Ohne Umwege: Array-Processing aus Sicht von Alexander Lewin
von Jörg Küster,
Das Konzert von Jennifer Rostock 2017 im Kölner Palladium wurde unter Einsatz von d&b Array-Processing beschallt. Array-Processing ist eine optionale Funktion für ArrayCalc V8 und stellt elaborierte Filteralgorithmen bereit, um das Abstrahlverhalten von d&b Line-Arrays über definierte Flächen zu berechnen und zu optimieren. Der Hersteller verspricht „eine Verbesserung der spektralen Konsistenz über die Zuhörerbereiche“ sowie bei definiertem Pegelverlauf ein homogenes Klangerlebnis für alle Konzertbesucher unabhängig von deren Steh- bzw. Sitzplatz.
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„Array-Processing kenne ich schon lange – meine ersten Erfahrungen damit konnte ich vor zwei Jahren beim Lollapalooza-Festival in Berlin sammeln“, berichtete Systemtechniker Alexander Lewin. „Seitdem versuche ich mit Array-Processing zu arbeiten, sofern es das Budget hergibt und ich die notwendigen Verstärker bekomme. Bei der Tour von Jennifer Rostock war es der explizite Wunsch der Produktion, dass Array-Processing zum Einsatz kommt. Wenn die Halle exakt ausgemessen wurde und alle Parameter korrekt eingegeben sind, berechnet Array-Processing viele Einstellungen, die ich sonst per Hand eingeben müsste. Der Frequenz- und Pegelverlauf wird sicher in erster Linie durch das Curving vorgegeben – ich kann die Verläufe aber mit Hilfe von Leveling und HFC-Filtern weiter optimieren beziehungsweise Umstände verbessern, die sich durch die Location ergeben: wie etwa zu niedrig hängende oder aufgrund fehlender potenter Hängepunkte zu kurze Arrays. Oft hat man schlicht einfach nicht die Zeit, die man gerne für diese Arbeiten hätte – das wird einem nun abgenommen. Ich weiß nicht, was bei Array-Processing in puncto Filterung genau im Hintergrund passiert, aber eines der Resultate ist, dass ich die Anlage insgesamt deutlich weniger als sonst üblich entzerren muss und das System sich außerdem in der horizontalen Achse akustisch stabiler verhält. Unter dem Strich könnte man sagen, dass man mit Array-Processing – wenn alle Parameter akkurat eingestellt sind und man bei den Zielparametern realistisch bleibt – eine fertig eingestellte Anlage erhält.“
Lewin nutzt Array-Processing ohne Umwege: „Ich verwende keinen externen Systemcontroller, sondern nehme alle EQ-Einstellungen über die in die D80-Verstärker integrierten DSP-Module vor. Ich habe pro System 16 flexible EQ-Bänder – selbst wenn ich davon nur die Hälfte verwenden müsste, würde ich eher mein Systemsetup überdenken. Weitere 16 EQ-Bänder habe ich global auf alle Systeme verknüpft, so dass ich gezielt Frequenzen im kompletten System bearbeiten kann“, erklärt Alexander Lewin. „Angesichts der gegebenen Möglichkeiten sehe ich keinen Sinn darin, einen externen Entzerrer in den Signalfluss einzufügen, zumal ich unter Sicherheitsaspekten einen dezentralen Aufbau bevorzuge. Ein externer Matrix-Controller wäre für mich nur dann sinnvoll, wenn beispielsweise mehrere Mischpulte parallel auf dem System spielen oder Hausanlagen mit eingebunden werden müssten. Beides ist bei uns nicht der Fall. Um lediglich das System zu tunen, sind die DSPs in den d&b Verstärkern für mein Empfinden mehr als reichlich ausgestattet.“
Alexander Lewin nutzt die d&b R1 Fernsteuer-Software und hat die Beschallungssituation vieler Venues vorab in Array-Calc simuliert: „Das mache ich meistens am Vorabend einer Show, denn die meisten Hallen kennt man ja“, so Lewin. „Die tendenziell schwierigen Hallen habe ich mir jedoch bereits vor Beginn der Tournee in Array-Calc angeschaut.“ Zur Beschallungssituation im Kölner Palladium, das sich durch eine langgestreckte rechteckige Hallenform, umlaufende Brüstungen sowie zahlreiche schallharte Objekte aus der Industriehistorie auszeichnet, äußerte sich Alexander Lewin wie folgt: „Die V8-Lautsprecher strahlen mit einem relativ schmalen horizontalen Winkel ab: Die oberen Topteile der Arrays machen 80 Grad, was für die Beschallung im Palladium positiv ist – mit breiter abstrahlenden Lautsprechern wäre ein vergleichbarer Aufbau nicht möglich, und man müsste zusätzlich eine Delay-Line aufhängen. Die Arrays habe ich im Palladium für eine Distanz von 45 Meter gerechnet; die Halle insgesamt hat eine Tiefe von 50 Meter.“ Die in der Location unter den Brüstungen festinstallierten Lautsprecher kamen bei der Show von Jennifer Rostock nicht zum Einsatz.
Alexander Lewin hatte die zu beschallende Fläche mithilfe der Array-Processing-Software in drei Sektionen aufgeteilt. Angestrebt wurde ein Roll-off im hinteren Hallenbereich, um keine unnötigen Reflexionen zu provozieren. Beim Gang durch die Halle fiel auf, dass der Sound bis zum in 30 Meter Entfernung befindlichen FOH-Platz in puncto Pegel und Klangfarbe weitgehend konstant war; weiter hinten fielen Pegel und Höhenanteil leicht ab, was in einem zur Optik korrespondierenden akustischen Eindruck resultierte. Unterhalb der Brüstungen waren geringe Klangeinbußen erwartungsgemäß unumgänglich, doch wer sich während eines Konzerts dort aufhält und keine unmittelbare Sicht auf das Bühnengeschehen hat, wird sich an diesem Umstand kaum stören.
An seinem Arbeitsplatz hatte Alexander Lewin eine kleine Wetterstation angeschlossen, an deren Display sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit kontrollieren ließen. Die gemessenen Parameter fanden Eingang in Presets, die in Array-Processing hinterlegt wurden. „Man kann die Presets problemlos zwischen zwei Songs umschalten – das geht wirklich schnell!“, erklärte Lewin in Köln. „Die Bedienung der Software finde ich optimal, zumal ich sehr gerne mit einem Tablet-PC arbeite, mit welchem ich den eigentlichen Rechner fernbediene – die Möglichkeit zum Zugriff auf die einzelnen Parameter mit einem Stift oder per Finger finde ich sehr angenehm; das ist wie bei einem älteren, allseits bekannten Systemcontroller gelöst.“
Monitormischer Jonathan Wolff äußerte sich zum Thema Array-Processing wie folgt: „Bei meinen eigenen FOH-Jobs hatte ich Array-Processing bislang noch nicht am Start, aber bei allen Konzerten, bei denen ich Array-Processing bislang gehört habe, war ein tierischer Unterschied zur konventionell eingerichteten Anlage wahrzunehmen! Das ist ein unglaublicher Schritt nach vorne, gerade auch bei der J-Serie, die bekanntermaßen ja bereits länger am Markt verfügbar ist. Besonders angenehm macht sich die gleichmäßige Klangverteilung bemerkbar – man läuft durch die Halle, hört die Musik, und erst irgendwo ganz hinten fallen dann Sound-Unterschiede auf. Ich würde behaupten, dass man sogar auf In-Ear-Systemen merkt, ob eine gut oder eine schlecht eingestellte PA am Start ist – man hört, was über die ganzen offenen Mikrofone und die Ambience-Mics aus dem Raum zurückkommt. Zu den d&b Line-Arrays wäre generell noch anzumerken, dass sie nach hinten hin nicht plärrig wirken und auf ihrer Rückseite auch keinen großen Lärm machen.“