Mischpult-Workflows verbessern

Individuelle Digico-Makros programmieren

Mit Makros lassen sich am Mischpult komplexe Funktionen per Tastendruck ändern – vom taktgenauen Umschalten der Effekte bis zu vordefinierten „Playern“ und Channel-Sets für unterschiedliche Rollen: Wird ein Darsteller ausgetauscht, kann der Ersatz übernommen werden, ohne weitere Parameter anpassen zu müssen. Für einen unkomplizierten Workflow in modernen Produktionen ist das laut Jörg Grünsfelder unabdingbar – zudem erlaube es eine besonders kreative Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten.

Finger tippt auf Taste(Bild: Nicolay Ketterer)

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Inhalt dieses Grundlagen-Artikels:

Frei programmierbare Makros

Player: Darsteller einer Rolle zuweisen

Taktgenaues Umschalten von Hallräumen

Nicht nur „irgendwie durchkommen“

Kunden wollen keine improvisierte Arbeitsweise

„Touch-LED“ am Fader

Workflow auch für Musikproduktionen

Bitte keine Angst vor „Ideenklau“


Bei den Bad Hersfelder Festspielen (den passenden Artikel findest Du hier) schätzt Jörg Grünsfelder die Möglichkeit, auf der Digico Quantum SD7T für Musical- und Theater-Produktionen praktisch beliebige Makros programmieren zu können. Er zeigt dazu auf einen frei belegten Taster, der ihm den Wechsel zwischen „QLab Main“ und „QLab Backup“ ermöglicht. „Solche Schaltungen baue ich als Makros. So kann ich mit einem Tastendruck das Zuspielrack zwischen Rechner A und Rechner B umschalten.“ Dadurch sei eine Havarie-Lösung in dem Fall gewährleistet.

Jörg Grünsfelder mit Digico Quantum SD7T
Jörg Grünsfelder mit einer Digico Quantum SD7T an der Dortmunder Oper (Bild: Jörg Grünsfelder)

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Frei programmierbare Makros

Die T-Software – das „T“ in der Pultbezeichnung steht logischerweise für „Theater“ – erlaubt benutzerdefinierte Makro-Prozesse. Sie ist ab der SD9T-Konsole integriert. „Du kannst dir die wichtigsten Features einfach hinlegen. Wir haben ein Feature für Musical- und Theater-Produktionen gebaut, mit dem sich einzelne Kanäle selektieren lassen, um festzustellen, wo sie hinsollen. Das klingt einfach, aber stell dir vor: Ein Darsteller ist Solist. Während der Proben ihm ein, dass er noch die ersten acht Takte im Ensemble mitsingen will, und erst danach zum Solisten wird. Ohne die T-Software musste ich in der Vergangenheit anfangen, Aux-Wege aufzudrehen – ‚wo muss der hin, in welche Gruppe?‘ und so weiter. Ich habe mir einen passenden Schalter im Makro gebaut. In den Makros sind alle Prozesse hinterlegt. Ich kann mit einem Knopfdruck festlegen: ‚Du bist nicht mehr ‚Sprache‘, sondern ‚Solist/Vocals‘ – oder ‚Ensemble männlich‘, ‚Ensemble weiblich‘ – was auch immer. Du kannst komplexe Arbeitssituationen in einem Tastendruck zusammenfassen.“

Channel Sets in Display-Anzeige
Channel Sets: Personen können im Verlauf des Stücks unterschiedlichen Rollen – beispielsweise Chor-Ensemble oder Solisten – zugewiesen werden. Dadurch muss beim Wechsel der Aufgabe nicht mehr manuell eingegriffen werden. (Bild: Nicolay Ketterer)

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 Player: Darsteller einer Rolle zuweisen

Ein weiteres Highlight sei das Arbeiten mit Playern im Pult: „Jede Rolle bekommt einen Darsteller. Wenn der Darsteller allerdings kurzfristig ersetzt wird – nicht Alan singt den ‚Apostel Fünf‘, sondern jemand anders – kam in der Vergangenheit immer die Frage auf, was im Mix geändert werden muss: Gain, EQ, Kompressor und alle Funktionen, die dort reinspielen. Jetzt gehst du in die Player-Oberfläche, schaust, wer das heute macht, und weist denjenigen der entsprechenden Funktion zu.“ Die einzelnen Darsteller sind als „Grundbaustein“ hinterlegt. Die Parameter werden automatisch auf die Person bezogen abgespeichert. „Damit ist deine komplette Show resettet. Der Prozess nimmt dir viel Stress ab. Du kannst die Darsteller überall in ihrer Funktion verschieben. Das ist bei uns mittlerweile Tagesgeschäft – Krankheitsfälle, Unfälle, was auch immer passieren kann. Jemand singt den Part des anderen, aber im nächsten Cue spielt er wieder seine alte Rolle. Da bist du früher schier verzweifelt. Manchmal hast du dir dann einen zweiten Kanal angelegt. Dann hattest du an dem Abend auf jeden Fall Stress. Du kannst hier auch verschiedene Channel-Sets anlegen: Alle Apostel können sich beispielsweise in einem ‚Apostel-Set‘ befinden. Wenn heute das ‚Soul Girl 1‘ auch einen Apostel singen muss, nehme ich sie in die Gruppe mit rein. Dann weiß das Pult durch die Auto-Update-Funktion, dass es in diesem Set einen neuen Darsteller dazubekommen hat, und der ist gesetzt. Wenn Cues aufgerufen werden, wo diese Apostel abgefragt werden, singt die Darstellerin dort immer mit der neuen Stimme. Das kann ich in dem Vor-Cue machen, ohne meine komplette Show durchzugehen. Sonst müssten wir schon mittags um 12 Uhr anfangen, um die ganzen Cues zu ändern.“

Display-Anzeige im Pult
Rollen im Pult: Darstellerinnen und Darsteller werden Rollen zugewiesen. Wenn jemand kurzfristig ersetzt wird, schalten sich Parameter automatisch auf die Person bezogen um. (Bild: Nicolay Ketterer)

Um die hinterlegen Schritte der Makro-Umschaltung zu zeigen, ruft er ein Vocal-Makro auf dem SD7-Screen auf: „Aux-Wege werden an- und ausgeschaltet, Hall reduziert, ein anderer Hall eingeschaltet, aus einer Gruppe raus- und eine andere Gruppe reingenommen. „Die Prozesse müsstest du per Hand schalten, wenn du eine Konsole fährst, die das nicht Makro-basiert umsetzen kann. Vielleicht fällt dem Regisseur nach drei Minuten auf, dass die Idee scheiße war – dann fängst du wieder an, zu schrauben. So können wir die Prozesse unfassbar vereinfachen, klar strukturieren und auf Wünsche reagieren, die für uns total simpel werden. Wir brauchten eine Lösung, die uns Ruhe in die Produktion bringt – und uns die kreative Möglichkeit bietet, Ideen anbieten zu können. Sind wir ehrlich: Es gibt auch Fälle, wo du Lösungen nicht anbieten würdest, weil du genau weißt, welche Konsequenzen der Prozess hat. Hier versuche ich wirklich, die Sache umzusetzen, oder ich biete etwas an: ‚Lass uns das doch mal ausprobieren, ich habe eine Idee.‘ Dann machen wir uns ein Channel-Set dazu. Allein die Chance zu haben, etwas anzubieten und auszuprobieren – du katapultierst dich mit der Software in eine andere Liga. Wenn du große Produktionen mit der entsprechenden Verantwortung machen willst, ergibt es aus meiner Sicht Sinn, sich dafür zu entscheiden. Die Software ist genau für diese Anforderungen gedacht. Ich arbeite jeden Tag damit, und es funktioniert auch. Wenn wir hier mit zwei Leuten arbeiten, sind wir viel entspannter, weil wir wissen, dass einzelne Prozesse hier zu 100 Prozent abgerufen werden. Als Tonmeister und Sounddesigner muss ich das den Verantwortlichen näherbringen. Ich hole die Künstler und Dirigenten ans Pult und zeige ihnen die Makros. Sie sind begeistert und entwickeln auch neue Ideen. Wir kommen in der Produktion anders nach vorne – am Ende des Tages werden wir am Ergebnis gemessen.“

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»Wir brauchten eine Lösung, die uns Ruhe in die Produktion bringt«

– Jörg Grünsfelder zur Zuweisung von Darstellern/Rollen


Taktgenaues Umschalten von Hallräumen

„Du hast praktisch keine Grenzen oder Vorgaben, sondern du entscheidest über deine Ideen, wie du die Makros bauen und verknüpfen kannst. Ich mache mir stellenweise vorab Zeichnungen: Wo will ich von A nach B? Was muss ich alles beachten? Dann schaue ich mir die Makros an; die ‚Zutaten‘. Du ‚komponierst‘ einfach und überlegst dir: ‚Zutat A macht etwas bestimmtes. Verknüpfe ich sie mit einem anderen Parameter, entsteht etwas anderes.‘ Der interne Rahmen ist unfassbar groß, sodass ich nicht glaube, schnell an Grenzen zu stoßen.“ Neben den erwähnten Prozessen, Akteuren einzelne Funktionen zuzuweisen, haben ihn die Möglichkeiten etwa zum taktgenauen Ändern von Hallräumen inspiriert: „Auf den ersten acht Takten hat der Reverb als Vorgabe beispielsweise ein Setting, auf dem neunten ein anderes. Man soll hören, dass sich der Hallraum ändert, aber die Änderung muss musikalisch bleiben. Es darf kein komplett anderer Reverb sein. Woanders hättest du mit zwei Hallgeräten gearbeitet, irgendwie Crossfades gebaut, was immer auch Grütze war. Hier kannst du das als Arbeitsprozess präzise auf die entsprechenden Partituren hin umsetzen.“

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Nicht nur „irgendwie durchkommen“

Er verweist auf die Partitur von „Jesus Christ Superstar“, in die Anmerkungen eingetragen sind. „Hier im Takt 2 will der Regisseur, dass die Änderung genau auf die Eins passiert. Dazu brauchst du auch ein System, das schnell genug reagiert. Ich kenne Pultsysteme, bei denen das Pult verzögert: Du fährst den Cue richtig, aber er kommt nicht auf die Eins.“ Man müsse sich ein Predelay beim Arbeiten denken. „Diese Mentalität macht dich fertig. Ich muss mich darauf verlassen – wenn ich das drücke, ist das da und darf nicht flamen.“ Die Latenz dürfe nicht wahrnehmbar sein. „In jedem Opern- und Theaterhaus gibt’s Haue, wenn das jedes Mal nicht kommt. Noch schlimmer – wenn es sich dynamisch ändert: Mal auf der Eins, mal auf der ‚Eins und‘ oder auf der Zwei. Ich habe viel mit Dirigenten und musikalischen Leitern zu tun. Das muss passen. Kein Prozess, bei dem du versuchen musst, irgendwie durchzukommen.“

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Kunden wollen keine improvisierte Arbeitsweise

Es arbeitet täglich damit, es funktioniere einwandfrei, betont Grünsfelder. „Für die Umsetzung von modernen Produktionen eröffnet dir die T-Software zudem ein komplett neues Arbeitsfeld. Mit einem anderen Pult hättest du ein paar Dinge nicht gemacht – dann hat der Darsteller in dem Moment einfach keinen Hall. Du fängst an, mit verschiedenen Gegebenheiten zu leben, weil du sie nicht ändern kannst, oder du improvisierst. Meine Kunden wollen allerdings mittlerweile das Gegenteil. Regisseur Gil Mehmert zum Beispiel, für den ich den Mix beim Musical ‚Goethe‘ gemacht habe, hört das alles. Er will Änderungen präzise, nicht erst einen Takt später. Aus dem Grund glaube ich, dass der Software die Zukunft gehört. Bei einem normalen Pult brauchst du nur eine Millisekunde abgelenkt zu sein, und schon bist du raus. Um die Fehlerquellen und den Stress zu vermeiden, wollte ich auch bei den Festspielen ein Pult, dass die Theater-Software kann. Bei einer ruhigeren Produktion wäre das auch anderweitig kein Problem. Hier singen bei manchen Einsätzen allerdings 30, 40 Leute. Du musst mit den Channel-Sets arbeiten, um die Zuordnungen sicherzustellen – weil sich die musikalischen Rollen über Takte unterscheiden. Vor allem brauchst du eine Übersicht – du musst alles noch nachvollziehen können. Bei 160 Inputs wirst du sonst wahnsinnig.“

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„Touch-LED“ am Fader

Stichwort Zuordnungen; Hier bietet ihm das Pult ebenfalls Übersicht. Über dem Fader leuchtet eine rote LED, sobald er mit dem Finger den Fader berührt. „Du siehst dabei die Zuweisung in der Software auf dem Bildschirm zur optischen Kontrolle.“ Damit kann er sehen, ob er am richtigen Fader ist. „Wenn du gerade mit der Band arbeitest, kannst du die Kanäle manchmal nicht richtig sehen, wenn der Kollege mitarbeitet. Sobald ich den Fader antippe, sehe ich die Kanäle, die der Fader betrifft, in der Software rot leuchten: Wenn ich aufs Orchester gehe, sehe ich, meine Orchester-Kanäle sind alle am Start – ohne, dass ich in den Orchester-Kanal reingehen muss.“

Fader am Pult mit roter LED
Übersicht: Wird ein Fader am Pult berührt, leuchtet darüber eine rote LED – dazu werden zugehörige Kanäle auf dem Software-Bildschirm signalisiert. (Bild: Nicolay Ketterer)

»Am Ende des Tages werden wir am Ergebnis gemessen.«

– Jörg Grünsfelder betont die Zusammenarbeit mit Künstlern und Dirigenten


Screen
Ob man am richtigen Fader ist, wird über Kanal-LED und Markierung auf dem Screen schnell ersichtlich. (Bild: Nicolay Ketterer)

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Workflow auch für Musikproduktionen

„Ich nutze auch in der Musikproduktion die T-Software – was spricht dagegen? Ebenso die Auto-Save-Funktion.“ Yvonne Catterfeld stand bei ihm auf dem Plan. „Den Workflow passe ich mir für das Konzert an. Die Möglichkeiten sind dieselben, auch wenn ich sie bei Musik weniger ausgefuchst brauche. Ansonsten: Die Musical-Produktionen, die ich in letzter Zeit gemacht habe, waren alle durchkomponiert. Es gibt keines mehr mit Dialog Song. Du hast ein durchgehendes dreistündiges Musik-Ereignis, wo du musikalisch reagieren musst. Ich habe mir ein aufwendiges Basic-Set gebaut, für Band- und Theater-Produktion. Damit sind Monitore und Belegungen vorbereitet.“

Andere Makromöglichkeiten seien ihm zu festgelegt, so Grünsfelder. „Ein Makro macht zum Beispiel ein Tap Delay, als Tastenbelegung. Die Möglichkeit, ein Rack aufzurufen, existiert bei vielen Pulten.“ Buttons sind zwar zuweisbar, allerdings nur für eine einzelne Funktion. „Die Settings sind allerdings rudimentär im Vergleich zu den freien Makro-Kombinationen bei Digico. „Bei der Vocal-Taste sind 40 Events hinterlegt. Das kenne ich sonst nur von Riedel Kommando-Systemen: Dort gibt es Logik-Tasten, die viele Prozesse auslösen.“

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Bitte keine Angst vor „Ideenklau“

Seine eigene Herangehensweise beim Setup und Mix gibt Grünsfelder bereitwillig preis – etwas, dass er in seiner Zeit in den USA während seines dreijährigen Studiums in New York und dem Nebenjob im Studio „Hit Factory“ gelernt habe. „Ich erinnere mich, wie ich eine Snare mit drei Mikrofonen abnahm, samt Teppich. Ich war mir nicht sicher, ob ich das dritte Mikrofon nutzen sollte oder nicht. Der dortige Engineer-Kollege hatte gerade eine Mischung für U2 angefangen. Ich fragte ihn, ob er in einer Kaffeepause mal reinschauen kann, weil ich mir unsicher bin. Er kam, man trinkt einen Kaffee mit ihm, und schaut gemeinsam drüber – und er brachte noch eine Idee ein. Du bekommst Feedback voneinander, und man redet auf Augenhöhe. Das ist sofort ein Team, es geht um die Sache. In Deutschland macht jeder seine Decke über sein Mischpult, nach dem Motto, schau mir bloß nichts ab!“

Jörg spricht damit spricht manche Angst an, jemand könne einem den Job wegnehmen, wenn man vermeintliches „Herrschaftswissen“ preisgibt. Das kann er nicht nachvollziehen. „Ich bin sehr offen. Bei mir können die Leute sehen, wie das Setup gebaut ist, und wie ich arbeite. Ich glaube: Wenn man Menschen zeigt, wie Dinge funktionieren, kann daraus etwas Neues entstehen. Wie ich das für mich umsetze, ist ja immer nur eine Empfehlung!“ Nur so lerne man gegenseitig. Gebucht werde man für die individuelle Problemlösungskompetenz – nicht für reines Anwenden einer Preset-Schablone. „Deswegen brauchst du auch keine Angst zu haben. Es sei denn, du bist selbst jemand, der nur kopiert.“

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