ISDV WOA

ISDV: Best Practice and Knowledge Exchange Best Practice

Man lernt nicht nur durch Fehler, sondern vor allem durch gute Vorbilder. Mit der Veranstaltungsreihe „Best Practice and Knowledge Exchange“ bietet die ISDV deshalb Vorträge über gut funktionierende Veranstaltungen und Großevents an, um eine zeitgemäße, aufgeschlossene und regelkonforme Arbeitsweise vorstellen.

ISDV Best Practise
42 Teilnehmern aus den Bereichen Meister, Promoter, Produktionsleitung, Projektsteuerung, FASi, Bühnenbau und Technik (Bild: ISDV)

Für die erste Veranstaltung des „Best Practice and Knowledge Exchange“ konnte die ISDV Holger Hübner vom Wacken Open Air und seine Macher gewinnen. Mit 42 Teilnehmern aus den Bereichen Meister, Promoter, Produktionsleitung, Projektsteuerung, FASi, Bühnenbau und Technik war ein breites Spektrum an Interessen vertreten. Die Vorträge und der anschließende Austausch zeigten den Bedarf nach Informationsveranstaltungen, in denen ein regelkonformer und praktischer Arbeitsprozess im Rock’n’Roll vorgestellt und erklärt wird.

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WOA: erfolgreich seit 27 Jahren

Nach der Begrüßung durch den ISDV-Vorsitzenden Marcus Pohl eröffnete Holger Hübner, Geschäftsführer der ICS Festival Service GmbH und Mitbegründer des Wacken Open Air, die Vortragsreihe. Er stellte das Festival mit Bildern aus den letzten 27 Jahren und den Zahlen aus 2016 vor und gab Einblicke in die Entstehungsgeschichte und Entwicklung von den kleinen Anfängen 1990 bis zu dem Großevent mit 75.000 Gästen, das es heute ist. Holger ermöglichte einen Überblick über die Infrastruktur seiner Organisation und die Notwendigkeit einer aufgeschlossenen Zusammenarbeit mit den Behörden und Anwohnern Wackens und den angrenzenden Gemeinden. Die Mischung aus lokalen Firmen und Mitarbeitern und den großen Playern der Branche macht dieses Festival so erfolgreich und beliebt. Und ist zudem ein bemerkenswertes Exempel dafür, dass ein Zusammenspiel von Rock’n’Roll-Produktion und Regelkonformität möglich ist.

Sicherheitskonzept des WOA

Mit Andreas Barth hatte die Technik-Abteilung das Wort. Andy ist Technischer Leiter des WOA und Inhaber der mbmedia Event GmbH. Er koordiniert an Showtagen an die 200 Mitarbeiter. Für ihn sind deshalb klare Strukturketten und ausreichend Informationen die Basis seiner Arbeit. Die Key- Positionen werden mindestens mit Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik besetzt. Erfahrung, Weitblick und Reaktionsvermögen gehören zu den Grundkompetenzen seines Teams. Der von der technischen Leitung erstellte „Leitfaden Bühnenbetrieb“ fasst das mit Anhängen mehrere 100 Seiten umfassende Sicherheitskonzept auf die für den Bühnenbetrieb relevanten Informationen zusammen. Wie Andy Barth ausführt, wird das WOA nach Einführung der neuen MVStättVO in Schleswig-Holstein nicht mehr nach einem baurechtlichen Verfahren, sondern per Ordnungsverfügung vom Ordnungsamt genehmigt. Man hat sich aber mit der Behörde darauf geeinigt, die MVStättVO weiterhin als Erkenntnisquelle heran zu ziehen, wo immer das sinnvoll und möglich ist.

Veranstalter und Referenten Marcus Pohl, Holger Hübner, Jenny Pohl, Merten Wagnitz, Basty Duellmann, Björn Papendick, Susanne Fritzsch, Sebastian Daume, Andy Barth, Falco Zanini
Vermitteln Know-how: Marcus Pohl, Holger Hübner, Jenny Pohl, Merten Wagnitz, Basty Duellmann, Björn Papendick, Susanne Fritzsch, Sebastian Daume, Andy Barth, Falco Zanini (Bild: ISDV)

Sebastian Daume ist einer der Bühnenmeister des Wacken Open Air. Er arbeitete gemeinsam mit dem Bühnenmeister Merten Wagnitz im 2-Schichtbetrieb. Sebastian beschrieb den Arbeitsablauf der Bühnenmeister auf dem Festival. Grundlegend werde nach Versammlungsstättenverordnung und der DGUV V17 gehandelt. Als Hilfe dienen Checklisten und Protokolle. Bei Abnahmen sicherheitsrelevanter technischer Einrichtungen gelte immer das 6-Augen-Prinzip. Gemeinsam mit dem Gewerkeverantwortlichen und einem weiteren Meister wird kontrolliert und protokolliert. Bei kleinen Bands, die eventuell das erste Mal ein solch großes Festival spielen, muss mit demselben Augenmerk wie bei großen Bands vorgegangen und Prüfzertifikate eingeholt werden. Nicht immer sind Vorschriften und Gesetze ausreichend bekannt.

Merten Wagnitz lenkte in seinem Vortrag den Fokus auf das Sicherheitskonzept für die Bühnen während des Spielbetriebes. Hierbei wurde nochmals deutlich, wie viel das Wacken Open Air in eine funktionierende Infrastruktur investiert. Neben Feststromleitungen – denn das Festival hat den Stromverbrauch einer Kreisstadt –, Drainagen und sogar einer unterirdischen Bierleitung wurde in den letzten Jahren auch ein Glasfasernetz verlegt, welches das gesamte Festivalgelände abdeckt und mit der Sicherheitszentrale verbindet. So können LED-Wände und Beschallungsanlagen im Notfall unabhängig angesteuert, FOH- und Monitorplätze alarmiert und Sicherheitshinweise an das Publikum weitergegeben werden. Die Sicherheitszentrale kann dabei einzelne Bereiche oder auch alle Bühnen ansprechen. Für die schnellstmögliche Reaktion in einem Ernstfall steht den Mitarbeitern ein gut ausgebautes internes Alarmierungssystem zur Verfügung.

Susanne Fritzsch und Marcus Pohl vom ISDV
Susanne Fritzsch und Marcus Pohl vom ISDV (Bild: ISDV)

Seit 2015 hat das Wacken Open Air eine feste Stelle für die Fliegenden Bauten. Björn Papendick, Ingenieur bei mbmedia, entlastet damit die zuständige Bauaufsichtsbehörde und seine Kollegen vor Ort, die bis dahin die Aufgaben mit übernommen haben. Maßgeblich für seine Arbeit sind die Musterbauordnung (§ 76 – Genehmigung Fliegender Bauten), die Muster-Richtlinie zum Bau und Betrieb Fliegender
Bauten (MFlBauR) und die transparente Zusammenarbeit mit den Behörden. Björn ist Ansprechpartner und Berater in der Entwicklungsphase. Er bereitet die Abnahmen und Kontrollen der Bauten gemeinsam mit der Gastronomie, Sponsoren und Ausstellern vor und klärt diese über statische Besonderheiten auf. Die Abnahme basiert auf einem 3-Säulen-Modell.

Der Veranstalter koordiniert die Bauabnahme, der TÜV übernimmt die (Groß-) Bühnen und Gerüstbauten und das Bauamt die Zelte und Sonderbauten. Mit der festen Stelle für die Fliegenden Bauten kommt das Festival einer Überlastung der Behörden und des örtlichen Personals entgegen. Die Abnahmen sind durch einen Fachmann vorbereitet und können auf einige Tage eingegrenzt
werden. Das spart Kosten und Nerven und verhilft dem Festival zu mehr Sicherheit und einem guten Ruf.

 

» Mit der festen Stelle für die Fliegenden Bauten kommt das Festival einer Überlastung der Behörden und des örtlichen Personals entgegen«

 

Als Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASi) und Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) ist Falco Zanini seit vier Jahren für das WOA tätig. Seine Handlungshilfen sind das Arbeitsschutzgesetz, die Betriebssicherheitsverordnung, die DGUV V1 und die DGUV Informationen I 211-006 und I 215-830. Mit der Sicherheitskoordination müsse, so Falco, so zeitig wie möglich begonnen werden. Das Wacken-Team gibt zur Vereinheitlichung und besseren Kontrolle Vorlagen für Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen an die verschiedenen Gewerke, Firmen und Mitarbeiter heraus, die diese aufbereiten müssen. Kontrollen, Fach- und Aufklärungsgespräche vor Ort sollen Fehlverhalten stoppen, denn Reden schafft Bewusstsein. Die Statistik zeigt, dass es funktioniert. Den Verantwortlichen des Festivals sind keine nennenswerten Personen- oder Materialschäden in den letzten Jahren bekannt. Nichtsdestotrotz müssen ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess erhalten bleiben und wenn nötig, etablierte Strukturen aufgebrochen werden.

Strukturen für mehr Sicherheit

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden durch die Fragen der Teilnehmer einige Themen nochmals vertieft. Holger Hübner schilderte die Vorteile, die durch die gute Zusammenarbeit mit Behörden entstehen und machte deutlich, dass das Aufbrechen von alten Strukturen und das Schaffen von neuen Stellen zu mehr Struktur und Sicherheit führen kann.

Weitere Fragen gab es zu Schutzräumen bei Unwettern, wobei dem WOA hier die Nähe zwischen Festival- und Camping-/Parkgelände zugute kommt, zu Arbeitszeiten (Schichtsystem und elektronisches Ein- und Auschecken regeln diese), zu Lautstärke und dem Umgang mit Anwohner- und Besucherschutz, zu Verkehrssicherungspflicht und Arbeitsschutz. Wichtig waren immer wieder die Hinweise auf gültige Gesetze und Verordnungen und deren Wissen darum. Halbwissen schützt im Zweifelsfall nicht. Erst eine ausreichende Information, die Auseinandersetzung mit Vorschriften und eine ausführliche Dokumentation schaffen Sicherheit und gleichzeitig auch Spielräume.

 


 

Informationen zur Planung von Großveranstaltungen und Sicherheitskonzepten

Arbeitsgruppe Veranstaltungssicherheit (AGVS), TH Köln:
Die Sicherheit einer Veranstaltung – Eine Kultur der Verantwortung

Universität Wuppertal mit Unterstützung des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung:
BaSiGo-Guide – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen

Deutscher Städte- und Gemeindebund (DstGB):
Dokumentation 115 – Besuchersicherheit

Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes
e.V. (vfdb):
Merkblatt MB 13: Sicherheitskonzept für Großveranstaltungen

Berufsfeuerwehr München:
Leitfaden für Feuerwehr, Sicherheitsbehörde und Polizei sowie Veranstalter und deren Sicherheitsdienstleister

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