Seit nunmehr 30 Jahren vermittelt die Hermann-Greiner-Realschule ihren Schülerinnen und Schülern in zweijährigem Turnus neben schulischem Wissen gleichermaßen künstlerische Fähigkeiten und soziale Kompetenz. Ein Erfolgskonzept, egal ob man dabei den Erwerb von Schlüsselqualifikationen wie Teamgeist, Selbstbewusstsein oder Verlässlichkeit, Auszeichnungen wie den Lotto Musiktheaterpreis oder die nahezu zuverlässig ausverkauften Vorstellungen betrachtet. Aber Erfolg lässt sich auch branchenspezifischer definieren: Mit stetig wachsenden Anforderungen an die technische Realisation anspruchsvoller Musical-Welterfolge steigerten sich nicht nur Quantität und Qualität der eingesetzten Veranstaltungstechnik, sondern auch die Zahl externer Fachkräfte. Gleichwohl ehrenamtlich und ohne Bezahlung findet sich nun alle zwei Jahre ein professionelles Team mit einer erstaunlich hohen Anzahl an „Wiederholungstätern“ in Neckarsulm ein, um mit einem Höchstmaß an Perfektion und Leidenschaft an der Verwirklichung dieses Projektes zu arbeiten. Es scheint fast so, als würde ehrenamtliche Tätigkeit auf technischer sowie Höchstleistungen der Laiendarsteller auf künstlerischer Seite die oftmals spürbaren Spannungen zwischen Künstlern und Technikern egalisieren und beide Gruppen zu Gunsten des Projektes auf eine Stufe stellen. Dies ist der besondere Spirit, der die Produktion von anderen unterscheidet und durch diese großartige, rein zielorientierte Arbeitsweise aus der anfänglich klassischen Schulaufführung im Laufe der Jahre letztlich das gemacht hat, was es heute ist: Eines der professionellsten deutschen Schul-Musicals unter freiem Himmel.
Änderungen zum letzten Besuch
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Markantester Unterschied im Vergleich zu unserem letzten Besuch im Jahr 2009 ist die mittlerweile komplett überdachte Spielfläche. Bereits seit 2013 kommt hier eine Megaforce TVG IV mit den Maßen 14 m × 8 m zum Einsatz. Ergänzt wurde die eigentliche Spielfläche für Flashdance durch eine B-Stage aus Layher-Elementen sowie zwei großzügig dimensionierte Service-Decks für Requisiten und Roll-Riser. Dadurch entstanden insgesamt knapp 250 m2 nahezu komplett überdachte und plane Fläche, ohne die einige schwere Requisiten des Musicals, beispielsweise ein voll funktionsfähiger Getränkeautomat, eine Bar oder der 300 kg schwere Laufsteg, nicht handhabbar gewesen wären. „Der Entschluss für eine komplette Überdachung fiel damals aus zwei Gründen: Erstens wollten wir in der Lage sein, auch bei leichtem Regen zu spielen und zweitens wäre der Einsatz von Moving Lights in der aktuellen Stückzahl ohne Regenschutz nicht möglich“, erklärte Michael Stadler, langjähriger technischer Leiter des Musicals. In der Tat konnte die Bestückung im Dach der Bühne durchaus beeindrucken, wurden hier neben konventionellen Stufenlinsen und Profilscheinwerfern insgesamt 74 Moving Lights verbaut. Des Weiteren hielt erstmalig auch die Kinetik Einzug ins HGR-Musical. Ein Wunsch des Kreativ-Teams war, stärker als in den letzten Jahren auch szenisch mit wechselnden Kulissen zu arbeiten, weshalb neben 20 D8+ Maschinen auch acht BGV-C1-Motoren in das Bühnendach geriggt wurden. Diese dienten während der Veranstaltung zum Verfahren einer Hintergrund-Prospekt-Wand, eines Industrie-Kranhakens sowie zum Absenken einer Moving Light-Truss. Aber nicht nur die Bühne, auch Zuschauerraum und FOH sind im Laufe der letzten sechs Jahre erwachsen geworden und haben sich ihrer letzten „Notlösungen“ entledigt. War hier 2009 nur eine minimalistische Überdachung der Technik und lediglich für die letzten Reihen eine erhöhte Sitzfläche vorhanden, füllt 2015 eine Tribüne mit entkoppeltem FOH-Tower und separatem Aufstieg nahezu den gesamten Pausenhof.
Lichttechnik
Roman Salzwedel, externe Fachkraft für Veranstaltungstechnik, zeichnete für das gesamte Lichtdesign, Programming und Operating verantwortlich und spezifizierte knapp 6 t Material – eine für ein Schulmusical durchaus beeindruckende Zahl! Neben harten Fakten wie Hängepunktsituation und nutzbarer Dachlast der Bühnenkonstruktion basierte das Design konzeptionell vor allem auf zwei Vorgaben: „Wichtigstes Element ist die entscheidende Schlüsselszene eines jeden Musicals, um die herum das Lichtdesign aufgebaut wird“, erläutert Salzwedel seine Herangehensweise und Michael Stadler ergänzt: „Die Fragen lauten: Wie soll die Szene aussehen? Was brauche ich dafür? Und im Falle einer budgetär begrenzten Schulveranstaltung vor allem: Wie kann man das Equipment flexibel im Rest der Show einsetzen?“ Im aktuellen Fall bedeutete dies – ausgehend von der gleichermaßen bekannten wie plakativen Szene des Musicals, in dem die Hauptdarstellerin während einer Tanzeinlage schwallartig mit rund 70 Liter Wasser „beregnet“ wird – dass hier eine größere Anzahl an Beam-Lampen zum Einsatz kommen sollte, um „eine Richtung vorgeben und einen markanten Fokus setzen zu können“, wie Salzwedel erzählt. Darüber hinaus war es mit den spezifizierten Clay Paky Sharpys sehr einfach, raumfüllende Looks bis hin zu massiven Effekten als Kulissenersatz zu kreieren, wodurch auch das notwendige Maß an Flexibilität für den weiteren Verlauf der Show gegeben war. Robe MMX Spot und WashBeam sowie Clay Paky B-Eye K20 ergänzten das Setup an Front-, Mittel- und Backtruss und boten so in Anzahl und Positionierung genügend Spielraum für verschiedenste Anwendungen klassischer Szenen-, Objekt- und Effektbeleuchtung.
Dies stellte die zweite wichtige Säule des Designs dar, gab es im Vorfeld seitens der (fast ausschließlich aus Lehrern besetzten) Regie sehr wenig Angaben zu lichttechnischer Inszenierung und Gestaltung – die Möglichkeiten einer solchen, für schulische Verhältnisse gigantischen Materialschlacht überstiegen dann doch häufig die Vorstellungskraft des technisch Machbaren. „Wir mussten uns meistens aktiv einbringen und Vorschläge für bestimmte Looks machen – gleichzeitig aber immer flexibel auf kurzfristige Änderungen reagieren können“, beschreibt Roman Salzwedel die Zusammenarbeit. Echte Lichtproben gab es nicht, die Programmierung erfolgte ohne Pre-Programming ausschließlich on-the-fly, weshalb es sich als äußerst positiv erwies, bei der Planung nahezu durchgehend auf Moving Lights gesetzt zu haben. Lediglich als Grund- und Flächenlicht kamen konventionelle Stufenlinsen zum Einsatz, spezielle Spielszenen und Positionen wurden ausschließlich mit intelligentem Licht herausgearbeitet und konnten dementsprechend einfach und schnell bei Bedarf neu geleuchtet und editiert werden. Neben den Robe WashBeam zeigte sich der Lichtdesigner vor allem von den B-Eye aus dem Hause Clay Paky begeistert: „Der B-Eye war einfach alternativlos – egal ob es um flächige Ausleuchtung einer Szene, einen Fabrik-Look mit aufgefächerten Beams, Shape-Effekte wie drehende Ventilatoren oder Disko-Effektlicht während der Tanzszenen geht.“ Tatsächlich schien der Italiener mit der Vereinigung all dieser Features wie eine Maßanfertigung für die Bedürfnisse von „Flashdance“ und wurde „selbst vom Publikum als außergewöhnlicher Scheinwerfer wahrgenommen“, wie Michael Stadler schmunzelnd erzählt. Komplettiert wurde das Setup durch sechs Martin MACIII Profile als Gassenlicht, einige SGM X-5 LED-Strobes sowie 36 LightCans von ApeLabs, die als akkubetriebene und wireless angesteuerte LED-Spots in der mobilen Bar verbaut wurden. Das Licht selbst war meist zurückhaltend und szenisch programmiert, um den Fokus nicht von den Akteuren abzulenken. Lediglich an einigen Stellen des Stückes – beispielsweise bei Tanzeinlagen zum Song „Maniac“ – musste die Lightshow optisch aggressiver gefahren werden, um der Energie des Songs gerecht zu werden und die Performance der Laiendarsteller zu untermauern.
Tontechnik
Das tontechnische Setup bestand aus einem Coda Audio ViRay-Main-Array mit sensor-controlled SCP und SCV-F-Subs sowie diversen Komponenten desselben Herstellers als In-, Near- und Outfill. Ein G512 wurde als „Off-Speaker“ in einer der hinteren Ecken der Bühne installiert, um die Ortung für gelegentliche Einspieler etwas in die Bühne zu verlagern. „Natürlich hat die Entscheidung für Coda Audio auch mit der geografischen Nähe zum Vertrieb Connectum zu tun – aber auch der Klang dieses Systems hat mich dieses Jahr restlos überzeugt! Speziell die sensorisch gemessenen Ist- und Sollzustände der Membranauslenkung und die dementsprechende Nachregelung der Subs erzeugen einen knackigen und sehr präzisen Bass“, äußerte sich Stadler bei unserem Rundgang sichtlich angetan.
Die neben der Bühne positionierte Band wurde hinsichtlich ihrer Geräuschemissionen weitestgehend gedämpft, was neben der Verbannung des Drumsets in eine Clearsonic-Kabine auch die Auslagerung der Gitarrenamps ins Treppenhaus der Schule zur Folge hatte. Das Monitoring erfolgte komplett über Kopfhörer DT 770 Pro von Beyerdynamic, die weiterhin auch weite Teile der Mikrofone und 32 digitale Funkstrecken der TG1000-Serie zur Verfügung stellten. Audio Engineer Julian Fritz mischte auf einer Soundcraft Vi6 und arbeitete neben viel manuellen Zugriffen Abend für Abend über 200 szenische Cues ab, die er über Aux-Wege programmiert hatte. „Der Vorteil über Aux liegt dabei in der Möglichkeit, Fadezeiten zu vergeben, was einen Übergang von Sprache in Gesang oder umgekehrt fließend und ohne hörbare Sprünge ermöglicht“, so Fritz über seine Arbeitsweise. Des Weiteren war die hohe Zahl an Cues notwendig, um sehr stringent alle Akteure, die sich nicht auf der Bühne befanden oder akustisch beteiligt waren, aus dem Mix zu nehmen – immerhin handelte es sich um sehr kommunikative Jugendliche, die sich nicht immer bewusst waren, wie deutlich hörbar ein noch so geringer Geräuschpegel hinter der Bühne war. Sei es nun der sauberen Szenen von Julian Fritz oder der Disziplin der Darsteller geschuldet – während der Veranstaltung waren außer einem extrem sauberen und klaren Klangbild keinerlei Störgeräusche wahrnehmbar. Der Monitor wurde analog über DirectOut der Vi6 versorgt, hier zeichnete Moritz Schröder an einer Allen&Heath GLD-80 für den Bandsound verantwortlich.
Veranstaltungstechnik AG
Wie bereits erwähnt, akkreditierten sich die Akteure aus Schülern der HGR, der technische Stab zumeist aus externen Fachkräften. Die Schnittmenge beider Gruppierungen fand sich in der Veranstaltungstechnik AG der Schule, in welcher interessierte Schüler einen Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen erhalten konnten. Schulungen im Vorfeld, Mithilfe bei Auf- und Abbau sowie Tätigkeiten wie Followspot-Operator oder Stagehand während der Aufführungen – einige blieben der technischen Seite treu und konnten in den folgenden Produktionen mehr Verantwortung übernehmen oder blieben der Branche sogar nach ihrem Schulabschluss erhalten, andere warfen nach kurzer Zeit das Handtuch. In jedem Fall ist dies – neben dem künstlerischen Engagement – ein gelungener Ansatz der Integration von mehr Praxis im oft allzu theoretischen Schulalltag. Nebenbei dürfte es kein Schaden sein, das öffentliche Bild des „Roadies“ bei solchen Gelegenheiten gegen die Realität eines Veranstaltungstechnikers auszutauschen, dessen Berufsbild heutzutage eine Kombination aus sozialen Skills, hohem Fachwissen, harter körperlicher Tätigkeit und langen Arbeitszeiten erfordert und dementsprechend „altehrwürdigen“ Berufen in Nichts mehr nachsteht. Spätestens seit Einführung von Fachkraft, Meister und Ingenieur und damit stetig wachsenden Anforderungen an Weiterbildung und Zertifizierung ist die Branche erwachsen geworden und darf sich gelegentlich durchaus offensiver präsentieren.
Voller Erfolg mit viel Leidenschaft
Abgesehen vom Spielort im Pausenhof der Realschule und den jugendlichen Akteuren ist das HGR-Musical vom technischen Rahmen eine professionelle Produktion geworden, wie sie jedem mittelgroßen Festival gerecht werden würde. Es war zum wiederholten Male beeindruckend zu sehen, wozu ein Team mit einem gemeinsamen Ziel fähig ist, auch – oder gerade wenn – es außer Anerkennung und Applaus keine Entlohnung gibt! Erfreulich, wenn Lehrkräfte es verstehen, ihre Schüler zu motivieren, zu trainieren und weit mehr vermitteln als Fakten und Daten. Erstaunlich, wozu Schüler der achten bis zehnten Jahrgangsstufe fähig sind, mit welchem Enthusiasmus Schauspiel, Gesang und Tanz trainiert, aber auch soziale Kompetenzen erworben werden. Beeindruckend, mit welcher Detailverliebtheit externe Fachkräfte den technischen Part ehrenamtlich planen, installieren und betreuen. Herausgekommen ist zum wiederholten Male eine perfekte Inszenierung ohne Wenn und Aber, ein Erfolg, der selbst vor leeren Rängen als Erfolg zu buchen wäre!
Bild: Michael Schaffert
Aber wohin wird die Reise gehen?
Auch wenn sich das gesamte Projekt mit Kosten von rund 100.000 € finanziell über Eintrittsgelder, Sponsoren und Unterstützung durch die Stadt Neckarsulm problemlos trägt, bleibt doch die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des Musicals. „Wir sind an eine Grenze angelangt – egal ob technisch, budgetär oder hinsichtlich zeitlicher Kapazitäten der Beteiligten, das Ganze ist nicht mehr steigerbar!“, so Michael Stadler. Man darf also gespannt sein, was 2017 in Neckarsulm präsentiert werden wird – aber egal, ob unverändert, kleiner, indoor oder mit neuem Konzept … ein „gar nicht mehr“ darf es nicht geben!