zugeordnet sein. Wenn Anbieter aus dem Ausland ein Projekt in Deutschland durchführen möchten, sind sie oft erstaunt, dass TÜV und Baubehörde eine Rolle spielen sollen und alle Unterlagen auf Deutsch vorliegen müssen. Diese Sonderstellung innerhalb des Baurechtes und der damit zusammenhängenden Fremdüberwachung einer Ausführung durch die Baubehörde ist in anderen Ländern nicht immer der Fall.
In Ermangelung einer Verordnung über Fliegende Bauten und deren Ausführungsbestimmungen wie in Deutschland wird im Ausland auf einen „Code of Practice“ wie zum Beispiel dem TDS „Temporary demountable structures“ oder dem „Purple Guide“ zurückgegriffen, die zwar allgemein anerkannt sind aber keinen gesetzlichen Stellenwert haben. Auch außerhalb Europas ist zu schauen ob und welche Regelwerke vorhanden sind. In den USA und Südamerika wird in Bezug auf die Sicherheit völlig der Verantwortung des Betreibers vertraut. Für uns als deutsche Firma hilft bei einer Ausführung im Ausland oft eine Planung nach DIN und den deutschen Vorschriften, da diese auch im Ausland ein hohes Ansehen genießen. Die aktuelle DIN EN 13814 für Fliegende Bauten hat die bisherige DIN 4112 abgelöst, wobei der Bereich Zelte nun in einer eigenen Norm, der DIN EN 13782 erfasst wird. Zurzeit arbeitet ein Arbeitskreis auf europäischer Ebene daran, die Eventstrukturen aus der DIN EN 13814 herauszulösen und dafür eine eigene Norm auf den Weg zu bringen – aber das wird wohl noch einige Jahre dauern.“
Ein temporärer Bau muss standsicher sein und auch dort bleiben, wo er stehen soll. Im Außenbereich ist er den Elementen ausgesetzt, von denen Wind die größte Auswirkung hat. LED-Wände und andere Aufbauten bieten zusätzliche Windangriffsfläche und erzeugen weitere Kräfte, die abgeleitet werden müssen, damit daraus nicht ein „fliegender Bau“ im Wortsinn wird.
Dazu erklärt Uwe Runtemund, Statiker bei Bühnenanbieter Megaforce: „Spezielle Verwaltungsvorschriften ergänzen die Normen für Fliegende Bauten. Dadurch werden Grenzwerte definiert, die einzuhalten sind. In Deutschland gibt es vier regional abgegrenzte Windzonen und darüber hinaus vier Geländekategorien wie zum Beispiel „offenes Land ohne Hindernisse“ oder „Stadtgebiete”. Diese örtlichen Gegebenheiten der vorgesehenen Aufstellfläche sind auch bei einer Planung zu berücksichtigen. Am bekanntesten ist sicherlich, dass bei Windgeschwindigkeiten von 15 Metern pro Sekunde, also Windstärken von 7 bis 8, der Betrieb einzustellen ist und üblicherweise die Seitenverkleidungen herauszunehmen sind um die Konstruktion auch im Sturmfall sicher stehen lassen zu können. Es gibt auch Konstruktionen, bei denen das nicht notwendig ist, aber das ist bei jedem Bauwerk unterschiedlich zu bewerten. Aussagen darüber findet man in dem entsprechenden Prüfbuch.“
Berücksichtigt wird hierbei das Eigengewicht der Konstruktion. Vorteilhaft bei einer überdachten Bühne kann es zum Beispiel sein, wenn das Bühnenpodest konstruktiv mit der Überdachung verbunden ist und als Ballast für den Gesamtbau dient. Hier gelten die Angaben aus dem Prüfbuch. Reicht das Eigengewicht der eigentlichen Konstruktion nicht aus, muss zusätzlich ballastiert werden. Dazu können zusätzliche Gewichte aus Beton, Stahl oder Wassertanks eingesetzt werden. Als Alternative dazu ist es auch möglich den Bau am Boden zu befestigen, wenn das vor Ort möglich ist – hierzu mehr im Teil II des Specials: „Untergrund für Fliegende Bauten“.
Beim Bühnenbau werden als Grundelemente für temporäre Bühnen oft Traversen oder Gerüstbaumaterial oder eine Kombination aus beiden Bereichen verwendet. Großbühnen aus Gerüstbaumaterial werden üblicherweise nicht vom Hersteller, sondern vom jeweiligen Betreiber konstruiert und dem behördlichen Genehmigungsverfahren unterzogen. Für bestimmte wiederkehrende Standardkonfigurationen hat der Gerüstsystemhersteller Layher jedoch bereits für die Kunden Vorarbeit geleistet. Florian Tofahrn, Produktmanager des Bereichs Event Systeme, führt dazu aus: „Seit der bauaufsichtlichen und damit verbindlichen Einführung der DIN EN 13814 „Fliegende Bauten und Anlagen für Veranstaltungsplätze und Vergnügungsparks – Sicherheit“ in Deutschland im Jahr 2012 sind die Staudrücke größer zu bemessen, was im Vergleich zu den bisherigen Bestimmungen nebst einer höheren Belastung der Gesamtkonstruktion folgerichtig zu einer höheren anzubindenden Ballastierung führte. Verbindet man ein Bühnendach formschlüssig mit einer Layher Podestkonstruktion, erschließen sich dem Anwender gleich mehrere Vorteile: Ein beachtenswerter Teil des Ballasts, der ein Verrutschen der Fußpunkte eines Bühnendaches – verursacht durch den Seilzug der Windverbände – verhindern musste, ist nicht mehr notwendig, da die Fußpunkte nun fest miteinander verbunden sind.
Unwegsames Gelände
Bild: eps
Publikumstribünen bei einer Sportveranstaltung – auch Tribünen unterliegen den Vorschriften für Fliegende Bauten
Bild: Layher
Gerüstbühne im Skigebiet wenn die Materialanlieferung nur kleinteilig möglich ist, haben Gerüstsysteme Vorteile
Bild: Florian Tofahrn
Materialtransport wenn es nicht anders geht, wird das Material mit dem Hubschrauber zum Aufstellort geflogen
Das Eigengewicht des zum Einsatz kommenden, aus Stahl gefertigten Allround Modulgerüsts kann zusätzlich gegen den verbleibenden Ballast angerechnet werden, Überbauungen topografischer Unwegsamkeiten lassen sich mit diesem System elegant lösen. Letztlich ist das als Bindeglied zwischen Unterkonstruktion und Bühnenüberdachung entwickelte und mit den meisten Anbietern von Dachsystemen kompatible Universal Base derart gestaltet, dass die Anbindung des Daches auf der Podestebene stattfindet – mit dem Ergebnis, dass man eine optimierte Durchgangshöhe bei den Windverbänden vorfindet.
Ein weiterer, immer wiederkehrender Standard ist ein FoH-Tower, dem Platz für die Technikregie bei einer Open-Air-Veranstaltung. Dazu haben wir zwei Standardkonstruktionen mit einer Grundfläche von 4×4 m und 6×6 m zusammengefasst. Beide Varianten lassen sich in drei Bauhöhen von ein- bis dreistöckig errichten. Weitere Standardpakete, ebenfalls mit Prüfbüchern, bieten wir auch für Tribünen, Podesterie und Tragkonstruktionen für Videowände an.“ Zusätzlich stellt Tofahrn klar: „Oft besteht ein allgemeiner Irrglaube, dass die Aufstellung von genehmigungsfreien Bauten, zum Beispiel Konstruktionen unter fünf Metern Höhe, ungeregelt sei. Dies ist nicht korrekt, denn auch diese müssen §3 MBO entsprechen und eine Standsicherheit nach §12 MBO muss gewährleistet werden. Dies wird zwar aufgrund der nicht notwendigen Anzeigepflicht bei der Aufstellung nicht behördlich überprüft, aber schwierig wird es, wenn es zu einem Schaden kommt. Liegt ein Standsicherheitsnachweis nicht vor, muss der Betreiber nachweisen, dass die Standsicherheit gegeben war – was ohne eine gültige Berechnung schwierig wird. Eine weitere Fehleinschätzung besteht oft darin, dass eine Ausführungsgenehmigung erst notwendig sei, wenn Dachmembran oder Seitenflächen eingezogen werden. Die Genehmigung wird erforderlich sobald die Grenzen der landesrechtlichen Bestimmungen bei einem Einsatz im Freien erreicht werden, die Gesamthöhe, Podestfläche und Podesthöhe betreffen.“
Konstruktion
Bild: Megaforce
Rundbogenbühne die Dachkonstruktion ist mit dem Podest verbunden, zusätzliche Betongewichte dienen als Ballast
Bild: Megaforce
Statiknachweis technische Detailzeichnungen der Helene-Fischer-Bühne
Meinungsbildung: Anschaffung einer Traversenstruktur
Norbert Tripp, Technical Director bei Area Four Industries (Milos, Litec, Tomcat, James Thomas Engineering), gibt Hinweise, wie man sich eine passende Traversenstruktur anschafft: „Am besten unterhält man sich nicht nur mit einem Kaufmann, sondern auch mit einem Ingenieur oder Techniker. Denn nach einer umfassenden Bedarfsanalyse sind an Standardkonstruktionen oftmals Änderungen erforderlich, um zu 100% den eigenen Anforderungen zu entsprechen. Wenn das feststeht, kann man die kaufmännischen Dinge klären. Weiterhin ist wichtig über welche technischen Möglichkeiten der Betrieb zur Aufstellung verfügt – soll mit Kran oder Gabelstapler gearbeitet werden oder steht nur ein Handhubwagen zur Verfügung? Wichtig ist auch, wo die Bühne aufgebaut werden soll. Für regionale Einsätze, zum Beispiel in Süddeutschland, reichen oft Systeme für die Windzonen 1 und 2 aus. Sollen aber auch Gebiete mit höheren Windzonen bespielt werden, benötigt man eine stabilere Konstruktion – denn höhere Windlastanforderungen erfordern nicht nur eine größere Menge an Ballast, sondern stellen auch eine größere Belastung für die statisch relevanten Komponenten dar. Die Nutzlast beträgt im Regelfall nur ein Bruchteil der Beanspruchung der Bauteile im Vergleich zum Wind. Erst was nach Windberücksichtigung als Tragfähigkeitsreserve übrigbleibt, steht für eine Nutzlast zur Verfügung. Soll das Konstrukt für einen besonderen definierten Einsatz angeschafft werden oder geht es eher um die Erreichung eines möglichst flexibel einsetzbaren Konstruktes für verschiedene Anwendungen? Auch hier spielt die Anforderung an die Nutzlast eine große Rolle. Bühnendächer werden in verschiedenen Bauformen als Rundbogen-, Pult, Sattel oder Giebeldach angeboten.
Die passende Bauform ist nicht unbedingt abhängig von der Bühnengröße, sondern eher von den Anforderungen, die man an sein Bühnendach stellt: welche Spannweiten benötige ich? Bevorzuge ich aus ästhetischen Gründen eine bestimmte Dachform – zum Beispiel eine runde Dachform statt eines rechteckigen „Fernsehers“? Welche Größenordnung benötige ich? Und welche Lastanforderungen stelle ich an ein Dach? Manche Geometrien sind durch die Kraftableitung ihrer Konstruktion statisch günstiger als andere. Ein flaches Grid ist statisch betrachtet weniger tragfähig als ein Satteldach, sodass für gleiche Nutzlasten oder Spannweiten größere Traversen verwendet werden müssen. Speziell größere Bühnendächer sind üblicherweise ein Projektgeschäft und werden nach individuellen Anforderungen und Kundenwünschen ausgeführt. Auch für gewünschte Sonderanfertigungen auf Basis unserer Produkte bieten wir die Konstruktion und Lieferung der Sonderteile in Kombination mit der statischen Berechnung.“
Die Diskussion, wie ausführungsgenehmigungspflichte Fliegende Bauten in Gebäuden, zum Beispiel Bühnenkonstruktionen in Veranstaltungshallen, zu betrachten sind, sollte der Vergangenheit angehören. Bereits 2005 hatte die Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) festgestellt, dass es keine baulichen Anlagen innerhalb baulicher Anlagen gibt. Nachdem es dennoch wiederholt unterschiedliche Auffassungen dazu gab, erklärte der Arbeitskreis Fliegende Bauten (AKFlB) der Fachkommission Bauaufsicht 2010 ausdrücklich: „Der Arbeitskreis stellt fest, dass ortsveränderliche veranstaltungstechnische Einrichtungen wie Bühnen- und Traversenkonstruktionen bei Errichtung innerhalb von Gebäuden keine Fliegenden Bauten sind und somit keiner Ausführungsgenehmigung bedürfen”. Dazu wurde erläutert: „Somit ist nunmehr klargestellt, dass die Forderung nach einem sogenannten „Baubuch“ (richtig: Prüfbuch) für eine Bühne oder eine bodengestützte Traversenkonstruktion in einer Veranstaltungs- oder Messehalle, unabhängig von ihren Abmessungen, unbegründet ist. Dies gilt auch, wenn diese Konstruktion bei Errichtung im Freien ein ausführungsgenehmigungspflichtiger Fliegender Bau ist. Die Notwendigkeit eines Nachweises der Standsicherheit und Tragfähigkeit bleibt jedoch bestehen.“
Wird eine Konstruktion im Außenbereich für einen einmaligen Einsatz entworfen und soll auch nicht wiederholt benutzt werden, handelt es sich ebenfalls nicht um einen Fliegenden Bau im Sinne der Vorschriften. Anstatt eines Verfahrens zur Erlangung einer Ausführungsgenehmigung bedarf es hier eines normalen Bauantrages.
»Ein wesentliches Merkmal eines Fliegenden Baus ist, dass der zu bauenden Anlage eine feste Beziehung zu dem Grundstück fehlt, auf dem sie errichtet werden soll.«
Auch die Unklarheiten, wie Ausführungsgenehmigungen ohne Aktualisierung der zuvor nach DIN 4112 erstellten Bauvorlagen nach Einführung der DIN EN 13814 verlängert werden können, sollten sich mittlerweile durch die Zeit erledigt haben. Dazu wurden von den Gremien der Bauministerkonferenz Entscheidungshilfen entwickelt, die man als „Musterentscheidungshilfen Stand Dezember 2014“ auf der Homepage www.is-argebau.de finden kann. Matthias Möller, Senior Technical Advisor von Prolyte und Interessenvertreter der IGVW im Arbeitskreis Fliegende Bauten der ARGEBAU, erläutert: „Die Erstauflage dieses Schreibens gab es bereits im Februar 2013, also kurz nach der flächendeckenden bauaufsichtlichen Einführung der Eurocodes und der DIN EN 13814. Da die maximale Gültigkeit von Ausführungsgenehmigungen auf fünf Jahre beschränkt ist, müssten seit März 2018 alle genehmigungspflichtigen Fliegenden Bauten einer Verlängerungsprüfung unterzogen worden sein, so dass für alle diese Anlagen eine Verlängerung der Ausführungsgenehmigung gegebenenfalls unter Auflagen (Nebenbestimmungen) erfolgt sein muss. Die Anzahl der nicht verlängerungsfähigen Bühnen und Bühnenüberdachungen schätze ich als sehr gering ein. Eine Verlängerungsprüfung muss immer vor Ablauf der Gültigkeit der Ausführungsgenehmigung beantragt und auch grundsätzlich vor Ablauf durchgeführt werden.“ Hat man jedoch eine rechtzeitige Verlängerung verschlafen und das Ablaufdatum verstreichen lassen, hat man ein Problem. Matthias Möller: „Ausführungsgenehmigungen, die nach der flächendeckenden bauaufsichtlichen Einführung der Eurocodes und der DIN EN 13814 abgelaufen sind, konnten nicht verlängert werden. Die Betriebe, die dies versäumt haben – davon gibt es einige – brauchten ein neues Prüfbuch entsprechend der neuen technischen Baubestimmungen sofern die Anlage diesen entsprechen konnte.“
Auch wenn man bei der Beschäftigung mit Open-Air-Bühnen oft die Bilder von Megabühnen der großen Rock-Shows oder EDM-Festivals vor Augen hat, handelt es sich bei der Mehrzahl von Anwendungen im täglichen Bereich der Branche um eher funktionale und pragmatische Lösungen. Heinz Siller, Geschäftsführer vom Technikvertrieb cast, berichtet: „Die Überdachungsanfragen, die bei uns auflaufen, sind vielfältig. Das geht von Wetterschutz für ein zu präsentierendes Produkt im Corporatebereich oder für die Teilnehmer eines VIP-Events über die Überdachung eines Rednerpodiums oder auch einer Bühne für eine Band bis hin zur Notwendigkeit, den Zusammenbau eines technischen Gerätes, zum Beispiel einer großen Maschine im Freien vor Wetter zu schützen. Eine Überdachung wird von uns immer unabhängig von dem gesehen, was darunter passiert, damit das Konstrukt für den Kunden möglichst vielseitig einsetzbar ist. Die Überdachungen können natürlich auch ohne eine darunter befindliche Podesterie eingesetzt werden. Die Anwender unserer Produkte sind nicht die Großfirmen, die die Welttourneen der großen Künstler betreuen, sondern der mittelgroße Eventdienstleister, der die Überdachung variabel über eine einfache Fläche, über eine Podesterie oder auch über eine Tribüne stellen möchte. Vorteilhaft ist es dabei, wenn die Konstruktionen modular aufgebaut ist und aus möglichst vielen Standardtraversenteilen besteht, die der Kunde möglicherweise schon hat. Darüber hinaus decken unsere Dokumentationen auch verschiedene Aufbauhöhen, -größen und -varianten ab, unter anderem die Verbindung von mehreren in sich selbständigen Einzelkonstruktionen zu einer Gesamtkonstruktion – zum Beispiel für eine Wegstreckenüberdachung.
Bei den Maßen unserer Systeme haben wir darauf geachtet, dass man zwischen die senkrechten Stützen Standardpodeste in metrischem Maß stellen kann, damit man nicht auf Spezialpodeste angewiesen ist. Eine Ballastierung erfolgt je nach örtlicher Möglichkeit über Betongewichte, Wassertanks, Abspannungen oder Erdanker. Wir haben aber auch entsprechende Schnittstellen geschaffen, die es ermöglichen, die Überdachung mit einer Podesterie zu verbinden um diese – wenn geeignet – als Ballast anrechnen zu können. Die Verwendung von herkömmlichen Standardbühnenpodesten dafür macht allerdings technisch keinen Sinn, da nur jeweils das einzelne mit der senkrechten Stütze kraftschlüssig verbundene Podest als Ballast anzusetzen wäre. Wenn die Aufgabe darin besteht, das Gewicht einer Gesamtpodesterie zu nutzen, benötigt man eine durchgehende, biegesteife Rahmenunterkonstruktion zum Beispiel aus dem Bereich des Gerüstbaus mit entsprechender Zulässigkeit, die dann mit System-Bühnenplatten belegt wird. Ab einer bestimmten Größe benötigt auch eine solche Unterkonstruktion ein eigenes Prüfbuch mit Ausführungsgenehmigung.“
Üblicherweise als Auflieger oder Anhänger ausgeführt, bilden Trailerbühnen zwar im wahrsten Sinne des Wortes als „mobile Bühnen“ eine eigene Gruppe, unterliegen aber dennoch den gleichen Regelwerken. Hans von Burkersroda, Geschäftsführer des auf mobile Bühnen spezialisierten Anbieters Kultour: „Es handelt sich hier um Bühnen auf Rädern, deren Flächen und Dächer am Einsatzort üblicherweise aufgeklappt werden. Sie unterscheiden sich in rechtlicher Wertung und Verfahren nicht von anderen Fliegenden Bauten, auch hier sind Aufbauten unter fünf Metern genehmigungsfrei und ohne Anzeigepflicht. Die Vorteile sind augenfällig: einfacher Transport und schneller Aufbau führen zu 90% Zeitersparnis im Vergleich zu einer herkömmlichen Bühne. Durch automatisierte Aufstellung benötigt man wenig Personal und keine weitere Infrastruktur wie Stagehands, Rigger, Steelhands oder Stapler. Aber es gibt natürlich auch Nachteile: Bei mangelnder Durchfahrtshöhe, zum Beispiel der Zufahrt zu einem Schlossinnenhof oder möglicherweise nicht ausreichende Manövrierbarkeit durch erforderliche Wendekreise kommt man nicht überall hin. Bestehende Hindernisse wie zum Beispiel ein Brunnen oder eine kleine Mauer lassen sich nicht so einfach überbauen wie bei einem modularen System. Neben höheren Kosten – man kann etwa davon ausgehen, dass die Investition für eine mobile Bühne doppelt so hoch ausfällt wie für eine konventionelle – lässt sich das Konstrukt auch nur als das nutzen was es ist: eine Bühne. Gerüst- oder Traversenmaterial kann man auch anderweitig verwenden, wenn es für die Bühne nicht gebraucht wird. Allerdings: nach meiner Erfahrung werden mobile Bühnen aufgrund der Vorteile erheblich öfter eingesetzt als Modulsysteme. Ein weiterer Pluspunkt: Kunden, die eine Investition in eine Bühne finanzieren möchten, werden wahrscheinlich für eine Trailerbühne eher einen Geldgeber finden, da es hier mit dem Fahrzeugbrief eine Sicherheit gibt. Bei einem Stapel aus Traversen, Gerüststangen und Podestplatten geht das nicht so einfach.“
Auch Hans von Burkersroda gibt Hinweise für den Fall, dass man sich mit einer Anschaffung beschäftigt: „Als bisher unbedarfter Interessent steht man vor einer neuen Problemlage und muss sich über Unterscheidungen der Angebote und sein eigenes Anforderungsprofil kundig machen. Viele Leute haben nur rudimentäre Vorstellungen was sie benötigen und entscheiden nach dem Preis. Als Tipp: vorher die Statik anfordern und wenn ich die nicht verstehe, mir von einem Sachkundigen erklären lassen. Weiterhin würde ich auf jeden Fall zu dem Hersteller fahren und mir das Produkt vorführen lassen. Dazu sollte man am besten den Auf- und Abbau einmal selbst durchführen, um bewerten zu können, wie aufwändig die Montagen sind. Die Konstruktion in Gänze zeigt sich immer erst wenn man sie einmal aufgebaut sieht und sie selber aufgebaut hat. Auch bei mobilen Bühnen gilt: seit Einführung der EN 13814 wird zwischen den Betriebszuständen „in Betrieb“ und „außer Betrieb“ unterschieden. Im Zustand in Betrieb müssen alle Bühnen einem Wind mit 8 Beaufort standhalten. Bei stärkerem Wind ist der Betrieb einzustellen und die in der Ausführungsgenehmigung festgehaltenen Maßnahmen sind durchzuführen. In der Regel geschieht dies durch Entfernung von Rück- und Seitenwänden und sollte durch ein von unten zu bedienendes Abwurfsystem möglich sein, damit sich niemand in die Höhe begeben muss. Für den Betriebszustand „außer Betrieb“ ist dann nachzuweisen, dass die Bühne auch bei stärkeren Winden noch standfest ist, wobei hier die verschiedenen Windzonen ins Spiel kommen.
Natürlich ist auch der Einsatzzweck entscheidend: Eine Trailerbühne mit 10×6 Metern Fläche und einem Gewicht von 3,5t kann noch mit einem Kleinlaster gezogen werden. Auf den ersten Blick und dem Papier wirkt sie fast genauso groß wie eine 10×8 Meter Trailerbühne, die 13 Tonnen wiegt. Dass die erste Bühne aber im Vergleich zur zweiten eine erheblich reduzierte Nutzlast für einzubringende Technik hat, erkennt man erst, wenn man sich mit den weiteren technischen Daten auseinandersetzt.
Grundsätzlich hat eine Trailerbühne gegenüber einer konventionell gebauten Bühne den Vorteil, dass sie durch das Fahrwerk schwerer ist und daher einen Teil des Ballasts bereits beinhaltet. Gerade bei kleinen Bühnen ist je nach Leichtgewichtigkeit der Konstruktion oder anderer konstruktiver Merkmale aber eine zusätzliche Ballastierung möglicherweise notwendig. Wenn man sich eine kleine Trailerbühne anschafft, damit man diese mit einem Sprinter bewegen kann und erst im Nachhinein erfährt, dass man zum Betrieb 4 Tonnen Ballast benötigt, fällt das ursprüngliche Logistikkonzept mit einem Sprinter in sich zusammen. Und noch ein Hinweis wenn man sich mit der Anschaffung einer gebrauchten mobilen Bühnen beschäftigt, von dem man eigentlich glauben müsste, man könne sich ihn sparen: eine bestehende TÜV-Abnahme für das Fahrzeug im Straßenverkehr ist etwas anderes als eine TÜV-Abnahme / Ausführungsgenehmigung für die mobile Bühnenkonstruktion.“
In Bezug auf die genannten Betriebszustände listet der SQ P5 Anforderungen auf: so dürfen unter anderem technische und künstlerische Proben grundsätzlich nur im Zustand “in Betrieb” erfolgen, der eine erfolgreiche Gebrauchsabnahme bei genehmigungspflichtigen Anlagen und eine Freigabe der Bühne durch den Betreiber voraussetzt. Während des Betriebes finden unter anderem Wetterbeobachtungen und -abfragen statt, ein Aktionsplan zur Einstellung des Betriebs muss vor Ort verfügbar und eine ausreichende Anzahl von befähigten Personen zur Durchführung betrieblicher Maßnahmen für die rechtzeitige Einstellung des Betriebs vorhanden sein. Soll eine Bühne beim mehrtägigen Betrieb über Nacht außer Betrieb genommen werden oder ist die Einstellung des Betriebes aufgrund des Wetters notwendig, müssen die in der jeweiligen Ausführungsgenehmigung geforderten Maßnahmen durchgeführt werden. Diese könnten zum Beispiel in der Entfernung von Seitenwänden, im Ablassen der PA oder auch in der Einbringung von zusätzlichen Abspannungen bestehen. So lange sich die Konstruktion in Betrieb befindet, ist die Anwesenheit des Betreibers oder eines hinreichend sachkundigen Vertreters vor Ort erforderlich. Außer Betrieb kann eine Überwachung durch einen Sicherheitsdienst mit Verbindung zur verantwortlichen Person ausreichend sein.
»Bei Trailerbühnen handelt es sich um Bühnen auf Rädern, deren Flächen und Dächer am Einsatzort üblicherweise aufgeklappt werden. Sie unterscheiden sich in rechtlicher Wertung und Verfahren aber nicht von anderen Fliegenden Bauten.«
Hans von Burkersroda | Geschäftsführer des auf mobile Bühnen spezialisierten Anbieters Kultour
„Auch bei der Helene-Fischer-Bühne wären im Sturmfall Entlastungen durch die Entfernung von bestehenden Gaze-Verkleidungen und das Ablassen der PA möglich gewesen“, berichtet Uwe Runtemund von Megaforce zu diesem Thema. „Da die Bühne aber zusätzlich mit circa 1.000 Quadratmetern LED-Flächen belegt war, die sich im Sturmfall auch nicht in der notwendigen Geschwindigkeit hätten entfernen lassen, war es von vornherein eine Grundanforderung an die Statik dieses Sonderbaus, dass der Bau inklusive der LED-Flächen bei allen auftretenden Wetterbedingungen stehen bleiben kann”.
Bühnenbau ist nichts für feine Finger. In Bezug auf die handelnden Personen, sowohl bei Auf- und Abbau als auch während des Betriebes, bestehen keine formal festgelegten Qualifikationsanforderungen. Während die einschlägigen Regelwerke für den Betrieb fordern, dass der Betreiber oder ein von ihm beauftragter hinreichend sachkundiger Vertreter während des Betriebs die Aufsicht führt und für die Einhaltung der Bedienungs- und Betriebsvorschriften sorgt, gibt es keine Aussage zur Befähigung für Auf- und Abbau. Das ist aber kein Freibrief um dafür ohne weiteres beschäftigungslose Bundesminister oder ehemalige Investmentbanker einzusetzen. Veranstaltungssicherheitsexperte Ralf Stroetmann von B-Safe erklärt: „Es ist zwar kein Qualifikationsnachweis für das Personal von Auf- und Abbau erforderlich, aber dennoch muss man wissen was man da tut. Dabei trifft den Arbeitgeber beziehungsweise den Auftraggeber eine Auswahlverantwortung. Er darf die Tätigkeiten nur von kundigem Personal ausführen lassen; eine Befähigung für den konkreten Einsatz muss gegeben sein. Je nach Aufgabe sind also zum Beispiel auch qualifizierte Rigger und Personen mit Eignung für Arbeiten mit Absturzgefahr einzusetzen. Unerlässlich sind in dem Zusammenhang eine Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen.“
Die Aufstellung von temporären Bauten erfordert einiges an Fachkenntnis und sollte von allen Akteuren entsprechend ernst genommen werden. Wenn dies nicht richtig gemacht wird oder damit fehlerhaft umgegangen wird, kann aus einem Konstrukt, welches oft zum Schutz gedacht ist, eine Bedrohung werden. Von mehreren Gesprächspartnern dieses Berichtes wurde beklagt, dass die Aufsichtsbehörden über zu wenig Personal verfügen und dieses teilweise auch nicht ausreichend mit der Spezialmaterie Fliegende Bauten vertraut ist. Zu Zeiten leerer öffentlicher Kassen ist aber kaum zu erwarten, dass sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändert. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass den zuständigen Bauämtern die Entscheidungsgewalt zusteht und sie den jeweiligen Betrieb – auch von verfahrensfreien Fliegenden Bauten – mit weiteren Auflagen verbinden können. Empfohlen wird daher eine frühzeitige Einbindung der lokalen Behörden und Verantwortlichen, um die geplanten Strukturen vorzustellen und so das Risiko einer kurzfristigen Untersagung zu vermeiden. Darüber hinaus muss den jeweiligen Betreibern ihre umfassende, durch ihre baulichen Anlagen entstehende Verantwortung bewusst sein – unabhängig davon ob eine punktuelle behördliche Überprüfung stattgefunden hat oder nicht.
Produktionsbeispiele für Temporäre Bauten: Helene Fischer und AirBeat One
Zur Erfüllung eines Kundenwunsches konstruierte der Bühnenanbieter Megaforce eine Sonderanfertigung – Michael Brombacher, Inhaber und Geschäftsführer von Megaforce, berichtet von der Bühnenkonstruktion der letzten Stadiontour von Helene Fischer: „Bereits auf der Stadiontour 2015 wurde mit einer modifizierten Bühne gearbeitet, aber für Tourneeveranstalter und Management war klar: für die Stadiontour 2018 muss man noch etwas drauflegen. Relativ früh entschied man sich für die Schaffung einer speziell für diese Tour angefertigte Bühne – ein außergewöhnliches Objekt als Raum der Show, die sich abheben sollte von allen üblichen Konstruktionen und die zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse der Künstlerin zugeschnitten ist. Das renommierte Event-Architekturbüro Stufish aus London, welches die Arbeit ihres verstorbenen Gründers Marc Fisher weiterführt, reichte dazu Vorschläge ein.“ Stufish-Gründer Marc Fisher designte die Bühnen für Acts wie Pink Floyd, Rolling Stones, Genesis und viele andere namhafte Künstler und schuf einige der spektakulärsten Bühnenkonstruktionen der letzten Jahrzehnte wie „The Wall“ für Roger Waters und die 360°-Tourbühne für U2.
„Wir wurden dann angefragt, ob wir diesen Architekturvorschlag von Stufish für Helene Fischer umsetzen können“, so Michael Brombacher weiter. „Als erstes stellte sich für uns die Aufgabe, diesen Vorschlag zu plausibilisieren. Das bedeutet, wir brechen die Vision für uns herunter auf technische Parameter in Bezug auf Größe und Anforderungen an Stabilität und Tragfähigkeit der gewünschten Konstruktion sowie die erzeugte Windangriffsflächen im Open-AirBetrieb. Durch das in unserer Struktur eingegliederte Ingenieurbüro für statische Berechnungen von Uwe Runtemund und unsere dreißigjährige Erfahrung waren wir relativ schnell in der Lage zu beurteilen, ob der Vorschlag umsetzbar ist. Nachdem wir für den Pitch den Entwurf erhielten, haben wir eine vereinfachte Vorbetrachtung mit zwei parallelen Lösungen auf Basis von Traversen- oder Gerüstmaterial erstellt um die Machbarkeit zu überprüfen und eine erste Grobkalkulation zu erstellen“, berichtet Uwe Runtemund.
„Die Vorprüfung ergab, dass die Aufgabe mit beiden Materialvarianten umsetzbar wäre. Beide Systeme haben Vorund Nachteile: Aus statischer Sicht ist die Gerüstbauvariante etwas flexibler, weil mit kleineren Elementen gearbeitet wird. Bei einer Traversenkonstruktion hat man höhere Spannweiten der einzelnen Träger, an denen die einzubringenden Lasten wie zum Beispiel eine LED-Wand befestigt werden, während bei einer Gerüstvariante die Spannweite zwischen zwei Stützen üblicherweise zwei Meter beträgt. Sind einzelne Elemente wie bei einer Traversenkonstruktion als größere Einheit zu sehen, können diese mit Hilfe eines Krans montiert werden, während bei einem Gerüstsystem relativ kleinteilig zu arbeiten ist. In Stadien ist es tendenziell günstiger eine Gerüstbaukonstruktion zu verwenden, weil sich die Lasten durch die Menge der Stützen auf dem Boden flächiger verteilen, während man bei einer Traversenkonstruktion relativ hohe Punktlasten an den tragenden Towern erhält, die in den Boden eingeleitet werden müssen. Da kann es sein, dass in einzelnen Stadien zusätzliche Sonderlösungen zur Lastverteilung zu schaffen sind, damit das funktioniert. Letztlich handelt es sich bei der Entscheidung zwischen den beiden Konstruktionsarten aber auch um eine Geschmacksfrage. Bei Helene Fischer wurde von Kundenseite aus ästhetischen Gründen der Traversenvariante den Vorzug gegeben und die Gesamtkonstruktion bestand dann aus einem Gerüstsystem für die Bühnenbasis, aus Stahlbau für die Sonderteile und aus Traversen als Streckenmaterial.
Auch wenn es sich bei dieser Bühne um eine Spezialanfertigung für eine bestimmte Produktion handelte, ist sie „geeignet und bestimmt, wiederholt aufgestellt und abgebaut zu werden“ und unterliegt damit den entsprechenden Anforderungen für Fliegende Bauten – unter anderem der Überprüfung der vorgelegten statischen Berechnungen. Uwe Runtemund: „Auch diese Bühne durchlief die nötigen und rechtzeitig durchzuführenden Abnahmen inklusive Erstellung eines Prüfbuches – in diesem Fall durch den TÜV Süd, mit dem wir gut und eng zusammenarbeiten. Nach erfolgter Abnahme muss man dann sehen, welche Funktionen innerhalb der geprüften Reserven abgerufen werden können.“ Dazu erläutert Michael Brombacher: „Auch hier ist Erfahrung mit der Berücksichtigung von Lastreserven bei der ersten Ausführungsplanung und Dimensionierung einer Bühnenkonstruktion gefragt, denn während der frühen Planungsphase waren die letztendlich später aufzunehmenden Produktionslasten wie auch der genaue Inhalt der Helene-Fischer-Show noch nicht final bekannt. Während der Planungsfortschritte entstanden dann auch weitere Anforderungen an uns wie die Berücksichtigung von Arbeitsflächen unter der Bühne, Umkleideräume, Schienensysteme, ein Wasserbecken im Vorbau sowie mehrere im Bühnenboden integrierte Lifte. Für einen Probeaufbau und die Abnahme hatten wir vier Wochen vor Tourneestart ein Industriegelände angemietet – was bei einer solchen speziell designten Sonderanfertigung auch unerlässlich ist, um sicherzustellen, dass alle Bauteile und alle Funktionalitäten den Erwartungen entsprechen.“
„Wenn dann die grundsätzliche Konstruktion verabschiedet ist, muss auch sichergestellt werden, dass diese an den verschiedenen Spielorten einsetzbar ist“, ergänzt Uwe Runtemund. „Natürlich wird dies bereits in der Planung weitgehend berücksichtigt, aber in Einzelfällen kann es trotzdem nötig sein, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. In Basel zum Beispiel gibt es eine Tiefgarage unter dem Stadion, wodurch es nicht möglich war, die hohen Punktlasten der Towerkonstruktionen wie sonst in den Boden abzutragen. Daher wurde hier zusätzlich in Absprache mit den örtlich zuständigen Statikern eine relativ große Stahlrahmenkonstruktion unter die Bühne gestellt, um die Kräfte an geeigneten Stellen einzuleiten.“
Auch zu den immer kürzer werdenden Vorlaufzeiten geben die Profis Hinweise: „Bei Standardbühnen sollte ein Vorlauf von mindestens vier Wochen bestehen um Funktionalitäten wie Lastaufnahmen zu prüfen und die nötigen behördlichen Genehmigungen zu erhalten“, erläutert Michael Brombacher und Uwe Runtemund fügt hinzu: „Je mehr man vom Standard abweicht, desto mehr Zeit benötigt man. Bei Helene Fischer hatten wir etwa sechs Monate Vorlauf, was für eine so spezielle Sonderanfertigung wirklich nicht großzügig ist, aber nicht zuletzt deswegen geklappt hat, weil sich die Produktionsbeteiligten bereits durch die vorherigen Tourneen kannten.“
Aber nicht nur die deutsche Schlagerqueen steht auf individuelle Sonderbauten: bereits zum 17. Mal fand im Juli 2018 das Festival Airbeat One in Mecklenburg-Vorpommern statt, welches von 55.000 Besuchern pro Tag besucht wurde. Das Electronic-Dance-Music-Festival steht seit einigen Jahren unter einem jährlich wechselnden Motto – für 2018 war es „eine Reise nach Großbritannien”. Da sich die Show von DJs oft auf rhythmusunterstützende Armbewegungen beschränkt und ein großer Teil des Festivals im Tageslicht stattfindet, liegt es nahe, zur atmosphärischen Unterstützung für die verschiedenen Bühnen auf Kulissen im large-scale-Format zu setzen. Die Mainstage mit einer Breite von 130 Metern und einer Höhe von 40 Metern sowie weitere Bühnen errichtete die Firma Stageco. Dazu wurden mehr als 800 Tonnen Material mit 46 Sattelschleppern zum Veranstaltungsort transportiert und verbaut. Die Definition der Betriebszustände von Fliegenden Bauten, „in Betrieb“ sowie „außer Betrieb“, stellte an die technische Lösungsfindung sowie deren Planung eine besondere Herausforderung: Die gesamte Verkleidung der Hauptbühne, der Q-Stage sowie einiger Nebenbauten bestand aus vorgefertigter Festverkleidung, sodass die Möglichkeit einer Demontage der Verkleidungen im Windfall aus technischer Sicht ausgeschlossen werden musste. Die entsprechenden Bauwerke wurden daher auf „vollen Wind“ gemäß den Lastannahmen der DIN EN 1991-1-4 dimensioniert, statisch berechnet und entsprechend gebaut. Neben der Windzone 2 des Aufstellortes, den sich daraus ergebenden Windbeiwerten und den unterschiedlichen Bauhöhen galt es, während der gesamten Planung ebenso die unterschiedlichen Einwirkungsfaktoren von Licht, Ton und Video, sowie der Dekoration zu berücksichtigen. Das Ergebnis schlug sich insgesamt in zehn unterschiedlichen Statiken mit einem Gesamtvolumen von 680 Seiten nieder. Die behördlichen Anforderungen an die Bauabnahme wurden von Stageco in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland erfüllt.
Beim Einsatz temporärer Bauten müssen nicht nur die Bestimmungen für den Bau selbst, sondern auch die Regelungen zur Beschaffenheit des Untergrunds berücksichtigt werden. Welche Regelungen sind das und welche Möglichkeiten bieten sich dem Verantwortlichen?
Auch durch in den Boden getriebene Befestigungssysteme lässt sich eine höhere Standsicherheit für Fliegende Bauten erzielen, wie wir schon in Teil I unseres Specials „Temporäre Bauten“ beschrieben haben. Darum bezieht sich ein Teil der statischen Nachweise eines Fliegenden Baus auch auf die Kräfte, die durch den Bau in den Boden der Aufstellfläche eingeleitet werden. Die bekannteste Möglichkeit ist sicherlich die im Zeltbau oft eingesetzte Verwendung von Erdnägeln. Bei höheren Ansprüchen finden in Einzelfällen Systeme aus dem Baubereich Verwendung, wie z. B. Schraubfundamente, die durch Verdrängung und Verdichtung im Boden halten, oder Erdklappanker, bei denen das System in den Boden getrieben wird und anschließend durch Zug im Erdreich eine Fläche (ähnlich einem Klappspaten) ausklappt. Solche Systeme ermöglichen in Abhängigkeit der Bodenqualität die Aufnahme von mehreren Tonnen Zugkraft, benötigen aber wiederrum eine entsprechende bauaufsichtliche Zulassung.
In den einschlägigen Regelwerken wird gefordert, dass die Tragfähigkeit und Oberflächenbeschaffenheit des Standplatzes dem Verwendungszweck entsprechend geeignet sein muss. Die Standsicherheit des Fliegenden Baus im Hinblick auf die örtlichen Bodenverhältnisse ist bei einer Gebrauchsabnahme durch die Bauaufsichtsbehörde vor Ort auch Gegenstand der Prüfung.
Geschäftsführer Michael Lück von Expo Engineering, einem auf die Statik und Konstruktion in der Veranstaltungstechnik spezialisiertem Ingenieurbüro, gibt dazu folgende Erläuterungen: „In der DIN EN 13814 sind Angaben zur Tragfähigkeit (Bodenpressung) für befahrbare Böden gegeben – diese werden zur Ermittlung der Unterpallungsfläche angesetzt.“ Es empfiehlt sich daher sehr, sich bei einer solchen Planung frühzeitig mit dem gewünschten Ort zu beschäftigen. Aussagen über die Bodentragfähigkeit in Hallen sind üblicherweise einfach zu erhalten und werden in kN/m² (Kilonewton pro Quadratmeter) angegeben. Auch wenn sich den Physikern aufgrund der Ungenauigkeit dabei die Nackenhaare sträuben, kann man vereinfacht sagen, dass man bei einer Angabe von 1 kN/m² auf einen Quadratmeter 100 Kilogramm stellen darf. Dieses Gewicht ist allerdings gleichmäßig auf den Quadratmeter zu verteilen. Schwieriger sind Aussagen über die Tragfähigkeit von Böden im Außenbereich. Hat man eine geschlossene Fläche wie Asphalt oder Pflasterung im öffentlichen Bereich, bestehen gute Chancen an die entsprechenden Belastungswerte zu kommen. Besonderer Beachtung bedürfen oft in Innenstadtbereichen anzutreffende Flächen über Tiefgaragen, deren Tragfähigkeit im Vergleich zu umgebenden Bereichen eingeschränkt sein kann. Doch was ist, wenn es sich nicht um eine künstlich geschlossene Fläche, sondern um mehr oder weniger natürlichen Boden wie einer Wiese oder einen Acker handelt?
(Bild: Dirk Schmidt-Enzmann)
Bei der Beschäftigung mit dieser Materie gibt es zwei Herangehensweisen: handelt es sich bei der aufzustellenden Konstruktion um einen Standardbau – wie zum Beispiel eine Standardbühne – sind in den dazugehörigen statischen Berechnungen der Ausführungsgenehmigung auch die Belastungswerte ausgewiesen, die der Aufstellort erfüllen muss. Werden diese nicht erreicht, kann man die sogenannte Unterpallung in Maßen vergrößern. Bei der Unterpallung handelt es sich um Lastverteilungsplatten, deren Ausführungen als Teil der statischen Berechnung festgelegt sind. Eine Vergrößerung verteilt das aufzunehmende Gewicht auf eine größere Fläche.
Eine andere Herangehensweise ist die Orientierung an der möglichen Tragfähigkeit des Untergrundes, um dann eine geeignete Konstruktion als Sonderbau individuell dafür zu planen. Auch für einen individuellen Sonderbau sind natürlich baurechtliche Genehmigungsverfahren durchzuführen. Eine in diesem Fall nicht vorliegende Ausführungsgenehmigung „für den Serienfall“ muss dann durch einen Bauantrag mit den dazu nötigen Unterlagen und Fristen ersetzt werden. Allerdings gilt es bei der Bewertung eines Untergrundes immer zu berücksichtigen, dass sich die Bodenverhältnisse vom Zeitpunkt der ersten Überlegung bis zur Veranstaltung durch äußere Einflüsse wie langanhaltenden Regen, tauendem Schnee, aufsteigendes Grundwasser oder Überflutung in Gewässernähe ändern können.
Michael Kelm, Architekt und Niederlassungsleiter Berlin von Nüssli Deutschland, erklärt: „Ein durchschnittlicher Anforderungswert für die Traglast eines Bodens sind 200 Kilonewton pro Quadratmeter. Wenn der Untergrund bekannt ist und bereits Erfahrungen mit der Fläche vorliegen, ist das oft unproblematisch. Drei grundsätzliche Fragen sind bei der Planung relevant: was möchte ich mit der Konstruktion machen, wo soll sie stehen und wie bekomme ich das Material und die möglicherweise nötigen Hilfsmittel dort hin? Bezüglich der Funktionalität stellt sich die Frage: muss das Bauwerk sich nur selbst tragen oder muss es auch zusätzliche Verkehrslasten aufnehmen? Wenn ja, wie hoch müssen diese sein?
Die Funktion des Bauwerks sollte vom Kunden genau beschrieben werden. Oft kommt es im Planungsverlauf vor, dass der Auftraggeber die Aufgabenstellung erweitern möchte. Wenn sich dadurch Parameter wie zum Beispiel die aufzunehmenden und abzuleitenden Kräfte wesentlich ändern, kann es nötig sein einen komplett neuen Ansatz zu finden. Die Anforderung an das Bauwerk, die Bodenbeschaffenheit und die Möglichkeiten für Auf- und Abbau vor Ort sind ausschlaggebend für die Wahl der Konstruktion. Bei Nutzung eines Gerüstsystems verteilen sich die Kräfte aufgrund der Kleinteiligkeit auf die Menge der verwendeten Spindelfüße. Andere Systeme basieren auf wenigen Stahlstützen, für die Fundamente an den notwendigen Stellen gegossen werden könnten. Auch eine Kombination der Systeme ist möglich.
Berücksichtigt werden muss die Zugangsmöglichkeit zum Aufstellort: Je größer die einzelnen Bauteile sind, desto schwerere Hilfsmittel werde ich dafür benötigen. Benötige ich für die Montage einen Kran, muss der Untergrund dessen Einsatz auch erlauben. Ist es nicht möglich, größere Einheiten zum Bauplatz zu schaffen, wäre ein kleinteiligeres System wie ein aus einzelnen Stangen zusammengesetztes Gerüstsystem die bessere Wahl, welches mit kleineren Fahrzeugen oder – wenn es gar nicht anders geht – sogar händisch an – geliefert werden kann.“
Michael Kelm berichtet von einem Beispiel: Im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 in Wittenberg mit projektierten 120.000 Besuchern sollte eine zentrale Bühne nach dem Entwurf der Architektin Michaela Bochmann entstehen.
Die Planung sah einen Dachkreis mit einem Durchmesser von 35 Metern vor, der auf vier 12 Meter hohen Stützen mit einer Gesamthöhe von circa 17 Metern steht und ansonsten keine festen Wände aufweist. Das Veranstaltungsgelände am Elbufer soll zu Vorzeiten als Flugplatz genutzt worden sein, wodurch die Projektverantwortlichen der Veranstaltung davon ausgingen, dass die Fläche über eine hinreichende Bodenfestigkeit verfügt. „Im Zuge der Auftragsbearbeitung ließ der Kunde auf Anforderung von Nüssli ein Bodengrundgutachten zur Bewertung der für die Aufbauten vorgesehenen Fläche anfertigen. Dabei stellte sich heraus, dass der Boden durchfeuchtet war und nur über eine für die ursprüngliche Planung nicht geeignete Tragfähigkeit von 60 bis 80 Kilonewton pro Quadratmeter verfügte. Gewachsene Böden haben üblicherweise eine Tragfähigkeit von etwa 200 Kilonewton und erlauben Aufbauten mit Standardunterpallungen. Bei Tragfähigkeiten von 100 bis 120 Kilonewton sind bei genauer Betrachtung der einzubringenden Gesamtlasten möglicherweise auch noch Standardunterpallungen machbar, doch bei diesen Werten war das nicht mehr möglich. Das Stützenraster war aber nicht mehr änderbar, da es vom Design zwingend vorgegeben war und dieses auch bereits öffentlich kommuniziert wurde. Um keinen Bauverzug zu erhalten, war es daher notwendig, innerhalb von zehn Tagen eine technische Lösung dieser Problematik zu finden. Diese bestand darin, den Bühnenboden großflächig mit Schwerlast-Panels zu unterbauen und das Bodenrastersystem kleinteiliger zu wählen, um eine groß – flächigere Lastverteilung zu ermöglichen. Zusätzlich wurden die Bühnenstützen punktuell durch rückbaubare Stahlbetonfundamente verstärkt, die sowohl für eine ausreichende Lastausbreitung für die Einhaltung der maximal zulässigen Bodenpressungen ausgelegt waren, als auch den notwendigen Ballast gegen Kippen und Gleiten der Gesamtkonstruktion darstellten. Da Erdanker in dem Boden keine aus – reichende Tragfähigkeit erreicht hätten, wurden zur Ballastierung Betongewichte und Wassertanks eingesetzt.“
Dirk Schmidt-Enzmann, Geschäftsführer von Media Spectrum, erläutert, warum die ausführliche Beschäftigung mit der Aufstellfläche auch bei Konstruktionen mit bestehender Ausführungsgenehmigung wichtig ist: „Oft sind Gefälle im Gelände mit dem Auge nicht so gut wahrnehmbar. Eine Nivellierung des Platzes kann je nach Örtlichkeit eine wirksame Maßnahme sein. Ein nicht augenfälliger Höhenunterschied über eine gesamte Bühnenbreite kann durchaus relevante Größen erreichen und die Anpassung ist mit einer im Prüfbuch beschriebenen Unterkonstruktion aufgrund maximal zulässiger Spindelwege nur in Grenzen möglich. Daher ist es besser, die Aufstellfläche im Vorfeld exakt auszumessen. Ein Unterbau kann durch Höhenversprünge der Unterkonstruktion angepasst werden, wenn man eine anständige Vorplanung hat. Dabei muss geschaut werden, ob das bestehende Prüfbuch eine solche Variation zulässt. Im Zweifel sollte man die abnehmende Baubehörde bereits im Vorfeld einbinden und gemeinsam nach Lösungen suchen. Eine nicht fachgerechte Ausführung des Unterbaus wird bei einer Abnahme nicht durchgehen. Selbst Rasenflächen in Fußballstadien können durchaus ernstzunehmende Höhenunterschiede aufweisen. Hier kommen noch weitere im Boden befindliche und zu berücksichtigende Faktoren wie Drainagen, Sprinkleranlagen und Rasenheizungen dazu, die die Belastungsfähigkeit eines Bodens verringern.“
Bei solchen zu schützenden Flächen können Bodenschutz- und Lastverteilungsplatten eingesetzt werden, wie sie von der Firma eps verwendet werden. Jens Hesse, Senior Salesmanager eps, beschreibt die Anwendungsfälle: „Bei nichtausreichender Belastbarkeit des Bodens werden Lastverteilungsplatten eingesetzt, um die Kräfte auf eine größere Fläche zu verteilen. Dabei wird unterschieden, welche Aufgabe die Systeme haben. Leichtere Beläge, oft aus Kunststoff, können als Rasenschutzsysteme für Publikumsflächen benutzt werden, um zum Beispiel den Stadionrasen im Publikumsbereich eines Konzertes zu schützen. Diese dürfen allerdings nicht mit schwerem Gerät befahren werden. Dabei ist eine Rasenabdeckungsdauer von vier bis sieben Tagen (je nach Witterung) möglich, ohne den Rasen zu beschädigen. Grundsätzlich gilt aber: je kürzer desto besser. Größere Lasten, zum Beispiel für den Bühnenstandort, benötigen kräftigere Lastverteilungsplatten, die eher aus Metall gefertigt werden. Diese können auch als Zuwegung für Zu- und Abfahrt von Materialtransporten zur Vermeidung von Fahrspuren oder als Aufstellfläche für einen Kran genutzt werden, wenn der Boden dies sonst nicht erlauben würde. Üblicherweise werden die Flächen des Bühnenstandortes als erstes vor Beginn aller weiteren Aufbauten belegt und auch erst nach erfolgtem Abbau als letztes wieder aufgedeckt und liegen daher immer einige Tage. Weniger sensibler Rasen wie in einem Park kann sich möglicherweise danach wieder erholen. Bei Stadionrasen sollte man einkalkulieren, dass der Rasen anschließend erneuert werden muss – bei Durchführungen in Fußballstadien ein üblicher Vorgang.“
Mark Liese, Geschäftsführer des Anbieters Magic Sky, führt dazu aus: „Bei Rasenflächen, deren Tragfähigkeit nicht bekannt ist, kann man Plattendruckversuche durchführen lassen. Es handelt sich dabei um ein relativ einfaches Verfahren, dessen Durchführung bereits für einige hundert Euro durch eine oft ortsnahe Fachfirma aus dem Baubereich möglich ist. Dabei wird die obere Grasnarbe entfernt, eine Druckplatte aufgesetzt und die erreichten Werte gemessen. Oft wird man feststellen, dass man sich bereits in Größenordnungen von 60 bis 80 kN/m² bewegt. Durch den Einsatz von Ausgleichsmaßnahmen wie Lastverteilungsplatten kommt man üblicherweise relativ schnell auf Werte für befahrbare Böden. In den zu den Systemen gehörigen Prüfbüchern sind natürlich auch mögliche Windkräfte berücksichtigt. Bei Schirmsystemen können im Sturmfall durch Lastverlagerung auch mal fünf bis sechs Tonnen zusätzlich zum Eigengewicht auftreten. Schirmsysteme sind je nach Ausführung auch als Zufluchtsstätte zugelassen – das bedeutet, Menschen können auch über Windstärke acht noch unter einen Schirm, da kann man kein Risiko eingehen.“ Bei einer Standzeit länger als drei Wochen empfiehlt Mark Liese auch bei nicht problematischen Untergründen immer die Einbringung einer Schotterverfüllung unter einer Lastverteilungsplatte für die Stützenpositionen.
Da der Betreiber eines Fliegenden Baus für den sicheren Stand auch während der Laufzeit verantwortlich ist, erklärt Felix Lenz, Geschäftsführer von Skyliner: „Man muss sich immer mit den Fragen beschäftigen, welche Lasten bestehen und auf welche Flächen diese verteilt werden können. Eine fachkundige Betreuung auch während der Standzeit ist notwendig, da sich die Belastbarkeit des Bodens zum Beispiel durch Niederschlag ändern kann. Nicht alles ist immer vorhersehbar; daher müssen Entscheidungswege gut überlegt sein und man sollte immer einen Plan haben, wenn doch etwas Unvorhergesehenes passiert.“
Hartmut Welzel, Geschäftsführer von Welzel Anlagen, weist darauf hin, dass nicht nur unter einem Stadionrasen unsichtbare Herausforderungen verborgen sein können: „Wenn es nötig ist, Bodenanker zu setzen, sollte man sich bei manchen Standorten auch für temporäre Bauten, wie im stationären Baubereich üblich, Gedanken über möglicherweise im Boden liegende Kampfmittel machen. Darüber hinaus können im Boden auch Gas-, Wasser- und Stromleitungen verborgen sein. Eine Nachfrage beim örtlichen Versorger kann Aufschluss über den betreffenden Verlauf geben. Wenn man sich unsicher ist, hilft nur: graben und nachsehen. Ein weiterer Aspekt bei der Planung ist die Frage: Kann ich den Ort zerstören? Auch wenn diese Frage vielleicht provokant formuliert ist: ein Aufstellort ist immer ein örtlicher Eingriff mit kurz-, mittel- oder auch langfristigen Folgen in Bezug auf Bodenveränderung und der Zerstörung von Pflanzen. Diese Überlegung sollte mit dem Auftraggeber besprochen und möglicherweise notwendige Maßnahmen im Vorfeld besprochen werden.“
Letztlich ist nicht nur allein der Aufstellort des Fliegenden Baus losgelöst von der Gesamtveranstaltung zu betrachten, insbesondere wenn eine temporäre Versammlungsstätte errichtet werden soll, in welcher sich Publikum aufhält. Bernd Frenz, Inhaber des Ingenieurbüros IFIS-FR, welches sich mit dem Thema Veranstaltungssicherheit beschäftigt: „Auch die Sicherheit der Besucher ist bei der Planung der Aufstellung zu berücksichtigen, denn notwendige Fluchtwege und Sammelplätze müssen durch die Besucher trotz schwieriger Untergründe sicher erreicht werden. Diese Wege und Flächen müssen ebenfalls im Vorfeld eingeplant werden. Dabei ist die Überwachung auch in der Aufbauphase wichtig: Bei nicht exakter Platzierung zum Beispiel eines Zeltes entsprechend der vorherigen Planung kann ein ursprünglich vorgesehener Fluchtweg möglicherweise versperrt oder nicht mehr ausreichend sein und weitreichende Auswirkungen auf die Durchführbarkeit der Veranstaltung haben.“
»Wenn man sich unsicher ist, hilft nur: graben und nachsehen.«
Hartmut Welzel | Geschäftsführer von Welzel Anlagen