Worst Case: Veranstaltungsabsage wegen höherer Gewalt
von Christiane Kühn, Anna Kaiser, Artikel aus dem Archiv
Die heutigen Entwicklungen und Gefahren zwingen Veranstalter manchmal dazu, eine langfristig geplante Veranstaltung kurzfristig abzusagen, um die Sicherheit aller Beteiligten gewährleisten zu können. Obwohl solche Absagen in der Regel selten sind, zeigen sie dennoch, dass es sich bei den damit möglicherweise verbundenen Rechtsfolgen nicht nur um theoretische Probleme handelt. Jeder Veranstalter, der mit einer kurzfristigen Absage konfrontiert ist, wird gedanklich auch die rechtlichen Konsequenzen seiner Entscheidung prüfen. Mit diesem Beitrag wollen wir einen kurzen Überblick über die möglichen Folgen geben.
Bei einer Veranstaltungsabsage können z.B. nicht unerhebliche Schadensersatzansprüche drohen. Hierbei spielt vor allem der Grund für die Absage eine wichtige Rolle und ob der Eintritt des Grundes „selbst verschuldet“ wurde. Nach der Rechtsprechung sind außerordentliche Ereignisse, die unverschuldet von außerhalb auf Betriebskreise hereinbrechen und nach der Lage der Sache von dem Betroffenen nicht verhindert werden können (wie beispielsweise Naturkatastrophen oder terroristische Attacken), Fälle sogenannter „höherer Gewalt“. In diesen Fällen handelt der Veranstalter nicht schuldhaft, was in der Regel Schadensersatzansprüche ausschließen dürfte.
Außerdem stellt sich die Frage, wie mit etwaigen Ersatzansprüchen der Zuschauer umzugehen ist. In der Regel sehen viele Geschäftsbedingungen für diesen Fall eine Klausel für den Haftungsausschluss bei höherer Gewalt vor, so dass jedenfalls Schadensersatzansprüche der Zuschauer in den meisten Fällen ebenso ausgeschlossen sein dürften. Eine andere Frage ist wiederum die Erstattung von Ticketpreisen. Hier lohnt sich ein Blick in die (eigenen) AGB, ob gegebenenfalls Rückvergütungen vorgesehen sind oder ob eine Kulanzregelung angeboten werden sollte.
Honorarforderung der Subunternehmer
Neben den genannten Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung des Vertrages stellt sich aus Veranstaltersicht zudem die Frage, ob er dennoch das mit seinen Vertragspartnern (Künstler, Bühnenbauer, Caterer, Production Companies, Dry Hire-Firmen, Mitarbeiter oder Freelancer) vereinbarte Honorar zu bezahlen hat. Vor allem wenn die geplanten Einnahmen ausbleiben, stellt dies ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Die Einschätzung hängt zunächst von dem jeweils betroffenen Vertragsverhältnis ab. Zum Beispiel wird die Frage bei einem Lichttechniker, der ggf. schon seine Leistung zum Zeitpunkt der Absage überwiegend erbracht hat, anders zu beantworten sein als bei dem Künstler, der auf der Veranstaltung erst hätte auftreten sollen, oder dem Angestellten oder Freelancer, der vom Veranstalter eingesetzt wird. Allen Fällen gemeinsam ist wiederum, dass es wesentlich auf den Inhalt des Vertrages, das heißt auf die Form der „jeweils geschuldeten Leistung“ und die Frage der Kündigungsrechte ankommt. Gerade in Fällen, in denen die Leistungen nur auf Basis einer mündlichen Vereinbarung erbracht werden, stellen sich oft nicht unerhebliche Beweisprobleme. Hier können etwa ausgetauschte E-Mails mit Angaben zum Inhalt der Bestellung oder zu Leistungszeit und -ort entscheidend sein. Ergibt sich daraus, dass die Leistung des Vertragspartners „erfolgsorientiert“ ausgestaltet ist (Stichwort: Werkvertrag), bleibt der Vergütungsanspruch des Vertragspartners in der Regel auch im Falle einer Kündigung bestehen. Vor allem in den Bereichen Lichttechnik oder Bühnenbau ist dies relevant.
Der Vertragspartner muss sich grundsätzlich nur die sogenannten ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Das heißt, der bereits erbrachte Leistungsstand wird abgerechnet, obwohl die geplanten Einnahmen ausbleiben. Bei den vom Veranstalter beschäftigten, eigenen Mitarbeitern ist die Frage, ob diese trotz Ausfall der Veranstaltung ihre Vergütung erhalten, vergleichsweise einfach zu beantworten: Als Arbeitnehmer müssen sie so vergütet werden, wie vertraglich vorgesehen, denn das Betriebsrisiko trägt hier in der Regel der Arbeitgeber, also der Veranstalter. Kann er seinem Mitarbeiter aufgrund des Ausfalls keinen Arbeitsplatz anbieten und eine Tätigkeit zuweisen, befindet er sich im Annahmeverzug und muss, obwohl er keine Gegenleistung vom Arbeitnehmer bekommt, die hierfür geschuldete Vergütung leisten. Grund hierfür ist, dass ein Arbeitnehmer nur die Tätigkeit als solche schuldet und nicht einen konkreten Erfolg der Tätigkeit.
Was bedeutet der Ausfall für den Freelancer?
Anders kann es sich mit Mitarbeitern verhalten, die auf freier Basis vom Auftraggeber eingesetzt werden, sog. Freelancer. Diese haben mit dem Auftraggeber keinen Arbeits-, sondern in der Regel einen Dienstvertrag geschlossen. Sie können demnach nur dann trotz des Ausfalls der Veranstaltung die entsprechend vereinbarte Vergütung verlangen, wenn sie ihre Leistung bereits erbracht haben oder – weil z. B. eine Rahmenvereinbarung besteht, auf deren Grundlage immer wieder einzelne Aufträge vergeben werden – der konkrete Auftrag schon erteilt und angenommen wurde und keine anderweitige Regelung hinsichtlich der Risikotragung getroffen wurde.
Zu beachten ist hierbei, dass ein freier Mitarbeiter nur dann tatsächlich freier Mitarbeiter ist, wenn er nicht von Weisungen des Auftraggebers abhängig ist und auch nicht in seine Arbeitsorganisation eingegliedert ist. Selbst wenn sich aus dem Vertrag mit dem Freelancer nichts für eine Arbeitnehmerstellung ergibt, so kann sich dennoch aus der tatsächlichen Handhabung eine Arbeitnehmereigenschaft ergeben. Wird also der Vertrag anders gelebt, ist der freie Mitarbeiter in Wahrheit gar nicht frei, sondern als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Dies könnte zur Folge haben, dass Nachforderungen der Sozialversicherungsträger drohen, die der Veranstalter überwiegend allein zu tragen hätte.
Insgesamt betrachtet kann die Rechtslage einen fairen Interessenausgleich im Falle einer unverschuldeten Absage von Veranstaltungen schaffen. Allerdings ist die Durchsetzung der gesetzlichen Ansprüche oft zeit- und kostenintensiv, so dass die in der Branche übliche Praxis von mündlichen Verträgen im Streitfall „nicht weiter hilft“. Deshalb empfehlen wir schriftliche Vertragsabschlüsse, wobei insbesondere bei ständig wiederkehrenden Kooperationen der Abschluss einen Rahmenvertrages in Betracht kommt. Mit der Vereinbarung von Ausfallpauschalen kann im Übrigen auch das wirtschaftliche Risiko unter den Vertragspartnern fair verteilt werden.
Die Autoren
Anna Kaiser ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und ebenfalls für die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Sie berät in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts sowie im Sozialversicherungsrecht. (anna.kaiser@luther-lawfirm.com)
Christiane Kühn, LL.M. (Hong Kong) ist seit 2011 als Rechtsanwältin bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig. Sie berät insbesondere in den Bereichen des Handels- und Vertriebsrechts sowie im Insolvenzrecht. (christiane.kuehn@lutherlawfirm.com)
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