Für das Pop Oratorium Luther platzierte die Audio-Crew des Musicals mehrere Stage Tec Mischpulte am FoH. Welche Mischpult-Systemkomponenten stehen für eine digitale Vernetzung zur Verfügung?
Text und Fotos: Jörg Küster
Um den Ansatz von Stage Tec bei der Konzeption von Mixing-Lösungen zu verstehen, sollte man zunächst die beteiligten Komponenten genauer anschauen: Was auf den ersten Blick wie ein schickes Mischpult aussieht, ist bei Stage Tec de facto eine sehr luxuriöse Fernbedienung. Die eigentliche Signalbearbeitung findet abgesetzt in einem Schaltknoten-Core statt, der als Nexus Star Router bezeichnet wird und modular aufgebaut ist. In der Maximalausstattung mit sieben Platinum DSP können mehr als 800 Audiokanäle bei einer Abtastrate von 48 kHz verarbeitet werden (über 400 Audiokanäle bei 96 kHz), was selbst für aufwändige Surround-Produktionen mehr als ausreichend sein sollte. Bei beiden Abtastraten stehen 128 Summenbusse zur Verfügung. In den Nexus Star lassen sich bis zu 16 Baugruppen mit jeweils 256 Ein- und 256 Ausgängen integrieren, wobei die Matrix 4.096 auf 4.096 Ressourcen routen kann, was schwindelerregenden 16 Millionen virtuellen Koppelpunkten entspricht. Die Eingänge lassen sich vollkommen frei auf die Ausgänge schalten; von einfachen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bis zu komplexen Multipunkt-Verschaltungen ist alles möglich. Nexus Star fungiert als Sternverteiler: Im Unterschied zur verteilten Struktur eines herkömmlichen Nexus-Netzwerks werden die Basisgeräte sternförmig an den Router angeschlossen – der Nexus Star befindet sich gemäß seines Namens somit als konzentrierter Router im Sternpunkt der Topologie.
Bedient wird Nexus mit einem grafischen Bedienprogramm; die Steuerung durch externe Systeme ist dank offener Steuerprotokolle ebenfalls möglich. Über die bidirektionalen LWL-Verbindungen lassen sich jenseits der Audiosignale auch andere Daten von einfachen seriellen Datenströmen bis zu breitbandigen Ethernet-Streams transparent transportieren. Nexus kann problemlos an externe Steuersysteme angebunden werden, wobei leistungsfähige Protokolle wie EmBER+ und SNMP verwendet werden können. Ebenso ist die Anbindung über MIDI und GPIO möglich. Glasfaserverbindungen, zentrale Steuerbaugruppen, die Stromversorgung sowie bestimmte digitale Audioformate können redundant ausgelegt werden. Das Konzept der verteilten Intelligenz gewährleistet einen unabhängigen Betrieb von Teilsystemen.
Die I/Os werden beim Stage Tec System über die Basiseinheiten (19″-Einschubträger mit 3-HE-Steckkarten) realisiert, die ein TDM-Bussystem (Backplane mit 24 Bit Audioformat), eine XCPU-Steuerkarte sowie (ein) Netzteil(e) beherbergen und beliebig mit Karten bestückt werden können, welche verschiedene analoge und digitale Ein- und Ausgänge bereitstellen. Die Interface-Baugruppen können im eingeschalteten Zustand knack- und störungsfrei ausgetauscht werden (Hotswapping); jede neu eingesteckte Karte ist innerhalb weniger Sekunden im System verfügbar. Die dezentral vernetzten Basisgeräte können gemäß Kundenwunsch mit unterschiedlichen I/O-Baugruppen bestückt werden. Nexus kann diverse Formate wandeln und übertragen. Viele am Markt etablierte Audioformate sind integriert, darunter Dante und MADI. Insbesondere die A/D-Wandlung per TrueMatch-Verfahren lässt audiophile Ohren aufhorchen, zumal die Base Devices ohne störende Lüfter auskommen. Intern wird mit 40 Bit Fließkomma gerechnet. Glasfaserstrecken sorgen zwischen den Basiseinheiten für eine verlustfreie Datenübertragung; die Netztopologie kann sternförmig oder als Linie (Daisy-Chain) angelegt werden. Die Vernetzung erfolgt physisch via Duplex-Glasfaser mit auf SFP+ („enhanced small form-factor pluggable“) basierenden Transceivern.
Stage Tec Großeinsatz bei Luther
Im Beschallungsmarkt sind Produkte von Stage Tec bislang noch nicht auf breiter Basis vertreten, was u. a. damit zu tun haben dürfte, dass sie für typische Rental-Companies eine beachtliche Investition darstellen und zudem auf Ridern nicht angefragt werden. Um die Systeme wirklich flüssig bedienen zu können, sind darüber hinaus intensive Schulungen der Anwender erforderlich, für welche im Tagesgeschäft meist weder Zeit noch Geld vorhanden sind. Die Gestaltung der Hardware-Oberflächen orientiert sich dabei prinzipiell an „klassischen“ Konzepten: auf die wichtigsten Parameter ist ein direkter Zugriff möglich.
Beim Pop-Oratorium Luther wird mit elf Basisgeräten gearbeitet, weshalb mit Diplom-Tonmeister Alexander Nemes (Head of Sales bei Stage Tec) ein ausgewiesener Spezialist die Konfiguration des dezentral aufgebauten Glasfasernetzwerks übernimmt. Ist alles „up and runnig“, kommen die Vorzüge des Stage Tec Prinzips zum Tragen, denn durch eine geschickte Verteilung der Einheiten in der Halle wird die analoge NF-Verkabelung auf ein Minimum reduziert. Sind alle Verbindungen gesteckt und die Devices mit Strom versorgt, „erkennen“ sich die am Netzwerk beteiligten Geräte und erscheinen in der Stage Tec Steuersoftware. Ein mit der Software versehener Rechner lässt sich an jedes Basisgerät über eine serielle Schnittstelle, via USB oder einen Ethernet-Port anschließen. Audiosignale können bei Bedarf innerhalb der Matrix individuell verstärkt oder abgeschwächt werden – ein Pop-up-Fenster visualisiert in diesem Zusammenhang einen Pegelsteller und weitere Parameter. Sämtliche beim Pop-Oratorium zum Einsatz kommenden Stage Tec Pulte befinden sich bezüglich der Software auf dem gleichen Stand. Updates lassen sich bei dem System von Anwendern prinzipiell eigenständig einspielen; es muss nicht zwangsläufig ein Techniker von Stage Tec anwesend sein.
Seit Mitte 2015 vertreibt die Stage Tec Entwicklungsgesellschaft für professionelle Audiotechnik mbH (www.stagetec.com) ihre Produkte in eigener Regie. Die Umstrukturierung stellt die Marke Stage Tec nach außen hin gut sichtbar in den Mittelpunkt und grenzt den Hersteller vom früheren Alleinvertrieb ab.