Sicherheitstechnische Anforderungen an Stative und Traversenlifte
DIN 56950-3: Aktuelle Normung der Arbeitslifte
von Prof. Stephan Rolfes, Artikel aus dem Archiv
DIN 56950-3 mit dem Ausgabedatum 12-2015 ist seit nunmehr fast drei Jahren veröffentlicht, hat aber noch immer keine oder nur unzureichende Berücksichtigung bei der Herstellung und dem Vertrieb von Stativen und Traversenliften gefunden. In diesem Artikel werden die wesentlichen Anforderungen der DIN 56950-3 an Arbeitslifte dargestellt und erläutert
Die Definierung der Anforderungen an Stative in der Veranstaltungstechnik war bisher in der DIN 15560-27 enthalten. 2005 hat man bei der Überarbeitung dieser Norm allerdings den Anwendungsbereich auf Stative mit einer Nutzlast von bis zu 60 kg beschränkt. Diese Nutzlast entspricht der in der Veranstaltungstechnik auch in anderen Normen zu Grunde gelegten Nutzlast für Scheinwerferbefestigungen. Die Begriffsdefinition der Stative nach DIN 15560-27 lässt darauf schließen, dass diese Norm sich vor allem auf Stative bezieht, die zur Aufnahme von Scheinwerfern oder anderen Beleuchtungstechnischen Geräten bestimmt sind:
Stativ: ortsveränderliche, stehende, höhenverstellbare Trageinrichtung für Beleuchtungsgeräte und andere im Bühnen- und Studiobetrieb verwendete Gegenstände
In der Veranstaltungstechnik haben sich im Laufe der Jahre auch Hubgeräte aus dem Handwerksbereich verbreitet. In Analogie zu dem Einsatz von Standard-Industrie-Kettenzügen (D8-Kettenzügen) hat die Branche als preiswerte Hilfsmittel für Auf- und Abbau von Traversenkonstruktionen, Licht- und Lautsprechersystemen den Handwerkerlift adaptiert. Solche Handwerkerlifte waren ebenfalls als Stative nach DIN 15560- 27 anzusehen, haben jedoch häufig eine deutlich höhere Nutzlast von bis zu 250 kg.
Um solche Handwerkerlifte in der Veranstaltungstechnik einsetzen zu können, wurden sie leicht verändert. Dabei wurden die Anforderungen der BGV C1, heute DGUV 17 bzw. DGUV 18 zu Grunde gelegt.
Als ein Beispiel solcher Veränderungen sei die Sekundärsicherung genannt, die (wieder in Analogie zu den D8-Kettenzügen) vorgesehen wurde. Da die Sekundärsicherung bei einem Lift nicht aus einem Sicherungsseil bestehen kann, hat man eine zusätzliche Verriegelung an den Mastsegmenten montiert, die Bezeichnung „Handwerkerlift“ wurde in „Traversenlift“ geändert um die neue Anwendung deutlich zu machen. So wurde §8 der DGUV 17 / DGUV 18 als erfüllt angesehen:
Sicherung gegen unbeabsichtigte Bewegungen
(1) Bewegliche Einrichtungen der Ober- und Untermaschinerie mit ihren Lasten müssen mit Sicherungen gegen unbeabsichtigte Bewegungen ausgerüstet sein.
(2) Zur Sicherung gegen unbeabsichtigte Auf- und Abwärtsbewegungen von Einrichtungen der Ober- und Untermaschinerie mit ihren Lasten müssen
geeignete Triebwerke,
Bremsen oder
Gegengewichte in Verbindung mit Feststelleinrichtungen vorhanden sein.
(3) Es müssen Einrichtungen vorhanden sein, die bei Auftreten eines Fehlers die bewegten Lasten zum Stillstand bringen können.
Geeignete Triebwerke sind in DIN 56950-1 beschrieben, dort werden zwei unabhängige Sicherungseinrichtungen gefordert – Bremsen oder Selbsthemmung aus der Bewegung sind aufgeführt. Das „Triebwerk“ eines Liftes besteht i.d.R. aus einer Seilwinde (selten auch Bandwinde oder einem Ketten- bzw. Zahnradtrieb), die mit einer Lastdruckbremse ausgerüstet ist. Die Lastdruckbremse wird als eine der beiden Sicherungseinrichtungen gegen unbeabsichtigte Bewegung angesehen, der Riegelbolzen als die zweite Sicherungseinrichtung. Also sind DIN 56950-1 und damit DGUV 17 / DGUV 18 in diesem Punkt erfüllt. Als Riegelbolzen werden automatisch einfallende oder handbetätigte Rastbolzen verwendet. Automatische Bolzen sind nicht so beliebt, da sie den Bediener zwingen bei der Senkbewegung des Liftes den Bolzen mit einer Hand offen zu halten. Das führt häufig zu ergonomisch ungünstigen Arbeitshaltungen.
Wer aber jemals selber einen voll beladenen Traversenlift hochgekurbelt hat, der weiß, dass er – anders als bei Kettenzügen – unmittelbar unter der Last steht. Sollte es zum Versagen des Triebwerks oder eines seiner Teile (Wellen-, Kurbel-, Zahnbruch, Versagen der Lastdruckbremse, etc.) kommen, so ist der Lastabsturz unvermeidlich und es ist für den Bediener dann unmöglich auszuweichen. Auf Grund der häufig sehr dünnen Wandstärken der Mastsegmente ist ein sicheres Eingreifen von automatisch einfallenden Sicherungsbolzen zumindest fraglich. Diese beschriebene Gefährdungssituation ist beim Einsatz von D8-Kettenzügen gut vermeidbar. Bei Hubvorgängen mit D8-Kettenzügen hält sich der Bediener außerhalb des Gefahrenbereichs auf und betritt diesen erst nach Anbringen einer Sekundärsicherung. Ein Riegelbolzen als Sekundärsicherung muss also zwingend als automatisch einfallender Bolzen ausgeführt werden um den Bediener bei Ausfall der Lastdruckbremse zu schützen. Es muss weiter sichergestellt sein, dass sein Widerlager ausreichend bemessen ist um ein sicheres Eingreifen des Bolzens und einen ausreichenden Lastabtrag zu gewährleisten. Nur dann kann ein Riegelbolzen als wirksame Sicherungseinrichtung angesehen werden.
Und damit sind wir schon mitten in den Regelungen des Normenteils DIN 56950-3. Dort steht unter Punkt 5.7 „Triebwerke“:
Die Forderung nach DIN 56950-1:2012-05, 5.2.6.1, in Bezug auf die Sicherung gegen gefahrbringende Bewegung kann durch eine Bremse in Kombination mit automatisch einfallenden Riegeln erfüllt werden.
An diesem Zitat kann man auch erkennen, welche Philosophie der Normenteil DIN 56950-3 verfolgt (wie im Übrigen auch alle anderen Normenteile 2 bis 5 der DIN 56950-er Reihe). Mit der DIN 56950 existiert seit 2005 eine Norm, die sicherheitstechnische Anforderungen an alle maschinentechnischen Einrichtungen in Produktions- und Veranstaltungsstätten für szenische Darstellungen enthält. Dabei ist es unerheblich ob es sich um einen maschinellen Prospektzug, einen Punkt- oder Kettenzug, einen Bühnenwagen, eine Drehbühne oder –scheibe, usw. handelt. Stative und vor allem die hier behandelten Traversenlifte zählen definitiv dazu, dies lässt sich eindeutig aus DGUV 17 / DGUV 18 ableiten:
§2: […] sind […]: 4. Maschinentechnische Einrichtungen alle für den Betrieb in Veranstaltungs- und Produktionsstätten eingesetzten technischen Anlagen und Betriebsmittel.
Die allgemein für alle maschinentechnischen Einrichtungen geltenden Regelungen der DIN 56950 sind für Anlagen wie Stative oder Traversenlifte aber zu weitgehend oder spiegeln nicht den Stand der Technik in der jeweiligen Branche wieder. Deshalb ist 2012 die DIN 56905-1 als „Mutternorm“ mit den Teilen 2 „Bewegliche Leuchtenhänger“, Teil 3 „Stative und Traversenlifte“ sowie Teil 4 „Leinwände“ ergänzt worden. Als Entwurf liegt bereits ein fünfter Teil „Elektrokettenzugsysteme“ vor, der in Kürze als DIN 56950-5 erscheinen wird. Bei den Normenteilen geht es also darum, Abweichungen bei den Anforderungen an die speziellen Anlagen zu regeln. Sie gelten immer nur in Zusammenhang mit dem Teil 1 und nur speziell für die behandelten Einrichtungen, wie es im Vorwort zu DIN 56950-3 zu finden ist:
Die in diesem Teil definierten Abweichungen gegenüber der DIN 56950-1 beruhen auf den besonderen Einsatzbedingungen für die Stative und lassen sich nicht auf andere maschinentechnische Einrichtungen übertragen.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Regelungen aus der DIN 56950-3 dargestellt und begründet werden (es werden nicht alle Anforderungen gelistet. Zur Vollständigkeit ist immer das Originaldokument zu beachten):
Konstruktive Anforderungen
DIN 56950-1 fordert die Auslegung bzw. Bemessung aller tragenden Konstruktionselemente für die zweifache Nennbelastung. Dies gilt auch für Stative mit der Ergänzung, das immer rechnerische Nachweise zu führen sind (Versuche reichen nicht aus). Dabei sind auch der Transport und die Handhabung zu berücksichtigen, wenn daraus Zustände zu erwarten sind, die bemessungsrelevant sein könnten.
Wenn mit mehr als einem Traversenlift gemeinsam eine Last gehoben wird, so können aus ungleichen Hubbewegungen Höhenabweichungen entstehen, die zu einer Schrägstellung der Traverse und damit zu horizontalen Einwirkungen auf die Traversenlifte führen. Dies ist durch den Hersteller zu berücksichtigen.
Üblicherweise sind maschinentechnische Einrichtungen für den Einsatz innerhalb von Gebäuden oder zumindest in geschützten Konstruktionen vorgesehen. Stative und Traversenlifte werden aber oftmals im Außenbereich eingesetzt. Soll dies möglich sein, so müssen vom Hersteller die dann zu erwartenden Beanspruchungen aus Windstärken berücksichtigt werden.
DIN 15560-27 sah für den Standsicherheitsnachweis einen Versuch vor: Das Stativ war auf eine Schräge von 5° zu stellen und zu belasten. Es war nachzuweisen, dass das Stativ nicht umkippt. Dieser Versuch wurde für Stative bis 60 kg erhalten.
Für Stative mit einer höheren Nutzlast wurde ein rechnerischer Nachweis eingeführt, der mit einer Lastannahme von 1/20 der lotrechten Nutzlast, die am Stativ- bzw. Traversenliftkopf angreift, zu führen ist. Wichtig dabei ist, dass auch die Festigkeitsnachweise einzelner Bauteile wie des Basements oder der Ausleger zu dem Standsicherheitsnachweis gehören. Die Beanspruchungen aus dem durch Wind erzeugten Kippmoment müssen sicher aufgenommen werden können.
Ergänzend zu DIN 56950-1 sind Anforderungen an Stahlbänder als Tragmittel aufgeführt. Dies folgt den Regelungen aus DIN 56950-2 „Bewegliche Leuchtenhänger“, in der ebenfalls Anforderungen an Stahlbänder als Tragmittel enthalten sind.
Weiter sind Chemiefaserbänder als Tragmittel nur dann zu gelassen, wenn sie im Betriebszustand nicht für das Halten der Last benötigt werden. Die Bänder dürfen sich nur im Hub- oder Senkvorgang im Kraftfluss befinden. Bänder (sowohl Textil- als auch Stahlbänder) haben den Vorteil, dass sie sehr dünn sind und so sehr geringe Wickel- und Umlenkradien realisiert werden können.
Die Forderung nach einer Zugänglichkeit der Endverbindung der Tragmittel für Sichtprüfungen ist in DIN 56950-1 schon enthalten. Da bei vielen Produkten diese Anforderung nicht eingehalten wird, ist sie in DIN 56950-3 noch einmal explizit aufgeführt. Es gehört zur Sicherheitsphilosophie der Veranstaltungstechnik, dass Trag- und Anschlagmittel und ihre Befestigungen regelmäßig vor jedem Einsatz einer Sichtprüfung unterzogen werden. Der Hersteller eines Stativs oder Traversenlifts hat dafür Sorge zu tragen, dass dies problemlos möglich ist.
DIN 56950-1 fordert für Wickeleinrichtungen den 18-fachen Seildurchmesser, für Umlenkeinrichtungen den 20-fachen. Diese Forderung ist bei Stativen und Traversenliften konstruktiv häufig nicht umzusetzen. Deswegen lässt DIN 56950-3 hier abweichend kleinere Wickel- bzw. Umlenkradien zu. Diese müssen aber den Vorgaben der Industriestandards für Drahtseile, also DIN 15020-1, entsprechen. Die kleineren Wickel- und Umlenkradien führen zu einem höheren Verschleiß und einer verringerten Lebensdauer der Tragmittel. Dies kann der Hersteller dadurch kompensieren, dass er ein festes Wechselintervall, z.B. jährlich, für die Tragmittel festlegt. Bezüglich der oben schon erwähnten Handwinden als Triebwerke ist auf die Forderung nach geordnetem Wickeln hinzuweisen. DIN 56950-3 fordert zumindest in der ersten Lage eine Trommel mit Seilrillen. In den weiteren Lagen muss konstruktiv sichergestellt sein, dass das Seil sich sauber in die Rillen der unteren Lagen legt (Seilführung).
DIN 56950-1 fordert für Triebwerke eine Einrichtung gegen Überlastung. Diese Anforderung gilt auch für Triebwerke an Stativen oder Traversenliften nach DIN 56950-3. Wenn keine technische oder konstruktive Lösung realisiert wird (Hubkraftbegrenzer), so muss zumindest das Erreichen der zulässigen Nutzlast im Betrieb für den Bediener deutlich spürbar sein. Es muss dann eine Handkraft von mindestens 150 N an der Kurbel erforderlich sein, um die Last heben zu können.
Ergänzend zu den Anforderungen nach DIN 56950-1 wird in DIN 56905-3 nun eine Kurzbedienungsanleitung gefordert, die an dem Lift selber dauerhaft angebracht ist. Dies folgt den Regelungen in der allgemeinen Hebezeugtechnik, bei denen Kurzbedienungsanleitungen in der Nähe von Bedienstellen gefordert werden. Der Nutzer soll sich sofort und unmittelbar bei der Verwendung des Stativs bzw. Traversenlifts über die sachgemäße Verwendung informieren können. Dies hat insofern eine große Bedeutung, da Stative und Traversenlifte nur dann sicher eingesetzt werden können, wenn sie fachgerecht und unter Beachtung aller Sicherheitshinweise verwendet werden.
Da der Einsatz von Stativen und Traversenliften sehr vielfältig und unter unterschiedlichsten Umgebungsbedingungen erfolgt, müssen vom Hersteller in der Bedienungsanleitung die Hinweise gegeben werden, die für einen sicheren Einsatz notwendig sind. Dies können z.B. maximal zulässige Höhenabweichungen beim Heben einer gemeinsamen Last mit mehr als einem Stativ bzw. Traversenlift sein, oder Angaben zur Ermittlung der Windkräfte auf ein Stativ bzw. Traversenlift (Cf-Werte). Mit dieser Angabe kann der Nutzer dann einen Standsicherheitsnachweis für die gesamte Konstruktion aus Traversenliften und Traversen sowie deren Lasten (Scheinwerfern, Lautsprechern, etc.) führen oder führen lassen.
Stative und Traversenlifte sind als maschinentechnische Einrichtungen prüfpflichtig und müssen jährlich einer Sachkundigenprüfung (Prüfung durch eine befähigte Person) und vierjährig einer Sachverständigenprüfung (Prüfung durch einen Prüfingenieur) unterzogen werden. Hier muss auch auf die Unfallverhütungsvorschrift DGUV 17 / DGUV 18 und die Betriebssicherheitsverordnung verwiesen werden.
DIN 56950-3 enthält sicherheitstechnische Anforderungen an Stative und Traversenlifte, die Abweichungen und Ergänzungen gegenüber den Anforderungen der DIN 56950-1 darstellen. Der Normenteil soll den besonderen Anforderungen an den Einsatz von Stativen und Traversenliften in der Veranstaltungstechnik gerecht werden. Er soll Herstellern die Informationen bereitstellen, die neben den grundlegenden sicherheitstechnischen Anforderungen an Maschinen nach EG-Maschinenrichtlinie für einen Einsatz in der Veranstaltungstechnik notwendig sind. Nur ein Stativ oder ein Traversenlift, das/der die Anforderungen der DIN 56950-3 vollständig erfüllt, kann als ein sicheres Arbeitsmittel angesehen werden und erfüllt damit auch die Anforderungen der DGUV 17 und DGUV 18. Insofern dient DIN 56950-3 auch den Betreibern bei der Auswahl geeigneter Stative und Traversenlifte.
Die DIN 56950-3 ist im Dezember 2015 veröffentlicht worden. Sie löste dabei mit sofortiger Wirkung die DIN 15560- 27 ab. Die Hersteller haben teilweise reagiert und sind seitdem in der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung ihrer Stative und Traversenlifte, um sie den Anforderungen der DIN 56950-3 entsprechend auszuführen. Bisher ist dem Autor noch kein Produkt bekannt, das vollumfänglich alle Anforderungen der DIN 56950-3 erfüllt. Es ist aber eine Frage der Zeit, wann die Hersteller ihre Produkte entsprechend angepasst haben.
Prof. Stephan Rolfes ist als Professor für die Konstruktionslehre an der Beuth Hochschule in Berlin in den Studiengängen der Theater- und Veranstaltungstechnik tätig. Er ist ermächtigter Sachverständiger der Unfallkassen und führt regelmäßig Prüfungen an maschinentechnischen Einrichtungen durch. Als Mitarbeiter im Arbeitskreis NVBF 5 – Maschinen des DIN war er federführend an der Erstellung der DIN 56950-3 beteiligt.