Riedel-Infrastruktur

Digitalisierung beim Wacken Open Air

Wacken 2018(Bild: Sven Schuhen)

Alljährlich zieht es am ersten Augustwochenende 75.000 Metal-Jünger auf ihre Pilgerreise in ein beschauliches kleines Dorf nördlich von Hamburg: Wacken. Was 1990 als kleines Dorffestival mit ein paar Boxen auf einer Anhängerpritsche, sechs deutschen Bands und Metal-Disco bei 800 Besuchern in der Wackener Kiesgrube begann, ist 2018 eine der größten Open-Air-Materialschlachten der Welt. Und in der immer komplexeren Welt der Digitalisierung spielt auch die Vernetzung eines solchen Events eine immer bedeutendere Rolle. In diesem Teaser geben wir nach unserem Ortstermin einen Einblick in die verwirrende Infrastruktur, die Riedel auf Wacken schafft

Schon sehr früh hätten die Veranstalter des Wacken Open Airs die Notwendigkeit für eine Vernetzung erkannt und auch die dafür nötige grundlegende Infrastruktur geschaffen, so Evangelos „Laki“ Mitrou, der uns als Senior Project Manager vor Ort zur Seite stand. So wurde der „heilige Acker“, wie er von den Metal-Jüngern genannt wird, in den letzten Jahren außerhalb der Veranstaltung nicht nur von Landmaschinen umgegraben und bearbeitet, sondern auch von Baumaschinen. Neben mehreren Kilometern an Frischwasser- und Abwasserleitungen und der berühmten Bierpipeline, über die 10.000 l Bier pro Stunde an zehn Schnellzapfanlagen gezapft werden können, wurden auch mehre Kilometer Glasfaserleitung vergraben und etwa 40 Glasfaserverteiler auf dem Gelände installiert. Die Infrastruktur wird jährlich erweitert, auch Wünsche von Riedel als Dienstleister werden bei Neuerungen berücksichtigt und das ganze Jahr über pflegt und wartet die IT-Abteilung des Veranstalters die bestehenden Systeme.

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Evangelos "Laki" Mitrou
Evangelos “Laki” Mitrou (Bild: Detlef Hoepfner)

Da die alte Wackener Kiesgrube schon lange nicht mehr für das Festival ausreicht, hat sich dort in den letzten Jahren ein Knotenpunkt für die Festival-Infrastruktur etabliert und auch das lokale IT-Zentrum wurde an dieser Stelle errichtet, in dem alle Glasfaserverbindungen zusammenlaufen. Laki berichtet hier: „Die visionäre Aufbereitung des Event-Geländes mit zahlreichen Glasfaserleitungen entspringt dieser Abteilung. Das ganzjährige System der ICS Festival Service GmbH wird für das Wacken-Event auf dem Acker ausgerollt und deckt grundlegende Bedürfnisse in den Büros und Außenpositionen in und um Wacken ab. Die ICS-IT kümmert sich zusammen mit einem lokalen Anbieter um die redundante Versorgung des Events mit Internet. Unsere Systeme verschmelzen dann zu einem großen System, um allen alles möglich zu machen. Besonders die Versorgung mit Internet und Telefonie, ohne die eine Veranstaltung heutzutage nicht mehr möglich wäre, wird vom ICS-Team übernommen.“

Für Riedel bedeutet die durch die Veranstalter geschaffene Infrastruktur nun deutlich weniger Arbeit in der Vorbereitung. Wo vorher noch aufwändig Gräben für die temporäre Vernetzung gezogen werden mussten, kann man sich jetzt noch mehr auf die Kernaufgaben konzentrieren, die über die Jahre deutlich an Komplexität zugelegt haben. Wie komplex das ganze ist, erläutert Laki, als wir uns im Produktionsbereich treffen: „Das Schema ist prinzipiell sehr einfach: Wir stehen zentral mit unseren Geräten im Produktionsbereich. Von dort gehen redundant Glasfaserkabel zu den verschiedenen Bühnen, FOHs, Ein- und Ausgängen, Gastrobereichen, Funktürmen, Ticketbüros, Akkreditierungsbüros, Pressezelt, VIP-Bereich, Behörden, Sponsoren, Übertragungswagen, usw. Manche Bereiche werden auch per Richtfunk erschlossen, wenn sie zu weit entfernt sind. Darüber hinaus stehen wir mit unserem Equipment an allen Ein-/Ausgängen (Gelände, Zelte, Bühnen) sowie Durchgängen. Typischerweise stellen wir an diesen Positionen CCTV-Kameras, Video Ein- und Ausgänge, Audio Ein- und Ausgänge, Netzwerkanschlüsse mit VLAN-Management, WLAN Access Points und Richtfunk. Dabei versorgen wir alle relevanten Gewerke mit den Signalen, die sie brauchen. Das betrifft die TV-Produktion, die Akkreditierung, die Telefonie, das Lichtdesign, das Infotainment, die Security, die Stageproduction, die Artistproduction, die Besucherzählung, die Stewards, den Campingbereich, die ausgelagerten Büros, die Polizei, die Krisenführung, die Gastronomie, Sponsoren/Partner, das Stagemanagement, die Zugangskontrolle und viele mehr.“

Sämtliche Bildschirme und Videowalls auf dem Gelände sind über das Netzwerk angebunden und können von mehreren Quellen aus gespeist werden, teilweise geschieht dies sogar parallel über Multiviewing-Anwendungen. Jede Beschallung, die ins Publikum geht, ist ebenfalls im Netzwerk. Im Notfall kann die Veranstaltungsleitung die Kontrolle über alle Bildwände und Beschallungseinrichtungen übernehmen und Evakuierungs- bzw. Infomeldungen visuell und akustisch ausspielen. Und das sogar partiell nur für bestimmte Bereiche des Geländes.

Sicherheit beim Wacken Open Air

Sicherheit ist beim Wacken Open Air ein besonders wichtiges Thema, und da spielt die Redundanz der verwendeten Systeme eine zentrale Rolle. „Da mit schwerem Gerät gearbeitet und das Material immer wieder mal stark beansprucht wird und da über unser System viele sicherheitsrelevanten Informationen fließen, könnte ein Ausfall enorme Auswirkungen auf den Event haben. Die Anzahl der Signale und die langen Strecken, die diese Signale zurücklegen müssen, setzen eine Vernetzung per Glasfaser voraus“, so Laki auf unserem Rundgang.

Zum Thema Vernetzung führt Laki aus: „Wir nutzen für die Vernetzung größtenteils unsere firmeneigenen Produkte. Der gesamte Event wird mit einem MediorNet-Backbone redundant per Glasfaser vernetzt. Um die gewünschte Bandbreite zu erreichen, werden mehrere Wellenlängen per Multiplexing gebündelt. So erreichen wir eine redundante Bandbreite von bis zu 40 Gb/s. MediorNet ist bereits jetzt mit einer IP-Schnittstelle ausgerüstet und sowohl Intercom als auch Audio und Video werden in Wacken per IP-Technologie verteilt.“

Neben der Vernetzung von Bühnen, Bildwänden und Beschallungsanlagen ist Riedel aber vor allem für die Kommunikation der über tausend am Festival beteiligten Menschen zuständig. Hierfür nutzt Riedel ein digitales Tetra-Bündelfunksystem des Herstellers DAMM, welches ebenfalls voll im Netzwerk integriert ist. 1000 Geräte kommen in, auf und um Wacken zum Einsatz. Durch 70 zu Verfügung stehende Kanäle können hier unterschiedliche Gruppen gebildet werden, die jeweils auch über eine speziell entwickelte IP-Schnittstelle in Riedels Intercom-Lösung Artist angebunden sind. Riedels Mitarbeiter können über eine entsprechende Software den Status jedes einzelnen Gerätes live überwachen, Gruppenzuweisungen vornehmen und das System somit flexibel auf Änderungen anpassen. Rund 150 Geräte verfügen über eine GPS-Ortung und werden dadurch auf einer speziellen Karte in der Software mit Standort vermerkt. So können z.B. mit diesen Geräten ausgestattete Security-Supervisor auf eine bestimmte Situation in ihrer Nähe hingewiesen und dort hingeleitet werden, um diese gezielt und schnell zu entschärfen. Neben den Funkgeräten kamen in diesem Jahr auch zum ersten Mal Riedels eigene drahtlose Intercom-Systeme Bolero zum Einsatz.

In der Veranstaltungsleitung sitzen Vertreter des Veranstalters, des Sicherheitsdienstes, der Polizei und der genehmigenden Behörde. Diese haben über mehrere Monitore alle 40 – ebenfalls im Netzwerk integrierten – Sicherheitskameras auf dem Gelände im Blick. Außerdem sehen sie alle Bilder der Bühnenkameras und die Inhalte aller Bildschirme und LED-Wände auf dem Gelände sowie einen Geländeplan mit dem Standort aller Bildschirme. Dazu gibt es für den Notfall vorgefertigte Evakuierungsmeldungen und Informationen, die in den entsprechenden Situationen aus der Veranstaltungsleitung überlagert werden können. Sie hat ebenfalls Zugriff auf das Intercom- und das Funk-System, um mit allen Gewerken und Beteiligten Rücksprache halten zu können. Laki schwärmt an dieser Stelle: „Ein ausgeklügeltes System zur Entfluchtung in Notfällen wird mit Hilfe der Riedel-Technik gesteuert und protokolliert.“

In Riedels Operator-Raum befindet sich neben zwei Arbeitsplätzen für die Überwachung aller Intercom-Verbindungen und aller Funk-Verbindungen auch eine aus dem Krisenraum gespiegelte Bildschirmwand, an der die beiden Operatoren sofort sehen können, wenn Probleme auftauchen. Die dortigen Mitarbeiter messen kontinuierlich alle Kabelverbindungen, behalten die Netzwerk-Monitoring-Anwendungen im Auge und programmieren die Systeme nach den Anforderungen der Veranstaltungsleitung. Alle Informationen, die Sicherheitsmechanismen und Messeinrichtungen im Netzwerk werden protokolliert und optisch aufbereitet und können somit im Fehlerfall umgehend und zielgenau von den Mitarbeitern jederzeit verfolgt, analysiert und behoben werden. Beim Thema Netzwerksicherheit verrät mir Laki: „Von der Sprechstelle über die Gastro-Kassen bis zu den USVen und CCTV-Kameras sind fast alle Geräte, die wir nutzen, mittlerweile mit einer IP-Schnittstelle ausgerüstet. Dadurch lassen sich diese Geräte gesammelt in unserer Schaltzentrale überwachen. Wir nutzen dafür eine besondere Kontrollsoftware. So können wir mehrschichtige Alarm-Strukturen bauen, die uns optisch in unseren Büros, aber auch per Mail oder Push-Nachricht auf das Mobiltelefon über Ausfälle informiert.“

Zwischen diesen beiden Räumen befindet sich noch ein weiterer – der Security-Beobachtungsraum. Hier sitzen mehrere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, die sämtliche Überwachungskameras rund um die Uhr im Blick haben und sich die Bilder der einzelnen Kameras in der Übersicht immer wieder mal in die größere Ansicht laden und per Steuerung neigen, drehen und zoomen können. Bei besonderen Auffälligkeiten wird eine Meldung an die Veranstaltungsleitung herausgegeben, die die Steuerung der entsprechenden Kamera dann für die weitere Betrachtung und Auswertung übernimmt.

Im Main-Control-Room (MCR) befindet sich das Herzstück von Riedels Operationsbasis, hier laufen alle Leitungen zusammen und sämtliche Server, Glasfaserverteiler, Netzwerk-Switche etc. befinden sich dort. Jeder Monitor, jede LED-Videowand und alle Lautsprecher auf dem Gelände sind hier über das Netzwerk angebunden und können gezielt mit Informationen bespielt werden. Außerdem werden die Signale aller Überwachungskameras auf dem Gelände erfasst, aufgezeichnet und im Netzwerk verteilt. Das Ganze wird mit einigen USVs vor Ausfällen gepuffert und ordentlich gekühlt.

Für die Anbindung der Bühnen hat Riedel Standard-Racks im Programm, die mit allen notwendigen Schnittstellen wie MediorNet und RockNet ausgerüstet sind. So kann vor Ort noch flexibel auf den Bedarf eingegangen werden. Diese Racks kommen überall dort zum Einsatz, wo Video- und Tonsignale aus dem Netzwerk ausgespielt oder ins Netzwerk eingebunden werden sollen. Darüber hinaus stellen diese Racks auch sämtliche anderen Dienste, die Riedel im Netzwerk verwaltet, vor Ort zu Verfügung. So lassen sich hier ebenfalls Intercom-Signale abgreifen oder es kann ein einfacher Internetanschluss eingerichtet werden. An den Bühnen werden aber nicht alle einzelnen Audiosignale der Mischpulte abgegriffen, sondern lediglich mehrere Summensignale. Die Zuspielung der LED-Wände an den Bühnen wird über die Racks an den MCR geleitet und dann erst in die Video-Regie, um eine Vorrangschaltung durch die Veranstaltungsleitung zu ermöglichen. Außerdem findet eine Vernetzung der Bühnen mit verschiedenen Büros auf dem Gelände statt, wo z. B. Licht-, Ton- und Video-Operator ihre Shows vorbereiten und Dateien mit dem FOH austauschen können. Auch Informationen von den Lautstärkemesssystemen werden über die Racks an den Bühnen im Netzwerk zu Verfügung gestellt und können z. B. von der Veranstaltungsleitung abgerufen und im MCR protokolliert werden. Laki macht an dieser Stelle deutlich: „In einer vielschichtigen Eskalationsmatrix werden die Signale entsprechend der individuellen Notsituationen umgeroutet. Dadurch ist es möglich, verschiedene Entfluchtungsszenarien zu realisieren.“

Cashless-Payment

Was 2017 als Test begann, wurde dieses Jahr im großen Stil aufgefahren: Bezahlung mit der W:O:A-Card. In Kooperation mit dem Unternehmen simply-x lassen sich die Cashless-Payment-Karten über ein Webportal oder vor Ort mit Guthaben aufladen. Für die Bezahlung mit dieser Karte wurden nahezu alle Händler und Gastrostände vor Ort mit entsprechenden Kassen ausgerüstet (insgesamt 550), die natürlich auch alle vernetzt sind, um dieses System bewerkstelligen zu können. Im VIP-Bereich wurden darüber hinaus sogar erste Cashless-Bierzapfstellen getestet, an denen man seine W:O:A-Card auf ein Terminal legt, seinen leeren Becher auf eine Zapfstelle drückt und dieser bei ausreichend Guthaben dann von unten durch den Becherboden befüllt wird. Eigens für das Cashless-Payment hat Riedel eine mehrköpfige Crew abgestellt, die sich den ganzen Tag um das System kümmert und immer wieder alle Stationen abfragt, ob das System zufriedenstellend funktioniert. Da das Feedback bisher sehr positiv ausfiel, soll das System 2019 noch weiter ausgebaut werden. Laki berichtet: „Kleingeld und langes Warten sollen so Schritt für Schritt abgeschafft werden. Bei den Besuchern kam das System auch dieses Jahr wieder sehr gut an. Barzahlungen sind weiterhin möglich, die Vorteile des Cashless Payment überzeugen aber auch alteingesessene Fans.“ Viele Händler bieten auch Zahlung mit EC- und Kreditkarte an, was eine Internetverbindung zum Zahlungsdienstleister benötigt. Auch hier versorgt Riedel die einzelnen Händler mit den nötigen Anschlüssen.

VIP-Bereich
VIP-Bereich: Selbst kleinere Bildschirme und Beschallungsanlagen in Nebenschauplätzen, wie hier im VIP- und Pressebereich, sind ans Netzwerk angebunden und können aus verschiedensten Quellen vor Ort oder aus dem Netzwerk mit Inhalten bespielt werden. Auch hier hat die Veranstaltungsleitung jederzeit die Möglichkeit einer Vorrangschaltung (Bild: Sven Schuhen)

 

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