Mit den „Vertically Arrayable Loudspeakers“ knüpft das Team aus UK an seine Vergangenheit im Touring an und hat mit dem VX90 erste bereits verfügbare Systeme im deutschsprachigen Markt platziert.
Funktion-One gehört seit seiner Gründung im Jahre 1992 zu denjenigen Marken auf dem professionellen Audiomarkt, die sich bewusst abseits dominanter Markttrends bewegen und konsequent konzentriert und getreu ihre eigenen Methoden und Philosophie pflegt. Gegründet wurde Funktion-One von Tony Andrews und John Newsham. Beide Namen waren auch schon vorher keine Unbekannten: Die Gründung der legendären Marke Turbosound im Jahre 1970 ging ebenfalls auf Tony Andrews und John Newsham zurück, so dass man heute von einer über 50 Jahre währenden erfolgreichen Geschichte sprechen kann. Ein Zeitstrahl auf der Homepage von Funktion- One zeigt die Entwicklung zunächst unter dem Turbosound- Label und ab 1992 als Funktion-One, wo es nicht an großen Namen bekannter Festivals und Künstler mangelt. Heute ist Funktion One eine der bekanntesten Marken, wenn es um die Ausstattung von Clubs und EDM-Festivals geht.
Gleichwohl hat man den Touring-Markt nicht aus den Augen verloren und 2016 mit dem Vero ein Großbeschallungssystem auf den Markt gebracht, das äußerlich einem Line- Array entspricht, aber nicht so genannt wird. Bei Funktion- One spricht man von einem „Large format hybrid vertical array system“, dass sich bei näherer Betrachtung in einigen Punkten von einem klassischen Line-Array unterscheidet: So gibt es mit den Mid-High-Komponenten V60 und V90 und dem Mid-Bass V315 drei Komponenten, aus denen ein Array zusammengesetzt wird, das dann abweichend von einem herkömmlichen Line-Array separate Bereiche in der Linie für den Mid-High und Mid-Bass hat. Aufgrund seiner Größe und des Gewichtes ist das Vero-System für große und sehr große Hallen und Festivals prädestiniert.
Um ein ähnliches System auch in einem kompakteren Format anbieten zu können, wurde das 2019 erstmals vorgestellte Vero VX entwickelt. Bedingt durch die Corona-Pause der gesamten Branche kann aber auch heute noch von einer Neuvorstellung gesprochen werden. Ganz aktuell haben mit der Barowski AG und der Nspire GmbH aus Nürnberg auch zwei Kollegen in Deutschland das Vero VX angeschafft. Michael Barowski wird dazu mit der Aussage zitiert, dass für ihn bei der Auswahl eines neuen PA-Systeme Mythen und Marketing keine Rolle spielen, sondern schlichtweg die Audioqualität, mit der sich das Publikum begeistern lässt. Daraus entsteht die spannende Frage, was ein Funktion-One-System gegenüber den vielen anderen auszeichnet oder unterscheidet.
Die Philosophie hinter Funktion-One erfährt man aus diversen Interviews mit Tony Andrews und John Newsham, wo betont wird, dass man bei der Entwicklung eine hohe Sensitivity und einen Frequenzgang anstrebt, der möglichst wenige oder keine Korrekturen benötigt. Im Idealfall sollte ein Mehrwegesystem dann ausschließlich mit X-Over-Filtern, Gain und Delay komplett abgestimmt werden können. Auch wenn letzteres nicht immer der einzig richtige Weg zum Ziel ist, ist der Aspekt der hohen Sensitivity gut nachvollziehbar. Lautsprecher mit einer hohen Sensitivity, die mit wenig Verstärkerleistung hohe Pegel erzeugen können, überzeugen meist durch einen besonders dynamischen Klang, wie man ihn auch von großen Hornsystemen kennt. Hörner sind daher auch bei Funktion-One die Basis aller Systeme.
So weit wie möglich werden alle Wege horngeladen ausgeführt, was im Vero VX den Mittel- und Hochtonzweig betrifft. Die Tieftöner sind als Bassreflexsysteme ausgeführt. Die Mittelhochtoneinheit besteht zudem in bewährter Form aus einem 8″-Konustreiber mit Horn, kombiniert mit einem dezidierten 1″-Hochtonsystem, das mittig im Mitteltonhorn angeordnet ist. Durch die so möglich werdende hohe Trennfrequenz kann sich der Hochtöner auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren und der Mitteltöner übernimmt den Großteil der wichtigen Stimmfrequenzen in einer Einheit ohne Trennung. Das Grundkonzept eines 3-Wege-Systems mit großem Mitteltonhorn ist in ähnlicher Form auch noch von anderen Herstellern bekannt und bietet eine Reihe von akustischen Vorteilen, geht aber gleichzeitig auch mit einem größeren Gehäuse einher, da das Horn auch seinen Platz beansprucht.
Wie das alles im Vero VX zusammenspielt und ob und wie daraus ein „Line-Array“ wird, werden unsere Messungen und Hörtests zeigen.
Die Messungen beginnen wie immer mit den Impedanzen und der Sensitivity der einzelnen Wege. Beim Vero VX gestaltet sich die Messung einfach, da als voll aktives System ohne passive Weiche alle Wege für eine Messung direkt zugänglich sind. Der Anschluss erfolgt über Speakon-Buchsen NL8, auf denen die beiden 12″-Tieftöner ebenso wie der Mittel- und Hochtonweg separat herausgeführt sind. Alle Wege werden im Datenblatt mit einer nominellen Impedanz von 16 Ω angegeben. Wie die Messungen aus Abb. 1 zeigen, werden die Werte sicher eingehalten. Die Kurven liegen sogar vollständig oberhalb von 16 Ω, so dass die nach Norm zulässige Unterschreitung von 20% gar nicht ausgenutzt wird. Die rote Kurve aus Abb. 1 zeigt die beiden Tieftöner in Parallelschaltung, wo das Minimum dann bei 9,3 Ω Ohm liegt. Die einzelnen Treiber könnten so sogar nach Norm als 24-Ω-Systeme deklariert werden.
Interessant ist dieser Aspekt vor allem für die antreibenden Endstufen, die so weniger belastet werden. Für die zum Test mitgelieferte Endstufe Powersoft X8 wäre es so sogar möglich, wenn man im 2-Ω-Betrieb alles ausreizt, ein Stereo-Set mit acht Vero VX pro Seite mit nur einer Endstufe zu betreiben. Unter den Aspekten der Betriebssicherheit und der Kabelverluste sollte man das jedoch nur als Notlösung sehen.
Ein weiterer Vorteil von Treibern mit einer höheren Impedanz ist deren in der Regel auch etwas höhere Sensitivity. Die Messungen zur Grafik in Abb. 2 zeigen die Sensitivity für alle Wege bezogen auf 2,83 V/1 m. Für die beiden für die Messung parallel geschalteten Tieftöner entspricht das dem Wert 1 W/1 m. Für den Mittel- und Hochtonweg sind für 1 W/1 m jeweils noch 3 dB dazu zu addieren. Die drei Wege und vor allem der Mittel- und Hochtonweg können hier in ihren jeweiligen Frequenzbereichen mit beachtlichen Werten aufwarten. Genau das spiegelt auch das Grundkonzept von Funktion-One wider, die geforderten hohen Schalldrücke in erster Linie über eine möglichst hohe Sensitivity und erst im zweiten Schritt über hohe Verstärkerleistungen zu erreichen. Später noch mehr dazu, wie sich das auch im Höreindruck bemerkbar macht.
Blickt man auf die Frequenzgänge der einzelnen Wege aus Abb. 2, dann erkennt man weite Bereiche, wo sich die benachbarten Wege überlappen. Zusätzlich sind alle drei Wege in ihrem Verlauf recht gleichmäßig und benötigen richtig eingesetzt kaum Korrekturen. Hier kommt jetzt eine zweite Philosophie von Funktion-One zum Zuge, die besagt, dass die einzelnen Wege eines Lautsprechers möglichst nur mit Gain, Delay und X-Over Filtern schon ein gutes Gesamtergebnis liefern sollten. EQ-Filter sollten in den einzelnen Wegen möglichst vermieden und wenn überhaupt dann nur für das Gesamtsystem eingesetzt werden. Letzteres ist für einen Lautsprecher, der im Array eingesetzt werden soll, nahezu unvermeidlich, da hier immer abhängig von der Größe und Winkelung des Arrays Filter zur Anpassung bei den hohen und tiefen Frequenzen notwendig sind. Die für die mitgelieferte X8 Endstufe definierten Filter zum Vero VX sind in Abb. 3 dargestellt. Hier sieht man nur Hoch- und Tiefpassfilter, eine Gain-Anpassung und, hier nicht sichtbar, eine Anpassung der Laufzeiten über Delays. Für den Tieftonweg gibt es zwei Einstellungen, einmal Fullrange und einmal mit einem 85 Hz Hochpassfilter für die Kombination mit einem Subwoofer, wo die hauseigenen Modelle V124 oder V221 empfohlen werden.
Die obere gelbe EQ-Kurve in Abb. 3 zeigt einen EQ für das Gesamtsystem, wie es aus einer einfachen Messung im Testlabor abgeleitet wurde. James Hipperson, der den Messungen einen Tag lang beiwohnte, bestätige die Filter bei 85 Hz, bei 820 Hz und bei 16 kHz als typisch. Zwei weitere hier gesetzte Filter bei 400 Hz und bei 7,4 kHz waren offensichtlich der Konstellation des Messaufbaus geschuldet.
Betrachtet man Lautsprecher und Controller zusammen, dann ergeben sich für eine einzeln Box daraus die Kurven aus Abb. 4.
Verzichtet man komplett auf den EQ, dann kommt es zu einem Einbruch von ca. 3 dB bei ca. 85 Hz und zu einem recht schnellen Abfall in den Höhen oberhalb von 10 kHz. Beides wird durch den EQ ausgeglichen, ebenso wie der Peak von 5 dB bei 820 Hz, der auf jeden Fall auch kompensiert werden sollte. Über alles betrachtet folgt daraus ein insgesamt gleichmäßiger Verlauf mit einem leichten Abfall zu den Tiefen und einem etwas stärkeren Rolloff in den Höhen. Man könnte hier also auch von einem typisch „englischen Frequenzgang“ sprechen, was auch nicht weiter verwundert, wenn das System von jemandem entwickelt wurde, der seit über 50 Jahren maßgeblich an der Entwicklung von Beschallungslautsprechern in UK beteiligt ist. Wie die EQs von Fall zu Fall einzustellen sind, ermittelt man am besten durch eine Messung vor Ort am jeweiligen System.
Der zugehörige Phasenverlauf aus Abb. 5 zeigt im Umfeld der Trennfrequenzen bei 400 Hz und 4,5 kHz jeweils eine 360° Drehung und weitere 2 × 360° zu den tiefen Frequenzen hin durch den elektrischen und akustischen Hochpass. Die Übergänge zwischen den Wegen bei 400 Hz und bei 4,5 kHz sind eine weitere Besonderheit der Systeme von Funktion-One, die zwei Vorteile erreichen. Der gesamte und wichtige Mitteltonfrequenzbereich wird von einem Weg ohne Trennung übertragen und durch die hohe Übergangsfrequenz zum Hochtöner kann dieser als echter Hochtöner optimiert werden, sodass man keine Kompromisse bezüglich Membrangröße und Belastbarkeit mehr machen muss.
Dass dieses Konzept aufgeht, beweist auch das Spektrogramm der Vero VX aus Abb. 6 mit einem nahezu resonanzfreien Ausschwingverhalten. Lediglich bei 260 Hz und bei 1,9 kHz ist ein etwas längeres Nachschwingen zu erkennen, was in Anbetracht der komplexen Konstruktion mit zwei verschachtelten Hörnern ein ausgezeichnetes Ergebnis ist.
Lautsprecher, die für das Zusammenspiel in einem Array konzipiert sind – unabhängig davon, wie man jetzt das Array nennt – müssen bei der Bewertung der Directivity nicht nur für sich betrachtet ihre Eigenschaften unter Beweis stellen, sondern auch im direkten Zusammenspiel mit weiteren Einheiten. Da die Vero VX als „Vertical Array“ definiert ist, werden hier die Isobaren zunächst für eine einzeln Box einmal in der horizontalen Ebene und einmal in der vertikalen Ebene gemessen und dann in einem zweiten Durchgang als vertikales Array mit drei Boxen und unterschiedlichen Winkeln von Box zu Box.
Die Messung in der Horizontalen liefern die Isobaren aus Abb. 7, wo sich die 90° Öffnungswinkel aus dem Datenblatt gut nachvollziehen lassen. Etwas ungewöhnlich ist die Sprungstelle bei 1 kHz, die durch das Mitteltonhorn (Foto links) verursacht wird, sich aber von dieser Stelle aus nicht erklären lässt. Die kleine Einschnürung bei 4,5 kHz ist dagegen leicht zu erklären, da hier auch die Trennfrequenz liegt und es abhängig vom horizontalen Winkel zu Auslöschungen kommen kann. Zu den tiefen Frequenzen hin bleibt der 90°-Öffnungswinkel bis ca. 200 Hz hinab erhalten, da durch die große Ausdehnung der Box in der Breite eine entsprechend große Strahlerfläche entsteht. Durch die weit auseinander liegenden Tieftöner entstehen allerdings auch die seitlichen Nebenmaxima bei ±120 und 350 Hz. In der Vertikalen stellt sich eine einzeln Vero VX erwartungsgemäß mit zu den hohen Frequenzen hin spitz zulaufenden Isobaren dar.
Anschließend wurden für die Array-Messungen drei Vero VX auf dem Drehteller platziert und mit Winkeln von Box zu Box von 0,25°, 5° und 12,5° gemessen (Foto 4). Die Flugmechanik ermöglicht insgesamt zehn Winkel von 0° bis 12,5° in kontinuierlich größer werdenden Stufen (Foto 3).
VX90
Abb. 9 zeigt mit drei Isobarengrafiken das daraus resultierende Verhalten. Unterhalb von 1 kHz hat der eingestellte Winkel des Arrays noch keinen großen Einfluss. Hier dominiert die Ausdehnung der Quelle insgesamt und führt mit zunehmender Größe des Arrays zu einem immer enger werdenden Beam.
Vertikale Isobaren
Oberhalb von 1 kHz kommt es zunächst zu mehr oder weniger ausgeprägten seitlichen Nebenmaxima, da die Mitteltonhörner hier noch zu sehr als Einzelsystem agieren und keine ganz perfekt kohärente Wellenfront abstrahlen. Zu den hohen Frequenzen hin entsteht eine Art Interferenzmuster, wie man es von gut zusammenspielenden Hörner im Array kennt. Ein Line-Array in dieser Größe würde in der 12,5° Einstellung nur zwei Minima zeigen, hier sind es jedoch vier. Die Welligkeiten über den Winkel betrachtet hallten sich jedoch in Grenzen und treten zudem nur bei maximalem Box-zu- Box-Winkel auf.
Der Maximalpegel eines Lautsprechers hängt primär von drei Eigenschaften ab: Der Sensitivity, d. h. wie gut setzt der Lautsprecher die ihm zugeführte elektrische in akustische Leistung respektive Schalldruck um, wie hoch ist der Lautsprecher belastbar und welche Verstärkerleistung steht tatsächlich zur Verfügung. Letzteres wird beim Einsatz großer Endstufen, wie der hier genutzten X8 von Powersoft, primär durch den Limiter zum Schutz der Lautsprecher begrenzt.
Für die Messungen zum Maximalpegel der Vero VX wurde zuerst das bekannte Verfahren mit Sinusburst- Signalen genutzt, bei dem für Frequenzen unterhalb von 300 Hz mit 683 ms langen Burst-Signalen gemessen wird und oberhalb von 300 Hz mit 171 ms langen Bursts. Bei tiefen Frequenzen bedarf es einer größeren Länge, um eine hinreichende Frequenzauflösung bei der Auswertung mit einer FFT zu erreichen. Ausgewertet werden bei dieser Messung die harmonischen Verzerrungen, für die Grenzwerte von maximal 3% und maximal 10% festgelegt wurden. Der bei diesen Verzerrungsgrenzwerten erreichte Schalldruckpegel bezogen auf 1 m Entfernung im Freifeld für den Vollraum ergibt dann den finalen Messwert. Wenngleich diese Messung, für die in der praktischen Anwendung erreichbaren Werte, nicht so aussagekräftig ist, eignet sie sich jedoch gut, um Schwachstellen aufzuzeigen.
Abb. 10 zeigt die mit dieser Messmethode von einer einzelnen Vero VX erreichten SPL-Werte. Die Tieftöner starten ab 60 Hz aufwärts bei ca. 120 dB und steigern sich bis auf 130 dB, wo der Mitteltöner übernimmt und das 130 dB Niveau über seinen gesamten Arbeitsbereich fortsetzt. Im Frequenzbereich des Hochtöners fällt der erreichbare Maximalpegel dann wieder bis auf 120 dB bei 10 kHz ab. Schwachstellen gibt es in der 10% Kurve keine. Die blaue 3%-Kurve weist jedoch einen Einbruch bei 400 Hz auf, der sich in seiner Steilheit und Tiefe von dieser Stelle aus nicht erklären lässt. Vermutlich handelt es sich um eine mechanische Resonanz oder ein Problem des Treibers.
Die Abbildungen 11, 12 und 14 zeigen die zweite Messreihe zum Thema Maximalpegel mit einem Multisinussignal, das eine spektrale Verteilung nach EIA-426B für ein mittleres Musiksignal (grüne Kurve) und einen Crestfaktor von 12 dB aufweist. Diese Art der Messung spiegelt somit einen sehr realistischen Belastungszustand wider. Der hier gemessene Verzerrungswert erfasst sowohl die mit diesem Signal entstehenden harmonischen Verzerrungen (THD) wie auch die Intermodulationsverzerrungen (IMD). Beides zusammen wird auch als Total Distortions TD = THD + IMD bezeichnet.
Als Abbruchkriterium kann neben einem Grenzwert für den TD-Wert bei dieser Messung auch die Signalkompression ausgewertet werden. Man startet dazu die Messreihe zunächst mit einem geringen Pegel im linearen Arbeitsbereich des Lautsprechers, bei dem noch keine Signalkompression auftritt. Von diesem Wert ausgehend wird der Pegel dann in 1-dB-Schritten erhöht. Irgendwann folgt der Lautsprecher diesen Pegelerhöhungen entweder breitbandig oder auch nur in einzelnen Frequenzbändern nicht mehr. Als Grenzwerte für die dann auftretende Signalkompression wurde definiert, dass die Pegelverluste breitbandig nicht mehr als 2 dB betragen dürfen und in einzelnen Frequenzbändern nicht mehr als 3 dB.
Die Begriffe Signalkompression oder Powercompression mögen an dieser Stelle etwas verwirrend wirken, da sie sonst im Zusammenhang mit thermischen Effekten bei Lautsprecher verwendet werden. Diese werden bei der Multitonmessung selbstverständlich auch erfasst, aber zusätzlich auch noch diverse andere Effekte wie Limiter, Begrenzung durch die Endstufen oder Netzteile und vieles mehr. Alternativ könnte man daher auch von Abweichungen vom linearen Verhalten oder Nichtlinearitäten sprechen.
Für die Kurven aus Abb. 11 wurde die Messreihe im linearen Arbeitsbereich des Lautsprechers bei einem Eingangspegel der Endstufe von -20 dBu und einem auf 1 m bezogenen Schalldruck von 104 dB gestartet und dann zunächst in 2 dB und später in 1-dB-Schritten gesteigert. Der Grenzwert von mehr als 2 dB Abweichung wurde dann bei +1 dBu Eingangspegel überschritten (rote Kurve). Zur Auswertung kam somit die Messung mit 0 dBu Eingangspegel (grüne Kurve). Der dabei gemessene Pegel bezogen auf 1 m betrug 122,6 dB. Rein rechnerisch betrachtet hätte man 124 dB erwartet. Der Spitzenpegel bei dieser Messung für eine Vero VX betrug 135,5 dB und die Gesamtverzerrungen lagen bei -26 dB (5%). Abb. 12 zeigt die Spektren dieser Messung mit dem Anregungssignal (grün), dem gemessen Schalldruck und den daraus extrahierten Verzerrungsanteilen (blau) mit einzelnen Frequenzlinien und in 1/6 Oktav Bandbreite aufsummiert.
Maximalpegel
Vergleicht man die Werte mit denen, die von der EASE-Simulationsdatei (GLL-File) für diesen Signaltyp berechnet werden, dann liegt der dort ausgewiesene Wert bei 129,2 dB. Der Wert liegt 6 dB unter dem gemessenen Spitzenpegel, was darauf hindeutet, dass die Leistungsangaben in der GLL sich auf ein Signal mit 6 dB Crestfaktor (Werte nach AES) beziehen. Benutzt man die GLL für Signal mit einem höheren Crestfaktor, dann müssen zur Berechnung des erzielbaren Mittelungspegels entsprechende Abschläge gemacht werden. Für ein Signal mit 12 dB Crestfaktor wären das 6 dB.
In einer zweiten Messreihe wurde die Multitonmessung für ein Array aus drei Vero VX wiederholt. Der Box-zu-Box- Winkel war dabei auf 0,5° eingestellt. Die damit erreichten Pegelwerte (Abb. 14) lagen erwartungsgemäß ca. 10 dB über denen der einzelnen Vero VX.
Für die Lautsprecher von Funktion-One gibt es die eigene Projection-Software, in der sich Hörerflächen einer Halle oder Geländes mit dem Mapping des Direktschallpegels in einfacher Weise darstellen lassen. Neben den akustischen Eigenschaften zeigt die Software auch mechanische Daten mit Gewichten, Ausrichtung und Pick Point Load etc.
Eine weitere Besonderheit des Vero VX ist das patentierte Lambda Rigging. Transport, Montage und auch die Winkelvoreinstellungen erfolgen grundsätzlich am noch geradestehenden oder hängenden Array. Das komplette Array hängt dann zunächst noch gerade und wird anschließend über eine hintere Kette oder Spanngurt vom Flugrahmen zur untersten Box in die gewünschte Position gezogen. Die Winkeleinstellung an den einzelnen Boxen sind somit als Anschläge zu verstehen, die sich einstellen, wenn das Array komprimiert wird. Änderungen sind daher leicht durchzuführen, wenn man das Array entlastet, die Winkel neu einstellt und wieder komprimiert. Michael Barowski nennt die Handhabung daher im Vergleich als „geschmeidig“.
Für das Lambda-System gibt es zwei Flugvorrichtungen, die jeweils aus einem Beam und einem Frame bestehen. Der Frame (Querträger) in der Breite eines Lautsprechers wird auf dem obersten Lautsprecher befestigt und anschließend mit zwei Pins am Beam (Längsträger) angebracht. Den Beam dazu gibt es in zwei Varianten als einfachen Fixed Point Beam und als Moving Point Beam. Der Fixed Point entspricht dem üblichen Standard, mit einer Reihe von Pick Points an der Oberseite, von denen einer oder zwei genutzt werden. Der untere Frame kann in zwei möglichen Positionen am Beam montiert werden. Der Moving Point Beam verfügt nur über einen mittig angeordneten Pick Point. Über einen integrierten Motor kann der jetzt an einem Schlitten montiert Frame verschoben werden, womit sich der Schwerpunkt des Arrays in Relation zum Pick Point verschiebt und sich die Neigung ändert. Das ganze Array kann so ferngesteuert ausgerichtet werden. Damit das auch exakt gelingt, gibt es den Vero Laser Pod mit Inklinometer, der auf dem Frame angebracht wird.
Für den Transport und die Aufstellung als Ground-Stack bietet Funktion-One den Ground Stack Dolly an. Der dem Gewicht der Vero VX angemessen massiv konstruierte Dolly kann für den Transport eines Arrays mit bis zu vier Einheiten genutzt werden. Passende Öffnungen auf der Unterseite ermöglichen auch den sicheren Transport auf einem Gabelstapler. Soll der Dolly als Ground-Stack-Plattform genutzt werden, dann muss dieser mit vier Auslegern bestückt werden, die dann einen sicheren Stand für Arrays mit bis zu sechs Einheiten ermöglichen.
Der deutsche Funktion-One Vertrieb Bentin Projects aus Wuppertal nennt aktuell folgende Nettopreise für das Vero VX System und Zubehör:
Für den Hörtest wurde zusammen mit James Hipperson und Benedikt Koch eine kleines Stereo-Setup im reflexionsarmen Raum aufgebaut, womit man sich zumindest einen ersten Eindruck verschaffen konnte, der sich schon nach kurzer Zeit als beeindruckend gut herausstellte und über die gesamte Hörsession unvermindert erhalten blieb.
Tonal spielten die Vero VX unabhängig vom Musikmaterial sehr ausgeglichen mit tief reichenden Bässen und feinen Höhen. Die hohe Dynamik in der Wiedergabe vermittelte zudem ein echtes Live Gefühl, ohne dabei jemals aufdringlich zu wirken. Der Hörtest mit diesem Mini-Setups weckte die Neugierde, wie es denn in groß wohl klingen mag. Die Gelegenheit dazu gibt es beispielsweise beim Funktion-One Demotag am 21. April 2023 im Moviepark Bottrop, wo man neben dem Vero VX auch das neue Evo X live erleben kann. (An dieser Stelle auch herzlichen Dank an Michael Barowski für die Unterstützung beim Test mit Material und guten Ratschlägen zu später Stunde.)
Mit dem Vero VX90 bringt der englische Hersteller Funktion-One eine kompakte Version seines großen Vero- Systems auf den Markt, das als „Vertically Arrayable Loudspeaker“ bezeichnet wird. Trotz der optischen Ähnlichkeit handelt es sich nicht um ein Line-Array im eigentlichen Sinne, da die koaxiale Mittelhochtoneinheit nicht als Linienquelle, sondern als vertikal eng abstrahlendes Horn konstruiert ist.
Das voll aktive 3-Wege System arbeitet mit speziell für Funktion-One konstruierten Treibern, die auf eine hohe Sensitivity hin optimiert sind und daher auch mit weniger Verstärkerleistung betrieben werden können. Alle Wege sind als 16-Ω-Systeme definiert, so dass im Extremfall bis zu acht Einheiten parallel betrieben werden können. Der mit einem großen Horn arbeitende 8“-Mitteltöner deckt, typisch für Funktion-One, den gesamten Bereich von 400 Hz bis 4,5 kHz ab und erlaubt es so, diesen wichtigen Frequenzbereich ohne Trennung aus einer Quelle zu übertragen. Gleichzeitig kann sich der Hochtöner auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Messtechnisch und auch im Höreindruck geht dieses etwas spezielle Konzept voll auf. Beeindruckend sind die mit geringen Verzerrungen erreichbaren Pegelwerte und der auch ganz ohne EQs in den Ausgängen schon ausgeglichene Frequenzgang, der dann nur noch das eine oder andere Filter als Array-EQ abhängig von der Konfiguration und Positionierung benötigt. Das alles spiegelt sich auch im Höreindruck wider, der mit einer tonal ausgeglichenen und sehr dynamischen Widergabe voll zu überzeugen wusste.
Mit dem patentierten Lambda Rigging gibt es einfach zu handhabendes und sehr flexibel einsetzbares Zubehör sowohl für den Flugbetrieb wie auch für Groundstacks. Die Preise sind marktüblich, so dass sich für größere Mengen der Vero VX90 mit Rigging-Zubehör und Endstufen schon eine beachtliche Summe ergeben kann. Mit der Marke Funktion-One im Hintergrund und der Gewissheit ein System abseits modischer Trends zu haben, dürfe es sich jedoch um eine gute Investition handeln.