Grundlagen und Tipps

Trussing: Wiederkehrende Prüfung von Traversen

Dass ein Unternehmer seine Arbeitsmittel in Ordnung zu halten hat und dafür sorgen muss, dass von diesen keine Gefahr ausgeht, ist im Grundsatz nichts Neues. Doch wie stellt man dies in Bezug auf Traversen in der Praxis sicher? Durch die seit dem 1.6.2015 geltende Betriebssicherheitsverordnung kommt Dynamik in diese Frage und die Verantwortlichen sind gefordert – im Unternehmen, aber auch Einzelunternehmer.

Traversenprüfungen
(Bild: Ebi Kothe)

Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Die Betriebssicherheitsverordnung, die seit Juni 2015 geltend ist, richtet sich an den jeweiligen Unternehmer und dient in erster Linie der Verbesserung des Arbeitsschutzes. Sie gilt allerdings auch für Einzelunternehmer ohne festangestellte Mitarbeiter. In ihr werden Prüfungen als wichtiges Element des Arbeitsschutzes aufgewertet, die zentrale Bedeutung einer zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung betont und auf die Verpflichtung zur Dokumentation hingewiesen. Dabei werden im Anhang 3 „Prüfvorschriften für bestimmte Arbeitsmittel“ neben Kranen und Flüssiggasanlagen auch ausdrücklich „maschinentechnische Arbeitsmittel in der Veranstaltungstechnik“ genannt. Zwar werden Traversen als solche nicht explizit aufgelistet; da sie aber im Zweifel Teil eines maschinentechnischen Arbeitsmittels sein können, sollen die in dieser Verordnung genannten Anforderungen ebenfalls gelten. In §14 werden die notwendigen Prüfungen beschrieben. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit werden neben der Prüfung der Arbeitsmittel vor ihrer erstmaligen Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen auch wiederkehrende Prüfungen gefordert.

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Zur Prüfung befähigte Person

Im einschlägigen Anhang 3 kann man unter dem Begriff „mobile (das heißt ortsveränderliche) Arbeitsmittel“ Traversen subsumieren und ablesen, dass sowohl für Prüfung nach Montage, Installation und vor der ersten Inbetriebnahme als auch für die mindestens einmal jährlich wiederkehrende Prüfung zumindest eine „zur Prüfung befähigte Person“ eingesetzt werden muss.

Traversenprüfungen
Bruch am Verbinder eindeutig ablegereif (Bild: Ebi Kothe)

Auch die Frage nach der Qualifikation dieser Person wird in der BetrSichV beantwortet: „Zur Prüfung befähigte Person ist eine Person, die durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügt.“ Weitere Ausführung zur Qualifikation findet man im DGUV Grundsatz 315-390 (ehemals BGG/GUV-G 912): „Befähigte Person aufgrund der Sachkunde/ Sachkundiger: Sachkundiger ist, wer mindestens die folgenden Qualifikationen (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) nachweisen kann:

  • eine technische Fachausbildung wurde erfolgreich abgeschlossen,
  • hat aufgrund aktueller betrieblicher Tätigkeit hinreichende Sachkenntnisse und mindestens einjährige betriebliche Erfahrung,
  • hat ausreichende Kenntnisse über: die rechtlichen Grundlagen (staatliche Arbeitsschutzvorschriften, Verordnungen und technische Regelwerke), die Vorschriften, Regelwerke und Erkenntnisse der gesetzlichen Unfallversicherungsträger, den Stand der Technik (z. B. EN-, DIN- und VDE-Normen), Informationen des Herstellers der zu prüfenden maschinentechnischen Einrichtungen, Gefährdungsbeurteilungen der zu prüfenden maschinentechnischen Einrichtungen,
  • hat Kenntnisse und Erfahrung über den Gebrauch der für die Prüfung erforderlichen Prüfmittel,
  • kann den arbeitssicheren Zustand von maschinentechnischen Einrichtungen orientiert am Stand der Technik beurteilen und in einem standardisierten Prüfbericht (Checkliste) zusammenfassen.

    Traversenprüfungen
    Kein Zweifel Hier ist das Prüfungsergebnis nicht zu diskutieren (Bild: Ebi Kothe)

Es gibt Meinungen, nach denen zur Erreichung der Qualifikation der Abschluss einer technischen Fachausbildung auch durch mehrjährige Branchentätigkeit ohne Berufsabschluss ersetzt werden kann. Zu den für die Qualifikation notwendigen Voraussetzungen gehören wie beschrieben auch die systemspezifischen Kenntnisse des zu prüfenden Produktes. Da es mittlerweile allein auf dem europäischen Markt eine Unzahl von verschiedenen Traversenherstellern gibt, kommt man nicht umhin, sich neben den allgemeinen Merkmalen von Traversen auch mit den speziellen Angaben des jeweiligen Herstellers auseinanderzusetzen. Auch wenn es weitverbreitet als „unsexy“ gilt: Man sollte sich die Gebrauchs- und Montageanleitung des jeweiligen Herstellers ansehen.

Know-how: Grundlagen von Traversensystemen

Zu den Grundlagen gehört, sich mit den Begrifflichkeiten und Elementen einer Traverse zu beschäftigen. Die wesentlichen Teile sind Gurtrohr, Strebenrohr und Verbinder. Die verschiedenen Bauformen sind im Wesentlichen 2-Punkt-, 3-Punktund 4-Punkt-Träger. Unterschieden wird auch nach der Art des Verbindersystems: verbreitet sind Rohr-in-Rohrverbinder (besonders im Bereich Dekorationsbau), Gabel-Zapfenverbinder (besonders im Schwerlastbereich), verschraubbare Kopf- und Endplatten und Konusverbinder. Letztere sind im professionellen Bereich weit verbreitet, da sie einen guten Kompromiss aus Belastbarkeit, Dauerhaftigkeit und Herstellungskosten darstellen.

Besonders bei Systemen mit Rohr-in-Rohr-Verbindungen gibt es immer wieder Missverständnisse. Einige von diesen Traversen verfügen an den Enden über Kopfplatten oder Verstärkungswinkel – scheinbar mit „Verbindungslöchern“, in die man wunderbar Schrauben mit Kontermutter einsetzen könnte. In Wirklichkeit handelt es sich hier aber möglicherweise um Fixierungshilfen zum Schweißen bei der Herstellung. Verbindet man diese Traversen nur an diesen Stellen mit Schrauben und lässt die eigentlich vorgesehene Verbindung Rohr-in-Rohr weg, besteht unmittelbare Gefahr des Versagens der Verbindung durch Herausreißen der vermeintlichen Verbindungsplatte. Hier hätte ein Blick in die Montageanleitung geholfen.

Bei allen Verbindungsformen gilt: auch wenn die Verbinder verschiedener Hersteller sehr ähnlich aussehen, können sich selbst kleine Abweichungen in der Passform der Verbinder dramatisch auswirken. Selbst wenn ein Hersteller sogar für seine Traverse eine Kompatibilität zu einem Konkurrenzprodukt bewirbt – bei einer Verbindung zweier Traversenteile unterschiedlicher Hersteller wird der Anwender möglicherweise nachweispflichtig.

Maximale Lasten

Die üblichen von Traversensystemen aufgenommenen Kräfte entstehen durch Eigenlasten, Nutzlasten und Bewegung (wie zum Beispiel Übertragung von Windkraft). Diese Kräfte können zu Verformungen führen. Dabei wird zwischen elastischer und plastischer Verformung differenziert. Die elastische Verformung ist temporär und der Träger kehrt nach Ende des Krafteinflusses in seine Ursprungsform zurück. Diese Verformung ist im Rahmen der Zulässigkeiten in Ordnung und auch notwendig, um Kräfte aufzunehmen und abzuleiten. Wenn man sich die Belastungstabellen der Hersteller ansieht, wird man feststellen, dass hier möglicherweise bereits eher die Grenze der Ästhetik oder des gefühlten Unwohlseins als die der maximal erlaubten Durchbiegung erreicht wird. Eine mittige Durchbiegung einer 30er-Traverse von 45 cm mit angehängter maximal zulässiger gleichmäßig verteilter Last und einer Länge von 20 Metern zwischen zwei Auflagern möchte man kaum seinem Kunden als sicher verkaufen – selbst wenn die Tabellen dies erlauben. Wird der Bereich der elastischen Verformung überschritten, kommt es zu einer plastischen – und somit dauerhaften – Verformung.

Lebenszyklus von Traversen

Zu den Grundlagen gehört es auch, sich mit dem Lebenszyklus einer Traverse zu beschäftigen. Diesen könnte man beschreiben mit: Erwerb, Transport, Gebrauch, Prüfung, Lagerung, Wartung, Instandhaltung, Entsorgung. Wenn man sich mit diesen Zuständen beschäftigt, kann man feststellen, welche Einflüsse auf die Traversen wirken und mit welchen Beschädigungen möglicherweise zu rechnen sind.

Der Transport von Traversen sollte so erfolgen, dass diese nicht beschädigt werden. Abgesehen vom Vorgang des Ladens und Entladens als Einzelteile (Gefahr der plastischen Verformung) wird häufig der Einfluss von mechanischer Belastung während des Transportes unterschätzt. Im Lkw – und auch anderen Transportmitteln – wird die ungeschützte Ladung möglicherweise einer den Transport über andauernden Bewegung ausgesetzt, die zu Verformung oder auch zum Materialverlust durch Abrieb führen kann. Die beste Transportmöglichkeit ist sicherlich die Nutzung von Traversen – wagen, auf denen die einzelnen Teile mit Abstandshaltern gegeneinander geschützt transportiert werden. Auch das Schieben und Ziehen einzelner Aluminiumträger über einen möglicherweise rauen Boden kann zu Abrieb führen. Klassiker bei größeren Baustellen sind sicherlich auch Beschädigungen durch den Einsatz von Gabelstaplern, mit denen versucht wird, die Gabel zwischen die Streben der Traversen zu stecken.

Traversenprüfungen
Lagerung: Die Belastungen durch Lagerung sind überschaubar (Bild: Ebi Kothe)

Der eigentliche Gebrauch lässt sich aufteilen in die bereits beschriebene Lasteinleitung und Montage/Demontage. Hier bestehen die Gefahren abgesehen von Überlastung hauptsächlich durch den unsachgemäßen Umgang mit ungeeigneten Hilfsmitteln (Stahlhammer), menschlichem Versagen (man schlägt statt auf den Bolzen daneben und trifft die Strebe) oder auch durch rohe Gewalt, indem man versucht, mit Hebeln oder Ratschgurten mechanisch schlecht passende Teile zu lösen oder passend zu machen.

Die Belastungen durch Lagerung sind überschaubar. Wenn man Traversenteile stehend lagert, sollte man dies bei Systemen mit einsetzbaren Verbindungselementen auf der Seite derselben tun; diese lassen sich im Fall von Beschädigungen durch zu hartes Aufsetzen leicht ersetzen, während Beschädigung der offenen Seite möglicherweise zur Ablegereife des gesamten Traversenteils führt. Allerdings erkauft man sich diesen Vorteil mit einer geringeren Standfestigkeit aufgrund der kleineren Standfläche. Eine Teppichunterlage für die Lagerungsfläche dämpft die Belastungen beim Absetzen. Längere Teile sollten bei stehender Lagerung unbedingt gegen Umfallen gesichert werden. Auch Wartung und Instandhaltung gehört zum verantwortungsbewussten Umgang mit Traversen.

Traversenprüfungen
Plastische Verformungen in Gurtrohren und Streben (Bild: Ebi Kothe)

Stellt man leichte Grate fest, sollten diese mit feinem Schleifpapier entfernt werden, um Verletzungen zu verhindern. Eine allgemeine Reinigung kann durch Wasser oder lauwarme leichte Seifenlauge erfolgen. Bei Umwelteinflüssen besonderer Art wie zum Beispiel Salzwasser oder Seeluft in Meeresnähe sollte man die Reinigungsintervalle erhöhen. Aggressive Reiniger sind zu vermeiden, da es im Zweifel keine Erkenntnisse gibt, wie sich diese auf die Materialfestigkeit auswirken können. Auf keinen Fall sollten Fette und Öle eingesetzt werden, um die Passung zu erleichtern; dosierter Einsatz von Teflon- Spray kann als geeignet eingestuft werden. Hierzu ist grundsätzlich der Hersteller zu befragen. Zur Pflege (und, wie wir später sehen werden, zur regelmäßigen Prüfung) gehört auch das Entfernen von Endverbindern, um die Kontaktstellen zu reinigen. Im normalen Gebrauch exotisch, aber auch schon vorgekommen: Wasseransammlungen innerhalb des unteren Bereichs eines Gurtrohrs einer im Außenbereich stehenden Traverse. Durch Frost fror das Wasser zu Eis, dehnte sich aus und das Gurtrohr platzte auf. Durch regelmäßige Überprüfung und Entfernung der Verbinder wäre dieser möglicherweise gefährliche Schaden vielleicht vermeidbar gewesen.

Verschiedene Prüfungskriterien des Materials

Wenden wir uns nun den notwendigen Prüfungen des Materials zu. Man differenziert zwischen Prüfung im laufendem Betrieb, wiederkehrenden Prüfungen und außerordentlichen Prüfungen. Während erste aus einer Sichtprüfung besteht und vor und bei jedem Einsatz durch den Anwender vorgenommen werden muss (das ist auch der Techniker vor Ort, der das System zusammenbaut), ist eine außerordentliche Prüfung nach technischen Änderungen und nach Reparaturen durchzuführen. Diese außerordentliche Prüfung muss von einem Sachverständigen (die bisher beschriebene „befähigte Person“ reicht dazu nicht aus!) oder dem Hersteller selbst vorgenommen werden.

Eine solche Prüfung erfordert eine Bescheinigung über das positive Ergebnis, damit das geprüfte Element wieder eingesetzt werden darf. Dieses Vorgehen lohnt sich aus wirtschaftlicher Sicht nur bei sehr teuren Traversenteilen. Die wiederkehrende Prüfung ergibt sich aus den vorgenannten Vorschriften, soll mindestens einmal jährlich von einer befähigten Person durchgeführt werden und besteht aus einer intensiven Sicht- und Tastprüfung. Hier muss der Soll- mit dem Ist-Zustand verglichen werden, was bedeutet, es ist festzustellen, ob die zu prüfenden Teile noch dem Originalzustand entsprechen.

Als Ablegereife könnte man den Zustand beschreiben, der die durch den Hersteller festgelegte bestimmungsgemäße Verwendung einschränkt oder ausschließt. Einige Hersteller übernehmen die Ablegekriterien, die im ehemaligen Standard zur Veranstaltungstechnik SR1.0 des deutschen Branchenverbandes VPLT genannt wurden oder verweisen auf diese: „Die Ablegereife von Traversensystemen ist gegeben, wenn die Bewertung folgender Kriterien einen sicheren Einsatz für die Benutzungsdauer nicht mehr gewährleistet:

Profilkonstruktion

a) Reduzierung des Querschnitts durch Verschleiß (Hauptgurte und Verbindungsstreben/ Diagonalstreben)
b) Reduzierung der Schweißnahtdicke durch Verschleiß
c) plastische Verformung der Profile
d) Löcher in den Profilen
e) fehlende Profile oder Verbindungsstreben/Diagonalstreben
f) Verschiebung des Trägerprofils (Traverse passt nicht mehr zu anderer Traverse)
g) gebrochene Schweißnähte
h) unsachgemäße Reparatur
i) Korrosion an der Profilkonstruktion

Traversenprüfungen
Verbinder in unterschiedlichen Zuständen (Bild: Ebi Kothe)

Verbinder und Verbindungselemente

a) Abnutzung und Reduzierung des Querschnitts durch Verschleiß am Verbinder
b) Reduzierung der Schweißnahtdicke durch Verschleiß
c) plastische Verformung der Verbinder
d) Vergrößerung der Bohrungen
e) plastische Verformung der Verbindungselemente
f) starke Korrosion an den Verbindern und Verbindungselementen
g) starke Korrosion zwischen den Tragprofilen, den Verbindern und Verbindungselementen
h) gebrochene Schweißnähte
i) unsachgemäße Reparatur

Die Auflistung zur Ablegereife des SR 1.0 wurde allerdings schon in der aktuellen Nachfolgeveröffentlichung SQP1, Traversen, Standards der Qualität der IGVW Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft von 2010 nicht mehr verwendet. Hier heißt es nun zum Thema wiederkehrende Prüfung: „Traversen und Traversenkonstruktionen sind je nach Einsatzart und -häufigkeit so zu prüfen, dass Mängel und Beschädigungen rechtzeitig erkannt werden“ und weiter: „Bei Prüfungen werden festgestellte Mängel bewertet und Aussagen zum weiteren Gebrauch bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung getroffen.“ Im SQP1 wird auch gefordert: „Der Unternehmer darf nur solche Traversen bereitstellen, für die der Hersteller eine Bedienungs- und Montageanleitung in deutscher Sprache liefert.“ Zu den aufzulistenden Angaben zur bestimmungsgemäßen Verwendung werden dabei „Angaben zur Durchführung von wiederkehrenden Prüfungen und Kriterien für die Außerbetriebnahme“ gefordert.

Lediglich Angaben zu den Kriterien bei der notwendigen Sichtprüfung während der Montage finden sich in der Veröffentlichung SQP1: „Alle verwendeten Bauteile (Traversen, Verbinder etc.) sind vor der Montage einer Sichtprüfung zu unterziehen. Bei augenscheinlichen Mängeln wie z. B. plastischer Verformung oder Materialreduktion an Hauptgurten und Verstrebungen, Rissen jeglicher Art, Langlochbildung an Verbindungsstellen oder deren Befestigungen, Verformung von Verbindern, dürfen diese Teile nicht eingebaut werden und müssen derart gekennzeichnet werden, dass eine irrtümliche weitere Benutzung ausgeschlossen wird.“

Bewertung der Kriterien zur Ablegereife

Dabei ergibt sich die Frage, ab wann der Zustand der Ablegereife erreicht ist oder welche Abweichungen akzeptabel sind? Natürlich entstehen durch den bestimmungsgemäßen Einsatz von Traversenteilen auch Gebrauchsspuren. Herausgerissene Streben, nachträglich eingebrachte Bohrlöcher oder Risse in den Verbindern sind relativ leicht zu bewerten. Aber: Führt ein Kratzer im Gurtrohr zur Ablegereife? Wie tief darf so ein Kratzer sein? Bedeutet eine leicht verbogene Strebe bereits das Ende der Einsetzbarkeit? Bei einer Prüfung sind Aussagen darüber gefordert, wie groß die Akzeptanzbereiche der einzelnen Abweichungen vom Sollzustand sein dürfen, ohne die bestimmungsgemäße Verwendung einzuschränken.

Traversenprüfungen
Verbinder mit Bolzen (Bild: Ebi Kothe)

Die Festlegung der Kriterien einer Ablegereife im Rahmen der wiederkehrenden Prüfung wird sinnvollerweise dem Hersteller auferlegt, denn nur er kann Aussagen über eine mögliche Fehlertoleranz seiner Produkte treffen. Die Informationspolitik der Hersteller in diesem Bereich darf durchaus als „zurückhaltend“ bezeichnet werden. Manche Angaben erhält der Anwender nur auf Nachfrage; andere Hersteller hüllen sich ganz in Schweigen. Sollten keine Maximalabweichungskriterien vorliegen, müsste man konsequenterweise von einer Nulltoleranz ausgehen und jede noch so kleine Abweichung vom Originalzustand wäre als Ablegereife zu bezeichnen. Als Herstellerangabe zur Beschreibung genutzt wird auch eine Formulierung aus dem SR0.1: „Entstehen bei der Sichtprüfung Zweifel an der Schadensfreiheit, ist eine weitere Aufschlussgebende Prüfmethode (z. B. Farbeindringprüfung, Ultraschallprüfung) anzuwenden.“ Im Zweifelsfall ist dann allerdings oft eine Außerbetriebnahme wirtschaftlich der sinnvollere Weg.

Manche Hersteller geben Ablegekriterien an, in dem sie erlaubte Maximalabweichungen in den einzelnen Problemfeldern definieren. Im Blackbook des Herstellers Prolyte werden zum Beispiel folgende Angaben gemacht: „Sind einer oder mehrere der Hauptgurte gebrochen oder gerissen, oder einer oder mehrere der Hauptgurte um mehr als 5° aus der ursprünglichen Mittellinie herausgebogen, ist die Traverse ungeeignet für den weiteren Gebrauch.“ Zum Thema Streben heißt es weiter: „Sind eine oder mehrere der Diagonalverbände, Endverstrebungen oder Querverstrebungen gebrochen oder sogar nicht mehr vorhanden, ist die Traverse unbrauchbar. Das gleiche gilt bei Verstrebungen, die um mehr als 10° aus der Mittellinie herausgebogen sind.“ Diese Zitate sind nur Auszüge und nicht vollständig. Sie sollen beschreiben, welche Aussagen ein Hersteller treffen kann, um der mit der Prüfung beauftragten Person Kriterien an die Hand zu geben, welche Toleranzen akzeptabel sind. Letztendlich liegt es bei dem Verantwortlichen zu entscheiden, ob und wie ein Traversenteil eingesetzt werden kann. Man könnte sogar so weit gehen, dass man – eine entsprechende Fachkenntnis vorausgesetzt – ein eigentlich ablegereifes Traversenteil dennoch einsetzen darf, wenn sichergestellt ist, dass die Beschädigung keine Gefahr darstellt. Als Beispiel sei ein gerissener Endverbinder genannt, wenn dieses Traversenstück als Endstück eines Systems benutzt wird, die defekte Seite freiliegt und der Verbinder daher nicht benutzt wird. Eine solche Bewertung verbietet sich natürlich in Bereichen wie der Weitervermietung, in denen die einzelne Verwendung nicht sichergestellt werden kann.

So prüft man richtig!

Ist die zu prüfende Traverse identifiziert (Hersteller, Typ, Länge) sollte man eine Identifikationsnummer (Inventaroder Prüfnummer) an der Traverse anbringen, um die individuellen Prüfungsergebnisse dokumentieren zu können. Liegt bereits eine individuelle Identnummer durch den Hersteller vor, kann man natürlich auch diese benutzen. Untersucht werden bei der Prüfung Gurtrohre, Streben, Schweißnähte, Verbinder und Zubehör auf plastische Verformung (Biegung, Torsion, Rotation), Abnutzung, Materialabtrag, Aufweitung von Bohrungen (Lochleibung), Korrosion, nicht vorgesehene Löcher, Risse und fehlende Teile.

Wenn Endverbinder am Traversenteil verschraubt sind, werden diese gelöst, entfernt und später getrennt bewertet. Die Gurtrohre werden dann händisch möglichst komplett umgreifend mit beiden Händen abgefahren, um Unebenheiten zu ertasten. Dabei sollte man – auch wenn die Sensibilität darunter leidet – besser Handschuhe tragen, um sich nicht an hervorstehenden Graten oder Spänen zu verletzen. Während der Tastprüfung der Gurtrohre werden die Streben (Bracing) einer Sichtprüfung unterzogen. Nach dem Abtasten dreht man die Traverse (4-Punkt um 90°, 3- Punkt um 120°) in der Längsachse und wiederholt diesen Vorgang. Dadurch wird jedes Gurtrohr zweimal überprüft und das Risiko des Übersehens gemindert. Verbiegungen und Verdrehungen der Gurtrohre stellt man durch Anlegen eines langen und geraden Referenz-Metallprofils (zum Beispiel einer möglichst langen Wasserwaage) beziehungsweise durch einen angelegten 90° Metall-Schlosserwinkel fest.

Traversenprüfungen
Kontrolle des Verbinders: zweifacher Bruch (Bild: Ebi Kothe)

Jedes Gurtrohr wird auch optisch in der Längsachse außen (entlang sehen) und innen (durchschauen) überprüft. Die Gleichmäßigkeit der Rohrrundung lässt sich mit Hilfe einer auf den Rohrdurchmesser festgestellten Schieblehre prüfen, die man dann um das Rohr dreht. Dabei sollte diese auf dem Weg nicht festklemmen oder locker sitzen. Auch die Tiefe von Dellen lässt sich mit einer Schieblehre nachmessen. Ob die Löcher zur Aufnahme der Verbindungsbolzen aufgeweitet sind, kann man ebenfalls ausmessen oder durch Einstecken eines Bolzens ohne Verbinder feststellen. Die Löcher sollten rund und nicht oval aufgeweitet sein; der Bolzen sollte rundum passend durch die Aufnahme umschlossen sein. Dringt dieser so tief ein, dass der Kopf verschwindet, wiederholt man den Test mit einem eingesetzten Verbindungselement. Verschwindet der Bolzen immer noch weit in der Aufnahme, muss man nach dem Grund suchen. Hat man keine Angaben des Herstellers zum Normaldurchmesser der Bolzenlöcher, misst man mit einer Schieblehre andere Traversenteile des gleichen Typs und errechnet daraus einen Mittelwert. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass bereits alle Löcher des Traversenbestandes ausgeweitet sind und man so keinen Normwert mehr ermittelt.

Ein guter Tipp ist, beim Traversenkauf ein Referenzteil mit Verbinder und Bolzen zur Seite zu legen und ausschließlich für spätere Referenzmessun gen zu nutzen. Auch die Verbindungselemente, wie eingesetzte Konusverbinder, werden einzeln geprüft. Gibt es Verformungen, Risse oder Gratbildungen? Passt es gut in die Aufnahme der Traverse? Traversenbolzen sind oft oberflächlich verzinkt und leiden natürlich durch die mechanische Beanspruchung durch Einsetzen und Austreiben. Diese sollten als Verbrauchsmaterial angesehen und bei Anzeichen von Verformung oder Korrosion ausgesondert werden. Alle Verbindungselemente sind mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen, da durch sie die wesentliche Kraftübertragung innerhalb eines Traversensystems erfolgt und Defekte hier besonders fatale Folgen haben. Eine Veränderung der Traversengeometrie kann durch Ansetzen eines weiteren Traversensegmentes überprüft werden – gut wer dann über ein ungebrauchtes Referenzteil verfügt.

Ergonomie und Dokumentation

Es macht großen Sinn sich bei der Prüfung eines Traversenbestandes im Vorfeld Gedanken über Arbeitsergonomie zu machen. Ein Prüfplatz, auf den man die Traversen in Arbeitshöhe legen und die Prüfung ohne andauerndes Bücken vornehmen kann, wird mit der Schonung des Rückens belohnt. Während der Prüfung eines größeren Bestandes sollten immer wieder ausreichend Pausen eingelegt werden, um die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Entdeckte Fehler sollten sofort markiert und exakt bezeichnet werden.

Optimal ist eine Dokumentation der wiederkehrenden Prüfung in Form einer Auflistung jedes einzelnen Traversenteils mit individualisierter Nummer, Datum und Vermerk des Prüfergebnisses mit Namen des Prüfers. Es soll auch ausreichend sein, eine erfolgte wiederkehrende Prüfung durch eine Erklärung des betreffenden Prüfers zu dokumentieren aus der hervorgeht, dass alle Teile des Bestandes zu einem bestimmten Datum geprüft wurden und ohne Beanstandungen waren. Dafür müssten dann alle Traversen mit negativem Prüfungsergebnis unmittelbar entsorgt worden sein.

Die Vergabe einer Prüfplakette auf der Traverse selbst ist nicht notwendig, aber durchaus hilfreich. Die Konsequenz eines negativen Prüfungsergebnisses besteht entweder im Ausschluss einer weiteren Verwendung, zum Beispiel durch Verschrottung, oder durch die protokollierte Nutzungseinschränkung. Letztere Möglichkeit birgt die bereits genannten Gefahren, dass die Traverse möglicherweise dann doch im nicht mehr zulässigen Bereich eingesetzt wird.

Detaillierte Betrachtung erforderlich

Erklärungen von Hersteller A können allerdings rechtlich belastbar nicht für die Bewertung des Produktes von Hersteller B genutzt werden. Daher ist es notwendig, vom jeweiligen Hersteller die Kriterien zur Ablegereife zu erhalten. Manche bieten zu diesen Themen Seminare und Workshops an, in denen das notwendige Wissen vermitteln werden soll. Auch von branchenspezifischen, nicht herstellerzugehörigen Seminaranbietern wird dieses Gebiet bedient. Der Unternehmer – das heißt die Firma, der das Material gehört beziehungsweise die es einsetzt – ist in der Verantwortung und damit in der Haftung, die Prüfungs- und Bewertungsverpflichtung wahrzunehmen.

Traversenprüfungen
Verformung der Streben (Bild: Ebi Kothe)

Zur Durchführung einer Traversenprüfung ist es daher notwendig, zuerst das zu prüfende Teil zu identifizieren: welcher Hersteller, welcher Typ? Viele Traversenfabrikanten versehen mittlerweile ihre Produkte mit Produktaufklebern, auf denen verschiedene Informationen abgebildet werden. Grundlage dafür ist oft ebenfalls der Standard SQP1 der IGVW Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft. Da diesem aber keine unmittelbare Regelkompetenz zusteht, müssen diese nicht zwingend befolgt werden (auch wenn das durchaus Sinn macht). Eine praktische Verpflichtung kann aber durchaus entstehen, wenn eine Veranstaltungshalle im Rahmen ihres Hausrechtes und durch vertragliche Verpflichtung auf die Einhaltung dieser Standards in ihren Räumlichkeiten besteht. Einen solchen Traversenaufkleber kann man übrigens auch selbst herstellen und mit den zutreffenden Informationen versehen. Manche Hersteller bieten zusätzlich zu den Aufklebern eingravierte individuelle Identifizierungsnummern an, mit deren Hilfe sich das Traversenteil mit allen relevanten Informationen exakt bestimmen lässt. Kann man das zu prüfende Teil nicht eindeutig identifizieren, kann die Prüfung mit dem Ergebnis „nicht einsetzbar für Lasten über Personen“ als beendet angesehen werden, da man keine Informationen über den Sollzustand vorliegen hat. Natürlich kann man ein entsprechendes Fachbüro um einen Nachweis im Einzelfall mit entsprechender Materialanalyse und statischer Berechnung bitten. Im Regelfall wird dies jedoch nicht wirtschaftlich sein.

Zu guter Letzt

Alle Ausführungen zu diesem Thema wurden nach bestem Wissen zusammengetragen; es kann aber kein Anspruch auf Vollständigkeit und Berücksichtigung aller im Einzelfall bestehenden Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen erhoben werden.

Die Verpflichtung eines Verantwortlichen besteht darin, sich über alle ihn betreffenden Gesetze und Verordnungen selbst zu informieren und diese zu berücksichtigen. Dabei sollte auch der GMV, das wichtigste weltweit geltende Gesetz, nicht vergessen werden: der Gesunde Menschen Verstand.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr, sehr guter Artikel, der nicht nur auf Traversen zutrifft.
    Sehr gut recherchiert und verfasst und daher sehr hilfreich.
    Kompliment und vielen Dank
    Holger Hummel, d&b

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