Licht tut ja nicht weh 2.0 – Gefahren durch Scheinwerferstrahlung
von Herbert Bernstädt, Artikel aus dem Archiv vom , zuletzt aktualisiert am
Die Gefahren durch Scheinwerferstrahlungen sind kein neues Thema, erhalten durch moderne Scheinwerfer aber eine neue Dimension. Alles halb so schlimm – oder ist wichtiger denn je, auf sie hinzuweisen?
Verbrennungen durch UV-Strahlung – das musste bereits 2011 unter „Licht tut ja nicht weh …“ diskutiert werden. In der damaligen Ausgabe von PRODUCTION PARTNER 7-8/2018 ging es noch um die Gefahren durch Verbrennungen, die von Entladungslampen verursacht wurden.
Heute ist ein Großteil der Scheinwerfer mit LEDs ausgestattet, die weder UV- (Ultra Violett) noch IR-Strahlung (Infrarot) emittieren. Eigentlich ist man nun sicherer unterwegs, müsste man denken.
Aber die Scheinwerfer sind wesentlich kompakter, „kühler“ und leiser geworden. Lichtausbeute und die optischen Systeme dagegen haben sich deutlich gesteigert. Das führt zu einer Unterschätzung, mit welcher Energie wir das Licht durch den Raum schicken. Auch wenn die Infrarot- und UV-Anteile deutlich geringer sind als z.B. bei den Entladungslampen.
Zudem waren die leistungsstarken Scheinwerfer von früher schwer, klobig, wurden sehr heiß und hatten auch ihren Preis, sodass sie nur bei größeren Veranstaltungen mit geschultem Personal zum Einsatz kamen. Grundsätzlich hatte man schon Respekt von diesen „Trümmern“ von Scheinwerfern und wusste: Die können was!
Es kam also niemand auf die Idee, einen Skytracker in das Publikum zu richten. Heute jedoch erreichen wir mit kompakten, leichten und preisgünstigen Scheinwerfern eine Lichtleistung, in der das sichtbare Licht selbst eine Gefahr darstellt – und nun eine andere Wahrnehmung von uns erfordert.
So wie wir heute über die Gefährdung durch Licht sprechen, haben dies die Kollegen vom Ton bereits vor Jahrzehnten vollzogen. Damals, als sich die Bands gegenseitig zu übertrumpfen versucht haben, „Wir sind die lauteste Band der Welt“. Auch hier wurden die Beschallungsanlagen immer leistungsfähiger. Konzert- und Diskothekenbesucher fuhren regelmäßig mit Ohrenpfeifen nach Hause. Viele der Musiker bekamen im Alter Schwierigkeiten mit dem Gehör. Aber wir wissen auch von „Unfällen“ von denjenigen, die vor dem Lautsprecherturm standen und denen ein Einschaltknack irgendeines Gerätes in der Signalkette das Trommelfell schädigte.
Die erste Reaktion war die Absicherung des Veranstalters mit der Ticketaufschrift: „Sie besuchen die Veranstaltung auf eigene Gefahr.“ Bis dann die ersten Regeln und DIN-Normen zur maximalen Lautstärke bei Veranstaltungen verfasst wurden, bis hin zum DJ-Führerschein (2004). Auch in der Ausbildung ist das Thema Lautstärke nicht nur präsent, sondern nimmt einen erheblichen Stellenwert ein.
Scheinbar befinden wir uns heute beim Licht im gleichen Fahrwasser: Wir müssen uns des Umgangs mit dem Scheinwerfer bewusster werden. Was mit der reinen Lichtstrahlung, auch ohne IR- und UV-Strahlung möglich ist, hat sich deutlich geändert. Erfahrung macht klug, und so haben die „alten Hasen“ bestimmt schon selbst in Bühnenböden oder Plafonds ein Brandloch hinterlassen. Die größte Gefahr aber geht von weit verbreitetem Halbwissen, Überheblichkeit oder schlechter Vorbereitung auf den Job aus. Gepaart damit, dass heute jeder für kleines Geld Geräte nutzen kann, deren Leistung und Zerstörungspotenzial dem Anwender oft nicht bewusst sind.
Gerade diese Klientel geht meist auch mit der Einstellung ans Werk: „Anleitung lesen ist nur was für Anfänger.“ Ein folgeschwerer Trugschluss, wie wir später noch erfahren werden.
Als die ersten Beamlampen mit engen Lichtkegeln um die 2° die Bühne rockten, bekam man schon einen ersten Eindruck, wie energiereich Licht sein kann. Jetzt sind die ersten Scheinwerfer mit Laser-LED als Leuchtmittel auf dem Markt, was noch einmal eine deutliche Steigerung der „Strahldichte“ bedeutet. Bei der Gefährdung von Licht geht es nicht mehr um die Beleuchtungsstärke, sondern mehr um diese Strahldichte. Mittlerweile haben einige Fachleute Vorträge über die Blaulichtgefährdung gehalten, darunter und vielbeachtet auf der LEaT con 2023. Die Berufsgenossenschaft widmet mit ihrer Schrift „Scheinwerfer“ dem Thema einen eignen Absatz und Anhang.
Aber richtig flächendeckend gegriffen hat das Thema noch nicht, dazu ist es leider auch noch komplex und abstrakt.
Und wie es so oft im Leben: Es muss erst etwas passieren, bevor die notwendige Aufmerksamkeit entsteht.
Auf die UV-Lichtverbrennungen durch Scheinwerfer wurde die große Öffentlichkeit damals erst aufmerksam, als ein Königspaar „verbrannt“ wurde. Nun ist Frau Schierenbeck keine Adlige, jedoch als Teamleitung Projektmanagement bei VisionTwo bestens vernetzt. Zumindest in unserer Branche also eine Persönlichkeit mit über 15 Jahren Erfahrung im Umgang mit Scheinwerfern. Und im Gegensatz zu damals, als der UV-Anteil beim Königspaar zu Hautverbrennungen führte, war es nun ein Bereich des sichtbaren Lichtes, der zur Netzhaut im Auge vordringen konnte und dort zu deren Schädigung führte.
Die Situation war ein üblicher „Shootout“ von Scheinwerfern, im konkreten Fall kopfbewegter Multiquellen-Washlights mittlerer Leistungsklasse. Also keine eng bündelnden Beamlights, keine Entladungslampe und auch keine Laser-Lichtquelle – eine Situation, die standardmäßig immer wieder auftritt und in Bezug zur Entfernung zum Scheinwerfer auch vergleichbar ist mit Hands-On-Geräten auf der Messe oder Lampen bei Servicearbeiten. Nebenbei kann es auch unbeteiligte Personen im Raum treffen.
Das Washlight machte einen Schwenk und Frau Schierenbeck hatte in der dunklen Shootout-Situation in Richtung Bühne gesehen – genau, als das Scheinwerferlicht mit seinem Flip unbeabsichtigt auf ihre Augen traf.
Wir werden üblicherweise oft in unserem Job geblendet, und einige schauen bewusst in Scheinwerfer, wenn es um das Einleuchten geht. Frau Schierenbeck hatte zwar die Blendung als unangenehm empfunden, aber außer den üblichen Schattenbildern, wie man sie von den anderen Blendungen her kennt, war eigentlich alles sozusagen „normal“. Bis in den folgenden Tagen das Linsenmuster des Scheinwerfers als Schattenbild wieder erschien, wodurch der Zusammenhang als auslösendes Ereignis nachträglich zugeordnet werden konnte. Die Bilderserie verdeutlicht den weiteren Verlauf.
Diagnose und Krankheitsverlauf von Frau Schierenbeck
Es war nicht möglich, Auto zu fahren, zu lesen, geschweige denn vor dem Computerbildschirm konzentriert zu arbeiten. Was nicht in den Bildern ausgedrückt werden kann: Die Belastung, nicht zu wissen, ob man weiterhin noch arbeiten kann oder es zu einer völligen Erblindung kommt. Nicht zu sehen sind auch die verbundenen Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen oder die extreme Lichtempfindlichkeit, die jede normale Lichtquelle zu einer gewaltigen Blendquelle erscheinen lässt, sodass man das Haus nur mit starker Sonnenbrille verlassen kann. Das Gewebe ist zum Teil vernarbt, sodass die Hoffnung zu einer vollständigen Rückbildung ebenfalls erloschen ist.
Und dies ist ein zweites Dilemma: Für die meisten Augenärzte ist diese Art von Verletzung Neuland. Ebenfalls für die Berufsgenossenschaft, der Frau Schierenbeck angehört (als Angestellte in einem Vertrieb ist sie in der BGHW Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik versichert). Für die BGHW ist das Problem ebenfalls alles Neuland und nimmt sich zur Zeit der Drucklegung des Problems auch nicht an.
Verletzungen durch optische Strahlung, wie Verblitzen durch Schweißarbeiten, sind auch in vielen anderen Branchen bekannt. Die technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung bzw. inkohärenter optischer Strahlung, kurz TROS-IOS, werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gegeben. Sie dienen zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch inkohärente optische Strahlung (Wellenlängen zwischen 100 nm und 1 mm).
Wenn man das Schadensbild einer Verletzung in Abhängigkeit des Wellenbereichs betrachtet, kann man eine Auftrennung zwischen der landläufig zitierten Schweißer-Verblitzung bzw. Schneeblindheit und dem Fall zu Frau Schierenbeck erkennen. Die Schweißblende (im Volksmund auch Verblitzung genannt) ist eine äußerst schmerzhafte und ernstzunehmende Verletzung der Hornhaut im Auge. Bei Schweißarbeiten tritt UV-Strahlung auf, die mehrere Meter weit reicht. Zwar ist der Schweißer selbst oft ausreichend geschützt – und wer einmal verblitzt wurde, wird Schutzbrille oder Visier nie wieder vergessen. Doch die UV-Strahlung gefährdet auch andere Mitarbeiter in der Nähe.
Die UV-Strahlen greifen die oberste Zellschicht der Hornhaut an. In Extremfällen liegen dann die Nervenenden frei, und das kann sehr schmerzhaft werden. Die natürliche Reaktion auf solche Schmerzen ist es, sich die Augen zu reiben oder besonders häufig zu blinzeln – und gerade das macht alles nur noch schlimmer, weil die Hornhaut immer weiter aufgerieben wird. Der Begriff „Schneeblindheit“ bezeichnet somit keine echte Blindheit oder eine Schädigung der Netzhaut, sondern bezieht sich auf die Lider, die vorübergehend nicht mehr geöffnet werden können. Zum Glück klingen die Beschwerden innerhalb der nächsten Tage ab, ähnlich wie wir es selbst schon bei einem Sonnenbrand kennengelernt haben. Deshalb ist aus Sicht der Berufsgenossenschaft ein Verblitzungsunfall auch eher eine Bagatelle, da der Arbeitnehmer nach einer Krankschreibung von wenigen Tagen ohne Weiteres seine Arbeit wieder aufnehmen kann und so keine hohen Folgekosten bei der BG verursacht. Im Fall Anke Schierenbeck zeigt sich aber, wie bereits beschrieben, ein völlig anderes Bild, welches in der folgenden Tabelle unter Schädigung der Netzhaut wiederzufinden ist.
Wellenlängenbereich
Einfluss auf das Auge
UV-C
Photokeratitis (Hornhautentzündung)
Photokonjunktivitis (Bindehautentzündung)
typische Schweißerblende oder Verblitzung
UV-B
Photokeratitis (Hornhautentzündung)
Photokonjunktivitis (Bindehautentzündung)
Katarakt (Trübung der Augenlinse [Grauer Star])
typische Schweißerblende oder Verblitzung
UV-A
Katarakt (Trübung der Augenlinse [Grauer Star])
Sichtbare
Strahlung (VIS)
Fotochemische und
fotothermische Schädigung der Netzhaut
IR-A
Katarakt (Trübung der Augenlinse [Grauer Star])
thermische Schädigung der Netzhaut
IR-B
Katarakt (Trübung der Augenlinse [Grauer Star])
thermische Schädigung der Hornhaut
IR-C
thermische Schädigung der Hornhaut
Verletzungsbild in Abhängigkeit der Wellenlänge nach TROS-IOS, erweitert mit umgangssprachlichen Begriffen
Aus der TROS-IOS geht hervor, bei welchen Wellenlängen die Netzhaut wie stark angegriffen wird. Dabei wird unterschieden zwischen der photochemischen und der thermischen Netzhautschädigung.
Wenn man an thermische Schädigung denkt, dann verbindet man es landläufig mit Wärmestrahlung und Hitze. Insbesondere, wenn man an alte Abenteuerfilme denkt, in denen der Held mit einer glühenden Klinge zur Blindheit geblendet wurde.
Man muss sich aber wirklich von dieser Wärmeempfindung, wie dem Hautverbrennen an einem heißen PAR-64-Gehäuse, lösen. Um es mit einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Oft wird man gefragt, wie viel Leistung eine Klimaanlage wegkühlen muss, wenn z.B. ein 600-Watt-LED-Strahler im Raum betrieben wird. Meist wird die Antwort „600W“ nämlich bezweifelt, denn der Scheinwerfer strahlt zu einem gewissen Prozentsatz ja auch Licht aus. Ja, aber was passiert mit dem Licht? Verschwindet es aus einem offenen Fenster? Auch die Lichtstrahlung wird von einem Körper irgendwann absorbiert und schlichtweg in eine andere Energieform – sprich Wärme – umgewandelt.
Das bedeutet, dass die reine sichtbare Strahlung auch auf der Netzhaut zu einer Erhitzung führt, wenn sie nicht, wie in dem zweiten beschrieben Weg, chemische Prozesse auslöst. Dann ist es nur noch die Frage, wie viel der Strahlung bzw. in welcher Dichtheit diese Strahlung auf der Netzhaut wirkt. Ausgerechnet die Wellenlängen des blauen Lichtes haben die schädlichste Wirkung auf die Netzhaut. Auch wenn man eine RGB-Farbmischung, eine RGBAL- oder sonstige LED-Farb-Kombination betrachtet: der im Weißlicht enthaltene Blauanteil schädigt ca. zehn Mal so stark wie andere Wellenlängen. Bei Weißlicht mit niedriger Farbtemperatur lässt die mögliche Schädigung erheblich nach.
Unsere Berufsgenossenschaft gibt uns dazu bereits Hilfestellung in ihrer VBG Schrift „Scheinwerfer“. Dort wird im Anhang 4 folgender Hinweis gegeben:
„In der DIN IEC/TR 62778 (DIN SPEC 42778) findet man Hinweise über die Blaulichtgefährdung von weißen Lichtquellen in Abhängigkeit von Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke. Beispiele nach Tabelle C 1 der DIN IEC/TR 62778:
Betrachtet man kleine Lichtquellen bei Farbtemperaturen bis 3.750K, so tritt höchstwahrscheinlich keine Blaulichtgefährdung auf, wenn die Beleuchtungsstärke unter 1.000lx liegt. Dies entspricht noch einer Risikogruppe RG 1.
Betrachtet man kleine Lichtquellen bei Farbtemperaturen von 5.750K bis 8.000K, so tritt höchstwahrscheinlich keine Blaulichtgefährdung auf, wenn die Beleuchtungsstärke unter 500lx liegt. Dies entspricht noch einer Risikogruppe RG 1. Diese Aussagen gelten für weiße, nicht für monochromatische und/oder blaue Lichtquellen.
Was ist aber nun eine kleine Lichtquelle? Diese Definition wird einige Absätze vorher beschrieben. „Wenn ich mit dem Fingernagel des kleinen Fingers bei ausgestrecktem Arm direkt in den Scheinwerfer schaue und die Lichtquelle abgedeckt werden kann, handelt es sich um eine kleine Quelle, ansonsten um eine große Quelle.“ Denn „Handelt es sich um eine kleine Quelle, ist der Wert der Bestrahlungsstärke EB zu berücksichtigen, bei einer großen Quelle findet hingegen die Strahldichte LB Berücksichtigung. Die Strahldichte ist eine Eigenschaft der Lichtquelle und nimmt mit der Entfernung nicht ab. Die Unterscheidung zwischen kleiner und großer Lichtquelle ist auch deshalb von Bedeutung, da sich bei kleinen Lichtquellen die Strahlung auch nur auf einen kleinen Punkt auf der Netzhaut bündelt. Bei großflächigen Strahlquellen wird die Leistung auf ein größeres Areal verteilt; weiterhin ist für kleine Lichtquellen nicht mehr die Strahldichte relevant, sondern die Bestrahlungsstärke. Im Gegensatz zur Strahldichte nimmt die Bestrahlungsstärke gemäß dem fotometrischen Entfernungsgesetz proportional zum Quadrat des Abstandes zwischen Lichtquelle und Beobachter ab, womit wir zu den Mindestabständen zu Personen für die Scheinwerfer kommen.
Weiter finden wir in der VBG-Schrift „Scheinwerfer“ unter 4.2 Verhaltensregeln zu lesen:
Generell ist der direkte Blick in die Lichtquelle zu vermeiden, zum Beispiel indem Schauspielerinnen und Schauspieler oder andere Akteure das Publikum oder die Kamera fixieren.
Exponierte Personen sollten das Blickverhalten trainieren.
Falls der direkte Blick in Scheinwerfer erforderlich ist, muss entsprechende persönliche Schutzausrüstung benutzt werden (zum Beispiel Graugläser, spezielle Schutzbrillen mit orangenen Gläsern).
Die Scheinwerfer sollten über den Schatten und nicht über einen Blick in den Scheinwerfer fokussiert werden.
Bei Scheinwerfern der Risikogruppe 2 und 3 sind die Mindestabstände zu Personen einzuhalten. Die Expositionszeiten sollen minimiert werden. Maximale Expositionszeiten dürfen nicht überschritten werden.
Bild: Vermessung und Bewertung von Bühnen- Scheinwerfern hinsichtlich der Schädigung von Auge und Haut – BoSS „ (FP-0420) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Bild: Vermessung und Bewertung von Bühnen- Scheinwerfern hinsichtlich der Schädigung von Auge und Haut – BoSS „ (FP-0420) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Bild: Vermessung und Bewertung von Bühnen- Scheinwerfern hinsichtlich der Schädigung von Auge und Haut – BoSS „ (FP-0420) Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
VBG-Empfehlung: „Exponierte Personen sollten das Blickverhalten trainieren.“ Augenbewegungen führen bei steigender Expositionsdauer dazu, dass die Abbildung einer Quelle über eine größere Netzhautfläche „verschmiert“ wird und sich dadurch das Risiko für eine Netzhautschädigung verringert.
In dieser Diskussion tauchen als Begriffe Beleuchtungsstärkewerte auf, weiter unten sprechen wir von Bestrahlungsstärke. Hier werden sehr eng zusammen radiometrische und photometrische Größen genannt. Das ist fast analog zur Tontechnik, in der die physikalischen Schalldrücke in dB mit einer Bewertungskurve dem Hörverhalten des menschlichen Ohres angepasst werden (dB [A]) – als „wie laut“ empfinde ich etwas? In der Lichttechnik werden ebenso die physikalischen Größen (also die radiometrischen Größen, die zu messenden elektromagnetischen Wellen) der Empfindlichkeit des menschlichen Auges angepasst. So werden sie zu photometrischen Größen.
Die Umrechnung erfolgt mit einem Strahlungsäquivalents Km und V(l)-Funktion. So ist die photometrische Größe Lichtstrom Φv für einfarbige Quellen mit der radiometrischen Größe Strahlungsleistung Φe über folgende Gleichung verknüpft: Φv = Km·V(λ)·Φe
Wobei Km = 683 lm/W als Fixwert das maximale photometrische Strahlungsäquivalent oder auch die maximale „Lichtausbeute“ darstellt und die Funktion V(l) eine über Versuchspersonen empirisch ermittelte Hellempfindlichkeitskurve darstellt und vom CIE (International Commission on Illumination) veröffentlicht wird.
Photometrie
Radiometrie
Größe
Einheit
Zeichen
Zeichen
Einheit
Größe
Lichtstrom
Lumen (lm)
Fv
Fe
Watt (W)
Strahlungsleistung
Lichtstärke
Candela (cd=lm/sr)
I v
I e
W/sr
Strahlstärke
Beleuchtungsstärke
Lux (lx=lm/m²)
E v
E e
W/m²
Bestrahlungsstärke
Leuchtdichte
cd/m²=lm/(m²sr)
L v
L e
W/(m² sr)
Strahldichte
Gegenüberstellung der photometrischen und radiometrischen Größen
Die Summe der Strahlung eines Scheinwerfers festzustellen – das ist kein großes Hexenwerk. Aber die: Die größte Strahldichte eines bestimmten Punkts einer Leuchtfläche, innerhalb eines bestimmten Raumwinkels vom Messgerät ausgehend.
Als 2015 angefangen wurde, Scheinwerfer darauf hin zu untersuchen, war innerhalb von Sekunden bereits das erste Messgerät zerschossen, weil es zu nah vor der Lampe positioniert wurde. Und so ein Messgerät liegt im fünfstelligen Bereich. Solche Messgeräte nimmt man auch nicht mit auf eine Produktion. Auch muss das Messgerät exakt im rechten Winkel auf die Stelle der höchsten Leuchtdichte ausgerichtet werden, welche oft nicht das Zentrum der Linse bildet. Das ist so, wie einen Laserpointer in 10m Entfernung auf einen bestimmten Punkt der Linse auszurichten. Weiterhin haben die Parameter des Scheinwerfers (wie Zoomeinstellung) ebenso Einfluss.
Um einen Scheinwerfer nach der größten Strahldichte zu vermessen, braucht man um die vier Tage und einen Raum, der mindesten 10m lang ist, so Sven Kubin, Präventionsberater Sachgebiet Bühnen und Studios von der VBG.
Im Kapitel „Worauf können wir achten?“ wurden die Risikogruppen erwähnt, definiert in der DIN EN 63471. Aus der Tabelle kann man ersehen, dass es gefährlich wird, wenn keine Zeit mehr für eine natürliche Abwendreaktion gegeben ist. Gerade im Touring und bei Festivals muss man einkalkulieren, dass die Besucher auch Stoffe zu sich nehmen, die eine schnelle Reaktion behindern. Umso mehr müssen Lichtdesign und Lichtoperator ihrer Verantwortung bewusst sein, wohin man seine Scheinwerfer mit Risikogruppe 2 und 3 leuchten lässt. So sind auch die beliebten Fly-outs durch das Publikum mit solchen Scheinwerfern unangebracht, wenn der geforderte Mindestabstand zu Personen nicht eingehalten werden kann.
Wie erkennt man nun, dass ein Scheinwerfer dieser Risikogruppe angehört? Scheinwerfer der Risikoklasse 2 und 3 müssen mit einem Warnsymbol „Vorsicht! Optische Strahlung“ ausgestattet sein. Und spätestens jetzt sollte man sich auch die Anleitung des Scheinwerfers insbesondere die Sicherheitshinweise zu Gemüte führen, um nachzulesen, wie hoch der Mindestabstand sein muss.
Leider werden diese Hinweise meist mit einer Reihe von Selbstverständlichkeiten in einer Aufzählung gelistet, sodass einem diese Gefahr beim oberflächlichen Überschlagen der Anleitung nicht sofort ins Auge springt. Dem Lichtdesigner und Operator muss es klar sein, dass auch sie Verantwortung dafür übernehmen, wenn sie mit solchen Scheinwerfern hantieren.
Gruppe
Risiko
Bedeutung
Blaulicht
Le
W/(m² sr)
Blaulicht
kleine Quelle*Ee W/m²
Netzhaut thermisch
Le
W/(m² sr)
0
Kein Risiko
Die Lichtquelle stellt keine fotobiologische Gefährdung dar.
100
für ca. 2,8h
1
für ca. 2,8h
28.000/a
für ca. 10s
1
Geringes Risiko
Die Lichtquelle stellt bei bestimmungsgemäßer Benutzung keine Gefährdung dar. Die Emissionswerte überschreiten nur bei sehr langen Bestrahlungsdauern, die im Normalfall nicht vorkommen, den Grenzwert für die Bestrahlung.
10.000
für ca. 100s
1
für ca. 100s
28.000/a
für ca. 10s
2
Mittleres Risiko
Die Lichtquelle stellt dann eine Gefährdung dar, wenn natürliche Abwendreaktionen (zum Beispiel Wegschauen oder Lidschluss bei hellem Licht oder bei thermischem Unbehagen) überwunden werden.
4.000.000
für ca. 0,25s
Abwendreaktion
400
für ca. 0,25s
Abwendreaktion
71.000/a
für ca. 0,25s
Abwendreaktion
3
Hohes Risiko
Die Lichtquelle stellt sogar für flüchtige oder kurzzeitige Bestrahlung eine Gefährdung dar.
Gefahren für die Netzhaut Daneben gibt es auch den Gefahrenbereich für UV-Licht und IR-Strahlung. Weiterhin wird die Unterscheidung zwischen kleiner Lichtquelle und großer Lichtquelle mit der Unterscheidung von Strahlungsstärke und Strahldichte ersichtlich.
* Eine kleine Quelle wird definiert als eine Quelle mit einer Winkelausdehnung von (< 0,011 Radiant.
(Quelle: www.AUVA.at M083 Optische Strahlung – LED & VBG Schrift „Scheinwerfer“, DIN EN 62471)
Das Symbol, bei dem stilisierte Auge und Lampe im Achtungsdreieck durchgestrichenen sind, bedeutet „Nicht in die aktive Lichtquelle starren“. Es wird in der Norm Leuchten DIN EN IEC 60598-1 (VDE 0711-1) definiert und ist an den Scheinwerfer anzubringen, wenn der Schwellenwert E thr nach IEC/TR 62778 auch noch nach 200 mm erreicht oder übertroffen wird. In dem Fall muss in der Anleitung des Scheinwerfers der Text enthalten sein: „Die Leuchte ist so zu positionieren, dass längeres Starren in die Leuchte in einem geringeren Abstand als x Meter nicht zu erwarten ist.“
Was versteht man nun unter einem Starren? Wenn man konzentriert einen Punkt anvisiert, ohne bewusst den Blick davon abzuwenden. Mit dieser Definition relativieren sich auch die maximalen Expositionszeiten. Wenn nach einer überschlägigen Betrachtung bei einem PAR-56-Scheinwerfer mit einer Farbtemperatur von 2.750K in einem Abstand von 11,2m die maximale Expositionszeit ca. 35 min beträgt, dann wird einem eher verständlich, dass man nun 35 min konzentriert, ohne wegzuschauen in den Halogen-PAR schauen muss, bevor eine Schädigung auftreten kann. Kritisch sind insbesondere die Scheinwerfer, deren Strahlungsleistung so hoch ist, dass die maximalen Expositionszeit die Dauer einer natürlichen Abwendreaktion unterschreitet.
2019 testete Production Partner den Clay Paky Xtylos– einen Scheinwerfer mit einer Laser-Engine und der Risikoklasse 3. Bereits da konnte man aus den Sicherheitshinweisen herauslesen, dass der Mindestabstand zu Objekten 10m betragen muss. Unter dem Symbol „nicht in die aktive Lichtquelle starren“ wurde eine Mindestentfernung von 225m abgegeben. Der aktuelle Clay Paky Skylos benötigt zu Objekten bereits einen Mindestabstand von 30m und einen gefahrlosen Blick in die Lichtquelle ab 660m.
Selbst aus dem Open-Air-Festival heraus in den Himmel gerichtet fragt man sich da: Wie sieht es aus mit dem Flugverkehr bei einer Mindestflughöhe von 300m? Naturschützer werden ebenfalls die Stimme erheben und Ornithologen über Zeiträume und Flugrouten der Zugvögel befragen. Immerhin werden in den Sicherheitshinweisen weitergehende Forderungen gestellt, wobei die deutsche Übersetzung noch Fragen offenlässt: „Alle Bediener müssen rechtmäßige Mitarbeiter des Inhabers einer solchen Abweichung sein und eine einfache Schulung, die Sicherheit und Betrieb umfasst, absolviert haben. Der Bediener muss den Zugang zum Lichtstrahl innerhalb des Gefahrenbereichs kontrollieren oder das Produkt in einer Höhe installieren, sodass verhindert wird, dass sich die Augen der Zuschauer innerhalb des Gefahrenbereichs befinden.“
Zurück zu einem „Standard“-Washlight: Auch hier lesen wir bei den Sicherheitshinweisen, dass der Sicherheitsabstand zu Personen beispielsweise bei der B-EYE-Familie ganze 27m betragen soll.
Möchte man die Relation von Augenschädigungen erfahren, so fehlen hier größtenteils auswertbare Statistiken. Im Jahr 2016 verzeichnete die BG BAU fast 3.500 meldepflichtige Arbeitsunfälle, bei denen die Augen von Beschäftigten verletzt wurden. Meldepflichtig sind Unfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von drei Tagen oder den Tod zur Folge haben. Im gleichen Jahr registrierte die BG BAU zudem beinahe 34.000 nicht meldepflichtige Augenverletzungen. In solchen Fällen sind die Betroffenen zum Hausarzt gegangen, oder hatten Glück, und die Verletzungen heilten nach kurzer Zeit von selbst. Soweit zur künstlichen Strahlung.
Die Kraft der natürlichen Strahlung der Sonne ist uns dagegen wohlbekannt, und selbst den Kindern erklären wir, dass sie nicht in die Sonne blicken sollen. Es erlitten alleine in Deutschland ca. 3.000 Personen bleibende Macula-Schädigungen (Netzhautmitte) nach Beobachtung einer Sonnenfinsternis, wovon 10% bleibende Schäden davontrugen. Meist, weil mal kurz neben den Filter geschaut wird, um zu sehen, wie es direkt aussieht. Da die Netzhaut selbst schmerzunempfindlich ist, wird die Schädlichkeit des Lichteinfalls zuweilen nicht bemerkt.
Der subjektive Eindruck, dass die Sonne nicht blendet, ist keine Gewähr für sicheres Beobachten.
Wir haben heute Scheinwerfer mit Lichtleistungen, die insbesondere auch die Netzhaut der Augen schädigen können. Betrachtet man das Spektrum von „Ultra high pressure“-Entladungslampen, ist deren Potenzial übrigens noch viel gefährlicher als das der LED-Lichtquellen.
Obwohl mit LEDs keine UV-Strahlung mehr zu beachten ist, erfolgt jetzt eine Gefährdung durch das sichtbare Licht. Für den Anwender ist es aber extrem schwer, eine ordentliche Gefährdungsanalyse durchzuführen. Das liegt auch daran, dass bei mehreren Lampen – wenn sie 30cm auseinander sind und zusammen auf den Punkt leuchten – dennoch unterschiedliche Stellen auf der Netzhaut treffen. Ungleich komplizierter wird es, wenn man keine statische Situation wie ein Fernsehstudio hat, sondern auf eine Show mit ständig wechselnden Situationen. Wie soll ein Bühnenverantwortlicher hier die Strahldichte ermitteln? Dies ist zurzeit noch nicht umsetzbar. Immerhin wurde der Entwurf einer praktikablen Lösung mittels Luxmeter erstellt, verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Bericht-kompakt/Blaulichtgefaehrdung.html. Oftmals ist die Dokumentation der Hersteller eher spärlich oder ungenau. Hier müssen die „In-den-Verkehr-Bringer“ stärker ihren Pflichten nachkommen.
Auch führt es oft zu Unverständnis und unnötigen Diskussionen, wenn eine Band auf „ihrem Design“ besteht, obwohl die Sicherheitsabstände in der Location gar nicht eingehalten werden können. Das geht bis zur Unterstellung, dass man ihre „Show“ boykottieren möchte, und weiterhin, dass dann die Band nicht auftreten wird.
Spätestens hier sollte gesunder Menschenverstand angewendet werden, statt Machtspiele anzufangen. Aber auch bei Messeständen, Shootouts und nicht zuletzt im Service sollte man sich der Gefahr bewusster werden, weil dort Sicherheitsabstände naturgemäß nicht eingehalten werden: Sei es durch Leistungsreduzierung oder Abdeckung/Eingrenzung der bestrahlten Raumwinkel bei kopfbewegten Scheinwerfern.
Damit die Abgabe von Scheinwerfern am Ende nicht nur an dementsprechend eingeführtes Personal erfolgen darf oder man sich am Vorbild des Laserschutzbeauftragen anlehnt und die Scheinwerfnutzung analog regelt, sollte die Gefahrenabwehr von allen gemeinsam umgesetzt werden: Hersteller, Verkäufer, Lichtdesigner, Operator, Betreiber – jeder muss im Rahmen seines Arbeitsbereichs innerhalb einer Produktion die Verantwortung, die ihm zukommt, tragen und Maßnahmen umsetzen. Nicht, dass bald wieder die nächste Netzhautschädigung in unserer Branche die Runde macht.