„Immersive Wahrnehmung“ ist einer der deutlichen Trends – nicht nur in unserer Branche. Angefangen mit Dome-Projection (Kuppelprojektionen) perfektioniert 16 mittlerweile auch die Spiele- und Werbeindustrie mit Hochdruck die Systeme, bei denen man mittels VR-Brillen in künstliche Welten eintauchen kann. Allerdings besteht ein Nachteil darin, dass es sich bei dieser Technik um ein sehr individuelles und abgeschottetes Erleben für den Träger einer solchen Brille handelt. Schön wäre es doch, wenn man es mit anderen unmittelbar teilen könnte.
Die technische Entwicklung erlaubt es, grundsätzlich bekannte Konzepte medial aufzuwerten. Bei einer der ersten Formen der immersiven Wahrnehmung aus einer Zeit, in der es dieses Wort noch nicht gab – bei den Kuppelprojektionen – geht es darum, den die Zuschauer umgebenden Raum mit Bildern zu bespielen, um ebenfalls den Effekt des Eintauchens in die dargestellte Umgebung zu erzielen.
Vielen von uns dürften Kuppelprojektionen durch mehr oder minder freiwillige Besuche – oft im Rahmen eines Schulausflugs – in Planetarien bekannt sein und sind so behaftet vom Odem des Bildungsfernsehens. Aber auch hier haben moderne Konzepte Einzug gehalten. Allerdings bestehen bei Planetarien im Vergleich zu Showprojektionen doch etwas andere Prioritäten.
Zu den Grundlagen: um möglichst gute Reflexionseigenschaften einer Kuppelfläche zu erreichen hat diese üblicherweise eine helle Farbe. Bei der Kernaufgabe eines Planetariums – der Darstellung der Sterne eines Nachthimmels – ist es aber notwendig die Fläche schwarz wirken zu lassen. Dies wird nur gelingen, wenn sich der Raum völlig verdunkeln lässt und möglichst wenig Licht auf die ungewünschten Stellen trifft. Um dies zu erreichen wurden Planetarien bereits zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts mit speziellen Sternenprojektoren ausgestattet, die als optisch mechanische Systeme mit Multioptiken versehen astronomische Darstellungen ermöglichen.
Dabei werden die einzelnen Lichtaustritte mit Gobo-ähnlichen lichtundurchlässigen Masken bestückt, bei denen die gewünschten Darstellungen ausgeschnitten sind und nur dieses punktuelle Licht abgeben – der Großvater der heutigen Movinglights. Um flächige Bilder wie astronomische Nebel zu ermöglichen werden solche Systeme um zusätzliche spezielle Videoprojektoren erweitert, die dann über die Bilder eines Sternenprojektors ein flächiges Bild legen können.
Die vorgenannten Technologien werden üblicherweise in stationären Einrichtungen verwendet. Temporäre Kuppelprojektionen für Shows – ehemals wegen des technischen und baulichen Aufwands nur etwas für gehobene Budgets – sind mittlerweile erheblich einfacher durchzuführen und erfreuen sich mit moderner Technologie zunehmender Beliebtheit. Allerdings sind immer noch einige Besonderheiten dabei zu berücksichtigen.
Als erstes stellt sich die Frage wie man das Bild auf die gewünschte Fläche strahlt. Als Bildformate verwendet man sogenannte „Domemaster“, ein vorverzerrtes Kreisbild, das sich in ein quadratisches Bild einbettet und für die Ganzkuppelprojektion verwendet wird. Übliche Auflösungen in Pixeln sind 2K (2.048 × 2.048), 4K (4.096 × 4.096) oder auch 8K (8.192 × 8.192). Bisher ist die Definition eines Domemasters aber keine exakte technische Spezifikation, sondern eher eine gestalterische Leitlinie, um ein Bild optimal in einer Fulldome-Umgebung wiedergeben zu können.
Die einfachste Art der Wiedergabe ist die Verwendung eines einzelnen senkrecht nach oben abstrahlenden Projektors mit einem speziellen Weitwinkelobjektiv auf dem Boden in der Mitte einer Kuppel. Je nach Größe des Raums, sind hier aber durch die erreichbare Helligkeit und Auflösung Grenzen gesetzt: selbst bei Verwendung eines 4K Projektors lassen sich nur circa 2.000 Pixel in der Vertikalen und dadurch dann bei einem Domemaster 2.000 Pixel auch in der Horizontalen darstellen, was bei einer Kuppel mit 10 Metern Durchmesser zu einer Pixelgröße von etwa 7 Millimetern auf der Fläche führt – zu Zeiten immer höher werdender Ansprüche an die Detailschärfe von Bildern kaum zeitgemäß. Abgesehen davon wird der zentrale Platz in der Bodenmitte einer Kuppel bei einem Event natürlich gerne für die Gäste benutzt und sollte nicht durch Technik blockiert werden.
Projektoren können aber auch direkt am Rand der Kuppel montiert werden. Dann werden allerdings für eine gleichmäßig umlaufende Projektion mehrere Geräte benötigt. Eine Erhöhung der Geräteanzahl führt als Vorteil zur Erhöhung der Gesamtbildauflösung und zu einer Verbesserung der Bildschärfe: bei einer schräg auf eine Fläche auftretenden Projektion wird man sich entscheiden müssen, auf welche Entfernung die Optik scharf gestellt wird. Je kleiner die Einzelbereiche jedes einzelnen Projektorbildes sind, desto kleiner wird auch der Schärfeabfall über den Bildbereich des einzelnen Projektors.
Sobald mehrere Projektoren verwendet werden besteht die Notwendigkeit, die Bilder im Bereich der Stoßkanten beziehungsweise der Überlappungen aneinander anzupassen. Ist dies beim Einsatz von zwei Projektoren für jeweils die gegenüberliegende Hälfte der Kuppel noch mit konventionellen Methoden durchführbar, wird die Abstimmung bei mehreren Geräten zur Sisyphusarbeit. Denn neben der Angleichung der Überlappungsbereiche mit addierenden Helligkeiten, müssen auch die entsprechenden Bildteile den einzelnen Projektoren zugewiesen und geometrisch verzerrt werden, um sich wieder zu einem homogenen Gesamtbild zusammenzusetzen.
Hier hilft Software: So entwickelte zum Beispiel die Firma Vioso ein softwarebasiertes System mit einer Kalibrierungskamera, bei welchem diese Aufgaben komplett automatisiert werden. Attraktiv ist dieses System auch weil sich so herkömmliche Projektoren mit Standardoptiken für eine Kuppelprojektion verwenden lassen. Zunächst werden die Projektoren auf die Kuppelfläche so ausgerichtet, dass die gesamte gewünschte Fläche bestrahlt wird. Dabei ergeben sich die beschriebenen Bildüberlappungen, bei denen sich die Helligkeit addiert. Empfehlenswert soll es sein, möglichst gleichmäßig große Projektorenbilder zu erzeugen, um unterschiedliche Pixelgrößen zu vermeiden. Je nach Kuppelgröße und eingesetzten Optiken lassen sich mit fünf Projektoren bereits vernünftige Ergebnisse erzielen. Dabei werden vier Projektoren für die Seiten und einer für die Mitte eingesetzt.
Natürlich sind auch größere Systeme für größere Auflösung und erhöhte Helligkeit möglich. Benjamin Fritsch, Geschäftsführer von Vioso, weist allerdings darauf hin, dass es in Bezug auf die Lichtstärke bei einer Kuppelprojektion Besonderheiten gibt: „Aufgrund der Konstruktion einer Kuppel mit gegenüberliegenden hellen Flächen, muss man die Kreuzreflexionen berücksichtigen, da die bestrahlten Flächen das Licht reflektieren und bei zu großer Lichtstärke das Gesamtbild flau erscheinen lassen. Erfahrungswerte helfen bei der Bestimmung der notwendigen Leistung. Für einen kleinen Eventdome mit zehn Metern Durchmesser reichen üblicherweise sechs Projektoren mit 5.000 bis 7.000 Ansi-Lumen.“
Einrichtung
Bild: Dieter Hartmann
Einrichtung: Überlappende Bereiche von fünf Projektoren
Bild: Dieter Hartmann
Einrichtung: Testbilder zur Kalibrierung
Bild: Dieter Hartmann
Ergebnis nach erfolgter Kalibrierung
Nach der Montage der Projektoren wird eine Kalibrierungskamera in der Mitte des Raums aufgestellt, die alle bestrahlten Flächen erfasst. Um unerwünschte Beeinflussungen des Messvorgangs zu eliminieren, können einzelne Bereiche wie Fremdlichtquellen oder Reflexionen für das Bild der Messkamera ausmaskiert werden. Bei dem anschließenden softwaregesteuerten Kalibrierungsvorgang wird jeder einzelne Projektor mit wechselnden Testbildern und Mustern beschickt. Diese werden dann von der Kamera aufgenommen und von einem Rechner ausgewertet. Manche Baukörper wie Kugeln sind natürlich nicht mehr mit nur einer Kamera aufzunehmen, daher lassen sich mehrere Kameras in das System integrieren. Das Ergebnis besteht dann in einer automatisierten Softedge-Anpassung und passenden Verzerrung jedes einzelnen Bildes. Zur Optimierung des Kalibrierungsergebnisses können einzelnen Parameter noch manuell angepasst werden.
Eine weitere Besonderheit ist bei Kuppelprojektionen mit mehreren Projektoren zu berücksichtigen: Um die Bilder der einzelnen Projektoren homogen aneinanderzusetzen werden die Überlappungsbereiche in der Helligkeit abgesenkt. Ziel ist es die Bereiche dem Gesamtbild anzupassen – das kann wie bereits erwähnt manuell oder automatischen geschehen. Allerdings erzeugt auch ein gänzlich schwarzes Bild eines Videoprojektors ein gewisses Restlicht, welches sich in den Überlappungsbereichen wiederum addiert. Die eingestellten Softedges wirken hier nicht, da der Helligkeitswert des Bildes bereits Null ist – dementsprechend wirkt dieser Effekt bei dunklen Inhalten sehr störend.
Sven Giersch, Project Manager Vioso, gibt dazu folgende Tipps: „Man sollte Projektoren mit guten Kontrastwerten einsetzen und bei einer Showplanung sehr dunklen Content möglichst vermeiden. Es kann nützlich sein die Umgebungshelligkeit im Raum etwas anzuheben.“ Emanuel Züger, Domexperte bei Vioso, fügt an: „Bei besonders anspruchsvollen Projekten, wie bei Planetarien und Simulationen muss mit mechanischen Blenden an den Projektoren ähnlich den Torblenden von Scheinwerfern gearbeitet werden. Diese werden üblicherweise exakt auf die jeweilige Projektorposition hin gefertigt und blockieren das unerwünschte Restlicht. Aber auch eine Mischung von solchen „HardwareBlends“ mit software-generiertem Softedge-Anteil ist möglich, um die Homogenität der Projektion zu erhöhen oder Ungenauigkeiten solcher Blenden zu korrigieren.“
Auch zur allgemeinen Durchführung haben die Experten von Vioso Hinweise: „Man muss nicht unbedingt eine echte Halbkugel, bei der die Höhe dem halben Durchmesser entspricht, für eine Kuppelprojektion nutzen. Wenn reale Bezugsgrößen wie gerade Linien oder rechte Winkel in den Bildern nicht enthalten sind, fällt es oft nicht weiter auf, wenn die Kuppel flacher ist. Für Messen gibt es aufblasbare Eventdomes auf Mietbasis, deren Aufbau sich in wenigen Stunden realisieren lässt. Nutzbar wären diese zum Beispiel für Vorträge mit darin eingebauten 360°-Showteilen. Für kleinere Anwendungen auf einem Messestand kann man auch sogenannte Präsenterschirme nutzen, die als angeschrägte Teilkuppel dem davorstehenden Gast ebenfalls ein eindrucksvolles Betrachten ermöglicht. Entscheidend ist der immersive Charakter, bei denen man den Eindruck hat, dass einen das Bild rundum umgibt. Es geht um das Eintauchen in eine Welt und der Betrachter entscheidet selbst wohin er schaut.“
„Auch wenn die Erstellung von Dome-Content technisch gesehen keine besondere Herausforderung mehr ist muss eine entsprechende Bilddramaturgie berücksichtigt werden. Aus Erfahrung empfiehlt es sich Bildbewegungen langsam erfolgen zu lassen. Bildinhalte sind natürlich immer abhängig von Art der Präsentation und Position der Zuschauer. Für die Betrachtung einer großen Kuppelprojektion bieten sich Liegestühle an, die angenehmes Sehen nach oben ermöglichen. Andauerndes senkrechtes nach oben Schauen im Stand ist anstrengend und daher sollte wichtiger Content bei stehendem Publikum daher in angenehmer Blickrichtung positioniert werden. Für ein Gesamterlebnis sollte auch eine räumlich verteilte Beschallung vorhanden sein. Der deutliche Vorteil einer solchen Projektion gegenüber der Nutzung von Brillensystemen liegt darin, dass die Teilnehmer direkt miteinander kommunizieren und das miteinander Erlebte teilen können. Aber auch die Verbindung einer Kuppelprojektion mit dem Einsatz ein VR-Brille mit gleichem Content kann durchaus sinnvoll sein: der Blick eines VR-Brillenträgers wird für die Zuschauer im Raum sichtbar und bei Blickrichtungsänderung ändert sich auch die Darstellung der Kuppelprojektion entsprechend.“
Emanuel Züger erläutert zum Thema Auflösung und Content: „In einer Kuppel hat man deutlich höhere Überlappungsbereiche als im Vergleich zu einer breiten Projektion auf einer Leinwand, bei der nur jeweils eine senkrechte Kante überlappen muss. Mit sechs Full HD-Projektoren erreicht man aufgrund der notwendigen Überlappung bei einer Kuppel üblicherweise eine effektive Bildauflösung von etwa 2000 × 2000 Pixel. Um auf 8K-Auflösung zu kommen, was immerhin 67 Megapixeln Effektivauflösung entspricht, zu kommen benötigt man schon zwölf 4K-Projektoren. In Bezug auf den darzustellenden Content lässt sich grundsätzlich jedes Panoramaformat konvertieren. Auch die Bilder von 360°-Kameras können verwendet werden, wobei hier aber eine gute Auflösung notwendig ist. Weitere Möglichkeiten bieten Systeme, die den virtuellen Raum in Echtzeit berechnen und keiner Renderingzeiten bedürfen. Hier ist die Gaming-Industrie Vorreiter und es bestehen enorme Potenziale in diesen Anwendungen.“