Bestmögliche Technik ist eine Grundvoraussetzung für das Gelingen eines gigantischen Musicals wie “Luther” – aber wie sieht nun der Workflow am FoH aus?
Text und Fotos: Jörg Küster
Am FOH-Platz sind beim Pop-Oratorium zwei Stage Tec Aurus Platinum mit unterschiedlichen Dimensionen Einsatz. Thomas Mundorf arbeitet an einer Konsole mit 16 Fadern, was ihn nach eigenem Bekunden jedoch keineswegs einschränkt: „Ich mische die Solisten, wobei ich mit 16 Fadern gut zurechtkomme; die Zahl der Kanäle, auf dich zugreifen kann, ist bei dem Pult ja unabhängig von der Bedienoberfläche.“ Ebenfalls mit 16 „Flachbahnpegelstellern“ ist das Stage Tec Auratus ausgestattet, mit dem Christian Kreinberg den Chor versorgt. Für seine Arbeit greift Kreinberg auf vorgemischte Gruppen (Orchester, Band, Pro Tools) zurück, kann über einzelne Kanäle jedoch auch ausgewählten Signalen mehr Aufmerksamkeit verleihen, als ihnen innerhalb einer Gruppe sonst zuteilwird.
Wie bereits erwähnt, ist beim Einsatz der mit TrueMatch-Mikrofoneingängen ausgestatteten Basisgeräte kein Gain-Sharing erforderlich, was bei der Luther-Produktion von allen Ton-Beteiligten positiv bewertet wird. Ähnlich wie bei anderen offenen Systemen ist auch bei der Nexus-Vernetzung ein gewisses Maß an Komplexität unumgänglich – viele Ein- und Ausgänge an unterschiedlichen Positionen müssen sicher verwaltet und gehandhabt werden. Beim Pop-Oratorium erhält die Audiocrew kompetenten Support durch Tonmeister Alexander Nemes, der sich bei den Shows unterstützt von einem Assistenten um das Routing kümmert sowie erster Ansprechpartner bei allen Fragen rund um das System ist. Die Nexus- und Aurus-Programmierung kann über eine Software auch offline bewerkstelligt werden, und so wurde im Vorfeld der Tournee ein adäquates Setup und Routing vorbereitet, das vor Ort in den Hallen noch geringfügig an die lokalen Umstände anzupassen ist.
Über die umfangreichsten Erfahrungen im Umgang mit Stage Tec Produkten verfügt innerhalb der Audiocrew Tonmeister Carsten Kümmel, da er sich während seiner Studienzeit in Detmold intensiv mit einem Stage Tec Cantus auseinandersetzen konnte. „Die Stage Tec Philosophie ist mir vertraut, und bei neuen Produktionen muss ich mich lediglich kurz wieder einarbeiten“, so Kümmel. Die übrigen mit der Mischung befassten Kollegen mussten dem Vernehmen nach zunächst die Bedienstruktur verinnerlichen, was im Rahmen von Vorbereitungstagen bei PRG möglich war. Aus den Beständen von PRG stammt mit Ausnahme der Stage Tec Produkte die gesamte beim Pop-Oratorium zum Einsatz kommende Veranstaltungstechnik. „Die Vorbereitungszeit braucht man einfach“, kommentiert Christian Kreinberg. „Einfach zum Job gehen und sofort loslegen funktioniert bei diesem System nicht – was in gewisser Weise natürlich für jedes moderne Digitalpult gilt. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Philosophie bei Stage Tec einfach ein wenig anders als bei den sonst im Tour-Kontext anzutreffenden Pulten ist. Insbesondere das Routing gestaltet sich komplex – wenn es aber erst einmal eingerichtet ist, findet man sich gut zurecht. Gewöhnen musste ich mich die bei Stage Tec an einzelne Funktionsbezeichnungen.“
Unterhält man sich losgelöst vom Pop-Oratorium mit Tontechnikern, hört man oft die Meinung, dass die Handhabung der Stage Tec Produkte eher in Richtung Theater oder Broadcast gemünzt sei – Beschaller sind in der Regel schlichtweg andere Oberflächenstrukturen gewohnt. Die physische Tiefe der Pulte ist nicht jedem Beschallungsprofi genehm, denn je nach körperlicher Statur muss man sich (gemäß gewählter Neigung der Konsole …) merklich recken, um die weit oben gelegenen Bedienelemente zu erreichen – aber mitunter steht der Bediener ja auch am FOH oder sitzt erhöht auf einem Barhocker. Wie immer gilt: Geschmäcker sind verschieden, und der festangestellte Broadcaster mit tendenziell eher bedächtiger Arbeitsweise hat in diesem Punkt sicher eine andere Meinung als der tourende Freelance-Rock´n´Roller. Einigkeit besteht vermutlich darin, dass die mit kontraststarken Bildschirmen bestückte Meterbridge der Konsolen eine exzellente Lesbarkeit aus allen Blickwinkeln garantiert. Elf Doppeldrehgeber, 32 Taster und mehrere Oled-Anzeigen sind bei Aurus Platinum je Bedienstreifen vorhanden. Anmerkung: Da die „Intelligenz“ des Systems ohnehin in den Core ausgelagert ist, wäre es theoretisch möglich, den Routern und Basiseinheiten eine neue Bedienoberfläche zur Seite zu stellen, welche den Anforderungen von Beschallern besser als die bestehenden Lösungen gerecht wird – möglicherweise denkt man bei Stage Tec nach der inzwischen abgeschlossenen Umstrukturierung ja bereits über solche Konzepte nach?
Effekte und Automation
Das Aurus Platinum ist das Flaggschiff des Stage Tec Portfolios, verfügt aber nicht über interne Effekte. Alexander Nemes, der nebenbei am Institut für Musik und Medien (IMM) in der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf unterrichtet, kennt diesbezügliche Fragen und ist entsprechend vorbereitet: „Wir richten bei der Entwicklung unser Hauptaugenmerk auf die Verarbeitung der Audiosignale, was Aufgabe genug ist“, sagt der Stage Tec Head of Sales. „Es existieren allerdings Effekt-Implementationen, zu denen der Jünger d05 Dynamikprozessor gehört, und auch ein Upmix-Tool („Isostem“, Anm. d. Red.) von DSPecialists ist verfügbar. Als Hersteller muss man die Kosten/Nutzen-Relation im Hinterkopf behalten, und für jeden Effekt muss ja immer auch ein geeignetes Frontend gestaltet werden.“ Die insgesamt gefertigten Stückzahlen dürften im genannten Zusammenhang ebenfalls eine Rolle spielen.
Carsten Kümmel kann beim Pop-Oratorium effekttechnisch nichtsdestotrotz aus dem Vollen schöpfen und hat an seinem Arbeitsplatz ein Lexicon 960L (drei Maschinen für Kümmel, eine Maschine für Mundorf) sowie ein DSP-bestücktes UAD Apollo 16-Interface (als Insert für ausgewählte Kanäle, u. a. mit SSL-Emulationen und dem Manley Labs Massive Passive als Summen-EQ) zur Verfügung – audiotechnisch vorbelasteten Betrachtern zeigte sich am FOH-Platz daher ein charmantes Bild, das von einer LARC2 Hardware-Remote und einem MacBook-Screen mit der Bedienoberfläche der virtuellen Geräteemulationen geprägt wird. Der teure, klanglich immer noch vollauf überzeugende Hallalgorithmus-Urahn trifft auf die bezahlbare DSP-Power von heute.
Das Stage Tec Aurus Platinum verfügt über eine Snapshot-Automation, eine Szenen-Automation und eine dynamische Automation, welche beim von der Stiftung Creative Kirche präsentierten „Pop-Oratorium Luther – das Projekt der tausend Stimmen“ allerdings nicht genutzt werden. „Bei Luther passiert einfach zu viel, was nicht reproduzierbar ist“, sagt Thomas Mundorf zu diesem Thema. Alexander Nemes ergänzt: „Die Herausforderung bei diesem Projekt ist der eingeschränkte Probenbetrieb, denn in jeder Stadt tritt ein neuer Chor auf. Das heißt, die Szenenautomation kann kaum genutzt werden. Die meisten Mischungen müssen live vorgenommen werden.“
Dieter Falk: “Beste Technik und ein tolles Team!”
Abschließend Komponist und Musikproduzent Dieter Falk zur Umsetzung des Pop-Oratoriums Luther: „Durch die exakte Planung und die aufwändige Umsetzung mit den dazugehörigen technischen Komponenten – vor allem den tollen Stage Tec Pulten – ist es uns möglich, dieses aufwändig instrumentierte Bühnenstück mit dem ‚Mega’-Chor in bester Klangqualität umzusetzen. Bekanntermaßen funktioniert die beste Technik nur mit einem tollen Team: Beim Luther Pop-Oratorium haben wir es definitiv.“
600 Jahre Rock´n´Roll
Luthers Audiocrew (Auszug)
Carsten Kümmel (FOH)
Thomas Mundorf (FOH Solisten)
Thomas „Kelly“ Kellner (Monitor Bühne)
Christian Kreinberg (Monitor Chor)
Dirk Maron (PA-System)
Mike Kaminski (Wireless-Technik)
Benjamin Schwenk (Chor)
Jogi Esser (Bühne)
Glen Schmeling (Bühne)
Flo Keinert (Bühne/Chor/PA)
Werner Schmidl (PA)
Sven Kallenbach (PA/Bühne)
Birk Riedelsheimer (Chor)
Reinhard Schwedes (Chor)